OLG Saarbrücken
Az.: 4 U 228/07
Urteil vom 11.03.2008
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. April 2007 – 16 O 331/06 – werden zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt 23/52, die Beklagten als Gesamtschuldner tragen 29/52 der Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.212,10 EUR (Erstberufung der Klägerin: 2.303,02 EUR; Zweitberufung der Beklagten: 2.909,08 EUR) festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagten aus einem Verkehrsunfall, der sich am 19.6.2006 in W.- W. ereignete, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.
Die Klägerin befuhr mit ihrem PKW der Marke Ford-Fiesta, amtliches Kennzeichen …, die vorfahrtsberechtigte Straße von W. in Richtung W.. Von rechts mündet die untergeordnete Straße „Straßenname1″ aus Richtung N. ein. Die Beklagte zu 3) bog mit dem von ihr geführten, von dem Beklagten zu 1) gehaltenen und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw der Marke Peugeot, amtliches Kennzeichen …, von dieser untergeordneten Straße nach links auf die bevorrechtigte Straße ein. Im Einmündungsbereich kam es zur Kollision.
Die Klägerin erlitt infolge des Zusammenpralls eine Knie- und eine Steißbeinprellung, eine HWS-Distorsion und eine Prellmarke vom Rettungsgurt. Sie war im Zeitraum vom 19.6.2006 bis 31.7.2006 zu 100% krankgeschrieben. In der Folgezeit litt sie unter Schmerzen und Verspannungen, die nur langsam zurückgingen. Sie befand sich in hausärztlicher Betreuung sowie in krankengymnastischer Behandlung, die mit regelmäßigen Untersuchungen im Krankenhaus in W. verbunden waren.
Unfallbedingt entstand ein Verdienstausfallschaden in Höhe von 444 EUR sowie ein Haushaltsführungsschadens in Höhe von 675 EUR.
Die Kosten für die Instandsetzung des PKWs der Klägerin beliefen sich auf 6.943,10 EUR, wovon die Beklagte zu 2) 4.000 EUR beglich. Die Klägerin ließ ihren Pkw durch die Firma B. abschleppen, wodurch weitere Kosten in Höhe von 150 EUR anfielen. Sie trat ihre Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung des Fahrzeugs sicherheitshalber an die Firma B. ab. Die persönliche Haftung der Klägerin für die entstandenen Reparaturkosten blieb davon unberührt.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei in einem Abstand von circa 50 m hinter dem Zeugen B2 hergefahren. Etwa 100 m bis 150 m vor der Einmündung habe sie den Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts gesetzt, da sie davon ausgegangen sei, dass auch der Zeuge B2 nach rechts fahren werde. Als der Zeuge jedoch keine Anstalten gemacht habe, um nach rechts abzubiegen, habe sie – noch bevor der Zeuge die Einmündung erreicht gehabt habe – den Blinker wieder ausgeschaltet. Sie habe sich mit circa 60 km/h pro Stunde der Einmündung genähert, als die Beklagte zu 3) unter Missachtung der Vorfahrt und ohne sich in Richtung der Klägerin umzublicken in die vorfahrtsberechtigte Straße eingefahren sei.
Die Klägerin begehrt im Wege der Freistellung Erstattung der entstandenen Sachschäden sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes, welches mit mindestens 1.000 EUR zu bemessen sei. Darüber hinaus begehrt die Klägerin Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 266,45 EUR sowie Ausgleich des Verdienstausfalls und des Haushaltsführungsschadens.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von den restlichen Ansprüchen der Firma P. B. aus den Rechnungen Nr. ~4 und Nr. ~3 in Höhe von insgesamt 3.093,10 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.7.2006 durch Zahlung an die Firma P. B. freizustellen, weitere 2.794 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.10.2006 und außergerichtliche Kosten in Höhe von 266,45 EUR an die Klägerin zu zahlen.
Dem sind die Beklagten entgegengetreten. Die Beklagten haben behauptet, am Fahrzeug der Klägerin sei bei der Annäherung an die Einmündung der rechte Blinker gesetzt gewesen. Auch die Geschwindigkeit der Klägerin habe dieser angekündigten Fahrtrichtungsanzeige entsprochen. Daher habe die Beklagte zu 3) davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin in Richtung N. abbiegen werde.
