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Abbruch von Vertragsverhandlungen über Grundstückskauf – Schadensersatzanspruch

Kirchenvorstand bricht Grundstückskauf ab – Klägerin scheitert mit Schadensersatzklage

Beim Kauf und Verkauf von Immobilien spielen Vertragsverhandlungen eine zentrale Rolle. Sie legen den Grundstein für die Übereinkunft zwischen den Parteien und definieren die Modalitäten der Transaktion. Ein Abbruch dieser Verhandlungen kann zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen, besonders dann, wenn eine Seite behauptet, es seien bereits Verpflichtungen eingegangen oder Erwartungen geschaffen worden, die einen Anspruch auf Schadensersatz begründen könnten. Hierbei kommt dem zivilrechtlichen Konzept des Vertrauensschadens eine besondere Bedeutung zu. Es stellt sich die Frage, inwieweit eine Partei auf die Fortführung der Verhandlungen und den Abschluss eines Vertrages vertrauen darf und welche Rechtsfolgen sich aus einem Vertrauensbruch ergeben können.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.:1 O 34/17   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Urteil des LG Bonn stellt klar, dass ohne vorvertragliche Pflichtverletzung der beklagten Partei kein Schadensersatzanspruch der klagenden Partei aufgrund des Abbruchs von Vertragsverhandlungen besteht.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Abweisung der Klage: Die Klägerin erhält keinen Schadensersatz für den Abbruch der Vertragsverhandlungen über einen Grundstückskauf.
  2. Kostenauferlegung: Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Vorvertragliche Pflichtverletzung nicht gegeben: Das Gericht erkennt keine schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Pflichten durch die Beklagte an.
  4. Vertragsabschlussfreiheit: Die Möglichkeit, Vertragsverhandlungen jederzeit abzubrechen, wird als Grundprinzip bestätigt, sofern kein verbindlicher Vorvertrag besteht.
  5. Kein qualifizierter Vertrauenstatbestand: Das Gericht sieht keinen qualifizierten Vertrauenstatbestand durch die Beklagte als gegeben, welcher einen Schadensersatzanspruch rechtfertigen würde.
  6. Fehlende haftungsausfüllende Kausalität: Es besteht kein direkter Zusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung und dem behaupteten Vermögensschaden.
  7. Eigene Risikoübernahme der Klägerin: Die Klägerin handelte auf eigenes Risiko, insbesondere beim Verkauf einer anderen Immobilie zur Finanzierung des Kaufpreises.
  8. Überwiegendes Mitverschulden der Klägerin: Das Gericht erwägt ein überwiegendes Mitverschulden der Klägerin, welches eine Haftung der Beklagten ausschließt.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) dargelegt, insbesondere in den Paragraphen, die das Schuldverhältnis bei Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 BGB) und die damit verbundenen Pflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) regeln. Eine Haftung für den Abbruch von Vertragsverhandlungen setzt dabei nicht nur die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes voraus, sondern auch, dass dieser ohne triftigen Grund und schuldhaft zerstört wird. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gewährleistet indes, dass Vertragsverhandlungen grundsätzlich jederzeit und ohne Angabe von Gründen beendet werden können. Dies bildet die Grundlage für die Beurteilung, inwieweit Pflichtverletzungen vorliegen und ob ein Anspruch auf Schadensersatz besteht.

In der juristischen Bewertung solcher Fälle ist der Blick auf die spezifischen Umstände des Einzelfalls von entscheidender Bedeutung. Es geht um die Auslegung von Kommunikation und Handlungen der Parteien, die Prüfung von Zustimmungserfordernissen und die Bewertung, ob und inwiefern ein schützenswertes Vertrauen entstanden ist. Diese Aspekte sind entscheidend, um zu beurteilen, ob und in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch gerechtfertigt ist.

