LG Dortmund – Az.: 21 O 67/15 – Urteil vom 09.08.2018
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Am ##.##.2014 kam es auf der Autobahn A45 in Fahrtrichtung Dortmund, ungefähr in Höhe des Autobahnkreuzes Westhofen, zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Beklagte zu 1) mit dem von ihm geführten, bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeug BMW, amtliches Kennzeichen ##-## ####, auf den rechten Teil des Hecks des von dem Kläger gesteuerten Fahrzeuges Audi, amtliches Kennzeichen ##-## ###,, auffuhr.
Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Beklagten verpflichtet sind, insgesamt die Schäden auszugleichen, die dem Kläger aus diesem Verkehrsunfall entstanden sind.
Der Kläger behauptet, bei diesem Verkehrsunfall sei er mit den Zähnen des Oberkiefers gegen das Lenkrad des eigenen Fahrzeuges geschlagen. Das habe zu Zahnschäden geführt. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit zu tiefgreifenden Behandlungen und auch Zahnersatz.
Insbesondere seien die Zähne 21 und 11 betroffen gewesen. Es sei zu einer subklinischen Luxation gekommen. Die Zähne seien gelockert gewesen. Sie müssten entfernt werden. Nach der Extraktion müssten diese beiden Zähne durch Implantate ersetzt werden.
Unter Vorlage von Heil- und Kostenplänen, die der Zahnarzt V aus E aufgestellt hat, behauptet der Kläger, es sei mit Kosten in Höhe von insgesamt 9.856,59 EUR zu rechnen.
Der Kläger beantragt,
1.
a) die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 9.856,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2015 zu zahlen,
b) hilfsweise festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger die zahnärztlichen Behandlungskosten einschließlich Materialkosten und sonstigen mit der zahnmedizinischen Behandlung verbundenen Kosten zur Beseitigung der Zahnschäden zu ersetzen, die ursächlich auf den Verkehrsunfall vom 07.02.2014 zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) auf der Autobahn A45 in Fahrtrichtung Dortmund zurückgehen, insbesondere die Behandlungskosten zu ersetzen, die die Extraktion der Zähne 11 und 21 und die anschließende Versorgung der Zahnbereiche 11 und 21 mit Implantaten mit Kronen mit Neuanfertigung der Brücken in den Zahnbereichen 25 bis 27 und 45 bis 47 sowie die Reparatur und gegebenenfalls Neuanfertigung der Brücke in dem Zahnbereich 17 bis 15 betreffen,
c) weiter hilfsweise die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner den Kläger von den zahnärztlichen Behandlungskosten einschließlich Materialkosten und sonstigen mit der zahnmedizinischen Behandlung verbundenen Kosten zur Beseitigung der Zahnschäden freizustellen, die ursächlich auf den Verkehrsunfall vom ##.##.2014 zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) auf der Autobahn A45 in Fahrtrichtung Dortmund zurückgehen, insbesondere von den Behandlungskosten freizustellen, die die Extraktion der Zähne 11 und 21 und die anschließende Versorgung der Zahnbereiche 11 und 21 mit Implantaten mit Kronen, die Neuanfertigung der Brücken in den Zahnbereichen 25 bis 27 und 45 bis 47 sowie die Reparatur und gegebenenfalls Neuanfertigung der Brücke in dem Zahnbereich 17 bis 15 betreffen,
2.
Die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner den Kläger von den nicht streitwerterhöhenden außergerichtlichen Kosten, die durch die Inanspruchnahme der Rechtsanwälte W und O, T-Str. #, ##### E, entstanden sind, in Höhe von 887,03 EUR freizustellen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie bestreiten, dass es aufgrund des Verkehrsunfalles in irgendeiner Weise zur Schädigung der Zähne des Klägers gekommen ist. Sie bestreiten, dass es zu einem Anstoß des Kiefers oder der Zähne gegen das Lenkrad gekommen ist. Der behandlungsbedürftige Zustand der Zähne des Klägers habe ausschließlich unfallfremde Ursachen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger ist in den Terminen am 26.11.2015 und 20.01.2017 persönlich angehört worden. Wegen seiner Angaben wird auf die entsprechenden Terminsprotokolle Bezug genommen (Bl. 108 f. d. A. bzw. 171 f. d. A.).
