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Verjährung von Gewährleistungsansprüchen wegen errichteter Solaranlage

OLG Schleswig-Holstein, Az.: 1 U 154/14, Beschluss vom 26.08.2015

Gründe

I. Der Kläger wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus folgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen:

Verjährung von Gewährleistungsansprüchen wegen errichteter Solaranlage
Symbolfoto: Von anatoliy_gleb /Shutterstock.com

Es ist ohne größere Überlegung festzustellen, dass das Urteil nicht auf Rechtsfehlern beruht. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil vertragliche Ansprüche wegen Verjährung nicht durchsetzbar wären und es für einen Deliktsanspruch an einer Eigentumsverletzung fehlt.

1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist längstens drei Jahre nach 634a Abs. 1 Nr. 3 BGB betrug und vor Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens abgelaufen ist. Gleich, ob Kaufvertragsrecht oder Werkvertragsrecht zur Anwendung kommt, war eine fünfjährige Verjährungsfrist nach § 438Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht eröffnet, weil es sich bei der Photovoltaikanlage nicht um ein Bauwerk handelt.

Ein Bauwerk ist eine unbewegliche, durch die Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache. Erfasst werden auch Leistungen, die der Herstellung, Erneuerung oder dem Umbau eines Gebäudes dienen, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Nutzbarkeit des Gebäudes von wesentlicher Bedeutung sind. Eine auf dem Dach eines Gebäudes installierte Photovoltaikanlage stellt kein Bauwerk dar, da es an der eigenen Verbindung zum Erdboden mangelt und sie keine wesentliche Bedeutung für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Nutzbarkeit des Gebäudes hat (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013, VIII ZR 318/12, Rn. 19, 21 bei juris; OLG Oldenburg, Urteil vom 22. Januar 2013, 2 U 47/12, Rn. 34 bei juris; OLG München, Urteil vom 14. Januar 2014, 28 U 883/13, Rn. 43, 62 bei juris; OLG Naumburg, Urteil vom 20. Februar 2014, 1 U 86/13, Rn. 30 bei juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 23. April 2014, 1 U 18/13, Rn. 19 bei juris; OLG Köln, Urteil vom 28. Mai 2014, 2 U 107/13, Rn. 42 ff. bei juris).

So liegt es auch hier. Die Photovoltaikanlage hat keine eigene Verbindung zum Erdboden und dient nicht der Herstellung oder Nutzung des Stalles. Sie dient allein dem Zweck, eine Einnahmequelle zu schaffen, und ist lediglich aus Zweckmäßigkeitserwägungen auf dem Stalldach installiert worden, weil dieses nach Größe und Lage am besten geeignet schien. An diesen Umständen ändert es nichts, wenn der Stall kaum noch als solcher genutzt werden sollte oder sich Teile der für den Betrieb der Anlage notwendigen Einrichtungen in seinem Inneren befinden. Auch dass sich die Module ggf. schwer anderweitig verwenden ließen oder dass es zur Montage und Demontage der Anlage eines Eingriffs in die Gebäudesubstanz bedarf, macht die Anlage selbst nicht zu einem Bauwerk. Daher ist es auch ohne Bedeutung, dass es wegen der Eingriffe in die Gebäudesubstanz, die ggf. erst später bemerkbar werden und erhebliche Schäden nach sich ziehen können, ein Bedürfnis für eine längere Verjährungsfrist geben kann.

Aus den Umständen, dass die Montage der Anlage aufwändig ist, sie Eingriffe in die Gebäudesubstanz erfordert, Teile der Anlage im Gebäudes untergebracht sind und die Demontage Schwierigkeiten birgt, auf die Bauwerksqualität der Anlage selbst zu schließen (so OLG München, Urteil vom 10. Dezember 2013, Urteil vom 9. Dezember 2013, 9 U 543/12, Rn. 24 ff. bei juris), kann nicht überzeugen, weil der Schluss die Definition des Bauwerks außer Acht lässt. Die angeführten Umstände helfen nicht darüber hinweg, dass eine Photovoltaikanlage weder für die Herstellung noch für die Nutzung eines Gebäudes wesentlich ist. Die Frage ist höchstrichterlich geklärt. Die vereinzelt gebliebene abweichende Meinung des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München zwingt nicht zu einer Vorlage an den BGH.