Beginn der Vertragsverhandlungen und Zusagen

Die rechtliche Auseinandersetzung dreht sich um den Abbruch von Vertragsverhandlungen über den Kauf eines Grundstücks, das sowohl mit dem historischen „D-Haus“ als auch einem alten Pastorat bebaut ist. Die Klägerin, deren Identität im vorliegenden Urteil nicht offengelegt wird, sieht sich durch die Handlungen der Beklagten, einer kirchlichen Institution, deren Kirchenvorstand als Verhandlungspartner auftrat, in ihren Rechten verletzt. Die Verhandlungen, die bereits im Dezember 2010 begannen, scheinen mehrere Stadien durchlaufen zu haben, einschließlich der Übermittlung eines Wertgutachtens und diverser Schriftwechsel, die auf eine baldige Einigung hindeuteten. Es gab augenscheinlich Zusagen seitens der Beklagten und konkrete Schritte, die auf eine baldige Vertragsunterzeichnung hindeuteten.

Unerwartete Wendung und Schadensersatzforderung

Der Fall nimmt jedoch eine Wende, als die Beklagte beschließt, das Grundstück an einen Dritten zu veräußern, nachdem bereits ein Angebot der Klägerin vorlag und scheinbar Zusagen gemacht wurden. Dies führt zu einer tiefen Enttäuschung aufseiten der Klägerin und zu dem Vorwurf, man habe auf die Zusage der Beklagten vertraut und sogar ein anderes Grundstück verkauft, um die finanziellen Mittel für den Erwerb bereitzustellen. Die Klägerin fordert daher Schadensersatz für das negative Interesse, also die Differenz zwischen dem Verkaufserlös ihrer anderen Immobilie und deren tatsächlichem Wert, welche sie mit 230.000 EUR beziffert.

Juristische Bewertung und Gerichtsentscheidung

Rechtlich betrachtet liegt die Herausforderung des Falles in der Frage der vorvertraglichen Pflichtverletzung. Die Klägerin argumentiert, dass durch die Verhandlungen und Zusagen der Beklagten ein Schuldverhältnis mit entsprechenden Obhuts- und Verhaltenspflichten entstanden ist. Sie wirft der Beklagten vor, diese Pflichten schuldhaft verletzt zu haben, indem die Verhandlungen ohne triftigen Grund abgebrochen wurden.

Implikationen des Urteils und rechtliche Konsequenzen

Das Landgericht Bonn folgt dieser Argumentation jedoch nicht. In seiner Entscheidung legt das Gericht dar, dass das Recht, Vertragsverhandlungen abzubrechen, grundsätzlich bis zur Entstehung einer rechtlichen Bindungswirkung gegeben ist. Eine Schadensersatzpflicht aufgrund einer Pflichtverletzung kommt demnach nur in Betracht, wenn ein Verhandlungspartner das Vertrauen der anderen Seite in den Vertragsschluss in qualifizierter Weise geschaffen hat. Im vorliegenden Fall sah das Gericht keine schwerwiegende oder vorsätzliche Treuepflichtverletzung durch die Beklagte. Es wurde festgestellt, dass die Beklagte lediglich eine Prognose über eine mögliche Entscheidung abgegeben hat und dass eine endgültige Zustimmung des Generalvikariats, die für eine rechtlich wirksame Verpflichtung notwendig gewesen wäre, noch ausstand.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt, und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, was bedeutet, dass die Beklagte bei einem Rechtsmittel der Klägerin eine Sicherheitsleistung erbringen muss, um die Vollstreckung des Urteils zu gewährleisten.

Die Entscheidung des Gerichts spiegelt die Komplexität von Vertragsverhandlungen wider und unterstreicht die Bedeutung der Formvorschriften sowie die Notwendigkeit einer klaren und eindeutigen Kommunikation zwischen den Vertragsparteien. Es zeigt auch die Grenzen des Schadensersatzrechts auf und die hohen Hürden, die für einen Anspruch aufgrund abgebrochener Vertragsverhandlungen bestehen. Das Urteil hat weitreichende Implikationen für die Praxis der Vertragsanbahnung und kann als deutliche Erinnerung an die Bedeutung von Form und klarer Absprache im Vertragsrecht angesehen werden.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was umfasst der Begriff der vorvertraglichen Pflichtverletzung?

Der Begriff der vorvertraglichen Pflichtverletzung bezieht sich auf die schuldhafte Verletzung von Pflichten, die aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis entstehen. Ein solches Schuldverhältnis kann bereits bei der Anbahnung eines Vertrags oder bei ähnlichen geschäftlichen Kontakten entstehen. Die Pflichten im Rahmen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses umfassen in der Regel Informations- bzw. Auskunftspflichten sowie Schutz- und Obhutspflichten. In einigen Fällen kann sich auch eine gewisse Mitwirkungspflicht des anderen Verhandlungspartners ergeben.