Es ist Beweis erhoben worden durch die Einholung von Sachverständigengutachten.
Zunächst hat der Sachverständige Dr. C sein schriftliches Gutachten unter dem 11.07.2016 erstattet, das er dann mündlich im Termin am 20.01.2017 ergänzt und erläutert hat. Wegen der Ergebnisse wird auf das schriftliche Gutachten und auf das Terminsprotokoll vom 20.01.2017 nebst der für den Termin am 20.01.2017 vorgelegten schriftlichen Anlagen Bezug genommen.
Ferner hat der Sachverständige Prof. Dr. I2 zunächst schriftlich unter dem 20.07.2017 sein Gutachten erstattet, das er dann im Termin am 20.12.2017 mündlich erläutert hat.
Wegen der Ergebnisse wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten selbst sowie auf das Terminsprotokoll vom 20.12.2017 (Bl. 242 f. d. A.).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Es ist theoretisch möglich, aber nicht bewiesen, dass an den Zähnen des Klägers bei dem Unfall Beschädigungen entstanden sind.
Insbesondere steht nicht fest, dass es zu einem Kontakt zwischen dem Kiefer bzw. den Zähnen des Klägers und dem Lenkrad gekommen ist oder der Kläger in sonstiger Weise bei diesem Verkehrsunfall einen Schlag gegen die betroffenen Zähne erhalten hat.
Es ist insbesondere nicht etwa aus dem Unfallgeschehen heraus selbst bereits festzustellen, dass es zu einem solchen, einen Trauma auslösenden Anprall der Zähne gegen das Lenkrad gekommen sein müsse.
Der Sachverständige Dr. C hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 11.07.2016 zunächst die Relativgeschwindigkeit der beiden an dem Unfall beteiligten Fahrzeuge bestimmt, und zwar auf einen Bereich zwischen 16 und 19 km/h. Dazu hat er in überzeugender Weise vorliegendes Datenmaterial von Crashversuchen ausgewertet.
Er hat dann ferner herausgearbeitet, dass sich daraus eine Geschwindigkeitsänderung für das klägerische Fahrzeug zwischen etwa 10 und 13 km/h ergeben hat, entsprechend eine Zellenbeschleunigung des Fahrzeuges des Klägers zwischen 27 und 36 m/s².
Er hatte dann auch berücksichtigt, dass der Kläger eine eigene Bremsverzögerung geschildert hat und daraus abgeleitet, dass bei einer Reboundbewegung des Fahrers auf den Kopf des Fahrers eine Belastung wie bei einer Frontalkollision mit einer Geschwindigkeit zwischen 8 und 12 km/h wirkt.
Bei einer solchen Beschleunigung, so hat der Sachverständige Dr. C es festgestellt, ist es ausgeschlossen, dass ein angeschnallter Fahrer mit dem Kopf im Bereich des Lenkrades oder der A-Säule anstößt.
Der Kläger hatte bei seiner persönlichen Anhörung und auch schriftsätzlich eindeutig geltend gemacht, er sei in der Unfallsituation angeschnallt gewesen.
Gleichwohl ist das Gericht auch dem dann abgeänderten Vortrag nachgegangen, der Kläger könne unmittelbar in der Unfallsituation versehentlich an den Gurtverschluss geraten sein, sodass er letztlich bei der Kollision nicht mehr durch den Gurt geschützt war. Der Sachverständige Dr. C hat sich mit dieser Fragestellung im Rahmen seiner mündlichen Erläuterung im Termin vom 20.01.2017 auseinandergesetzt. Er hat es nicht als realistische Möglichkeit angesehen, dass ein Fahrer in der Situation des Klägers bei dem Versuch, die Handbremse zu betätigen, vorbeigreife und dann versehentlich das Gurtschloss öffne. Die räumlichen Verhältnisse in dem Fahrzeug Audi A2 hatte der Sachverständige Dr. C in besonderen Anlagen, die er für den Termin am 20.01.2017 vorbereitet hatte, dokumentiert. Auch nach der Bewertung des Gerichtes ist es bei solchen Verhältnissen kaum vorstellbar, dass bei einer solchen Gelegenheit das Gurtschloss geöffnet worden sein könnte.
