Landesarbeitsgericht Köln
Az: 2 Sa 1345/10
Urteil vom 21.02.2011
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.09.2010 – 10 Ca 5401/10 abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.06.2010 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Abstand genommen. Die erstinstanzlich unterlegene Klägerin greift das Urteil u. a. damit an, dass die Abmahnung vom 19.05.2010 wegen unentschuldigten Fehlens am 17.05.2010 zu Unrecht ergangen sei. Sie hat hierzu eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die als Folgebescheinigung ausgestellt wurde, für die Zeit vom 17.05. bis 22.05.2010 vorgelegt. Sie vertritt daher die Ansicht, dass allenfalls ein Verstoß gegen eine Meldepflicht nicht aber ein völlig unentschuldigtes Fehlen, also Fehlen ohne einen tatsächlichen Entschuldigungsgrund gegeben sei. Insoweit sei auch die Betriebsratsanhörung falsch, da die Arbeitgeberin im Anhörungsschreiben vom 22.06.2010 dem Betriebsrat mitgeteilt hat, dass die Klägerin bereits am 17.05.2010 ihren Dienst unentschuldigt nicht angetreten habe und aus diesem Grund bereits abgemahnt worden sei. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Betriebsratsanhörung lag der Beklagten die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 17.05.2010 vor.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.09.2010 – 10 Ca 5401/10 – abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.06.2010 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Hinsichtlich der Problematik aus § 174 BGB stellt die Beklagte klar, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Kammertermin eingeräumt habe, ihr sei die Funktion der Mitarbeiterin ……..als Stationsleitung bekannt. Hieraus sei zu schließen, dass der Klägerin dann auch die Kündigungsberechtigung bekannt sei. Zudem habe die Klägerin die verschiedenen Aushänge über die Bevollmächtigung der Stationsleiterin wahrnehmen müssen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige und fristgerechte Berufung der Klägerin ist begründet. Die Kündigung ist wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam.
Die Beklagte hat dem Betriebsrat einen aus ihrer Sicht kündigungsrelevanten Sachverhalt unterbreitet, der unzutreffend ist. In dem Anhörungsschreiben wird das Verhalten der Klägerin hinsichtlich der unberechtigten Urlaubsnahme in Zusammenhang mit der Abmahnung vom 19.05.2010 gestellt. Die Klägerin wird als Wiederholungstäterin dargestellt, die sich trotz Abmahnung nicht an ihre Arbeitsverpflichtung hält, sondern nach eigenen Bedürfnissen die Arbeit aufnimmt oder nicht. Diese Darstellung ist falsch, denn die Klägerin hat am 17.05.2010 nicht unentschuldigt gefehlt. Zu diesem Zeitpunkt war sie vielmehr durch eine attestierte Arbeitsunfähigkeit an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert. Allenfalls erscheint es möglich, dass die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht rechtzeitig erfolgte bzw. dass die Klägerin eine erneute Unterrichtung ihres Arbeitgebers über die Fortdauer der AU fehlerhaft für nicht erforderlich gehalten hat. Dies ist dem Betriebsrat so nicht mitgeteilt worden. Der zutreffende Sachverhalt war der Arbeitgeberin bei der Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung vom 29.06.2010 bereits bekannt. Der Betriebsrat musste dem gegenüber die Klägerin aufgrund des Anhörungsschreibens als hartnäckig vertragsbrüchig einordnen. Er konnte durch das der Anhörung beigefügte Abmahnschreiben auch nicht erkennen, dass die Klägerin am 17.05.2010 tatsächlich nicht unentschuldigt gefehlt hatte, sondern allenfalls ihrer rechtzeitigen Meldepflicht nicht nachgekommen war.
Der dem Betriebsrat zur Anhörung vorgelegte Sachverhalt des wiederholten unentschuldigten Fehlens trotz Abmahnung weicht erheblich von dem tatsächlichen Sachverhalt eines erstmaligen unentschuldigten Fehlens und der Verletzung der Meldepflicht bei einer Fortsetzungserkrankung ab. Hierdurch hat die Beklagte die Beurteilungsgrundlage für den Betriebsrat zu Lasten der Klägerin verändert. Dies ist auch nicht nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung der Betriebsratsanhörung zu lässig gewesen, da die Beklagte angesichts der bekannten Tatsachen nicht selber einer Fehlvorstellung über das Verhalten der Klägerin unterlag.
Auf die Frage, ob das Verhalten der Klägerin im Übrigen die fristgerechte verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 KSchG hätte rechtfertigen können und ob die Klägerin die Kündigungsvollmacht der Mitarbeiterin ……..tatsächlich kannte bzw. ob im konkreten Fall die Stationsleitung trotz gleichzeitig vorhandener externer Personalabteilung stets auch die Kündigungsberechtigung mit sich bringt, konnte dahingestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen. Die Erheblichkeit des Mangels der Betriebsratsanhörung folgt aus einer Einzelfallgewichtung.