BAG
Az: 2 AZR 38/96
Urteil vom 06.02.1997
Vorinstanz: LAG Sachsen-Anhalt – Az.: 7 Sa 1324/94
Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 1997 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 22. Juni 1995 – 7 Sa 1324/94 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
V o n R e c h t s w e g e n !
T a t b e s t a n d :
Der 1951 geborene Kläger (verheiratet, zwei Kinder) war seit Juli 1991 bei der Beklagten als Tischlerhelfer beschäftigt. Sein Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 1.602,15 DM. Der Kläger ist Mitgesellschafter der Beklagten.
Mit Schreiben vom 22. Oktober 1993 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich wegen Arbeitsverweigerung und Geschäftsschädigung. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 8. November 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 1993 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat behauptet, der Kläger habe vom 21. bis 28. August 1993 seinen Urlaub eigenmächtig verlängert und sei deshalb schriftlich abgemahnt worden. Trotzdem sei er am 23./24. September 1993 erneut ohne Genehmigung der Arbeit ferngeblieben und auch deswegen schriftlich abgemahnt worden. Im September 1993 habe er gegenüber zwei Arbeitnehmern erklärt, es lohne sich nicht, für die Beklagte zu arbeiten. Unter den gegebenen Umständen müsse man den Geschäftsführer der Beklagten rausschmeißen, dies hätte für alle Beteiligten den Vorteil, daß sie deutlich mehr Geld verdienen würden. Am 15. Oktober 1993 habe der Kläger auf einer Baustelle gegenüber dem Bauherrn erklärt, noch offenstehende Rechnungsbeträge solle dieser nicht an die Beklagte überweisen, sondern das Geld besser zu ihm, dem Kläger, nach Hause bringen. Wenn der Geschäftsführer erst das Geld habe, sehe niemand mehr etwas davon. Gegenüber dem Architekten B habe der Kläger in diesem Zusammenhang geäußert, an dessen Stelle würde er der Beklagten keine Aufträge mehr erteilen. Am 21. Oktober 1993 sei der Kläger gegen 16.00 Uhr aufgefordert worden, eine dringende Arbeit zu erledigen, nämlich einen Bus auszuräumen und für den nächsten Tag zu beladen. Der Kläger habe dies abgelehnt und erklärt, er mache an diesem Tage nichts mehr, er gehe jetzt feiern. Der Geschäftsführer habe ihm überhaupt nichts zu sagen. Bei der anschließenden Geburtstagsfeier habe der Kläger praktisch in Anwesenheit der gesamten Belegschaft erklärt, der Geschäftsführer der Beklagten sei ein Betrüger, Gauner und Halsabschneider.
Der Kläger hat demgegenüber behauptet, für die Zeit vom 9. bis 28. August und für den 23./24. September 1993 sei ihm ordnungsgemäß Urlaub bewilligt worden. Eine Abmahnung habe er bis zum Ausspruch der Kündigung insoweit nicht erhalten. Die ihm unterstellten Äußerungen gegenüber Mitarbeitern und Kunden seien nicht gefallen. Am 21. Oktober 1993 habe er bis zum Ende der vereinbarten Arbeitszeit um 16.00 Uhr und sogar darüber hinaus gearbeitet. Es treffe nicht zu, daß er von dem Geschäftsführer aufgefordert worden sei, den Bus auszuräumen und mit Werkzeug und Material für den nächsten Tag zu beladen. Auch bei der anschließenden Feier habe er den Geschäftsführer nicht in der behaupteten Weise beschimpft. Die von der Beklagten dazu benannten Zeugen hätten an der Feierlichkeit gar nicht teilgenommen.
Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung eines Zeugen nach dem Klageantrag erkannt. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien sei durch die Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 1993 nicht aufgelöst worden. Hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung habe die Beklagte das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht substantiiert vorgetragen. Die von der Beklagten behauptete Arbeitsverweigerung scheide als wichtiger Grund aus, da diese nach dem Vortrag der Beklagten erst nach oder am Ende der regelmäßigen Arbeitszeit erfolgt sei und der Kläger die angeordnete Arbeitsleistung nicht mehr innerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit habe erbringen können. Mit der Äußerung „Du hast mir gar nichts zu sagen“ habe der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur zu erkennen gegeben, daß der Geschäftsführer der Beklagten ihm nach Ende der regelmäßigen Arbeitszeit keine Arbeitsanweisungen mehr geben dürfe. Er habe sich jedoch nicht dauerhaft allen Weisungen des Geschäftsführers widersetzen wollen. Auch wenn der Kläger gegenüber dem Geschäftsführer geäußert habe, dieser sei ein Betrüger, Gauner und Halsabschneider, liege hierin kein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Insoweit sei zu berücksichtigen, daß die Äußerung außerhalb der Arbeitszeit auf einer Geburtstagsfeier gefallen sein solle, auf der Alkohol getrunken worden sei. Soweit die Beklagte behaupte, der Kläger habe auf der Baustelle des Herrn T gegenüber dem Bauherrn geäußert, daß dieser offenstehende Rechnungsbeträge nicht an die Beklagte überweisen solle, sondern das Geld besser zum Kläger nach Hause bringen möge, könne dieses zwar einen wichtigen Grund darstellen, der Beweisantritt der Beklagten hierfür sei jedoch nicht ordnungsgemäß. Die Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung führe zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit sei es der Beklagten nicht gelungen, substantiiert und mit ordnungsgemäßem Beweisantritt vorzutragen, daß der Kläger mündlich oder schriftlich abgemahnt worden sei.
II. Dem folgt der Senat nicht. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts läßt sich noch nicht beurteilen, ob die außerordentliche Kündigung der Beklagten das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgelöst hat.
1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung, ob ein bestimmter Sachverhalt die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes erfüllt, ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Es handelt sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Diese kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Urteil vom 6. August 1987 – 2 AZR 226/87 – AP Nr. 97 zu § 626 BGB und zuletzt Urteil vom 9. Mai 1996 – 2 AZR 387/95 – AP Nr. 5 zu § 273 BGB, zu II 1 der Gründe). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil nicht stand.
a) Soweit die Beklagte ihre Kündigung darauf stützt, der Kläger habe am 21. Oktober 1993 eine vom Geschäftsführer angeordnete Arbeit verweigert, kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen nicht entschieden werden, ob dieses Verhalten des Klägers – allein oder im Zusammenhang mit dem übrigen gerügten Fehlverhalten – einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darstellt.
Aufgrund seines Weisungsrechts kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einseitig bestimmte Arbeiten unter Beachtung des Grundsatzes billigen Ermessens i.S. von § 315 Abs. 3 BGB zuweisen, soweit das Weisungsrecht nicht durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG Urteil vom 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – AP Nr. 45 zu § 611 BGB Direktionsrecht und Urteil vom 24. April 1996 – 5 AZR 1031/94 – AP Nr. 48 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu 1 der Gründe, jeweils m.w.N.). Weigert sich der Arbeitnehmer, die ihm im Rahmen einer rechtmäßigen Ausübung des Weisungsrechts zugewiesene Tätigkeit auszuführen, so kann dies, soweit es bewußt und nachhaltig geschieht, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (vgl. BAG Urteil vom 12. April 1973 – 2 AZR 291/72 – AP Nr. 24 zu § 611 BGB Direktionsrecht; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl., § 125 VII 6; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 515).
