LG Karlsruhe – Az.: 6 O 165/18 – Urteil vom 25.01.2019
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Schadenersatz aus Verkehrsunfall.
Die Klägerin ist ein Fachbetrieb für Rohrreinigung mit 60 Mitarbeitern und 45 Fahrzeugen – darunter acht baugleiche Spezialfahrzeuge – mit Sitz in L.. Zu diesen baugleichen Spezialfahrzeugen gehört ein umgebauter Mercedes Sprinter mit dem amtlichen Kennzeichen G..
Ihr Mitarbeiter, der Zeuge R., war am 14.12.2017 mit diesem Fahrzeug in K. unterwegs. Er bog, vom D-Weg kommend, auf den P-Weg ein. Dort fuhr auch die Beklagte zu 1. mit einem Fiat Panda, amtliches Kennzeichen K., welches bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert ist. Auf der rechten Seite der zweispurigen Straße befinden sich Parkplätze, die senkrecht zur Straße angeordnet sind. Beim Versuch des Zeugen R. in eine der Parkbuchten einzufahren, kam es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge. Der Hergang des Unfalls steht zwischen den Parteien im Streit.
Der nicht mehr fahrbereite Mercedes Sprinter wurde von der Unfallstelle zum Geschäftsbetrieb der Klägerin nach L. abgeschleppt. Ein Kfz-Sachverständiger aus K. hat am 28.12.2017 ein Schadensgutachten erstellt und die Reparaturdauer mit 4–5 Tagen angegeben. Der Wagen wurde vom 06. bis 11.01.2018 repariert, wodurch Kosten in Höhe von 5.555,40 € entstanden.
Die Beklagte hat eine Haftungsquote von 50 % anerkannt und auf dieser Grundlage verschiedene Schäden der Klägerin (Reparaturkosten, Gutachterkosten, Kostenpauschale und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 3.126,76 €) mit einem Betrag von insgesamt 3.910,26 € bezahlt.
Die Klägerin trägt vor, der Zeuge R. habe beabsichtigt auf Höhe der Hausnummer 5 in einen Parkplatz einzufahren und dafür den rechten Blinker gesetzt. Er habe ca. bis zur Mitte der Fahrspuren nach links ausgeholt, um einen besseren Einparkwinkel zu erhalten. Gerade als er in die Parklücke einfahren wollte, sei die Beklagte zu 1 bei dem Versuch, das klägerische Fahrzeug rechts zu überholen, mit dem Mercedes Sprinter kollidiert.
An Schaden seien zu erstatten Abschleppdienst i.H.v. 462,50 €, ein Gutachten mit 757,88 €, Reparaturkosten mit 5.555,40 € und entgangener Gewinn bei einem aus den Umsätzen September bis November 2017 errechneten Tagessatz von 761,01 € für insgesamt 29 Kalendertage i.H.v. insgesamt 15.007,18 €. Ein Ersatzfahrzeug werde nicht vorgehalten. Ein Mietfahrzeug habe ebenfalls nicht beschafft werden können, weil die im Fahrzeug verbaute Technik hochspezialisiert und auf die Bedürfnisse der Klägerin zugeschnitten sei. Allein die Auftragslage bzgl. der Großkunden führe zu einer nahezu hundertprozentigen Auslastung. Soweit Aufträge durch einen Ausfall nicht bearbeitet werden können, sei dieser Umsatz nicht mehr realisierbar. Die Beklagte hafte wegen ihres rechts Überholens und des Überholens bei unklarer Verkehrslage (§ 5 StVO) allein.
Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 18.887,30 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.1.2018
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klägerin von außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 438,10 EUR freizustellen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie tragen vor, über die anerkannte Quote von 50 % hinaus komme eine Haftung nicht in Betracht. Der Unfall sei vom Zeugen R. verschuldet worden. Die Beklagte zu 1. sei vor dem Mercedes Sprinter gefahren, als dessen Fahrer plötzlich überholt und versucht habe, noch vor ihrem Fahrzeug in eine rechts neben der Fahrbahn gelegene Parktasche einzubiegen. Dabei habe der Zeuge R. das Beklagtenfahrzeug so geschnitten, dass es zur Kollision gekommen sei. Der Zeuge R. habe gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen, denn die Parkbucht stelle ein Grundstück dar, in das er versucht habe einzufahren. Die Abschleppkosten seien nicht erforderlich gewesen. Die Rechnung des Sachverständigen sei nicht nachvollziehbar. Auch habe die Klägerin mit der Reparatur unzumutbar lang zugewartet, weshalb sie gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen habe.
Das Gericht hat am 19.11.2018 Hinweis zur Darlegung eines entgangenen Gewinns beim Ausfall eines gewerblich genutzten Fahrzeugs gegeben. Es hat die Beklagte zu 1. in der mündlichen Verhandlung vom 25.1.2019 angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen R., sowie durch ein in der Verhandlung mündlich erstattetes Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. R.K.. Die Akte des Polizeireviers M. mit dem Aktenzeichen VUO/XXX war dem Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 25.1.2019 Bezug genommen. Im Übrigen wird für den weiteren Sach- und Streitstand auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Die Beklagten haften für den der Klägerin durch das Unfallgeschehen vom 14.12.2017 auf dem P-Weg in K. am Mercedes Sprinter entstandenen Schaden mit einer von den Beklagten anerkannten Haftungsquote von 50% in Höhe von insgesamt 3.355,95 € (§§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, 823, 249 BGB), der durch die vorgerichtlichen Zahlungen der Beklagten zu 2. bereits in vollem Umfang beglichen wurde.
1. Die Voraussetzungen für die Haftung der Beklagten zu 2. gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG und für die Haftung der Beklagten zu 1. gemäß §§ 7, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB sind dem Grunde nach unproblematisch gegeben. Der streitgegenständliche Unfall hat sich beim Betrieb des Mercedes Sprinter und des Fiat Panda ereignet. Höhere Gewalt i. S. d. § 7 Abs. 2 StVG liegt nicht vor. Ein unabwendbares Ereignis wurde von keiner Partei behauptet oder dargelegt.
2. Im Rahmen der gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG zu bildenden Haftungsquote ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Verursachungsbeiträge der Parteien, eine gleich hohe Haftung der Klägerin und der Beklagten, wie sie die Beklagten anerkannt haben, als angemessen zugrunde zu legen. Dabei können zu Lasten der jeweiligen Partei nur unstreitige oder bewiesene Umstände berücksichtigt werden (st. Rsp., BGH, Urteil vom 21.11.2006 – VI ZR 115/05, in VersR 2007, 263 m.w.N.). Nach allgemeinen Beweisgrundsätzen hat im Rahmen der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung jeweils der eine Halter die Umstände zu beweisen hat, die dem anderen zum Verschulden gereichen (BGH, Urteil vom 13.02.1996 – VI, VersR 1996, 5135 -, juris). Das führt zu einer Haftung der Beklagten in anerkannter Höhe von 50 %. Die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge ist durch schuldhafte Verstöße gegen die in der StVO geregelten Sorgfaltspflichten erhöht.
a) Der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs hat die ihm beim Abbiegen in die Parkbucht obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt.
