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Verkehrsunfall eines rückwärts in Kurve abbiegenden Lkw mit Motorradfahrer

Unfallanalyse: Kollision zwischen Lkw und Motorrad während rückwärtigem Kurvenmanöver

Ein bemerkenswertes Urteil wurde kürzlich in einem Verkehrsunfallfall gefällt, bei dem ein Lkw, der rückwärts in eine Kurve abbiegend, mit einem Motorradfahrer kollidierte. Das Hauptaugenmerk liegt auf den besonderen Verhaltensanforderungen und Sichtverhältnissen, die für solche Manöver gelten, und auf der anschließenden Schuldfrage.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 331/20 >>>

Unfallhergang und Schuldfrage

Der Unfall ereignete sich, als der Fahrer des Lkw mit Anhänger während eines komplexen Rückwärtsmanövers in einer Kurve mit dem Motorradfahrer kollidierte. Es wurde festgestellt, dass der Lkw-Fahrer gegen § 5 StVO verstoßen hatte, da er sich bei seinem Manöver nicht so verhalten hatte, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Insbesondere unter Berücksichtigung der eingeschränkten Sichtverhältnisse durch die Kurve und des absehbaren erheblichen Zeitaufwands für das Manöver hätte der Lkw-Fahrer einen „Einweiser“ einsetzen müssen.

Motorradfahrer: Schreckreaktion und Bremsverzögerung

Andererseits wurde berücksichtigt, dass der Unfall möglicherweise auch auf eine Schreckreaktion des Motorradfahrers und eine damit verbundene zeitliche Verzögerung zurückzuführen sein könnte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte der Motorradfahrer seinen Bremsvorgang abbrechen und das Motorrad kontrolliert am Lkw vorbeisteuern können. Dies könnte darauf hindeuten, dass auch der Motorradfahrer eine gewisse Verantwortung für den Unfall trägt.

Schadensregulierung und Einigung

Um alle Ansprüche des klagenden Landes aus dem Unfall von 2017 auszugleichen, wurde vorgeschlagen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner einen Betrag von 1.163,26 € nebst Zinsen an das klagende Land zahlen sollten. Dieser Betrag kommt zu dem bereits in Rechtskraft erwachsenen Betrag aus dem erstinstanzlichen Urteil von 3.489,80 € nebst Zinsen hinzu.

Abschließende Überlegungen zur Verkehrssicherheit

Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung von Sorgfalt und Vorsicht im Straßenverkehr, insbesondere bei komplexen Manövern wie Rückwärtsfahren in Kurven mit großen Fahrzeugen wie Lkws. Gleichzeitig zeigt er, dass Verkehrsteilnehmer bei unerwarteten Situationen, wie dem plötzlichen Auftauchen eines rückwärtsfahrenden Lkw in einer Kurve, handlungsfähig bleiben und ggf. geplante Reaktionen (wie Bremsen) abbrechen können müssen, um Unfälle zu vermeiden. Dieser Fall dient als wichtige Erinnerung daran, dass die Verantwortung für die Verkehrssicherheit bei allen Verkehrsteilnehmern liegt.


Das vorliegende Urteil

OLG Koblenz – Az.: 12 U 331/20 – Beschluss vom 09.06.2020

Gründe

I.

Der Senat weist auf Folgendes hin:

Der Senat neigt dazu die Haftungsquote dahingehend abzuändern, dass dem klagenden Land die überwiegende Mithaftung (2/3) an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls zugewiesen wird. Den Verursachungsbeitrag des Beklagten wertet der Senat folglich lediglich mit 1/3.