Wird eine vorvertragliche Pflicht verletzt, kann dies verschiedene Folgen haben. Eine Möglichkeit ist, dass der Vertrag gar nicht erst zustande kommt. Kommt es dennoch zum Vertragsschluss, kann die Verletzung der vorvertraglichen Pflichten dazu führen, dass der Vertrag angefochten oder sogar aufgehoben wird. Außerdem können Schadensersatzansprüche gegen die pflichtverletzende Partei geltend gemacht werden. Für eine Haftung wegen culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss) müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, wie das Bestehen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses, die Verletzung einer aus diesem Schuldverhältnis entspringenden Pflicht und das Verschulden des Schuldners.

Inwiefern beeinflusst das Fehlen der haftungsausfüllenden Kausalität den Anspruch auf Schadensersatz?

Die haftungsausfüllende Kausalität ist ein entscheidender Faktor im Schadensersatzrecht. Sie stellt eine Verbindung zwischen dem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten des Schädigers und dem eingetretenen Schaden her. Wenn diese Kausalität fehlt, kann das den Anspruch auf Schadensersatz erheblich beeinflussen.

Gemäß § 823 Abs. 1 BGB führt ein deliktisches Verhalten zu einem Schadenersatzanspruch des Geschädigten. Dieser Anspruch setzt voraus, dass ein Schaden entstanden ist, der durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Schädigers verursacht wurde. Wenn die haftungsausfüllende Kausalität fehlt, bedeutet das, dass der eingetretene Schaden nicht durch das Verhalten des Schädigers verursacht wurde. In diesem Fall wäre der Schädiger nicht zum Schadenersatz verpflichtet.

Die haftungsausfüllende Kausalität ist auch wichtig für die Bestimmung des Umfangs des Schadenersatzes. Der Schädiger ist verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ohne die haftungsausfüllende Kausalität wäre es schwierig, diesen hypothetischen Zustand zu bestimmen und den entsprechenden Schadenersatz zu berechnen.

Darüber hinaus ist die haftungsausfüllende Kausalität auch für die Beweislast im Schadensersatzrecht relevant. Der Geschädigte muss nachweisen, dass der Schaden durch das Verhalten des Schädigers verursacht wurde. Ohne die haftungsausfüllende Kausalität wäre dieser Nachweis nicht möglich, was den Anspruch auf Schadensersatz ebenfalls beeinträchtigen würde.

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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Fehlen der haftungsausfüllenden Kausalität den Anspruch auf Schadensersatz erheblich beeinflussen kann. Es kann dazu führen, dass kein Schadenersatzanspruch besteht oder dass der Umfang des Schadenersatzes reduziert wird. Es kann auch die Beweislast im Schadensersatzrecht beeinflussen.


Das vorliegende Urteil

LG Bonn – Az.: 1 O 34/17 – Urteil vom 30.06.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verschuldens bei der Vertragsanbahnung betreffend den Erwerb des mit dem sogenannten „D“ und einem alten Pastorat bebauten Grundstückes I-Straße, … und … in der Stadt U in Anspruch.

Bereits im Dezember 2010 begannen Verhandlungen über den Erwerb dieser Immobilie mit dem Kirchenvorstand der Beklagten. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dabei die Klägerin als (alleinige) Kaufinteressentin aufgetreten ist oder ihr früher im Kirchenvorstand und als Ingenieur tätiger Ehemann, der Zeuge X.

Mit Schreiben vom 14.01.2011 (Bl…. d.A.) teilte Rechtsanwalt S als damaliges Kirchenvorstandsmitglied dem Zeugen X unter dem Betreff „Erhalt des D-Hauses“ unter anderem folgendes mit

Es würde mich freuen, kurzfristig von ihnen zu hören; grundsätzlich darf ich Ihnen mitteilen, dass es auch aus Sicht des Kirchenvorstandes wünschenswert wäre, wenn eine Lösung gefunden werden könnte, die zu einem Erhalt des D-Hauses führen würde.

Mit weiterem Schreiben vom 20.01.2011 übersandte Rechtsanwalt S dem Zeugen X ein Wertgutachten des Objektes zur Prüfung des Kaufpreises.