aa) Dabei musste der Zeuge R. zwar die Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 1 StVO, nicht jedoch – wie von den Beklagten angenommen – die nach § 9 Abs. 5 StVO (Einfahren in ein Grundstück) beachten. § 9 Abs. 1 StVO regelt auch das Abbiegen in einen neben der Fahrbahn liegenden Parkplatz (OLG Hamm Urteil vom 08.11.2013 – 9 U 88/13, juris, NZV 2014, 262 m.w.N.). Das Gericht folgt der Auffassung, dass neben der Fahrbahn liegende Parkbuchten und Parkboxen grundsätzlich keine Grundstücke i.S.v. § 9 Abs. 5 StVO darstellen (OLG Hamm, aaO.). Diese Ansicht wird sowohl von dem Wortlaut als auch von der Systematik des Gesetzes getragen. Zwar stellen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Grundstücke einen abgegrenzten Teil der Erde dar, an dem Eigentumsrechte erworben werden können, so dass auch Straßen und Straßenteile hierunter gefasst werden können. Der Sprachgebrauch der StVO legt diese Auslegung allerdings nicht nahe. Sie widerspricht zudem der Systematik des Gesetzes, insbesondere der der §§ 9, 10 StVO. In § 10 StVO wird ausdrücklich zwischen Grundstücken und anderen Straßenteilen differenziert, wobei unter den zuletzt genannten Straßenteilen solche verstanden werden, die nicht dem durchgehenden Verkehr dienen, wie z.B. Parkplätze und Zufahrten zu Parkplätzen. Während § 10 StVO die Sorgfaltspflichten für das Wiedereinfahren in den fließenden Verkehr von Grundstücken und anderen Straßenteilen regelt, regelt § 9 Abs. 5 StVO nur das Abbiegen in ein Grundstück. Zwar ist zu berücksichtigen, dass auch die mit dem Abbiegen auf Parkstreifen und in Parkbuchten verbundenen Gefahren über die mit dem „normalen“ Abbiegen an Kreuzungen und Einmündungen verbundenen Gefahren hinausgehen können. Der rückwärtige Verkehr kann sich hierauf schlechter einstellen, weil eine angesteuerte Parkbucht – ebenso wie auch eine Grundstückszufahrt – nicht so eindeutig zu erkennen ist wie eine angesteuerte Einmündung oder Kreuzung. Allerdings rechtfertigt diese Gefahr allein nicht die generelle Umgehung der in den §§ 9, 10 StVO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung, dass sich die Sonderregelung für das Abbiegen gemäß § 9 Abs. 5 StVO nur auf Grundstücke und nicht auch auf andere Straßenteile bezieht, während die Wiedereinfahrt in § 10 StVO sowohl für Grundstücke als auch für andere Straßenteile geregelt ist. Hätte der Gesetzgeber auch das Abbiegen auf einen öffentlich zugänglichen Parkplatz oder das Verlassen des fließenden Verkehrs generell für besonders gefährlich und daher regelungsbedürftig gehalten, hätte er dies ohne weiteres in § 9 Abs. 5 StVO aufnehmen können. Dementsprechend stellt das Abbiegen in eine neben der Fahrbahn liegende Parkbucht zwar kein Abbiegen in ein Grundstück i.S.v. § 9 Abs. 5 StVO dar. Allerdings kann das im Vergleich zum Abbiegen in eine Einmündung im Einzelfall erhöhte Gefährdungspotential in Anwendung des Rechtsgedankens dieser Vorschrift bei der Gewichtung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge im Rahmen der Abwägung gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG berücksichtigt werden, so dass die streitige Frage häufig – so auch hier – nicht entscheidungserheblich ist (OLG Hamm, aaO.; so auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.10.2014 – 4 U 145/13, NZV 2016, 82;)
bb) Der Zeuge R. hat gegen die beim Abbiegen zu beachtende doppelte Rückschaupflicht gemäß § 9 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen. Diese ist grundsätzlich auch von einem Rechtsabbieger zu beachten (OLG Hamm aaO., KG, Beschluss vom 03.12.2009 – 12 U 32/09, NZV 2010, 345). Nur wenn sich der Rechtsabbieger so weit rechts eingeordnet hat, dass sein Abstand zum rechten Fahrbahnrand ein Überholen auch durch ein Krad oder Fahrrad nicht zulässt, die bevorstehende Richtungsänderung rechtzeitig angekündigt und seine Geschwindigkeit allmählich ermäßigt hat, darf er darauf vertrauen, dass ihn kein nachfolgendes Fahrzeug rechts zu überholen versucht. Ansonsten muss er damit rechnen, dass ihn andere Fahrzeuge rechts überholen und darf den Abbiegevorgang daher nur nach gewissenhafter Rückschau ausführen (OLG Hamm, aaO.).