Zutreffend hat das Berufungsgericht danach zunächst geprüft, ob der Geschäftsführer der Beklagten berechtigt war, dem Kläger die Weisung zu erteilen, vor der Betriebsfeier den Bus zu beladen. Es ist aber rechtsfehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht die Rechtmäßigkeit der Weisung allein mit der Begründung abgelehnt hat, die Arbeitszeit des Klägers sei beendet und der Geschäftsführer zur Anordnung von Überstunden nicht berechtigt gewesen. Wie die Revision mit einer zulässigen Prozeßrüge geltend macht, lassen diese Erwägungen einen wesentlichen Umstand unberücksichtigt: Der Kläger war nach der Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen, die sich die Beklagte zu eigen gemacht hat, als Gesellschafter der Beklagten nicht in dem Sinne an feste Arbeitszeiten gebunden, daß er ab 16.00 Uhr jede weitere Arbeitsleistung hätte verweigern dürfen. Der Kläger räumt dies in der Revisionsinstanz auch selbst ein, wenn er geltend macht, er habe das Ende seiner Arbeitszeit als Gesellschafter des Unternehmens nicht nach starren Regeln bestimmt. War die Beklagte aber nach dem Arbeitsvertrag der Parteien grundsätzlich berechtigt, den Kläger auch noch nach 16.00 Uhr zu Arbeiten heranzuziehen, so war es zur Darlegung einer Arbeitsverweigerung des Klägers durch die Beklagte nicht, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, erforderlich, daß die Beklagte die Weisung ihres Geschäftsführers mit einer betrieblichen Notsituation rechtfertigte. Ob die Weigerung des Klägers, den Bus zu beladen, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellt, kann damit nur anhand der näheren Umstände beurteilt werden, unter denen die Weisung des Geschäftsführers und die Weigerung des Klägers erfolgt sind. Es wird in diesem Zusammenhang auf den streitigen Vortrag der Parteien zu den Fragen ankommen, was genau zu tun war, wann die Weisung erteilt worden ist, ob es beiden Parteien zumutbar war, im Hinblick auf die Betriebsfeier die Arbeiten auf den nächsten Tag zu verschieben und ob es nicht Schikane bzw. einen Organisationsmangel seitens der Beklagten darstellte, die behauptete Weisung erst unmittelbar vor der Betriebsfeier zu erteilen.
b) Soweit das Landesarbeitsgericht die Äußerung des Klägers gegenüber dem Geschäftsführer am 21. Oktober 1993, dieser habe ihm „gar nichts zu sagen“, nicht als wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung gewertet hat, ist auch in diesem Punkt seine Entscheidung durch den oben aufgezeigten Rechtsfehler beeinflußt. Die Revision rügt zu Recht einen Verstoß gegen § 626 BGB. Erklärt ein Arbeitnehmer in Anwesenheit anderer Arbeitnehmer dem Geschäftsführer, dieser habe ihm nichts zu sagen und er sei nicht bereit, dessen Weisungen zu befolgen, so ist ein solches Verhalten an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Selbst wenn man die Äußerung des Klägers also nicht auf dessen Urlaubsverlangen, sondern nur auf die behauptete Arbeitsverweigerung bezieht, durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigungsrelevanz der entsprechenden Äußerung des Klägers nicht von vornherein verneinen, ehe feststand, ob die Weisung des Geschäftsführers, den Bus zu beladen, nicht berechtigt war und das Verhalten des Klägers deshalb eine Arbeitsverweigerung darstellte, deren Beharrlichkeit durch die entsprechende Äußerung verstärkt wurde.
c) Auch soweit die Beklagte die außerordentliche Kündigung darauf stützt, der Kläger habe den Geschäftsführer der Beklagten während der Geburtstagsfeier im Beisein praktisch der gesamten Belegschaft wüst beschimpft und ihn Betrüger, Gauner und Halsabschneider genannt, und das Landesarbeitsgericht dies nicht als wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung ansieht, hält das angefochtene Urteil den Angriffen der Revision nicht stand. Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seines Vertreters, die nach Form oder Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, sind – davon geht auch das Berufungsgericht aus – an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen (vgl. BAG Urteil vom 11. Juli 1991 – 2 AZR 633/90 – AP Nr. 1 zu Art. 6 LPVG Bayern; KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz 310; Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl., § 1 Rz 327; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl., § 125 VII 12; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 530, jeweils m.w.N.). Es kann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, daß die von der Beklagten behaupteten Äußerungen des Klägers eine erhebliche Beleidigung des Geschäftsführers der Beklagten darstellen. Es verletzt § 626 BGB, wenn das Landesarbeitsgericht die behaupteten wüsten Beschimpfungen während der Betriebsfeier dem außerdienstlichen Bereich zurechnet und unter den gegebenen Umständen deshalb nicht als geeignet ansieht, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Wer vor der versammelten Belegschaft den Arbeitgeber grob beleidigt, bewegt sich nicht im außerdienstlichen Bereich, sondern untergräbt die Autorität seines Arbeitgebers und verstößt damit erheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Daß die Äußerungen auf einer Betriebsfeier gefallen sind, bei der „durchaus auch Alkohol getrunken wird“, vermag ein derartiges Fehlverhalten des Arbeitnehmers dabei regelmäßig nicht zu entschuldigen. Die Revision rügt in diesem Zusammenhang zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht nicht einmal festgestellt hat, ob und ggf. in welchem Umfang der Kläger Alkohol zu sich genommen hat, bevor er den Geschäftsführer, wie behauptet, wüst beschimpft hat. Auch der vom Landesarbeitsgericht angenommene „rauhere Umgangston“ vermag jedenfalls nicht solch gravierende Beschimpfungen zu entschuldigen, wie sie dem Kläger vorgeworfen werden.