Das Landgericht hat der Klage auf der Grundlage einer Haftungsquote von 75% zum Nachteil der Beklagten stattgegeben und hierbei unter Berücksichtigung des Mitverursachungsanteils ein Schmerzensgeld in Höhe von 750 EUR zuerkannt.
Mit ihrer Erstberufung wendet sich die Klägerin dagegen, dass das Landgericht die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs zum Nachteil der Klägerin mit einer 25-prozentigen Haftungsquote berücksichtigt hat. Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass die Klägerin den Fahrtrichtungsanzeiger bereits in erheblichem Abstand zu der Einmündung wieder ausgeschaltet habe. Auch habe die Klägerin ihre Geschwindigkeit im Bereich der Einmündung nicht reduziert. Stattdessen habe die Beklagte zu 3) vor dem Abbiegen nicht noch einmal nach links in Richtung des klägerischen Fahrzeugs geschaut. Dies belege, dass der Beklagten zu 3) hinsichtlich des Vorfahrtsverstoßes grobe Fahrlässigkeit anzulasten sei. Gegenüber diesem nachgewiesenen Verschulden trete die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs vollständig zurück.
Die Klägerin beantragt,
1. unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Beklagten zu verurteilen,
a. die Klägerin von restlichen Ansprüchen der Firma P. B. aus den Rechnungen Nr. ~4 und Nr. ~3 in Höhe von insgesamt 3.093,10 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.7.2006 durch Zahlung an die Firma P. B. freizustellen;
b. weitere 2.119 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.10.2006 und außergerichtliche Kosten in Höhe von 266,45 EUR an die Klägerin zu zahlen.
2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagten beantragen,
1. die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen;
2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Berufung der Beklagten erstrebt eine vollständige Abweisung der Klage. Die Beklagten wenden sich gegen die Tatsachenfeststellung des Landgerichts und vertreten die Auffassung, bei zutreffender Bewertung der Aussage der Klägerin stehe fest, dass diese bis zum Herannahen an die Einmündung geblinkt habe. Daher habe die Beklagte zu 3) darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin tatsächlich auch nach rechts abbiege. Die Klägerin treffe die Alleinschuld an dem Unfall, zumindest aber sei ihr ein wesentlicher Mitverschuldensanteil anzulasten.
Das Landgericht habe bei der Beweiswürdigung nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Klägerin bei ihrer Anhörung angegeben habe, sie sei mit einer Geschwindigkeit zwischen 60 und 80 km/h gefahren und habe den Blinker circa fünf bis sechs Sekunden angehabt. Im Mittel lege ein Fahrzeug, welches mit einer Geschwindigkeit zwischen 60 und 80 km/h fahre, pro Sekunde einen Weg von 19,45 m zurück. Nach der Angabe der Klägerin habe sie den rechten Blinker gesetzt, als der vorausfahrende Zeuge zwischen 50 und 100 m von der Einmündung entfernt gewesen sei. Um die Einmündung von dort zu erreichen, habe der Zeuge zwischen 2,5 und 5,1 Sekunden benötigt. Wenn der Blinker tatsächlich etwa fünf bis sechs Sekunden in Tätigkeit gewesen sei, so bedeute dies, dass der Blinker bis unmittelbar an die Einmündung heran geblinkt haben müsse.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung der Klägerin vom 27.4.2007 (Bl. 106 ff. d. A.) und der Berufungsbegründung der Beklagten vom 11.6.2007 (Bl. 119 ff. d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 28.2.2008 (Bl. 136 ff. d. A.) verwiesen. Zudem wird gemäß § 540 I 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
II.
A.
Beide Berufungen bleiben ohne Erfolg, da die angefochtene Entscheidung weder auf einem Rechtsfehler beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Die Haftung dem Grunde nach steht im Berufungsverfahren außer Streit. Die Beklagten sind gemäß § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1, 3 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG dem Grunde nach zum Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet. Beide Berufungen wenden sich lediglich gegen die Haftungsquote.
1. Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 17 StVG Rdnr. 5; BGH, Urt. v. 27.6.2000 – VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069) sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind.
a) Im Rahmen der Haftungsabwägung ist zunächst ein fahrlässiger Verstoß der Beklagten zu 3) gegen die Sorgfaltsanforderungen des § 8 Abs. 2 S. 2 StVO nachgewiesen. Nach dieser Vorschrift darf der Wartepflichtige nur weiterfahren, wenn er übersehen kann, dass er den Vorfahrtsberechtigten weder gefährdet noch wesentlich behindert. Gegen dieses Gebot hat die Beklagte zu 3) verstoßen. Dies steht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen mit dem Maßstab des § 286 Abs. 1 ZPO zur vollen Überzeugung des Senats fest, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Rechtsgrundsätze des Anscheinsbeweises bedurfte:
aa) Das Unfallereignis selbst zeigt, dass die Voraussetzungen für ein gefahrloses Einbiegen in die Vorfahrtsstraße bei objektiver Betrachtung nicht vorlagen. Auch subjektiv hielt die Beklagte zu 3) die Sorgfaltspflichten nicht ein. Denn sie schaute – worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – nach dem Inhalt ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht (Bl. 65 d. A.) unmittelbar vor dem Linksabbiegern nicht mehr nach links. Vielmehr hatte die Beklagte den Blick zuerst nach links gewandt, bevor sie sich vergewisserte, ob von rechts Fahrzeuge auf der Vorfahrtsstraße herannahten. Danach zog sie aus der Straße „heraus“, ohne sich noch einmal durch einen Blick nach links zu vergewissern, ob ein gefahrloses Einfahren in die Vorfahrtsstraße möglich war.
bb) Auch entlastet es die Beklagte zu 3) nicht, dass die Klägerin in der Annäherungsphase zur Einmündung den Blinker gesetzt hatte.
aaa) Unter welchen Voraussetzungen der Wartepflichtige sich auf ein Blinksignal des Vorfahrtsberechtigten verlassen darf, wird nicht einheitlich beantwortet. Während einerseits vertreten wird, dass der Wartepflichtige im Grundsatz auf das angekündigte Abbiegen vertrauen darf, solange nicht konkrete Anhaltspunkte die Abbiegeabsicht in Zweifel ziehen (OLGR München 1998, 474; KG DAR 1990, 142; Henschel, aaO., § 8 StVO Rdnr. 54; Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl., § 8 Rdnr. 63), vertritt die Gegenmeinung die Auffassung, dass der Wartepflichtige trotz eingeschalteter rechter Blinkleuchte des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs nur dann auf dessen Abbiegen vertrauen darf, wenn sich dieses außer durch die Betätigung der Blinkleuchte in der Gesamtschau der Fahrsituation – sei es durch eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit, sei es durch den Beginn des Abbiegens selber – zweifelsfrei manifestiert (Hamm, NJW-RR 2003, 975; vgl. auch OLG Saarbrücken, Verkehrsmitteilung 1982, 40 – mit überwiegender Haftung des Vorfahrtsberechtigten; wohl auch LG Kiel, DAR 2000, 123; vgl. auch OLG Karlsruhe DAR 2001, 128).
bbb) Die letztgenannte Auffassung überzeugt: Den Wartepflichtigen trifft eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Diese gesteigerte Sorgfaltspflicht bedingt es, dass er mit verkehrswidrigem Verhalten des Vorfahrtsberechtigten rechnen muss. Er kann sich auf den Vertrauensgrundsatz nur eingeschränkt berufen und darf in der Regel nur auf das Unterbleiben atypischer, grober Verstöße des Vorfahrtsberechtigten vertrauen (Hentschel, aaO., Rdnr. 52; Janiszewski/Jagow/Burmann, aaO., Rdnr. 45). Ein solcher grober Verkehrsverstoß kann dem falsch blinkenden Fahrer nicht vorgeworfen werden: Es ist in der Fahrpraxis durchaus nicht selten anzutreffen, dass das Rückstellen des Fahrtrichtungsanzeigers – entweder aufgrund eines technischen Defekts oder aufgrund einer Unaufmerksamkeit – unterbleibt. Auch muss der Wartepflichtige durchaus in Betracht ziehen, dass der bevorrechtigte Verkehr mit den örtlichen Verhältnissen nicht stets hinreichend vertraut ist. Mithin liegt die Möglichkeit nicht fern, dass der bevorrechtigte Verkehr die beabsichtigte Fahrtrichtung in der weiteren Annäherung an die Einmündung als fehlerhaft erkennt und entsprechend korrigiert.