Danach durfte der Zeuge R. vorliegend nicht darauf vertrauen, dass ihn niemand rechts überholen würde. Das Gericht hat auf der Grundlage des von dem gerichtsbekanntermaßen äußerst erfahrenen und kompetenten Sachverständigen Dipl. Ing. R.K. in der Verhandlung vom 25.1.2019 erstatteten Gutachtens festgestellt, dass der Zeuge R. vor Einleitung des Abbiegevorgangs keine zweite Rückschau gehalten und damit gegen § 9 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen hat. Zu dem Zeitpunkt, als sich das klägerische Fahrzeug nach rechts gelenkt wurde, befand sich das von hinten herannahende Beklagtenfahrzeug im Sichtbereich. Das klägerische Fahrzeug verfügt über einen großen Außenspiegel, so dass der dortige Verkehrsraum bei korrekter Einstellung erkennbar oder einsehbar war. Hätte der Zeuge R. unmittelbar vor dem Abbiegen in die Parklücke ein zweites Mal Rückschau gehalten, hätte er – so die Erläuterung des Sachverständigen Dipl. Ing. R.K. – die Beklagte zu 1. bemerkt und den Abbiegevorgang rechtzeitig abbrechen können. Diesbezüglich sind auch die Ausführungen des Sachverständigen zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1. bei ordnungsgemäßer Rückschau für den Zeugen R. die ganze Zeit wahrnehmbar gewesen wäre. Soweit der Zeuge R. in seiner Vernehmung schilderte, er habe bei der von ihm vorgenommenen Rückschau die Beklagte zu 1. nicht gesehen, entlastet dies ihn nicht. § 9 Abs. 1 S. 4 StVO verpflichtet den Abbieger nicht zu irgendeiner zweiten Rückschau. Vielmehr hätte der Zeuge R. vorliegend unmittelbar vor Beginn des Abbiegevorgangs Rückschau halten müssen, um ein Passieren der Beklagten zu 1. auf der rechten Seite seines Fahrzeugs auszuschließen.
cc) Das Gericht ist im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge zulasten der Klägerin außerdem von einem Verstoß des Zeugen R. gegen § 9 Abs. 1 S. 2 StVO ausgegangen, wonach derjenige, der abbiegen will, sein Fahrzeug rechtzeitig möglichst weit rechts einordnen muss. Der Zeuge R. hat bei seiner Vernehmung angegeben, ca. einen Meter in die Gegenfahrbahn eingefahren zu sein (Protokoll Seite 3). Das Gericht hat auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. R.K. festgestellt, dass unter Berücksichtigung der Kollisionsposition von einer Ausgangsposition des klägerischen Fahrzeugs im Bereich der linken Fahrbahnhälfte auszugehen ist.
dd) Dass der Zeuge R. zudem gegen § 9 Abs. 1 S. 1 StVO verstoßen hat, weil er den rechten Blinker nicht rechtzeitig vor dem Abbiegen in die Parklücke gesetzt hat, lässt sich hingegen auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme nicht mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Beklagten tragen die Beweislast für einen die Betriebsgefahr erhöhenden Verstoß des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs gegen § 9 Abs. 1 S. 1 StVO. Die Beklagten haben den ihnen obliegenden Beweis jedoch nicht erbracht. Insbesondere lassen sich die entsprechenden Feststellungen nicht mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit auf der Grundlage der Aussage der Beklagten zu 1. treffen. Der Zeuge R. hat in seiner Vernehmung angegeben, den Blinker rechts gesetzt zu haben und insoweit den Klagvortrag bestätigt. Diesen Vortrag hatten die Beklagten in ihrer Klageerwiderung nicht bestritten. Soweit sie im Schriftsatz vom 15.1.2019 erstmals den eingeschalteten Fahrtrichtungsanzeiger bestreiten, ist von ihnen kein Beweis angeboten worden. Soweit die Beklagte zu 1. bei ihrer Anhörung ausgeführt hat, ein Blinker sei durch den Zeugen R. nicht gesetzt gewesen, vermag diese Aussage den Nachweis nicht zu führen. Die Parteianhörung stellt kein Beweismittel im Sinne der ZPO dar; die Würdigung der Angaben einer Partei im Rahmen der Anhörung als Parteivernehmung ist unzulässig (BGH, Urteil vom 16.10.1987 – V ZR 170/86, NJW-RR 1988, 320; vom 09.10.1974 – VIII ZR 190/73, in WM 1974, 1174; RGZ 149, 63). Die Beklagte zu 1. zu diesem Vortrag nunmehr als Partei zu vernehmen, wurde von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2019 auch nicht beantragt.