d) Es verstößt gegen §§ 286, 139 ZPO, daß das Landesarbeitsgericht dem Beweisantritt zu der behaupteten Äußerung des Klägers gegenüber dem Bauherrn T nicht nachgegangen ist.
Die entsprechende Prozeßrüge der Beklagten genügt den Anforderungen, die von der Rechtsprechung (vgl. BAG Urteil vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – BAGE 49, 39, 52 = AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972, zu C II 1 der Gründe) an die Rüge, das Berufungsgericht habe ein Beweisangebot übergangen, gestellt werden.
Sie ist auch begründet. Die Aussage des Zeugen T war erheblich. Die Beklagte hat ihn für ihre bestrittene Behauptung benannt, der Kläger habe auf der Baustelle des Herrn T am 15. Oktober 1993 gegenüber dem Bauherrn geäußert, dieser solle noch offenstehende Rechnungsbeträge nicht an die Beklagte überweisen, sondern das Geld besser zum Kläger nach Hause bringen. Wenn das Geld erst der Geschäftsführer der Beklagten habe, sehe keiner mehr etwas davon. Damit hat die Beklagte einen Sachverhalt vorgetragen, der als solcher geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Aufgrund der Äußerung des Klägers mußte der Kunde der Beklagten den Eindruck gewinnen, der Geschäftsführer behalte Einnahmen für sich und mache sich der Straftat einer Untreue schuldig. Ein solches Verhalten des Klägers würde den Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) erfüllen und wäre geeignet, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig zu zerstören. Dies hat auch das Landesarbeitsgericht erkannt.
Es durfte aber von einer Vernehmung des Zeugen T nicht mit der Begründung absehen, die Beklagte habe nicht mitgeteilt, warum und in welcher Weise Herr T für die Behauptung der Beklagten Beweis erbringen könne. Grundsätzlich kann das Gericht von den Parteien keine näheren Angaben dazu verlangen, wie der Zeuge die Tatsachen erfahren hat, die in sein Wissen gestellt werden (vgl. BGH Urteil vom 14. Juli 1987 – IX ZR 13/87 – NJW-RR 1987, 1403; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 373 Anm. D I b 3; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 55. Aufl., § 373 Rz 5, jeweils m.w.N.). § 373 ZPO verlangt lediglich die Benennung des Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll. Die für die Frage der Glaubhaftigkeit und damit der Beweiswürdigung maßgeblichen Umstände hat das Gericht jedoch selber zu ermitteln.
Abgesehen davon durfte das Landesarbeitsgericht das Beweisangebot nicht ohne weiteres übergehen. Es wäre vielmehr, wie die Beklagte in zulässiger Weise gerügt hat, gemäß § 139 ZPO verpflichtet gewesen, auf den seiner Ansicht nach fehlenden Vortrag hinzuweisen. Das Gericht hat grundsätzlich auf Mängel des Beweisantritts unter Fristsetzung zu deren Behebung hinzuweisen (vgl. z.B. BVerfG Beschluß vom 24. April 1985 – 2 BvR 1248/82 – BverfGE 69, 248; BGH Urteil vom 16. September 1988 – V ZR 71/87 – NJW 1989, 227, 228; Zöller/Greger, ZPO, 19. Aufl., § 373 Rz 8; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 55. Aufl., § 139 Rz 54).
e) Die Revision rügt ebenfalls zutreffend, daß sich das Landesarbeitsgericht in seinen Urteilsgründen nicht mit der Behauptung der Beklagten auseinandergesetzt hat, der Kläger habe im Zusammenhang mit dem Vorfall bei dem Bauvorhaben T am 15. Oktober 1993 gegenüber dem Architekten B geäußert, an seiner Stelle würde er der Beklagten keine Aufträge mehr erteilen.