2. Der Kläger macht sich die Feststellung des Landgerichts, dass die Parteien zwei Verträge geschlossen haben, nämlich einen über die Erneuerung der Dacheindeckung und einen über die Lieferung und Montage der Photovoltaikanlage, ausdrücklich zu eigen. Er möchte daraus den Schluss ziehen, dass die Dacheindeckung zum Zeitpunkt der Abnahme mangelhaft gewesen sei, weil die Wellplatten durch fehlerhaft gesetzte Schraubenlöcher zerstört gewesen seien. Dieser Schluss geht indes fehl.

Die Frage, welcher Leistung ein Mangel zuzuordnen ist, ist ebenso zu entscheiden wie die Frage, ob ein mangelhaftes Werk eine Eigentumsverletzung darstellen kann. Für letzteres kommt es darauf an, welches Interesse des Bestellers betroffen ist. Es ist anerkannt, dass ein Deliktsanspruch nicht nur deswegen bejaht werden kann, weil vor der Ausführung der Leistung unbeschädigtes Eigentum vorhanden war. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Integritätsinteresse des Bestellers verletzt ist, was nicht der Fall ist, wenn sich der Mangelunwert der Werkleistung mit dem Eigentumsschaden deckt. Deswegen stellt der von dem Eigentümer gewünschte Eingriff in die Gebäudesubstanz, der zur Erbringung der Leistung erforderlich ist, keine Eigentumsverletzung dar (BGH NZBau 2005, 287, 289).

Für die vorliegende Frage bedeutet das, dass die neue Dacheindeckung nicht deswegen mangelhaft war, weil für die Montage der Photovoltaikanlage Schraubenlöcher durch die Wellplatten gebohrt worden waren. Denn das entsprach dem Willen des Klägers. Der Mangelunwert besteht allein darin, dass Schraubenlöcher fehlerhaft gesetzt worden sind, nämlich u. a. in Wellentälern. Dieser Mangel wird aber ausschließlich von dem Vertrag über die Lieferung und Montage der Photovoltaikanlage erfasst, mit den dafür geltenden Verjährungsfristen.

3. Die regelmäßige Verjährung ab Kenntnis des Mangels greift nicht über § 438 Abs. 3 BGB bzw. 634a Abs. 3 BGB ein, weil die Beklagte den Mangel nicht arglistig verschwiegen hat. Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass das arglistige Verschweigen eines Mangels voraussetzt, dass der Leistende sich des Mangels bewusst ist (BGH NJW 2005, 893; BGH NJW-RR 2010, 1604, 1606). Dabei kann allein aus dem Vorliegen eines gravierenden Mangels, der bei einer Kontrolle entdeckt worden wäre, nicht auf das notwendige Bewusstsein geschlossen werden, weil die Frage, ob sich jemand arglistig verhält, einer typisierten Beurteilung nicht zugänglich ist, sondern von den individuellen Umständen des Einzelfalls abhängt, und solange ein unsorgfältiges, auch grob fahrlässiges Verhalten in Betracht kommt (BGH NZBau 2007, 96, 97; OLG Hamm NJW-RR 1999, 171, 172; OLG Schleswig, Urteil vom 12. März 2004, 14 U 9/03, juris).