ee. Dem Zeugen R. ist auch kein Verstoß gegen § 10 StVO vorzuwerfen, indem er am linken Fahrbahnrand teilweise auf dem dortigen Gehweg stehend plötzlich und für die Beklagte zu 1. unvermittelt angefahren sein soll.
Zwar hat die Beklagte zu 1. in ihrer Anhörung ein solches Verhalten des Zeugen R. geschildert. Damit steht sie jedoch gänzlich im Widerspruch zu der Darstellung ihres Prozessbevollmächtigten in der Klageerwiderung, wonach sie vor dem Mercedes Sprinter gefahren sei, als dessen Fahrer plötzlich überholt und versucht habe, noch vor ihrem Fahrzeug in eine rechts neben der Fahrbahn gelegene Parktasche einzubiegen. Diesen Widerspruch vermochten weder der Prozessbevollmächtigte, noch die Beklagte zu 1. für das Gericht nachvollziehbar aufzuklären. Das Gericht geht davon aus, dass ein Prozessvortrag zu einem Unfallgeschehen grundsätzlich auf den eingeholten Angaben der beteiligten Fahrerin, der Beklagten zu 1., haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2., erfolgt. Wäre dies nicht der Fall, so hätten entweder ein Mitarbeiter der Beklagten zu 2. oder ihr Prozessbevollmächtigter die Ausführungen in der Klageerwiderung „ins Blaue hinein“ gemacht. Oder aber die Unfalldarstellung in der Klageerwiderung entsprach den erstmaligen, unfallnahen Angaben der Beklagten zu 1. Dann wäre ihre vollständig neue Darstellung in der mündlichen Verhandlung ohne nachvollziehbaren, vernünftigen Grund erfolgt. Beide unterschiedlichen Vorgehensweisen können entweder auf gröbster Nachlässigkeit dieser Beteiligten beruhen oder sogar den Verdacht des versuchten Prozessbetruges begründen. Die Beklagten haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben (§ 138 Abs. 1 ZPO). Zwar darf sich ein Prozessbevollmächtigter die Darstellung seiner Mandantin ohne Kontrolle ihrer Richtigkeit zu eigen machen (BVerfG, Beschluss vom 16.07.2003 – 1 BvR 801/03, NJW 2003, 3263). Als unwahr erkannte Behauptungen darf er aber nicht vorbringen; erst recht nicht eigenmächtig, zB aus prozesstaktischen Gründen, Unwahres behaupten (OLG Köln, Urteil vom 04.06.2004 – 11 U 153/03, MDR 2005, 168). Aus oben dargestellten Gründen verbietet es sich auch, die Beklagte zu 1. entgegen dem Antrag in der Klageerwiderung als Partei gem. §§ 447, 448 ZPO zu vernehmen. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Rahmen der Erörterung des Beweisergebnisses erklärt, sich vorsorglich die Ausführungen der Beklagten zu 1. zu eigen zu machen (vgl. zu diesem Grundsatz: BGH, Urteil vom 08.01.1991 – VI ZR 102/90, VersR 1991, 467). Die oben aufgeführten Umstände sind jedoch gänzlich ungeeignet, mit diesem neuen Vortrag die Rechtsposition der Beklagten zu stützen.
b. Die Beklagte zu 1. hat demgegenüber die ihr beim Überholen obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt.
aa) Ihr ist ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 StVO vorzuwerfen, weil sie rechts an dem Fahrzeug der Klägerin vorbeigefahren ist. Dass die Beklagte zu 1. an dem Mercedes Sprinter rechts vorbeigefahren ist bzw. vorbeizufahren versuchte, ergibt sich für das Gericht aus den insoweit nachvollziehbaren und überzeugenden Angaben des Zeugen R., den von dem Sachverständigen Dipl. Ing. R.K. vorgelegten Skizzen und seinen ergänzenden Erläuterungen.
