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Urlaubsgeld als freiwillige Leistung

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Az: 9 AZR 255/99

Urteil vom 11.04.2000

Vorinstanzen:

I. Arbeitsgericht Lübeck –Az.: 1 Ca 2311/98 – Urteil vom 26.11.1998

II. Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 2 Sa 38/99 -Urteil vom 10.03.1999


Leitsätze:

1. Der Arbeitgeber kann im Arbeitsvertrag ein Urlaubsgeld in der Weise in Aussicht stellen, daß er sich jedes Jahr erneut die Entscheidung vorbehält, ob und unter welchen Voraussetzungen es gezahlt werden soll (sog. Freiwilligkeitsklausel; BAG 12. Januar 2000 – 10 AZR 840/98 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Das setzt voraus, daß der Arbeitnehmer nach §§133, 157 BGB den mangelnden Verpflichtungswillen des Arbeitgebers erkennen muß. Verwendet ein Arbeitgeber im Arbeitsvertrag für eine Gruppe von zugesagten Leistungen (hier: Zuschuß zu den vermögenswirksamen Leistungen und 13. Monatsgehalt) die Überschrift „Freiwillige soziale Leistungen“, so muß ein Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, daß damit ein Rechtsanspruch ausgeschlossen sein soll.

2. Hat der Arbeitgeber sich den Widerruf eines arbeitsvertraglich zugesagten Urlaubsgelds vorbehalten, so bewirkt seine Widerrufserklärung nur dann das Erlöschen des Anspruchs, wenn sie dem Arbeitnehmer vor der vertraglich vereinbarten Fälligkeit zugeht.


In Sachen XX hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2000 für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. März 1999 -2 Sa 38/99 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein anteiliges 13. Monatsgehalt als sog. Urlaubsgeld für das Kalenderjahr 1998 zusteht.

In dem zwischen den Parteien am 15. Juli 1996 abgeschlossenen Anstellungsvertrag ist dazu geregelt:

8. Freiwillige soziale Leistungen

8.1 Vermögenswirksame Leistungen in Höhe von monatlich DM 78,00 werden vom Arbeitgeber gezahlt.

8.2 Es wird von der Firma ein 13. Monatsgehalt nach 6-monatiger Festanstellung gezahlt, das wie folgt fällig ist:

50 % zum Urlaubsantritt

50 % zum 31.12. des jeweiligen Jahres

(rückforderbar, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des darauffolgenden Jahres gelöst wird).

Während der Probezeit wird ein Anspruch auf das 13. Monatsgehalt nicht erworben.

9. Urlaub

9.1 Der Urlaubsanspruch richtet sich nach den jeweils

gültigen gesetzlichen Bestimmungen, z. Zt. 26 Werktage.

Nach Aufnahme der Arbeit im August 1996 zahlte die Beklagte im Dezember 1996 zum ersten Mal das anteilige 13. Monatsgehalt. 1997 gewährte sie die erste Hälfte des 13. Monatsgehalts zusammen mit der Urlaubsvergütung als sog. Urlaubsgeld und zum Jahresende die zweite Hälfte als sog. Weihnachtsgeld. Nach Rückkehr aus dem im Juni 1998 angetretenen Urlaub mahnte die Beklagte den Kläger im August 1998 wegen einer vermeintlich verspäteten Arbeitsunfähigkeitsmeldung ab und teilte ihm mit, daß kein Urlaubsgeld gezahlt werde. Der Kläger hat daraufhin Klage erhoben. Nach rechtskräftiger Verurteilung der Beklagten zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte hat er beantragt,die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Urlaubsgeld für das Kalenderjahr 1998 2.600,00DM brutto zuzüglich 4% Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1.August 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verlangt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

l. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger für 1998 die von den Parteien als Urlaubsgeld bezeichnete erste Hälfte des vertraglich vereinbarten 13. Monatsgehalts einschließlich Verzugszinsen.

1. Nach der unter Nr. 8.2 im Anstellungsvertrag getroffenen Vereinbarung der Parteien ist am 29. Juni 1998, dem Tag des von der Beklagten festgesetzten Urlaubsantritts, der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines halben Monatsgehalts fällig geworden. Nach § 271 Abs. 2 BGB war der Kläger von diesem Zeitpunkt an berechtigt, das sog. Urlaubsgeld zu verlangen.

a) Das Landesarbeitsgericht hat aus der Überschrift zu Nr. 8 des Anstellungsvertrages „Freiwillige soziale Leistungen“ auf einen sog. Freiwilligkeitsvorbehalt geschlossen. Das ist unzutreffend.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schließt ein sog. Freiwilligkeitsvorbehalt nicht nur eine Bindung des Arbeitgebers für die Zukunft, sondernauch für den laufenden Bezugszeitraum aus (BAG 6.Dezember 1995 -10AZR 198/95-AP BGB §611 Gratifikation Nr. 187= EzA BGB §611 Gratifikation, Prämie Nr. 134). Er hindert das Entstehen eines vertraglichen Anspruches und beläßt so dem Arbeitgeber die Freiheit, jedes Jahr über das Ob und Wie der Leistung zu entscheiden (BAG 12. Januar 2000 -10AZR 840/98- EzA-SD 2000 Nr. 13, 8; 5. Juni 1996 – 10AZR 883/95 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 193 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 141 mit Klarstellung gegenüber BAG 26. Juni 1975 -5AZR 412/74 – AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 47). Denn ein Arbeitnehmer, der wisse, daß der Arbeitgeber noch über die Leistungsgewährung zu entscheiden habe, müsse stets damit rechnen, daß der Arbeitgeber die Leistung einstellen oder von neuen Bedingung abhängig machen könne (BAG 12. Januar 2000-10 AZR 840/98-aaO).