Danach kann hier daraus, dass das Setzen der Schraubenlöcher u. a. in den Wellentälern ggf. in grober Weise den Regeln des Dachdeckerhandwerks widerspricht, nicht der Schluss gezogen werden, die Mitarbeiter der Beklagten hätten die Mangelhaftigkeit ihrer Arbeit erkannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie, auch was zu große oder ausgebrochene Schraubenlöcher angeht, davon ausgingen, diese durch Zusatzmaßnahmen dauerhaft abdichten zu können. Was Inhalt der Ausbildung der Mitarbeiter der Beklagten war, ist dabei unerheblich. Ohnehin wird sich durch Sachverständigengutachten oder Auskunft der Handwerkskammer nicht feststellen lassen, was ihnen konkret in ihrer jeweiligen Ausbildung vermittelt worden ist.

Zur Recht hat das Landgericht auch die E-Mails des Mitarbeiters der Beklagten aus September und Oktober 2013 nicht als Hinweis auf eine Mangelkenntnis zurzeit der Abnahme im Juni 2008 gewertet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei der Beklagten in den annähernd sechs Jahren zwischen der Montage der Anlage bei dem Kläger und dem Schreiben der E-Mails Erkenntnisgewinne hinsichtlich des fachgerechten Setzens der Schraubenlöcher gegeben hat, insbesondere durch das Sachverständigengutachten im selbständigen Beweisverfahren.

Auch ein einem arglistigen Verschweigen des Mangels gleichgestelltes Organisationsverschulden der Beklagten ist nicht anzunehmen. Sie hat die Montage der Photovoltaikanlage durch eigene Mitarbeiter vorgenommen. Nur die Neueindeckung des Daches wurde von einem Subunternehmer erbracht. Anderes ist in der ersten Instanz nicht vorgetragen worden und wird jedenfalls von dem Kläger nicht unter Beweis gestellt.

Ein Organisationsverschulden ist nur dann anzunehmen, wenn der Werkunternehmer durch die gewählte Organisation bewusst den Vorwurf der Arglist vermeiden will, etwa, indem er ungeeignetes Personal einsetzt, und sich so der Erkenntnis von Mängeln bewusst verschließt (BGH NJW 2008, 145, 146; BGH NJW 2009, 582, 584 f.; BGH NJW-RR 2010, 1604, 1606; OLG Dresden, Urteil vom 25. Juni 2009, 10 U 1559/07, juris; OLG Hamm, Urteil vom 29. Januar 2010, 26 U 37/06, juris; OLG Hamburg, NJW 2011, 2663, 2664; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. Mai 2011, I-23 U 106/10, juris). Ein solcher Vorwurf kann der Beklagten, die nach ihrem unwiderlegten Vortrag die Arbeiten durch eigene, zuverlässige und ausreichend geschulte Mitarbeiter hat durchführen lassen, nicht gemacht werden.

4. Ein Deliktsanspruch steht dem Kläger nach dem oben Gesagten nicht zu. Da der Mangelunwert durch fehlerhaft gesetzte Schraubenlöcher stoffgleich mit der Eigentumsverletzung ist, ist allein das durch die Mangelgewährleistungsansprüche geschützte Äquivalenzinteresse betroffen.

Aber auch wenn inzwischen die Balken des Dachstuhls geschädigte sein sollten, könnte der Kläger dafür nicht unter dem Gesichtspunkt eines weiterfressenden Mangels Ersatz verlangen. Denn auch Schäden an Bauteilen, die bei einer Sanierung unmittelbar in die Leistung einbezogen sind, werden allein vom Äquivalenzinteresse erfasst. Das Interesse des Bauherrn geht nämlich dahin, unter Einbeziehung bestehender Bauteile ein funktionsfähiges Werk zu erhalten, sodass z. B. bei einer fehlerhaften Abdichtung auch Schäden an durch die Abdichtung zu schützenden Bauteilen allein den Mangelunwert der Leistung ausdrücken (BGH NZBau 2005, 287, 289). So liegt es hier für Schäden am Dachstuhl, in dem die Tragekonstruktion für die Photovoltaikmodule verankert wurde und der durch ein wasserdichtes Dach geschützt werden sollte.

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II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 25. September 2015, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen (nicht unerhebliche Kostenersparnis) innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.

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