Rechtsüberholen ist – als Ausnahme von dem in § 5 Abs. 1 StVO geregelten Grundsatz, dass links zu überholen ist – gemäß § 5 Abs. 7 StVO nur dann zulässig, wenn der zu Überholende seine Absicht, nach links abzubiegen, angekündigt und sich entsprechend eingeordnet hat, wobei aufgrund der Abweichung von der normalen Regel besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit erforderlich sind (vgl. OLG Hamm aaO., m.w.N). Vorliegend sind die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift allerdings nicht erfüllt. Der Zeuge R. hat unstreitig nicht den linken Blinker betätigt und sich auch nicht eindeutig zur linken Seite eingeordnet. Es ist vorliegend auch nicht ersichtlich und wird von den Beklagten auch nicht vorgetragen, wohin der Mercedes Sprinter nach links hätte abbiegen oder einbiegen sollen.
bb) Ob der Beklagten zu 1. daneben ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 2 StVO vorzuwerfen ist, kann im Ergebnis offen bleiben.
Zwar ist zweifelhaft, ob die Beklagte zu 1. bei dem Überholmanöver einen ausreichenden Sicherheitsabstand im Sinne dieser Vorschrift eingehalten hat. Dieser richtet sich nach der eigenen Fahrzeugart und Fahrgeschwindigkeit, den Fahrbahnverhältnissen, dem Wetter und der Eigenart des überholten Fahrzeugs. Beim Rechtsüberholen eines eingeordnet haltenden Linksabbiegers ist ein Seitenabstand von 50 cm jedenfalls ausreichend (OLG Hamm aaO.). Selbst wenn der Beklagten zu 1. danach das Überholen gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 StVO verboten war, weil sie den ausreichenden Sicherheitsabstand nicht einhalten konnte, kommt einem hieraus ggf. resultierenden Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 2 StVO keine eigenständige Bedeutung zu, weil es der Beklagten zu 1. bereits gemäß § 5 Abs. 1 StVO untersagt war, rechts an dem Fahrzeug der Klägerin vorbeizufahren.
c. Bei der Abwägung dieser Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVO sind dementsprechend – wie oben dargelegt – mehrere Verkehrsverstöße zu berücksichtigen, die die Betriebsgefahr der jeweiligen Fahrzeuge erhöhen.
Zwar überwiegt bei einem Unfall im Zusammenhang mit dem Überholen eines Rechtsabbiegers, der durch einen vorherigen Linksschwenk gegen seine Sorgfaltspflicht gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 StVO verstoßen hat, im Regelfall die Haftung des Rechtsabbiegers (OLG Hamm aaO.). Jedoch musste die Beklagte zu 1. andererseits aufgrund der Größe des klägerischen Fahrzeugs Mercedes Sprinter sowie der örtlichen Verhältnisse mit der Möglichkeit rechnen, dass der Zeuge R. mit dem von ihm beschriebenen Schwenk nach links eine der auf der rechten Seite befindliche und freie Parkbucht erreichen wollte. Trotz dieser Anhaltspunkte hat die Beklagte zu 1. ihr Fahrzeug nicht hinreichend abgebremst und das weitere Verhalten des Zeugen R. abgewartet, sondern hat das Fahrzeug mit einem geringen Sicherheitsabstand überholt. Auch wenn das Gericht hier grundsätzlich trotz dieses verkehrswidrigen und mit erheblichen Gefahren verbundenen Überholmanövers der Beklagten zu 1. aus oben dargelegten Gründen eine überwiegende Haftung des klägerischen Fahrzeugs bejaht hätte, war eine gleich hohe Haftung auf beiden Seiten – wie sie die Beklagten anerkannt haben – zugrunde zu legen.
