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Vertrag über Gartenbauarbeiten – Fernabsatzvertrag bei gemeinsamem Ortstermin

Oberlandesgericht Schleswig-Holsteinisch – Az.: 1 U 122/20 – Urteil vom 15.10.2021

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckten Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Beklagte nahm für die Klägerin Außenarbeiten auf ihrem Hausgrundstück in X. vor. Nachdem die Klägerin den hierfür berechneten Betrag in Höhe von 28.829,80 € gezahlt hatte, widerrief sie ihre Erklärungen. Mit der Klage verlangt sie die Rückzahlung des Betrages. Wegen des näheren Sachverhalts und der im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Unabhängig davon, ob die Parteien einen Bau- oder Werkvertrag (§ 650 a; § 631 BGB) geschlossen hätten, bestünde kein Widerrufsrecht der Klägerin. Es ergebe sich insbesondere nicht aus den §§ 312 g Abs. 1, 312 c Abs. 1 BGB. Die Parteien hätten keinen Fernabsatzvertrag geschlossen. Das erste, per Post übersandte Vertragsangebot des Beklagten habe die Klägerin mit E-Mail vom 11.03.2019 angenommen, das ebenfalls per Post versandte Angebot vom 08.08.2019 telefonisch. Jedoch hätten die Parteien nicht auch für die Vertragsverhandlungen – wie nach § 312 c Abs. 1 BGB erforderlich – ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet, denn es sei vor beiden Angeboten zu persönlichem Kontakt zwischen ihnen gekommen. Bei einer Auslegung des § 312 c Abs. 1 BGB unter Rückgriff auf die Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83/EU) sei von einem weiten Begriff der Vertragsverhandlungen auszugehen und davon, dass bei einem persönlichen Treffen regelmäßig das Widerrufsrecht entfalle. Der Verbraucher sei bei der Vergabe von Werkleistungen nicht mehr schutzbedürftig, wenn er sich bei einem Treffen ein Bild von dem Unternehmer und dessen wirtschaftlicher Seriosität habe machen können. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass die Parteien im Rahmen des persönlichen Treffens vor Ort bereits begonnen hätten, den späteren Vertragsgegenstand zu konkretisieren. Schließlich scheitere ein Widerrufsrecht auch daran, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt sei. Fälle, in denen Webseiten nur Informationen über den Unternehmer, seine Waren und Dienstleistungen und seine Kontaktdaten bereithielten, sollten nach der Richtlinie nicht erfasst werden. So aber sei es bei der Webseite des Beklagten.

Ein Widerrufsrecht aus § 312 BGB sei ebenfalls nicht ersichtlich.

Es gebe auch keine anderweitigen Gründe für einen Rückgewähranspruch. Zur angeblichen Mangelhaftigkeit des Werkes habe die Klägerin nichts konkret vorgetragen, obwohl das Gericht in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht habe, dass es zur Verneinung eines Widerrufsrechts neige und der Klägerin damit klar gewesen sei, dass zu mängelbedingten Ansprüchen hätte vorgetragen werden müssen.

In der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Anspruch in vollem Umfang weiter. Sie hält daran fest, dass auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien die Regelungen über den das Fernabsatz anwendbar sei. Bei einem schriftlichen und telefonischen Vertragsabschluss – wie hier – könne dies nach der derzeitigen Rechtsprechung nur in Zweifel gezogen werden, wenn ein Verbraucher während der Vorverhandlungen mit dem Unternehmer von diesem aktiv über alle für den Vertragsschluss wesentlichen Umstände informiert worden sei und der Vertrag in zeitlich unmittelbarem Zusammenhang mit diesem persönlichen Kontakt zustande gekommen sei. Auch bei weiter Auslegung des Begriffs „Vertragsverhandlungen“ setzten solche jedenfalls voraus, dass ein konkretes Angebot unterbreitet und Vertragsbedingungen und Preise bekanntgegeben würden. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Bei dem persönlichen Treffen drei Wochen vor Vertragsschluss habe sie – die Klägerin – dem Beklagten nur eine Skizze über ihre laienhafte Vorstellung von den durchzuführenden Arbeiten vorgelegt. Das Gespräch habe rein informatorischen Charakter gehabt.