Verkehrsunfall eines rückwärts in Kurve abbiegenden Lkw mit Motorradfahrer
Komplexe Unfallsituation: Lkw-Motorrad-Kollision bei Kurvenmanöver betont Bedeutung vorsichtigen Verhaltens und angemessener Reaktionen im Straßenverkehr. (Symbolfoto: Jacob_09 /Shutterstock.com)

Der Zeuge …[A] hat in ganz erheblicher Weise gegen die Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 5 StVO verstoßen. Er hat sich bei seinem Abbiegemanöver in keiner Weise so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Insbesondere aufgrund der durch die Kurve deutlich eingeschränkten Sichtverhältnisse und des absehbar erheblichen Zeitraums, den das beabsichtigte Fahrmanöver mit einem Lkw mit Anhänger in Anspruch nehmen werde, hätte sich der Zeuge …[A] in der gegebenen Situation entweder eines „Einweisers“ (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 9 StVO Rn. 51) bedienen müssen, oder aber eine weitere Person damit betrauen müssen, den herannahenden Verkehr vor dem sich ergebenden Verkehrshindernis (rückwärtsfahrender Lkw mit Anhänger versperrt Fahrbahn und Teile der Gegenfahrbahn) zu warnen. Dem Zeugen …[A] hätte auch der Zeuge …[B] als Hilfsperson zur Verfügung gestanden. Hierbei war auch zu beachten, dass der Zeuge …[A] innerhalb des von ihm durchgeführten Fahrmanövers eine Korrektur vornehmen musste, was weitere Zeit in Anspruch nahm.

Der Senat sieht auch abweichend von den Erwägungen des Landgerichts die Betriebsgefahr des von dem Beklagten geführten Motorrades als jedenfalls nicht höher an als die Betriebsgefahr des klägerischen Lkw. Eine Erhöhung der Betriebsgefahr kann sich nicht nur aus der Art des geführten Fahrzeuges, sondern auch aus der Art des durchgeführten Fahrmanövers ergeben. Dass ein Rückwärts-Fahrmanöver eines Lkw mit Anhänger auf einer nur eingeschränkt einsehbaren Landstraße, wobei bei diesem Fahrmanöver nicht nur die eigene Fahrbahn sondern auch die Gegenfahrbahn in Anspruch genommen wird, ein erhebliches Gefahrenpotenzial beinhaltet, dürfte sich einer Diskussion entziehen. Aus den obigen Erwägungen sieht der Senat im Übrigen gleichzeitig einen Verstoß des Zeugen …[A] gegen das in § 1 Abs. 2 StVO postulierte allgemeine Gebot der Rücksichtnahme als gegeben an.

Der Senat vermag hingegen keinen erwiesenen Verstoß des Beklagten gegen eine Vorschrift der StVO zu erkennen. Gemäß den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Physiker …[C] in dessen Gutachten vom 25.01.2019 ist es nicht nachzuweisen, dass der Beklagte mit seinem Motorrad eine höhere Geschwindigkeit als 100 km/h gefahren ist. Anders als das Landgericht sieht der Senat es auch als nicht gesichert an, dass der Beklagte durch sein Fahrverhalten gegen die Regelung des § 3 Abs. 1 S. 4 StVO (Fahren auf Sicht) verstoßen hat. So mag es ihm gemäß den Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 25.01.2019 zwar (rechnerisch) durchaus möglich gewesen sein, das Motorrad noch vor dem Lkw zum Stehen zu bringen. Dem Senat erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass das Zustandekommen des Verkehrsunfalls zumindest auch auf eine Schreckreaktion des Beklagten und eine damit verbundene zeitliche Verzögerung zurückzuführen ist. Dies gilt noch stärker für den Umstand, dass der Beklagte – nach den Ausführungen des Sachverständigen – seinen Bremsvorgang hätte abbrechen können, wodurch er die Möglichkeit zurückgewonnen hätte, sein Motorrad kontrolliert am klägerischen Fahrzeug vorbeizusteuern. Eine solche nicht optimale Reaktion des Beklagten („Fehlreaktion“) auf die gegebene Gefahrensituation (Fahrbahn versperrender Lkw mit Anhänger) könnte dem Beklagten „nicht zur Last gelegt werden“ (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 7 StVG Rn. 11).