3. Dementsprechend haben die Beklagten der Klägerin die Hälfte der geltend gemachten, gemäß §§ 249 ff. BGB erstattungsfähigen Schadenspositionen zu ersetzen. Hierzu im Einzelnen:
a. Reparaturkosten Mercedes Sprinter – unstreitig – 5.555,40 €
b. Abschleppkosten 462,50 €
Grundsätzlich kann die Klägerin ihren beschädigten Mercedes Sprinter an den Heimatstandort zur dortigen Reparatur abschleppen lassen, insbesondere da die Strecke von K. nach L. lediglich ca. 35 km umfasst (§ 287 ZPO).
c. Sachverständigenkosten 669,00 €
Die Klägerin durfte einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an ihrem durch den Unfall beschädigten Mercedes Sprinter beauftragen und von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Wenn der Geschädigte die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann, so ist er nach dem Begriff des Schadens und dem Zweck des Schadensersatzes wie auch nach dem letztlich auf § 242 BGB zurückgehenden Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d. h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13, VersR 2014, 474 m.w.N.).
Die Höhe des vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Grundhonorars von 639,00 € ist vorliegend nicht zu beanstanden. In Streit steht die Höhe der Nebenkosten für Fahrtkosten (57,68 €), Lichtbilder (30,00 €) und Telefon, Schreibgebühren, Porto (31,20 €). Dass in L. ein Sachverständiger nicht erreichbar gewesen wäre, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich. Sind die Abschleppkosten von K. nach L. erstattungsfähig, so hat die Klägerin selbst die Umstände geschaffen, einen Sachverständigen nicht mehr am Unfallort K., sondern aus L. wählen zu müssen. Dass ihr das nicht möglich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Die Fahrtkosten von 57,68 € sind daher nicht erstattungsfähig. Mit der Pauschale von 639,00 € für u. a. „Erstellung eines Gutachtens“ sind auch Nebenkosten mit abgegolten, weshalb die weiteren Kosten von 31,20 € ebenfalls nicht erstattungsfähig sind. Die gefertigten Lichtbilder hält das Gericht im Rahmen der Schätzung (§ 287 ZPO) in vollem Umfang für erstattungsfähig. Insoweit stellt die Rechnung vom 28.12.2017 ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB dar (vgl. BGH aaO.).
d. Entgangener Gewinn
Die Klägerin hat einen entgangenen Gewinn für den Ausfall des Mercedes Sprinter für den hier geltend gemachten Zeitraum vom 14.12.2017 bis zum 10.01.2018 nicht substantiiert dargelegt und auch nicht nachgewiesen.
