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Verkehrsunfall – Kein Schadensersatz bei nicht reparierten Vorschäden

LG Frankenthal – Az.: 1 O 4/20 – Urteil vom 09.06.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am .. … … in der Straße, Ort ereignete.

Verkehrsunfall - Kein Schadensersatz bei nicht reparierten Vorschäden
(Symbolfoto: Vereshchagin Dmitry/Shutterstock.com)

Die Klägerin ist Eigentümer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … – … – … . Das Fahrzeug war ordnungsgemäß geparkt, als der Fahrer des bei der beklagten Versicherung versicherten PKW mit dem Heck des klägerischen Fahrzeugs kollidierte. Die Einstandspflicht der Beklagten steht nicht im Streit.

Ein von der Klägerin eingeholtes Sachverständigengutachten ergab Reparaturkosten in Höhe von 4.152,29 €. Für das Gutachten entstanden der Klägerin Kosten in Höhe von 951,80 €. Die Klägerin verweigerte in der Folge eine Nachbesichtigung des Fahrzeugs durch einen Sachverständigen der Beklagten. Nachdem sich das Fahrzeug zunächst in … befand, ist es inzwischen gestohlen worden.

Das Fahrzeug der Klägerin war bereits fünf Monate vor dem hier streitgegenständlichen Unfall in einen anderen Unfall verwickelt, bei dem ein wirtschaftlicher Totalschaden entstand.

Die Klägerin behauptet, die in dem Gutachten erwähnten Schäden seien auf das hier gegenständliche Ereignis zurückzuführen. Sie seien auch kompatibel mit dem Unfallhergang. Der vorherige Unfall sei in dem hier streitgegenständlichen Frontbereich bereits sach- und fachgerecht repariert gewesen.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.177,29 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2019 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in Höhe der Verbindlichkeit in Höhe von 951,80 EUR gegenüber dem …, Straße, Ort aus dem Begutachtungsauftrag … freizustellen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in Höhe der Verbindlichkeit von 571,44 EUR an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegenüber dem Rechtsanwalt … dem Auftrag …  freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, im Hinblick auf den nur sehr geringfügigen Anstoß an dem Fahrzeug der Klägerin seien die geltend gemachten Beschädigungen nicht plausibel auf das Unfallgeschehen zurückzuführen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen … vom .. . .. . …1 (Bl. … ff. der Akte) verwiesen.

Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin stehen keine Ansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG, § 18 Abs. 1 StVG oder § 823 Abs. 1 BGB zu, für die die Beklagte als Kraftfahrthaftpflichtversicherung gemäß § 115 VVG einzustehen hätte. Denn der Klägerin hat den Nachweis, dass die geltend gemachten Schäden auf das hier streitgegenständliche Unfallgeschehen zurückzuführen sind, nicht geführt.

Der Sachverständige hat zur Durchführung der Begutachtung nicht auf das Fahrzeug der Klägerin zurückgreifen können, da sich dieses zunächst in … befunden haben soll und anschließend gestohlen worden sein soll. Die Schäden am Fahrzeug des Unfallverursachers sind inzwischen repariert. Vor diesem Hintergrund konnte der Sachverständige … lediglich die ihm zur Verfügung stehenden Lichtbilder aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten und dem Gutachten … hinsichtlich des Schädigerfahrzeugs auswerten.

Nach Auswertung dieser Lichtbilder sowie der Schadensgutachten konnte der Sachverständige aus technischer Sicht nicht bestätigen, dass alle in dem Gutachten aufgenommenen Schäden auf das hier streitgegenständliche Unfallgeschehen zurückzuführen sind. Der Sachverständige verwies zunächst darauf, dass in der Kalkulation der Firma … folgende Bauteile zur Erneuerung kalkuliert worden seien:

  • Stoßfängerverkleidung oben
  • Stoßfängerverkleidung unten
  • Pralldämpfer
  • Abdeckung Abschlepphaken
  • Zierleiste unten
  • Zierleiste oben
  • Ladekantenschutzfolie
  • Stoßfängerhalter hinten
  • Stoßfängerhalter links
  • Stoßfängerhalter rechts
  • Anhängerkupplung

Der Sachverständige führt weiter aus, dass wenn man die Fahrzeugformen berücksichtige, bei beiden Fahrzeugen die hinteren Stoßfängerverkleidungen am weitesten nach hinten vorstehe und eine Berührung der beiden Stoßfängerverkleidungen aus technischer Sicht problemlos darstellbar sei. Es sei aus technischer Sicht möglich, so der Sachverständige, dass bei dem klägerischen Mercedes Benz ein Kontakt im Bereich der Abdeckung der Abschleppöse stattgefunden habe. Ob bei einem möglichen Kontakt die Stoßfängerverkleidung des Mercedes- Benz deformiert worden sei, könne von ihm mit den vorhandenen Anknüpfungspunkten weder bestätigt noch ausgeschlossen werden.

Wenn man unterstelle, so der Sachverständige, dass die Stoßfängerverkleidung bei dem streitgegenständlichen Ereignis deformiert worden sei, dann könnten sich die Spaltmaße verändert haben. Allerdings können nach Ansicht des Sachverständigen die unregelmäßigen Spaltmaße auch bei einem anderen Ereignis entstanden sein.