Der Wegfall des Widerrufsrechts lasse sich nicht mit dem Landgericht damit begründen, dass sich die Klägerin ein Bild von dem Beklagten und dessen wirtschaftlicher Seriosität habe machen können. Hinter dem Widerrufsrecht stehe der europäische Rechtsgedanke, dass es einem Verbraucher möglich sein solle, einen Vertrag nachträglich ungeschehen zu machen, bei dem der Unternehmer seine Leistungen nicht persönlich erläutert habe. Eine solche Erläuterung habe der Beklagte ihr – der Klägerin – nicht gegeben, denn sie habe das ihr postalisch übersandte Angebot in seinen Einzelheiten nicht mit ihm besprechen können.

Vertrag über Gartenbauarbeiten - Fernabsatzvertrag bei gemeinsamem Ortstermin
(Symbolfoto: Virrage Images/Shutterstock.com)

Fehlerhaft sei auch die Annahme des Landgerichts, dass der Beklagte kein für den Fernabsatz organisiertes Betriebs- oder Dienstleistungssystem vorhalte. Für ein auf Fernabsatz ausgerichtetes Vertriebssystem genüge es, wenn der Unternehmer seine Geschäfte regelmäßig auf diesem Weg betreibe. Dies sei bei dem Beklagten der Fall; es ergebe sich bereits daraus, dass er neben seinen Kontaktdaten auf seiner Webseite auch ein Nachrichtentool bereithalte, welches der Angebotsanfrage diene. Dass es sich hierbei nicht um ein komplexes technisches System handele, sei im Hinblick auf die Vorstellung des Gesetzgebers und die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers unerheblich. Auch habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Beklagte nach seinem eigenen Vorbringen keine Räumlichkeiten für Gesprächstermine bereithalte, sondern zu den Kunden vor Ort gehe. Sein Vertrieb sei damit sogar ausschließlich auf Fernabsatz ausgerichtet.

Verkannt habe das Landgericht zudem, dass ein Widerrufsrecht auch bei allen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen bestünde (§ 312 b BGB). Um einen solchen Vertrag handele es sich hier eindeutig.

Letztlich rügt die Klägerin, dass das Landgericht Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 312 b, c und g BGB verkannt habe. Das Ziel der ihnen zugrundeliegenden europäischen Richtlinien sei es, ein hohes Verbraucherschutzniveau herbeizuführen. Deshalb enthielten sie genaue Vorgaben, in welchen Fällen der Verbraucher nicht mehr als schutzwürdig gelten solle. Diese hätten im nationalen Recht ihren Niederschlag in § 312 g Abs. 2 Nr. 1 bis 13 BGB gefunden. Keiner der dort genannten Ausnahmefälle sei einschlägig.

Abschließend beanstandet die Klägerin die Ausführungen des Landgerichts zur unterlassenen Substantiierung eines Rückgewähranspruchs. Es unterstelle ihr rechtsfehlerhaft, dass sie solche habe geltend machen wollen und nicht nur einen Rückgewähranspruch aus Widerruf. Hierdurch werde ihr unter Umständen die Möglichkeit genommen, unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts zukünftig ihre Rechte aus werkvertraglicher Mängelgewährleistung auszuüben.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 28.829,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2020 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er verweist unter anderem auf die im Vorfeld des eigentlichen Vertragsschlusses erfolgte persönlich geführten Verhandlungen und darauf, dass er sein Angebot nur aufgrund der ihm hierbei von der Klägerin gegebenen Informationen habe erstellen können.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Grundlage des Rückzahlungsanspruchs können nur die §§ 355, 357 Abs. 1 BGB sein, wonach im Falle eines Widerrufs eines Verbrauchervertrages die empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind. Voraussetzung eines Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB ist, dass dem Verbraucher aus einem Verbrauchervertrag ein gesetzliches Widerrufsrecht zusteht, das er fristgerecht durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer ausgeübt hat (§ 355 Abs. 1 BGB).

