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Unzulässige Kündigung eines Verbraucherdarlehens während der COVID-19-Pandemie

AG Frankfurt – Az.: 32 C 1631/20 (89) – Beschluss vom 08.04.2020

Die Forderung der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller auf Rückzahlung des von dem Antragsteller auf dessen bei der Antragsgegnerin geführten Konten mit der IBAN … und der IBAN … bis zum 15.03.2020 in Anspruch genommenen Überziehungskredits wird bis zum 31.05.2020 gestundet.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 02.04.2020 zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf die Gebührenstufe bis 4.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Privatperson und Arbeitnehmer. Die Antragsgegnerin führt die im Tenor bezeichneten Konten für den Antragssteller und hat diese zum 08.04.2020 gekündigt und den vom Antragsteller in Anspruch genommenen Überziehungskredit zu jenem Tag fällig gestellt.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung,

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Frist für den Antragsteller zur Rückführung der ihm von der Antragsgegnerin für die Konten IBAN … und … eingeräumte Kontenüberziehung bis zum 31.05.2020 zu verlängern;

2. der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00 oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.

Zur Begründung beruft sich der Antragsteller auf Einnahmeausfälle, die durch im Zuge der Coronavirus-Pandemie angeordnete Kurzarbeit hervorgerufen worden seien. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten und Glaubhaftmachung wird auf die Antragsschrift vom 02.04.2020 nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Antragsschrift nebst Anlagen wurde der Antragsgegnerin am 03.04.2020 vorab per Telefax übermittelt und ihr eine Stellungnahmefrist bis einschließlich 07.04.2020 eingeräumt. Bis zum Ergehen dieser Entscheidung lag eine Stellungnahme der Antragsgegnerin nicht vor.

II.

Unzulässige Kündigung eines Verbraucherdarlehens während der COVID-19-Pandemie
Symbolfoto: Von Bartolomiej Pietrzyk/Shutterstock.com

Der Antrag ist zulässig. Insbesondere liegen auch die Voraussetzungen einer Regelungsverfügung (§ 940 ZPO) vor. Die Regelung erscheint zur Abwendung wesentlicher Nachteile des Antragstellers nötig, da diesem andernfalls Vollstreckungsmaßnahmen seitens der Antragsgegnerin, die sein Begehren vorgerichtlich abgelehnt hat, drohen.

Vorliegend ist auch eine Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise zulässig. Die Fälligkeit der verfahrensgegenständlichen Forderung der Antragsgegnerin auf Darlehensrückzahlung steht unmittelbar bevor. Die in Betracht kommende Rechtsgrundlage (Art. 240 § 3 EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz-und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020, BGBl. I, S. 569) sieht eine Stundung zunächst lediglich für einen Zeitraum von 3 Monaten vor. In dieser Zeit ist die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens nicht zu erwarten, zumal aufgrund der Pandemie auch der Justizbetrieb Einschränkungen insbesondere hinsichtlich der Durchführung von Präsenzverhandlungen unterworfen ist. Die begehrte Stundung muss somit, soll sie nicht ihren Sinn verlieren, dringend erfolgen. Im Rahmen der Abwägung der Interessen beider Parteien (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11.10.2017, Az. I ZB 96/16 = NJW 2018, 1317) überwiegen danach die Interessen des Antragstellers deutlich.

Der Antragsteller hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung der begehrten Stundung. Zwar tritt die Stundungswirkung nach Art. 240 § 3 Abs. 1 EGBGB kraft Gesetzes ein. Der Verbraucher hat jedoch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nachzuweisen (vgl. Begründung RegE, BT-Drs. 19/18110, S. 38 f.). Hieraus folgt in Verbindung mit der vorgerichtlichen Zurückweisung des Begehrens des Antragstellers durch die Antragsgegnerin ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers auf gerichtliche Feststellung des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen.

Die verfahrensgegenständlichen Kontoüberziehungen stellen Verbraucherdarlehensverträge dar, welche die Antragsgegnerin zum 08.04.2020, mithin innerhalb des in Art. 240 § 3 Abs. 1 S. 1 EGBGB genannten Zeitraums, zur Rückzahlung fällig gestellt hat. Der Antragsteller hat durch Vorlage eines Bewilligungsbescheides über Elterngeld, von Unterlagen seines Arbeitgebers über die dortige Kurzarbeit, sowie von auszugweisen Kontoauszügen glaubhaft gemacht, dass er aufgrund der durch die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die fristgerechte Erbringung der gegenüber der Antragsgegnerin geschuldeten Rückzahlung seiner Überziehungskredite nicht zumutbar ist, da ansonsten ein angemessener Lebensunterhalt des Antragstellers oder seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet wäre. Die Antragsgegnerin hat demgegenüber keine Umstände vorgetragen, wonach ihr die Stundung der verfahrensgegenständlichen Rückzahlungsforderung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls einschließlich der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Veränderungen der allgemeinen Lebensumstände unzumutbar ist (Art. 240 § 3 Abs. 6 EGBGB). Zu einer Aktivierung sonstiger Vermögensgegenstände ist der Antragsteller nicht verpflichtet (vgl. Begründung RegE, a.a.O., S. 39, zu Abs. 2 der Vorschrift). Nach alledem hat der Antragsteller einen Verfügungsanspruch aus Art. 240 § 3 Abs. 1 S. 1 und 2 EGBGB.

In der Sache ist dieser Anspruch nach dem Gesetzeswortlaut jedoch beschränkt auf den bis zum 15.03.2020 in Anspruch genommenen Überziehungskredit, weshalb der weitergehende Antrag abzulehnen war. Auch aus der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (Nr. 19 Abs. 2 der dem Vertragsverhältnis der Parteien zugrunde gelegten AGB, § 241 Abs. 2 BGB), sowie Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann der Antragsteller nichts Weitergehendes verlangen. Soweit der Antragsteller eine Stundung kürzerer Dauer als gesetzlich möglich beantragt hat, war das Gericht daran gemäß § 308 Abs. 1 ZPO gebunden.

Der Antragsteller hat auch die Voraussetzungen eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht, indem er die vorgerichtliche Korrespondenz mit der Antragsgegnerin vorgelegt hat, welche danach auf einer Rückzahlung der verfahrensgegenständlichen Überziehungskredite bis zum 08.04.2020 bestanden hat.

Der vom Antragsteller noch begehrten Androhung von Ordnungsmitteln bedarf es nicht, da dieser Beschluss den Eintritt der gesetzlichen Stundungswirkung unmittelbar ausspricht und die Stundung danach nicht von einer weiteren Mitwirkung der Antragsgegnerin abhängig ist.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 1 GKG, 3 ZPO in Verbindung mit dem vom Antragsteller mitgeteilten Rahmen des Überziehungskredits.

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