aa. Das Gericht hat bereits am 19.11.2018 darauf hingewiesen, dass beim Ausfall eines gewerblich genutzten Kraftfahrzeuges sich der Schaden i.d.R. nach dem entgangenen Gewinn (§252 BGB), den Vorhaltekosten eines Reservefahrzeuges oder der Miete eines Ersatzfahrzeuges bemisst. Zur Bemessung dieses Anspruchs hat der Geschädigte grundsätzlich im Wege einer Vermögensbilanz das Vermögen, welches er hypothetisch ohne den Ausfall gehabt hätte, mit dem Vermögensstand zu vergleichen, welchen er nach Wiederherstellung der Nutzungsmöglichkeit tatsächlich hat. Die Differenz stellt den Vermögensschaden dar, also den Betrag, um den das Vermögen durch das Schadensereignis vermindert ist oder um den sich ein bestehender Verlust erhöht hat (vgl. BGH, Urteile vom 06.12.2018 – VII ZR 285/17, NJW 2019, 1064; vom 10.01.1978 – VI ZR 164/75, BGHZ 70, 199). Dient das beschädigte Fahrzeug unmittelbar zur Erbringung gewerblicher Leistungen, wie etwa bei einem Taxi oder LKW, muss der Geschädigte den Ertragsentgang konkret berechnen (BGH aaO., und Beschluss vom 21.01.2014 – VI ZR 366/13, DAR 2014, 144). Der Geschädigte muss für die Darlegung entgangenen Gewinns spezifiziert vortragen, welche Umsätze gerade im Ausfallzeitraum mit dem konkreten Fahrzeug erzielt worden wären und welche im einzelnen darzulegenden Unkosten des gesamten Betriebs dem gegenüberstanden. Es genügt insbesondere nicht, auf die mit dem beschädigten Fahrzeug getätigten Umsätze in den vergangenen Monaten zu verweisen und hiervon pauschal einen bestimmten Prozentsatz an Kosten zu behaupten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 28.10.1996 – 19 U 40/96 –, VersR 1997, 506; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 19.12.1995 – 2 U 77/95, OLGR Brandenburg 1996, 105). Hier ist also darzulegen, über wie viele Fahrzeuge die Klägerin im fraglichen Zeitraum verfügt hat und ob diese sämtlich ausgelastet waren, des Weiteren, welche Transporte / Arbeiten vorgesehen waren und wie sie anderweitig bewältigt worden sind sowie, welche Betriebskosten dem gegenüberstanden.
bb. Aus den von der Klägerin im Nachgang an diesen Hinweis vorgelegten Unterlagen ergibt sich gerade nicht, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug in dem hier geltend gemachten Zeitraum ununterbrochen Aufträge vorlagen, die durch andere der insgesamt acht baugleichen Fahrzeuge nicht hätten erledigt werden können. Entgegen der klägerischen Behauptung ergibt sich aus den vorgelegten Übersichten gerade nicht, dass die Klägerin mit ihren baugleichen Fahrzeugen „im Dezember und Januar vollständig ausgebucht“ war. Weiterhin belegen die mit Anlage K 17-23 vorgelegten Auslastungen, dass zwischen dem 14.12.2017 und dem 11.01.2018 lediglich am 18.12, am 19.12. und am 27.12.2017 alle weiteren baugleichen Fahrzeuge gleichzeitig im Einsatz waren. An den weiteren Tagen war immer mindestens ein baugleiches Fahrzeug nicht im Einsatz, sodass ein möglicher Auftrag für das streitgegenständliche Fahrzeug hätte aus dem eigenen Betrieb eingesetzt bzw. kompensiert werden können. Welcher Auftrag am 18.12., am 19.12. oder am 27.12.2017 für den verunfallten Mercedes Sprinter vorgelegen hat, ist nicht dargelegt. Schließlich fehlt es an jeglichen Darlegungen zu den Betriebskosten, die den behaupteten Umsätzen gegenübergestanden haben. Der angebotene Beweis durch Sachverständigengutachtens war angesichts dieser Darlegung und der vorgelegten Nachweise daher nicht zu erheben.
e. Die Klägerin kann keine über 25 € hinausgehende Auslagenpauschale verlangen. Dieser Wert entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und des OLG K. (vgl. Urteil vom 17.12.2018 – 1 U 85/18, Seite 10). Es ist kein Grund ersichtlich, im vorliegenden Fall von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
f. Insgesamt ergibt sich somit ein Schaden von 6.711,90 €, von dem die Klägerin 50 %, mithin 3.355,95 € erstattet verlangen kann. Nachdem die Beklagten vorgerichtlich bereits 3.910,26 € gezahlt und damit 554,31 € überzahlt haben, steht der Klägerin kein weiterer Schadensersatz zu.
II.
An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin 1,3 Geschäftsgebühr (3.355,95 €) Nr. 2300 VV RVG mit 327,60 zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG mit 20,00 €, insgesamt somit 347,60 € verlangen, die die Beklagten mit o.g. Zahlung ebenfalls bereits vollständig beglichen haben. Mangels durchsetzbarer Hauptforderung steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Zinsen zu. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 709, 108 ZPO.