Am 02.05.2011 fand auf Einladung des Kirchenvorstandes im Pastoralbüro I zu diesem Thema ein Gespräch statt, an dem neben der Klägerin und dem Zeugen X der Kirchenvorstand der Beklagten sowie Herr L2 als Vertreter des Generalvikariates teilnahmen.

Mit Schreiben vom 31.05.2011 (Bl…. d.A.) teilte die Beklagte dem Zeugen X unter dem Betreff „Verkauf des D“ folgendes mit:

Der Kirchenvorstand wird in seiner Sitzung vom 22.06.2011 über Ihre Vorschläge beraten und eine Entscheidung herbeiführen. Wir werden unmittelbar im Anschluss an die Kirchenvorstandssitzung auf Sie zukommen und bekannt geben, welcher Ihrer Vorschläge unser Einverständnis findet.

Wir gehen davon aus, dass wir die Kaufangelegenheit in der darauffolgenden Woche kurzfristig durch Erstellung einer notariellen Vereinbarung abschließen können.

Mit weiterem Schreiben vom 11.07.2011 (Bl…. d.A.) teilte die Beklagte dem Zeugen X unter gleichem Betreff folgendes mit:

Der Kirchenvorstand hat in seiner Sitzung am 22.06.2011 über Ihre Vorschläge beraten und sich für Ihr Angebot I entschieden. Bitte vereinbaren Sie kurzfristig über Herrn S ( … ) einen Termin mit der Notarin ( … ).

Unter dem 06.09.2011 informierte die Beklagte den Zeugen X schriftlich über den Beschluss des Kirchenvorstandes, dass das D-Haus nunmehr an die K veräußert werden solle.

Hierauf antwortete der Zeuge X mit Schreiben vom 08.09.2011 (Bl…. – … d.A.) in dem es unter anderem heißt:

Seit heute Mittag, dem Erhalt des KV.-Schreibens vom 6.09.2011 ist nicht nur bei uns tief betrübte Stimmung; wir glauben so langsam, an J geht so „alles den Bach herunter“.

Obwohl wir die Zusage zum Kauf mit o.g. Schreiben vom 11. Juli 11 erhalten haben, erreicht uns heute ein Schreiben von vorgestern, vom 6.9.11, wonach mit einem einzigen Satz das Gegenteil mitgeteilt wird; nicht mehr wir, sondern die K der Käufer werden soll. (…)

Dies kann und wird hoffentlich nicht das letzte Wort sein ! ( … )

Unser erneuter Aufruf an Sie alle lautet: verkaufen Sie nicht an einen Investor, der das Haus samt Saal abreißt ! ( … )

Unter dem 01.12.2011 (Bl…. d.A.) erklärten die Klägerin und der Zeuge X gegenüber der Beklagten:

Wir bestätigen ( … ) den Kaufpreis für das D in Höhe von:

750.000,00 EUR

exakt identisch gemäß unserem Kaufangebot vom 24.10.2011. ( … )

Ihnen allen liegt unser Kaufangebot mit Konzepterstellung vom 24.10.2011 zuzüglich unser Schreiben an Herrn N vom 14.11.2011 (…) vor.

( … )

Über einen positiven Bescheid würden wir uns sehr freuen.

In der Folgezeit veräußerte die Beklagte das Grundstück an die K, die den Abriss des Gebäudes durchführte, um das Grundstück einer neuen Bebauung zuzuführen.

Die Klägerin behauptet, sie habe sich gegenüber der Beklagten für den Erwerb des Grundstückes beworben. Der Zeuge X habe sie lediglich fachlich unterstützt. Sie habe sich im Vertrauen auf eine Zusage der Beklagten dazu entschlossen, ein Grundstück in L2 zu verkaufen, um die notwendigen finanziellen Mittel für die Zahlung des Kaufpreises bereitzustellen. Im Hinblick auf die Dringlichkeit der Kaufpreisfinanzierung für den Erwerb des Grundstückes der Beklagten habe der Makler und Zeuge L den Verkauf der Immobilie in L2 betrieben und mit einem Kaufvertrag vom 21.12.2011 hierfür 1.120.000,00 EUR erzielt (vgl. Schreiben des Zeugen vom 18.12.2013 = Bl…. d.A.). Der objektive Verkehrswert der verkauften Immobilie habe bei 1.350.000,00 EUR gelegen.

