Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 7 U 115/11 – Urteil vom 29.02.2012
Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.08.2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Zweitinstanzlich meint die Beklagte in erster Linie, zwischen ihr und der Versicherten der Klägerin habe ein stillschweigender Haftungsausschluss vorgelegen, der einer Schadensersatzpflicht wegen des Sturzes der Versicherten der Klägerin von dem Pferd der Beklagten entgegenstehe.
II.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Ein konkludenter bzw. stillschweigender Haftungsausschluss kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH VI ZR 28/08, Urteil vom 10.02.2009) nur ausnahmsweise und bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht; hergeleitet wird ein derartiger Haftungsausschluss im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB. Dabei ist Voraussetzung in erster Linie, dass der Schädiger, wäre die Rechtslage vorher zur Sprache gekommen, einen Haftungsverzicht gefordert und sich der Geschädigte dem ausdrücklichen Ansinnen einer solchen Abmachung billigerweise nicht hätte versagen dürfen, wobei diese Voraussetzung regelmäßig schon fehlt, wenn der Schädiger gegen Haftpflicht versichert ist. Denn eine Haftungsbeschränkung, die nicht den Schädiger, sondern nur den Haftpflichtversicherer entlastet, entspricht in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten (BGH a. a. O.).
Irgendwelche besonderen Umstände, die einen Haftungsverzicht als besonders naheliegend erscheinen lassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich; vielmehr erfolgte der Proberitt der Versicherten der Klägerin mit dem Pferd der Beklagten auf Anregung des Zeugen S., des Sohnes der Beklagten, mit dem Ziel, dass die Versicherte der Klägerin eine Reitbeteiligung an dem Pferd der Beklagten erwerben sollte. Insofern hatte die Beklagte ein auch wirtschaftliches Interesse an dem Proberitt, so dass schon von daher die Annahme eines Haftungsausschlusses, insbesondere eines konkludenten, eher fernliegt. Hinzu kommt, dass ein solcher konkludenter Haftungsausschluss allein dem hinter der Beklagten stehenden Haftpflichtversicherer zu Gute käme, die Beklagte selbst vom Vorliegen oder Nichtvorliegen eines solchen weder positiv noch negativ betroffen ist.
Allein die wohl nur vage Auffassung der Zeugen P. – der Versicherten der Klägerin -, dass es in Reiterkreisen üblich sei, beim Reiten auf einem fremden Pferd den Halter im Falle eines Unfalles nicht in Anspruch zu nehmen, reicht zur Begründung eines konkludenten Haftungsausschlusses keinesfalls aus; vielmehr hat der Bundesgerichtshof (vgl. beispielsweise BGH VI ZR 49/91, Urteil vom 09.06.1992) selbst in Fällen, in denen das Reiten auf einem fremden Pferd ganz überwiegend im Interesse des Reiters lag, einen stillschweigenden Haftungsausschluss zugunsten des Tierhalters gleichwohl verneint.
Der Senat sieht keinen Anlass – insbesondere nicht in dem vorliegenden Fall -, von den gefestigten Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen.
Auch soweit die Beklagte meint, die Zeugin P. treffe ein erhebliches oder gar weit überwiegendes Mitverschulden, kann sie damit nicht durchdringen.
Denn ein Mitverschulden der Zeugin P. an ihrem Sturz ist weder dargelegt noch gar bewiesen.
Über § 254 Abs. 1 BGB können als Mitverschulden nur vorwerfbare Fehler beim Reiten berücksichtigt werden; soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang meint, § 834 BGB sei entsprechend anzuwenden, vermag der Senat auch dem nicht zu folgen. Zwar muss derjenige, der die Obhut über ein Tier übernommen hat, die Vermutung gegen sich gelten lassen, dass ihn im Schadenfalle ein Verschulden trifft und dieses Verschulden für den Schaden ursächlich geworden ist. Tierhüter kann dabei auch der Reiter sein.
Hier fehlt es indes schon an einer Übernahme der Aufsicht über das Pferd durch die Zeugin P.; denn es verhielt sich unstreitig so, dass der Sohn der Beklagten – der auch ansonsten überwiegend mit dem Tier befasst war – vor Ort war, als die Zeugin P. ritt und zu Fall kam. Von einer Obhutübernahme durch die Zeugin kann mithin nicht die Rede sein, vielmehr bleibt es bei der üblichen Beweislastverteilung im Rahmen des § 254 BGB.
Die schlichte Tatsache, dass die Zeugin P. nach zwanzigjähriger Reitabstinenz ihre reiterlichen Fähigkeiten überschätzt hatte, stellt kein „Verschulden gegen sich selbst“ dar. Denn es bestand für die Zeugin kein Anlass zu der Annahme, dass sie das Pferd nicht würde beherrschen können, galt es doch – unstreitig – als gutwillig und leicht zu führen, zumal es auch als Fahrpferd eingesetzt worden war und normalerweise entsprechend auf Kommandos reagierte. Dass die Zeugin sich ganz bewusst in eine Gefahrenlage begeben hätte, ist hingegen weder dargetan noch ersichtlich.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.