In die gemäß § 17 StVG vorzunehmende Haftungsabwägung waren somit auf Seiten des klagenden Landes der Verstoß des Zeugen …[A] gegen § 9 Abs. 5 StVO und gegen § 1 Abs. 2 StVO, sowie die erheblich erhöhte Betriebsgefahr des Lkw, auf Seiten des Beklagten hingegen lediglich die von seinem Motorrad ausgehende Betriebsgefahr einzubringen. Dies mündet in die eingangs geschilderte Haftungsquote.

II.

Angesichts der obigen Ausführungen schlägt der Senat vor, dass sich die Parteien im Wege des § 278 Abs. 6 ZPO wie folgt gütlich einigen sollten:

1. Zum Ausgleich aller Ansprüche des klagenden Landes aus dem Verkehrsunfallgeschehen vom …2017 zahlen die Beklagten als Gesamtschuldner über den nach dem erstinstanzlichen Urteil bereits in Rechtskraft erwachsenen Betrag (3.489,80 € nebst Zinsen) hinausgehend an das klagende Land weitere 1.163,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.11.2017.

2. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen das klagende Land 45 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 55 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen das klagende Land zu 3/4, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 1/4. Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

III.

Die Parteien werden gebeten, dem Senat bis zum 01.07.2020 mitzuteilen, ob sie dem obigen Vergleichsvorschlag zustimmen. Sollten sie dem Vergleich nicht näher treten, mögen sie dem Senat binnen gleicher Frist mitteilen, ob sie einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zustimmen.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Rechtsgebiet: Straßenverkehrsrecht
    • Rechtsnormen: § 9 Abs. 5 StVO, § 1 Abs. 2 StVO
    • Gesetz: Straßenverkehrsgesetz (StVG)

    Im vorgestellten Fall wurde ein Verkehrsunfall zwischen einem LKW, der rückwärts in eine Kurve abgebogen ist, und einem Motorradfahrer untersucht. Eine Schlüsselrolle spielte hierbei das Straßenverkehrsrecht, insbesondere § 9 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO), welcher das Verhalten beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren regelt. Insbesondere wurde festgestellt, dass der Zeuge A, der den LKW fuhr, gegen diese Norm verstoßen hat, da er bei seinem Manöver keine Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer genommen hat. Zusätzlich wurde auch der Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO (allgemeine Rücksichtnahme im Straßenverkehr) berücksichtigt. Diese beiden Verstöße sind zentral in der Beurteilung der Haftungsfrage.

  2. Rechtsgebiet: Haftungsrecht
    • Rechtsnorm: § 17 StVG
    • Gesetz: Straßenverkehrsgesetz (StVG)

    Gemäß § 17 StVG wird bei einem Verkehrsunfall eine Haftungsabwägung vorgenommen. Dabei werden die Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge und das Verhalten der Fahrer miteinander abgewogen. Hier spielte die erhöhte Betriebsgefahr des LKW und die vom Motorrad ausgehende Betriebsgefahr eine Rolle. In diesem Zusammenhang ist auch das Fehlverhalten des Beklagten zu nennen, welches allerdings nach Einschätzung des Gerichts nicht zur Last gelegt werden konnte.

  3. Rechtsgebiet: Zivilprozessrecht
    • Rechtsnorm: § 278 Abs. 6 ZPO
    • Gesetz: Zivilprozessordnung (ZPO)

    Die Zivilprozessordnung (ZPO) regelt in Deutschland den Ablauf von zivilrechtlichen Streitigkeiten vor Gericht. In diesem Fall ist § 278 Abs. 6 ZPO relevant, der die Möglichkeit einer gütlichen Einigung zwischen den Parteien während des Prozesses vorsieht. Der Senat hat den Parteien in diesem Fall einen Vorschlag für eine gütliche Einigung vorgelegt, der die Zahlung eines bestimmten Betrages durch die Beklagten an das klagende Land umfasst.

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