An der Unterkante der Chromblende waren nach den Feststellungen von Herrn … Kratzer mit unterschiedlichen Richtungen vorhanden. Aufgrund der unterschiedlichen Richtungen könne, so der Sachverständige, ausgeschlossen werden, dass diese Schäden von dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug verursacht worden seien, denn das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug könnte nach Berücksichtigung der Fahrzeugformen allenfalls horizontal ausgerichtete Spuren verursacht haben.

An dem Schädigerfahrzeug waren nach den sachverständigen Ausführungen nur recht gering ausgeprägte Schäden vorhanden, sodass es aus technischer Sicht nicht plausibel sei, dass die Anhängerkupplung des klägerischen Pkw bei dem streitgegenständlichen Unfallereignis beschädigt worden sei. Auf den Bildern der Firma … waren für den Sachverständigen keine Beschädigungen an der Anhängerkupplung erkennbar. Bei den geringen Kontaktspuren sei aus sachverständiger Sicht auch keine Erneuerung der Anhängerkupplung aus Sicherheitsgründen gerechtfertigt. Bisher seien keine Hinweise erkennbar, dass ein Anstoß auf der linken Seite des klägerischen Pkw stattgefunden habe. Daher sei auch kein Nachweis möglich, dass eine Erneuerung des linken Stoßfängerhalters kollisionsbedingt erforderlich sei.

Auf den Bildern in dem Gutachten … wurde nach kein Schaden am Pralldämpfer bzw. der Anhängerkupplung fotografisch dokumentiert. Ein Nachweis, dass der Pralldämpfer und die Anhängerkupplung kollisionsbedingt erneuert werden mussten, kann nach den Feststellungen des Sachverständigen mit den vorhandenen Anknüpfungspunkten nicht erbracht werden.

In dem Schadengutachten wurde, so der Sachverständige, keine Instandsetzung von Bauteilen berücksichtigt und kalkuliert. Somit werde bei einer Instandsetzung auch kein Schwemmmaterial benötigt. In der Kalkulation der Firma … werden 13,00 € netto für Schwemmmaterial kalkuliert. Diese Position ist für den Sachverständigen aus technischer Sicht daher nicht nachvollziehbar. In der Kalkulation wurde zudem eine Ladekantenschutzfolie berücksichtigt. Laut den vorliegenden Bildern hat das Fahrzeug im Ladekantenbereich eine Chromblende. Auf den Bildern ist keine Schutzfolie im Ladekantenbereich erkennbar. Daher ist diese Position nach dem Gutachten des Sachverständigen … mit den vorliegenden Unterlagen nicht plausibel.

Diesen plausiblen und nachvollziehbaren Feststellungen des als besonders erfahren und sachkompetent eingeschätzten Sachverständigen … schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an und macht diese zur Grundlage der Entscheidung. Daraus folgt, dass einzelne Schäden möglicherweise, aber nicht sicher nachweisbar auf das Schadensereignis zurückgeführt werden können. Dass alle Schäden hierdurch entstanden sind, konnte der Sachverständige aus technischer Sicht sicher ausschließen. Damit steht fest, dass es im hier streitgegenständlichen Bereich (z. B. im Bereich der Chromblende und am linken Stoßfängerhalter) nicht reparierte Vorschäden gegeben haben muss, die aus einem anderen Schadensereignis herrühren. In dieser Situation kann die Klägerin auch nicht den Ersatz der kompatiblen Schäden fordern.

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Denn wenn – wie hier – nicht sämtliche Schäden, die das Fahrzeug aufweist, auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, und der Anspruchsteller zu den nicht kompatiblen Schäden keine Angaben macht, er das Vorliegen solcher Vorschäden bestreitet, so ist ihm auch für diejenigen Schäden, die dem Unfallereignis zugeordnet werden könnten, kein Ersatz zu leisten (OLG Frankfurt, Urteil vom 07.06.2004, 16 U 195/03, zitiert nach juris; OLG Celle, Urteil vom 15.01.2004, 14 U 144/03, BeckRS 2003 18344). Denn auf Grund dieses Vorschadens lässt sich nicht ausschließen, dass auch die kompatiblen Schäden durch das frühere Ereignis verursacht worden sind und/oder dass dort bereits erhebliche Vorschäden vorhanden waren (so OLG Köln, Urteil vom 22.02.1999, 16 U 33/98, BeckRS 9998, 29916). Dieser Ansicht schließt sich die Kammer an (so auch im Urteil vom 03.08.2016, Az. 4 O 10/16 sowie Urteil vom 16.12.2016, Az. 4 O 494/15).

Durch die Geltendmachung aller Schäden behauptet die Klägerin zumindest konkludent, dass keine Vorschäden am Fahrzeug bestanden. Auch in der Replik hat sie vortragen lassen, dass sämtliche Vorschäden aus dem früheren Unfall sach- und fachgerecht repariert worden seien. Da sich nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht alle geltend gemachten Schäden auf das Unfallereignis zurückführen lassen, ist eine zuverlässige Ermittlung eines unfallbedingten Teilschadens hinsichtlich der Stoßfängerverkleidung auch nicht mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) möglich, sodass diese Unsicherheit die Konsequenz der vollständigen Klageabweisung mit sich zieht.

Mangels Hauptsacheanspruchs ist die Beklagte auch nicht mit den Kosten des Schadensgutachtens oder den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu belasten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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