1. Die formellen Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin hat mit Anwaltsschreiben vom 19.03.2020, zugegangen offenkundig am gleichen Tage per Fax, gegenüber dem Beklagten den Widerruf erklärt. Dies war fristgerecht. Hat – wie hier – der Unternehmer über das Widerrufsrecht nicht belehrt, beträgt die mit Vertragsschluss beginnende Widerrufsfrist 12 Monate und 14 Tage (§§ 355 Abs. 2, 356 Abs. 3 BGB). Sie ist gewahrt. Das erste Angebot des Beklagten datiert vom 05.03.2019, die Annahme der Klägerin vom 11.03.2019.

2. Der Sache nach kann sich ein Widerrufsrecht nur aus § 312 c (Fernabsatzverträge) ergeben. Ein Fall des § 312 b BGB (außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge) ist ersichtlich in keiner denkbaren Variante gegeben. Keine der Parteien hat eine zum Vertragsschluss führende Willenserklärung in Anwesenheit der anderen abgegeben (§ 312 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2). Der Vertragsschluss erfolgte auch nicht unmittelbar nach persönlicher Ansprache der Klägerin durch den Beklagten (ebd. Nr. 3) oder auf einem Ausflug (Nr. 4).

Nach § 312 c Abs. 1 BGB sind Fernabsatzverträge Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs – oder Dienstleistungssystems erfolgt.

a) Gesetzessystematisch ist der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet. Es liegt ein Bauvertrag nach § 650a BGB, aber kein die Anwendung des § 312 c BGB ausschließender Verbraucherbauvertrag vor (§ 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Der Begriff des Verbraucherbauvertrags erfasst nur Verträge über Baumaßnahmen zur Errichtung oder zum Umbau eines Gebäudes, nicht auch hier vereinbarte Werkleistungen in Bezug auf Außenanlagen.

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b) Auch in persönlicher Hinsicht ist § 312 c BGB anwendbar. Die Klägerin ist Verbraucherin, der Beklagte Unternehmer.

c) Die Parteien haben jedoch keinen Fernabsatzvertrag geschlossen.

aa) Ein solcher erfordert zunächst, dass die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen über Fernkommunikationsmittel abgegeben wurden und zugegangen sind. Das ist immer dann der Fall, wenn die Parteien eine Erklärungsform gewählt haben, bei der es keiner gleichzeitigen körperlichen Anwesenheit bedarf (§ 312 c Abs. 2 BGB).

aaa) Für die unmittelbar den Vertragsschluss herbeiführenden Willenserklärungen trifft dies zweifelsfrei zu. Der Beklagte unterbreitete beide Angebote postalisch. Die Beklagte nahm das erste Angebot per E-Mail, das zweite telefonisch an. Die Parteien schlossen damit beide Verträge ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln.

bbb) Ein Fernabsatzvertrag liegt aber nur vor, wenn die Parteien auch für die Vertragsverhandlungen ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet haben. Das ist hier nicht der Fall, weil die Parteien vor Abschluss beider Verträge Vertragsverhandlungen in persönlichen Gesprächen führten.

(1) Der Begriff der Vertragsverhandlungen im Sinne des § 312 c Abs. 1 BGB ist auslegungsbedürftig.

Nach der Vorstellung des europäischen Richtliniengebers sollen Fernabsatzverträge alle Fälle erfassen, in denen – neben anderen Voraussetzungen – bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden. Darunter sollen einerseits Situationen fallen, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume nur zum Zwecke der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt. Nicht als Fernabsatzvertrag soll andererseits ein Vertrag gelten, der in den Geschäftsräumen des Unternehmers verhandelt und letztendlich über ein Fernkommunikationsmittel geschlossen wird. Ebenso wenig sollen Reservierungen eines Vertrages über ein Fernkommunikationsmittel im Hinblick auf die Dienstleistung eines Fachmannes – wie etwa die telefonische Reservierung eines Friseurtermins – darunterfallen (Erwägungsgrund 20 der RL 2011/83/EU). Dies hat der nationale Gesetzgeber unverändert so übernommen (BT Drucks. 17/12637 S. 50). Auch der von der Europäischen Kommission als Anleitung zur Anwendung der VerbrR-RL herausgegebene „Leitfaden GD Justiz“ verweist nur auf Erwägungsgrund 20 (Leitfaden Ziff. 5.1, S. 37).