c) Ein so verstandener Freiwilligkeitsvorbehalt setzt voraus, daß der Arbeitgeber sich nicht schon bei Abschluß des Arbeitsvertrages gegenüber dem Arbeitnehmer rechtlich zur Leistungserbringung verpflichtet hat. Nach dem Inhalt des von der Beklagten verwandten Formularvertrags durfte der Kläger die unter Nr. 8 getroffene Regelung des Urlaubsgelds nach § 157 BGB als Leistungsversprechen verstehen.

aa) Zwar hat der Arbeitgeber die vermögenswirksamen Leistungen und das 13. Monatsgehalt unter Nr. 8 des Vertrages unter der gemeinsamen Überschrift „Freiwillige soziale Leistungen“ zusammengefaßt. Diese Bezeichnung bringt aber nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, daß damit noch keine Rechtspflicht begründet werden soll. Sie kann auch so verstanden werden, daß sich der Arbeitgeber „freiwillig“ zur Erbringung dieser Leistungen verpflichtet, ohne dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu werden.

bb) Will ein Arbeitgeber jede vertragliche Bindung verhindern und sich die volle Entscheidungsfreiheit vorbehalten, so muß er das in seiner Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer unmißverständlich deutlich machen, denn nach §§ 133, 157 BGB ist im Zweifel der Empfängerhorizont maßgeblich (Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. § 133 Rn. 9). Dieser Grundsatz liegt auch der Rechtsprechung des Zehnten Senats zugrunde. Der Zehnte Senat wendet die sog. Freiwilligkeitsklausel deshalb nur in den Fällen an, in denen der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer unmißverständlichen Weise kundgetan hat (BAG 4. Mai 1999 -10 AZR 290/98 – AP § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 55 = EzA BGB §242 Betriebliche Übung Nr. 43), daß „ein Anspruch nicht hergeleitet werden kann“ (BAG 5. Juni 1996 – 10AZR 883/95 – aaO) oder die Leistung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ (BAG 6. Dezember 1995 -10 AZR 198/95 -AP §611 BGB Gratifikation Nr. 187; 12. Januar 2000 -10 AZR 840/98 – aaO) in Aussicht gestellt wird.

cc) Dem gegenüber fehlt hier nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgericht jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger aus dem Begriff der Freiwilligkeit auf den Ausschluß von Rechtsansprüchen schließen mußte.

Der Wortlaut der vom Arbeitgeber in Nr. 8.2 verwandten Vertragsklausel spricht für einen Verpflichtungswillen. Nach Satz 2 dieser vom Arbeitgeber entworfenen Regelung soll nur „während der Probezeit… ein Anspruch auf das 13. Monatsgehalt nicht erworben“ werden. Aus der Sicht des Arbeitnehmers drängt sich daraus der Umkehrschluß auf, daß nach der in Satz 1 getroffenen Regelung („Es wird von der Firma ein 13. Monatsgehalt nach 6-monatiger Festanstellung gezahlt“) nach Ablauf der Probezeit ein Anspruch erworben wird.

Gegen die Annahme, ein Rechtsanspruch werde ausgeschlossen, spricht auch die Zusammenfassung des 13. Monatsgehalts mit den vermögenswirksamen Leistungen unter der gemeinsamen Überschrift „Freiwillige soziale Leistungen“. Vermögenswirksame Leistungen sind Geldleistungen, die der Arbeitgeber auf Grund einer tariflichen, betriebsverfassungsrechtlichen oder vertraglichen Verpflichtung in den in § 2 des Fünften Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (5. VermBG) vorgeschriebenen Formen anlegt. Das mit vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers verfolgte Ziel der Vermögensbildung des Arbeitnehmers wäre bei einem Ausschluß des Rechtsanspruchs auf Geldleistungen nicht erreichbar. Die staatliche Förderung der Vermögensanlage setzt nach § 10 Abs. 1 5. VermBG wenigstens eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers voraus. Behält sich der Arbeitgeber die Entscheidung, ob er vermögenswirksame Leistungen erbringt für den jeweiligen Bezugsmonat vor, macht die Eröffnung eines Vermögensbildungskontos kein Sinn. Muß daher davon ausgegangen werden, daß der Arbeitgeber sich für die vermögenswirksamen Leistungen rechtsgeschäftlich verpflichten wollte, so gibt es keinen vernünftigen Grund, daß für das unter der gleichen Überschrift stehende 13. Monatsgehalt etwas anderes gelten sollte.

d) Ob der Arbeitgeber durch die Formulierung in Nr. 8 des Vertrages „Freiwillige soziale Leistungen“ hinreichend zum Ausdruck gebracht hat, daß er sich den Widerrufder Sozialleistung 13. Monatsgehalt für die Zukunft vorbehalten wollte, bedarf keiner abschließenden Stellungnahme des Senats. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß auch eine derartige Vertragsauslegung dem Anspruch des Klägers nicht entgegensteht. Die Beklagte hat von dem möglichen Widerrufsvorbehalt jedenfalls zu spät Gebrauch gemacht. Der Anspruch des Klägers auf das anteilige 13. Monatsgehalt war nach Nr. 8.2 des Vertrags zum Urlaubsantritt fällig. Die Erklärung der Beklagten gegenüber dem Kläger, sie wolle im Jahre 1998 kein Urlaubsgeld zahlen, ist erst nach Rückkehr des Klägers aus dem Urlaub abgegeben worden. Das war zu spät. Einem Widerruf kann gestaltende Wirkung nur für die Zukunft zukommen.

2. Die Beklagte hat nach § 284 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB die Geldschuld während des Verzuges mit 4 vH für das Jahr zu verzinsen.

II. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 25 Abs. 2 GKG.

 

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