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Totalschaden nach Verkehrsunfall und MwSt. nach neuem Recht

Amtsgericht Suhl

Az: 5 C 132/03

Urteil vom: 08.07.2003


In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Suhl auf Grund mündlicher Verhandlung vom 25.5.2003 für Recht erkannt :

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 849,22 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 04.01.2003 zu zahlen.
2. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300.00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 21.11.2OO2 gegen 14.35 Uhr in der Würzburger Strasse in Suhl geltend. Die KIägerin ist Eigentümerin und Halterin des PKW Honda Civic mit dem amtlichen Kennzeichen XX. Der Beklagte zu 1) war Halter und Fahrer des bei der Beklagten zu 2) zum Zeitpunkt haftpflichtversicherten PKW Rover mit dem amtlichen Kennzeichen XX.

Die alleinige Haftung der Beklagten für die durch den Unfall aufgetretenen Schäden am Fahrzeug der Klägerin ist unstreitig.

Laut Gutachten der DEKRA Automobil GmbH Niederlassung Suhl vom 26.11.2002 betragen die Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer 3.082,28 EUR, inklusive Mehrwertsteuer 3.575,44 EUR. Der Wiederbeschaffungswert beträgt inklusive Mehrwertsteuer 3.200 EUR. Der Restwert wurde mit 220 EUR ermittelt.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte zu 2) sei von einem wirtschaftlichen Totalschaden ausgegangen und habe aus dem Wiederbeschaffungswert in Höhe von 3.200 EUR einen abstrakten Nettowiederbeschaffungswert in Höhe von 2.758,62 EUR errechnet. Sie sei in unzulässiger Weise davon ausgegangen, dass in dem von der DEKRA festgestellten Wiederbeschaffungswert eine 16 %-ige Mehrwertsteuer enthalten sei. Darüber hinaus habe die Beklagte zu 2) behauptet, einen Restwertaufkäufer der über den im Gutachten enthaltenen Restwert in Höhe von 220 EUR hinaus ein Restwertangebot in Höhe von 500 EUR unterbreitet habe, benannt. Aufgrund dessen habe die Beklagte zu 2) die Unfallschäden mit einem Wiederbeschaffungswert -netto – von 2.758,62 EUR abzüglich eines Restwertes von 500 EUR, somit 2.258,62 EUR errechnet und diesen Betrag an die Klägerin gezahlt.

Die Berechnung sei unzutreffend. Vielmehr begehre die Klägerin die Schadensregulierung entsprechend der Reparaturkosten (netto) von 3.082,28 EUR zuzüglich einer Unkostenpauschale von 25,56 EUR, somit 3.107,84 EUR.

Die Klägerin sei berechtigt, vorliegend abstrakt die Netto-Reparaturkosten reguliert zu verlangen und brauche sich nicht auf einen wirtschaftlichen Totalschaden verweisen lassen. Desweiteren gehe die Beklagte zu 2) davon aus, dass vorliegend der von ihr errechnete Wiederbeschaffungswert in Höhe von 2.758,62 EUR unter den Netto-Reparaturkosten in Höhe von 3.082,28 EUR liege, sodass die Klägerin vorliegend Reparaturkosten unter Beachtung der 130 %-Grenze nur bei tatsächlicher Durchführung der Reparatur verlangen könne. Diese Auffassung sei rechtsfehlerhaft, da die 16 % Mehrwertsteuer nur beim Kauf von Neufahrzeugen anfalle, es sich vorliegend jedoch um ein zum Unfallzeitpunkt über 8 Jahre altes Fahrzeug handelte. Sofern die Klägerin ein Ersatzfahrzeug bei einem Privatverkäufer erworben hätte, falle die Umsatzsteuer ohnehin nicht an. Auch bei einem Händler sei lediglich die sogenannte Differenzbesteuerung zugrundezulegen, d.h. die Umsatzsteuer falle nur auf den Gewinn an.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 849,22 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem 04.01.2003 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Es liege ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Nach dem Gutachten ergebe sich, dass die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen. Die Schlussfolgerung der Klägerin, dass bei der Feststellung eines wirtschaftlichen Totalschadens von einem ungekürzten Wiederbeschaffungswert als Vergleichsgrösse zu den Netto-Reparaturkosten auszugehen sei, sei von der Schadensrechtsnovelle nicht gedeckt. Da die Ersatzbeschaffung eine Form der Restitution darstelle, sei danach zu unterscheiden, ob eine solche tatsächlich angefallen ist oder nicht. Es verbiete sich, fiktive Abrechnung und tatsächliche Abrechnung zu vermischen und sich aus den jeweiligen Beträgen den für die Schadensabrechnung günstigeren Posten herauszusuchen. Führe die Klägerin den Vergleich der Netto-Reparaturkosten an, so müsse der um die Mehrwertsteuer bereinigte Wiederbeschaffungswert als Vergleichsgrösse in Ansatz gebracht werden. Demgegenüber enthalte der Brutto-Wiederbeschaffungswert grundsätzlich die gesetzliche Mehrwertsteuer. Dieser Mehrwertsteuerbetrag realisiere sich, wenn bei einem gewerblichen Anbieter gekauft werde. Die Mehrwertsteuer sei nur bei tatsächlichem Anfall ersatzfähig. Der Ausgangspunkt sei somit der Nettowert, den die Beklagten bei der Abrechnung zugrundegelegt hätten.

Auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen weitergehenden Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe aus dem Verkehrsunfall vom 21.11.2002.

Die von der Klägerin gewählte Abrechnung entspricht der Regelung des § 249 II BGB (n.F.). Daraus ergibt sich, dass sich der Umfang des Schadensersatzes bei fiktiver Abrechnung gemäß § 249 II BGB um die Mehrwertsteuer nur dann mindert, wenn die Reparatur bzw. Wiederbeschaffung des Neuwagenkaufes möglich ist, ohne dass die Ausgabe der Mehrwertsteuer nachgewiesen worden ist. Insofern ist vorliegend § 249 BGB anzuwenden, da die Klägerin fiktivere Reparaturkosten auf Nettobasis abgerechnet hat. Unzutreffend ist jedoch die Rechtserfassung der Beklagten zu 2) mit dem Hinweis, dass § 249 BGB auch insoweit anzuwenden ist, dass von dem Wiederbeschaffungswert die Mehrwertsteuer abzuziehen ist. Die in dem Wiederbeschaffungswert enthaltene Umsatzsteuer beträgt nicht generell 16 %. Vielmehr kann der Wiederbeschaffungswert 16 % Umsatzsteuer enthalten, er kann 2 – 3 % Umsatzsteuer umfassen oder er kann umsatzsteuerfrei sein. 16 % fallen nur bei Neufahrzeugen sowie beim Kauf des Fahrzeuges durch den Händler von einem vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer an. Beim Weiterverkauf an den Geschädigten muss der Händler die Umsatzsteuer gemäß § 10 Umsatzsteuergesetz in Höhe von 16 % ausweisen und die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Nimmt der Händler das Fahrzeug jedoch von einem Verbraucher in Zahlung, kann er beim Einkauf keine Vorsteuer absetzen. Beim Verkauf an den Geschädigten braucht der Händler dann gemäß § 25 a UStG keine Umsatzsteuer auszuweisen. An das Finanzamt muss er nur 16 % Umsatzsteuer aus seinem Gewinn abführen (sogenannte Differenzbesteuerung).

Nach § 25 a UStG werden regelmässig Fahrzeuge verkauft, die von der Art und vom Typ her generell nicht gewerblich genutzt werden oder die so alt sind, dass sie vom gewerblichen Unternehmen längst abgeschrieben wurden. Die Preise für ein vergleichbares Fahrzeug wie der Klägerin wird lediglich die sich aus der Differenzbesteuerung ergebende Umsatzsteuer enthalten (Riedmeyer, Umsatzsteuerersatz bei wirtschaftlichem Totalschaden, DAR 2003, 159 ff ).

Zwar geht das Gutachten der DEKRA Automobil GmbH davon aus, dass in dem Wiederbeschaffungswert die Mehrwertsteuer enthalten ist, diese ist jedoch aus den vorgenannten Gründen nicht mit 16 % vom Gesamtwert des Fahrzeuges, sondern nach einhelliger Meinung in der Literatur (a.a.O. sowie Zemlin, NJW 2003, 1225,1226) lediglich mit 16 % aus der Händlerspanne zu berücksichtigen.

In der Praxis werden sich aus der Neuregelung drei Möglichkeiten die Anwendung ergeben: Zum einen wäre zunächst zu ermitteln, wie hoch die Händlerspanne gegenüber dem allgemeinen Gebrauchtwagenmarkt ist und sodann ist die Händlerspanne um die anteilige Mehr wertsteuer zu reduzieren. Die zweite Möglichkeit ist, dass die hierzu notwendigen Angaben über Händlereinkaufs- und Händlerverkaufspreise in den Veröffentlichungen der einschlägigen lnformationsdienste (z. B. Schwacke u.s.w.) zugrundegelegt werden. Eine dritte Möglichkeit erschliesst sich über die Annahme einer pauschalen Händlerspanne von ca. 20 % unter Anwendung des § 287 ZPO. Aus alt diesen Grundsätzen ergibt sich jedoch, dass der Wiederbeschaffungswert netto vorliegend höher ist als die fiktiven Reparaturkosten, die die Klägerin richtigeweise auf der Grundlage der Neuregelung des § 249 II BGB auf Netto-Basis abgerechnet hat.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 I BGB.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11. § 711 ZPO.

BESCHLUSS

Der Streitwert wird auf 849,22 EUR festgesetzt.

 

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