ccc) Letztlich besitzt die dargestellte Rechtsfrage im vorliegenden Rechtsstreit keine Entscheidungsrelevanz: Die Klägerin hat in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht in Übereinstimmung mit den Bekundungen des Zeugen B2 glaubhaft ausgesagt, sie sei mit gleichbleibender Geschwindigkeit von etwa 70 oder 80 km/h hinter diesem hergefahren. Dies wird von der Beklagten zu 3) nicht widerlegt: Ihrer Aussage (Bl. 65 d. A.) ist nicht zu entnehmen, dass sie sich mit Blick auf eine reduzierte Geschwindigkeit zum Einbiegen in die Vorfahrtsstraße entschloss. Lagen jedoch in Gestalt der nicht wesentlich reduzierten Geschwindigkeit der Klägerin in der Unfallsituation konkrete Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der angezeigten Fahrtrichtung weckten , so musste die Beklagte zu 3) selbst nach der – hier abgelehnten – Rechtsauffassung, wonach der Vorfahrtsberechtigte im Grundsatz auf die Richtigkeit des Fahrtrichtungsanzeigers vertrauen darf, die Vorfahrt der Klägerin wahren.
b) Andererseits ist zum Nachteil der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie durch das Setzen des falschen Blinksignals gegen das allgemeine Gefährdungsverbot des § 1 Abs. 2 StVO verstieß.
aa) Nach dieser Vorschrift hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Eine solche Gefahrenlage schafft der irreführend blinkende Fahrer, da er damit rechnen muss, dass der Wartepflichtige auf die Richtigkeit des Blinksignals vertraut. Will der bevorrechtigte Fahrer von seiner angekündigten Fahrtrichtung Abstand nehmen, so ist er zur Vermeidung einer Gefährdung gehalten, unter genauer Beobachtung des wartepflichtigen Verkehrs besonders vorsichtig an die Einmündung heranzufahren und eine Verständigung mit dem wartepflichtigen Fahrer herbeizuführen. Dies schließt das Gebot ein, notfalls zur Vermeidung einer Kollision anzuhalten (OLG Hamm, NJW-RR 2003, 975).
bb) Diese Sorgfaltsanforderungen beachtete die Klägerin nicht, da sie nach ihrer eigenen Einlassung ihre Fahrweise in der Annäherung an die Einmündung nicht mit Blick auf das zunächst gesetzte Blinkzeichen anpasste.
cc) Allerdings – dies ist für die Gewichtung der beiderseitigen Haftungsbeiträge von Relevanz – ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin den Blinker noch bis zum Erreichen der Einmündung setzte. Sie hat unwiderlegt vorgetragen, sie habe den Blinker in einer Entfernung von circa 200 m vor der Kreuzung, noch bevor der Zeuge B. die Einmündung passierte, wieder zurückgesetzt. Wenngleich die exakte Entfernung zum Zeitpunkt der Fahrtrichtungskorrektur nicht festgestellt werden kann, ist nicht bewiesen, dass die Klägerin den Fahrtrichtungsanzeiger bis zur Einmündung betätigte. Entgegen der Auffassung der Berufung der Beklagten lässt sich ein entsprechender Beweis nicht mit mathematisch-physikalischen Berechnungen führen: Die Angaben der Klägerin zur Dauer des Zeitintervalls, in dem die Fahrtrichtungsanzeige gesetzt war, und zur Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit sind kritisch zu würdigen. Es liegt in der Natur der menschlichen Wahrnehmung, dass eine exakte Erfassung dieser Parameter nicht möglich war. Damit lässt sich – jenseits der genannten physikalischen Parameter – die Aussage der Klägerin auf den nicht widerlegbaren Kern reduzieren, dass sie den falschen Blinker in geraumem Abstand zur Einmündung wieder korrigierte.
Hinzu kommt folgende Erwägung: Selbst wenn die Klägerin den Blinker bis zum Erreichen der Kreuzung eingeschaltet gehabt hätte, so müsste dieser erhebliche Verstoß gegen das allgemeine Gefährdungsverbot bei der Bemessung der Haftungsquote nach § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 3 StVG außer Betracht bleiben. Denn nach der Schilderung des Unfallhergangs durch die Beklagte zu 3) wäre dieser grobe Sorgfaltsverstoß für das Unfallereignis nicht kausal geworden, da die Beklagte zu 3) ihren Blick unmittelbar vor dem Einbiegen in die Vorfahrtsstraße nicht mehr nach links richtete. Nahm die Beklagte zu 3) das fortdauernde Blinken des Fahrtrichtungsanzeigers am Fahrzeug der Klägerin jedoch nicht wahr, so konnte das Verhalten der Klägerin – die Richtigkeit des Berufungsvortrags der Beklagten unterstellt – das Vertrauen der Beklagten zu 3) nicht stärken, dass die Klägerin ihren bereits zuvor angekündigten Abbiegewunsch aufrechterhalten werde.