Die Klägerin vertritt die Rechtsansicht dass Ihr die Beklagte zum Schadensersatz der Differenz von 230.000,00 EUR als negatives Interesse verpflichtet sei.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 230.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz hieraus seit dem 16.11.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behaupte, bei den Gesprächen über den Verkauf des D sei ausschließlich und ausnahmslos der Zeuge X im eigenen Namen aufgetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 230.000,00 EUR nebst Zinsen aus den hier allein in Betracht kommenden §§ 280 Abs.1, 311 Abs.2 Ziffer 1., 241 Abs.2, 249f. BGB. Denn eine vorvertragliche Pflichtverletzung der Beklagten, die geeignet wäre, einen Schadensersatzanspruch der Klägerin zu begründen, liegt nicht vor.

Zwar begründen schon die aufgenommenen Vertragsverhandlungen mit dem klägerseits behaupteten Inhalt ein Schuldverhältnis der Parteien (§ 311 Abs.2 Ziffer 1. BGB) mit daraus resultierenden Obhuts- und Verhaltenspflichten im Sinne von § 241 Abs.2 BGB. Auch führen die Verhandlungen der Beklagten über privatrechtliche Grundstückskaufverträge unter Umständen zu einer sich nach diesen Vorschriften richtenden zivilrechtlichen Haftung (vgl. Staudinger/Feldmann/Löwisch, BGB, 2012, § 311 Rd.100).

Die Beklagte hat indes keine ihr gegenüber der Klägerin oder dem Zeugen X obliegenden vorvertraglichen Verhaltenspflichten schuldhaft verletzt.

Denn es steht außerhalb der rechtlichen Bindungswirkungen an einen Antrag (§ 145 BGB) oder aus einem Vorvertrag grundsätzlich jeder Partei frei, aufgenommene Vertragsverhandlungen jederzeit wieder abzubrechen (BGH NJW 2013, 928, 929; BGH NJW 1996, 1884, 1885; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. 2017, § 311 Rd.30; Kaiser JZ 1997, 449, 450). Aus diesem Grundsatz der Vertragsabschlussfreiheit folgt, dass eine schadensersatzbewehrte Verletzung der sich aus § 241 Abs.2 BGB ergebenden Rücksichtnahmepflichten nur dann vorliegt, wenn ein Verhandlungspartner in Bezug auf die Erwartungen der anderen Partei in zurechenbarer Weise einen qualifizierten Vertrauenstatbestand geschaffen hat, insbesondere den künftigen Vertragsabschluss als sicher dargestellt hat, und die Vertragsverhandlungen sodann ohne triftigen Grund abbricht (vgl. Gehrlein/Sutschet in Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, 42. Edit. 2017, § 311 Rd.57; Palandt/Grüneberg, aaO., § 311 Rd.30ff. jeweils m.w.N.).

Für den vorliegenden Fall des Abbruchs von Vertragsverhandlungen in Bezug auf einen nach § 311b Abs.1 BGB formpflichtigen Vertrag gelten sogar noch engere Haftungsvoraussetzungen, weil diese Formvorschriften dem Schutz beider Vertragsparteien vor übereilten Grundstücksgeschäften dienen (vgl. MüKo/Kanzleiter, BGB, 7. Aufl. 2016, § 311b Rd.1). Dieser Schutzzweck darf durch die Zubilligung eines Anspruches auf Ersatz eines Vertrauensschadens, der einem Zwang zum Vertragsschluss gleichkommen würde, nicht überspielt werden (BGH NJW 2013, 928, 929 Rd.8; BGH NJW 1996, 1884, 1885). Deshalb setzen Schadensersatzansprüche wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen bei formwirksamen Grundstücksgeschäften über die eingangs formulierten Anspruchsvoraussetzungen hinaus noch voraus, dass ein schwerwiegender Treuepflichtenverstoß und/oder ein vorsätzliches Verhalten der die Verhandlungen abbrechenden Partei vorliegen muss (vgl. BGH, aaO.; MüKo/Emmerich, aaO., § 311 Rd.175 und Rd.177; Palandt/Grüneberg, aaO., § 311 Rd.31; einen Anspruch insgesamt verneinend: Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 19. Aufl. 2010, Rd,.107). Diese Voraussetzungen sind hier insgesamt nicht erfüllt:

Ein schwerwiegender und/oder vorsätzlicher Treuepflichtenverstoß der Beklagten ist nicht ersichtlich. Das von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruches herangezogene Schreiben vom 31.05.2011 enthält ausdrücklich nur eine Prognose über das Ergebnis der am 22.06.2011 herbeizuführenden Entscheidung des Kirchenvorstandes und die sich daraus voraussichtlich ergebende weitere Verfahrensweise. Zu dem mit Schreiben vom 11.07.2011 angeregten Notartermin kam es offensichtlich nicht. Über die Gründe hierüber ist dem Gericht nichts bekannt. Nachdem auch zu diesem Zeitpunkt die erforderliche Zustimmung des Generalvikariates noch nicht vorlag, war zu diesem Zeitpunkt für alle Beteiligten erkennbar, dass die Voraussetzungen für eine rechtlich wirksame Verpflichtung der Beklagten noch geschaffen werden mussten. Dass der Klägerin beziehungsweise dem Zeugen X dieses Zustimmungserfordernis bekannt gewesen ist, hat die Beklagte auf Seite 4 der Klageerwiderung unwidersprochen vorgetragen (§ 138 Abs.3 ZPO).

Im Anschluss an die vorstehenden Erwägungen fehlt es auch an der weiteren Anspruchsvoraussetzung des Abbruchs der Vertragsverhandlungen durch die Beklagte ohne triftigen Grund. Denn das offensichtlich mit Zustimmung des Generalvikariates bevorzugte abweichende Nutzungskonzept der K trägt einen derartigen triftigen Grund, weil hierfür schon im Interesse der Vertragsabschlussfreiheit nur geringe Anforderungen bestehen (vgl. Gehrlein/Sutschet, aaO., § 311 Rd.61). Es genügt jeder vernünftige Grund für den Abbruch der Vertragsverhandlungen wie beispielsweise die Erzielung eines preislich besseren Angebotes (BGH, Urteil vom 10.01.1996 – VIII ZR 327/94 – juris Rd.18 = DStZ 1996, 122; MüKo/Emmerich, aaO., § 311 Rd.175; Palandt/Grüneberg, aaO., § 311 Rd.32 jeweils m.w.N.).

Schließlich fehlt es für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin an dem erforderlichen haftungsausfüllenden Zurechnungszusammenhang zwischen einer – hier bereits nicht gegebenen – Pflichtverletzung der Beklagten und dem behaupteten Vermögensschaden in Höhe von 230.000,00 EUR.

Denn die haftungsrechtliche Ursächlichkeit ist hier schon in Anbetracht des zeitlichen Geschehensablaufes ausgeschlossen, weil die Klägerin beziehungsweise der Zeuge X spätestens mit Erhalt der Mitteilung der Beklagten vom 06.09.2011 nicht mehr auf den Abschluss eines (notariellen) Kaufvertrages vertrauen konnten und vertrauen durften. Die im Tatbestand zitierte Rückantwort der Zeugen X sowie das Schreiben der Klägerin und des Zeugen vom 01.12.2011 einschließlich des dort erwähnten ergänzenden Konzeptes vom 24.10.2011 belegen vielmehr, dass die Entscheidungsträger auf Seiten der Beklagten aus Sicht der Klägerin noch einmal umgestimmt werden sollten. Mit dem behaupteten Verkauf ihrer L2er Immobilie durch Vertrag vom 21.12.2011 handelte die Klägerin deshalb aus eigenem Entschluss und auf eigenes Risiko, da für sie bei Abschluss dieses Vertrages keine Grundlage dafür bestand, auf das Zustandekommen eines Kaufvertrages mit der Beklagten zu vertrauen (vgl. dazu auch – unter dem Aspekt getätigter Aufwendungen – BGH NJW 1980, 1683f.; BGH WM 1976, 923f.).

Gleiches gilt unter dem Aspekt eines die Haftung der Beklagten vor diesem Hintergrund ohnehin ausschließenden ganz überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin (§§ 254 Abs.1 und Abs.2, 242 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Streitwert: 230.000,00 EUR.

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