Das behauptete Verhalten des Klägers ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben. Die behauptete Äußerung ist für die Beklagte geschäftsschädigend. Sie weckt beim Kunden Mißtrauen in die Zuverlässigkeit der Beklagten. Eine bewußte und gewollte Geschäftsschädigung rechtfertigt aber regelmäßig eine außerordentliche Kündigung (vgl. BAG Urteil vom 17. Juni 1992 – 2 AZR 568/91 – n.v.).
2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).
a) Die außerordentliche Kündigung ist insbesondere nicht nach § 626 Abs. 2 BGB verfristet. Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Diese Frist ist durch den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 22. Oktober 1993 gewahrt. Die erwähnten Kündigungsgründe sind erst ab dem 15. Oktober 1993 entstanden. Die Kenntnisnahme durch den Geschäftsführer der Beklagten kann somit frühestens am 15. Oktober 1993 und damit eine Woche vor Ausspruch der Kündigung erfolgt sein.
b) Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung scheitert auch nicht, wie das Berufungsgericht – allerdings zu § 1 Abs. 2 KSchG – offenbar angenommen hat, von vornherein an dem Fehlen einer einschlägigen Abmahnung.
Das Revisionsgericht kann hinsichtlich der Erforderlichkeit einer vorherigen vergeblichen Abmahnung zwar grundsätzlich nur prüfen, ob das Berufungsgericht den ultima ratio-Grundsatz berücksichtigt, ob es diesem Grundsatz den rechtlich zutreffenden Inhalt beigemessen und ob es bei der Anwendung dieses Grundsatzes alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat (vgl. BAG Urteil vom 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 – AP Nr. 25 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts aber nicht stand.
Das Landesarbeitsgericht hat dem ultima ratio-Grundsatz nicht den rechtlich zutreffenden Inhalt beigemessen, wenn es eine Abmahnung nur in Fällen für entbehrlich gehalten hat, in denen gesicherte Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß auch der Ausspruch einer Abmahnung den Arbeitnehmer nicht dazu bewegen kann, sein vertragswidriges Verhalten zu beenden. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung hat eine Abmahnung nicht lediglich dann Vorrang vor einer Kündigung, wenn eine Wiederholung des pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers aufgrund der Abmahnung nicht zu erwarten ist. Vielmehr ist auch bei besonders schwerwiegenden Pflichtverstößen und bei Störungen im Vertrauensbereich eine Abmahnung entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer nicht aus vertretbaren Gründen annehmen kann, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (vgl. z.B. BAG Urteile vom 30. Juni 1983 – 2 AZR 524/81 – AP Nr. 15 zu Art. 140 GG; vom 26. August 1993 – 2 AZR 154/93 – BAGE 74, 127, 140 = AP Nr. 112 zu § 626 BGB, zu B I 3 a der Gründe; vom 9. März 1995 – 2 AZR 644/94 – NZA 1996, 875, 877, jeweils m.w.N.). Diese Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, hat auch in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl., § 61 VI 3; KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz 99 d; KR-Etzel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rz 390; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 688; Pauly, NZA 1995, 449, 451; Walker, NZA 1995, 601, 604).
Zur Feststellung, ob nach den obengenannten Grundsätzen eine Abmahnung des Klägers entbehrlich war, bedarf es einer Abwägung aller wesentlichen Umstände des Falles. Dies ist Aufgabe der Tatsacheninstanzen und wird vom Landesarbeitsgericht nachzuholen sein. Nach dem bisherigen Vorbringen stellen die von der Beklagten behaupteten Beleidigungen des Geschäftsführers und Diffamierungen der Beklagten jedoch so schwerwiegende Verfehlungen dar, daß der Kläger nicht davon ausgehen konnte, dieses Verhalten werde von der Beklagten hingenommen. Etwaige Rechtfertigungsgründe oder sonstige Umstände, die dieses Verhalten in einem milderen Licht erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich, so daß eine Abmahnung vorliegend zumindest nach dem bisherigen Vorbringen der Beklagten entbehrlich war.
3. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO). Sollte nach entsprechender Sachaufklärung durch das Landesarbeitsgericht sich die außerordentliche Kündigung als rechtsunwirksam erweisen, so wird das Berufungsgericht der Frage nachzugehen haben, ob die Kündigung als ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt ist.