c) Auf der Grundlage dieser Feststellungen hält die Haftungsquote des Landgerichts den Angriffen beider Rechtsmittel stand: Die Beklagte zu 3) muss die überwiegende Haftung treffen, da mit den Argumenten des Landgerichts nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Fahrtrichtungsanzeiger bereits in deutlichem Abstand zur Einmündung wieder zurückgesetzt wurde. Entgegen der Auffassung der Berufung der Klägerin führte diese Möglichkeit jedoch nicht dazu, den Verstoß gegen das allgemeine Gefährdungsverbot vollständig zurücktreten zu lassen. Wenngleich das Blinksignal nicht nachgewiesen geeignet war, das schutzwürdige Vertrauen in ein Abbiegen der Klägerin zu begründen, hat die Klägerin durch den falschen Blinker dennoch einen kausalen Beitrag für das Unfallereignis gesetzt: Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die Beklagte zu 3) im Vertrauen auf das Blinksignal in die Vorfahrtsstraße einbog. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 3) das Blinksignal in einer Entfernung wahrnahm, die vernünftigerweise keinen Rückschluss auf ein Einbiegen erlaubte, sind nicht ersichtlich. Es erscheint daher angemessen, den Verstoß gegen das allgemeine Gefährdungsverbot in Zusammenschau mit der Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs mit 25% festzusetzen.
2. Die Haftung der Beklagten zu 3) folgt aus § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1, 3 StVG. Aus den vorgenannten Ausführungen folgt zugleich, dass eine Ersatzpflicht der Beklagten zu 3) nicht nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG ausgeschlossen ist.
3. Die Höhe des materiellen Schadens steht im Berufungsrechtszug nicht im Streit. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug. Hinsichtlich der entstandenen Reparatur- und Abschleppkosten findet der Freistellungsanspruch seine Rechtsgrundlage in § 249 Satz 1 BGB. Auch die Höhe des gem. § 7 Abs. 1, §§ 11, 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG zuerkannten Schmerzensgeldes wird von der Klägerin – mit Ausnahme des Einwands zur Haftungsquote – nicht angegriffen. Die Erwägungen des Landgerichts, wonach zum Ausgleich der erlittenen Schmerzen und Beeinträchtigungen, die mit den zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit erforderlichen Heilbehandlung verbunden waren, unter Einbeziehung der Mitverursachungsquote ein Schmerzensgeld von insgesamt 1.000 EUR angemessen erscheint, überzeugen.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I, 92 I, 100 IV ZPO. Bei der Bestimmung der beiderseitigen Obsiegens- und Unterliegensanteile war zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei der Formulierung ihres Berufungsantrags zu 2) zwar der Reduzierung des Haushaltsführungsschadens von 1.350 EUR auf 675 EUR Rechnung getragen hat, jedoch in der sprachlichen Fassung („weitere 2.119 EUR“) der Tenorierung des Landgerichts keinen Ausdruck verliehen hat. Da das Landgericht der Klägerin aus dem ursprünglichen Klageantrag zu 2) 1.589,25 EUR zugesprochen hat, beläuft sich die für die Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung maßgebliche Beschwer der Klägerin nur auf 529,75 EUR, für beide Klageanträge demnach auf 2.303,02 EUR. Der Streitwert für die Berufung der Beklagten war auf 2.909,08 EUR festzusetzen. Hierbei ist ergänzend anzumerken, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen war, da er vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruchs betrifft. Dieser materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch stellt eine Nebenforderung i.S. von § 4 ZPO dar, solange der Hauptanspruch noch Gegenstand des laufenden Verfahrens ist (BGH, Beschl. v. 4. 12.2007 – VI ZB 73/06, zit. nach juris).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der dargestellte Meinungsstreit zum grundsätzlichen Vertrauen in die angezeigte Fahrtrichtung des Vorfahrtsberechtigten musste im vorliegenden Rechtsstreit nicht entschieden werden.
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