Die Beeinträchtigungen der Zahngesundheit bei dem Kläger erbringen auch nicht etwa aus sich heraus den Beweis, dass es bei der Gelegenheit des Unfalles zu einem Anstoß des Kiefers oder der Zähne gegen das Lenkrad oder andere Teile des Fahrzeuges gekommen sein müsse. Mit dieser Fragestellung ist der Sachverständige Prof. Dr. I2 befasst worden.
Er hat die vorliegenden Behandlungsunterlagen vollständig und sorgfältig ausgewertet. Er hat dabei festgestellt, dass bereits vor dem Unfall ein parodontaler Knocheneinbruch im Bereich der Zähne 11 und 21 vorgelegen hatte. Unmittelbar nach dem Unfall nämlich waren Röntgenbilder gemacht worden, die diesen Zustand bereits zeigten. Der Sachverständige Prof. Dr. I2 hat dann im Einzelnen überzeugend begründet, dass insgesamt nichts an Befunden vorliegt, was sich nur dann erkläre, falls es bei dem Unfall zu einem Trauma durch Kontakt der Zähne mit dem Lenkrad gekommen ist. Eine Lockerung der Zähne ist unmittelbar nach dem Unfall nicht festgestellt worden. Selbst wenn sich dann eine Lockerung eingestellt hat, klärt sich dies nach der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. I2 zwanglos auch aus dem vorbestehenden schlechten Parodontalstatus.
Auch wenn der Sachverständige Prof. Dr. I2 eine Entzündung des Nervs nicht als eindeutig gegeben festgestellt hat, hat er sich gleichwohl mit der Frage befasst, ob eine solche Entzündung, auf die die durchgeführten Behandlungsschritte, insbesondere die Trepanation des Zahnes, immerhin hindeuten, dann auf jeden Fall nur als Traumafolge erklärlich sei. Er hat das verneint. Auch die Entzündung des Nervs kann darauf beruhen, dass es zu einer Verbreitung einer Infektion gekommen ist, die den Ausgangspunkt in dem schon zu einem erheblichen Maße abgebauten Kieferknochen hatte.
Der Sachverständige Prof. Dr. I2 hat auf die entsprechenden Fragen des Gerichts auch die Schilderungen des Klägers noch einmal eingeordnet und deutlich gemacht, dass man, auch wenn die geschilderten Empfindungen zugrundegelegt werden, nicht von einem Anstoß des Kiefers gegen das Lenkrad ausgehen müsse. Die – im Falle des Klägers sachlich eindeutig nicht zutreffende – Empfindung, es sei zu einer Lockerung der Zähne gekommen, könne sich auch daraus ergeben, dass ohne einen Anstoß des Kopfes durch die Anspannung bei dem Unfallgeschehen selbst ein solches Gefühl tatsächlich entstehen könne. Dies erst recht, weil bei dem Kläger, wie der Sachverständige erklärt hat, eine Zahnstellung vorlag, bei dem es zu einem Kontakt der Zähne auch im Frontbereich der Kiefer kam.
Der Sachverständige Prof. Dr. I2 hat im Übrigen ausgeführt, dass die Beschädigungen, die sich an verschiedenen Stellen dann im Bereich des schon vorhandenen Zahnersatzes befanden, nicht frisch bei dem Unfall entstanden waren. Bereits im Oktober 2010 waren von der Zahnärztin Frau L Absplitterungen dokumentiert worden. Der Zahnarzt Prof. I hat festgehalten, dass die festgestellten Absplitterungen abgerundet waren, nicht etwa scharfkantig. Dazu hat der Sachverständige erläutert, dass im Falle einer Absplitterung bei einer Keramikkrone sich zunächst scharfkantige Konturen zeigen, die erst im Laufe der Zeit durch den Gebrauch der Krone dann abgerundet werden. Für die Frage, ob die Absplitterungen schon älter sind oder frisch entstanden sind, ist dies deshalb nach der Beurteilung des Sachverständigen Pro. Dr. I2 das vorrangige Kriterium. Mit dieser Begründung hat er ausgeschlossen, dass die vorgefundenen Beschädigungen der Keramikkronen auf einem Unfalltrauma beruhen könnten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 190, 709 ZPO.