In der Kommentierung werden diese Fallgruppen aufgegriffen und durch weitere ergänzt. Kein Fernabsatzvertrag soll vorliegen, wenn die Parteien bereits über Fernkommunikationsmittel einen (Arzt-, Anwalts-, Friseur-, Handwerker-)Vertrag geschlossen haben, dessen Inhalt jedoch erst im späteren persönlichen Kontakt festgelegt wird (jeweils zu § 312 c Busch in BeckOGK BGB Stand 01.06.2021, Rnrn. 20, 20.1; Koch in Erman, 16. Aufl. 2020, Rn. 9; Wendehorst in MüKo BGB, 8. Aufl. 2019, Rnrn. 18 f; Stürner in Prütting/Wegen/Weinreich, 15. Aufl. 2020, Rn. 11). Dagegen wird unter Hinweis auf Erwägungsgrund 20 der Verbraucherrechterichtlinie ein Fernabsatzvertrag angenommen, wenn der Verbraucher sich zunächst nur in den Geschäftsräumen des Unternehmers informiert hat, Verhandlungen und Vertragsschluss jedoch im Anschluss daran aus der Ferne erfolgen (Leitfaden GD Justiz Ziff. 5.1 S. 37; BT-Drucks. 17/1263 S. 50; jeweils zu § 312 c Beck OGK/Busch, Rn. 20; Erman/Koch, Rn. 7; MüKo BGB/Wendehorst, Rn. 22; P/W/W-Stürner, Rn. 10). „Information“ und „Verhandlung“ sind somit voneinander abzugrenzen. Die Abgrenzung ist anhand der Qualität des persönlichen Kontakts in der Phase der Vertragsanbahnung vorzunehmen, wobei auch der zeitliche Zusammenhang zwischen persönlichem Kontakt und fernkommunikativem Vertragsschluss zu berücksichtigen ist (jeweils zu § 312 c Beck OGK/Busch, Rnrn. 20, 20.1; MüKo BGB/Wendehorst, Rnrn. 22 f; Thüsing in Staudinger, Bearb. 2019, Rn. 35).

Die Abgrenzung muss aus dem Schutzzweck des § 312 c BGB heraus erfolgen. Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers beim Abschluss von Fernabsatzverträgen ergibt sich daraus, dass er die Ware oder Dienstleistung nicht vor Vertragsschluss nicht sehen und prüfen kann. Dies rechtfertigt die Einräumung des Widerrufsrechts (Erwägungsgrund 37, RL 2011/83 EU und insb. Erwägungsgrund 14 RL 97/7/EG). Angesichts dieses Schutzzwecks hat der BGH einerseits in einem Fall, in dem der Verbraucher nur mit einem Mitarbeiter des Unternehmers Kontakt hatte, der zu Einzelheiten der angebotenen Leistungen keine nähere Auskunft geben konnte, einen Fernabsatzvertrag bejaht (BGH NJW 2004, 3699, 3700 f unter Ziffer II 3 b). Er hat hingegen einen Fernabsatzvertrag in Fällen verneint, in denen der Verbraucher während der Vertragsanbahnung persönlichen Kontakt zu einem Mitarbeiter des Unternehmens hat, der in der Lage ist, Fragen des Verbrauchers zu beantworten und Unklarheiten auszuräumen (BGH NJW 2018, 1387, 1388 f, Rnrn. 20 f; s. a. BGH NJW 2004, 3699, 3700 unter lit. B; OLG Stuttgart BeckRS 2015, 10512, Rn. 40).

Bei Verträgen über Dienst- und Werkleistungen ist der für die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers maßgebliche Umstand allerdings etwas anders zu bestimmen als bei Verträgen, die auf die Lieferung einer Ware gerichtet sind. Dienst- und Werkleistungen werden stets erst nach Vertragsschluss erbracht. Die Klägerin hätte sich also auch dann vorab keinen Eindruck von der Qualität der Werkleistung des Beklagten verschaffen können, wenn die Parteien den Vertrag ausschließlich persönlich ausgehandelt und vereinbart hätten. Bei Fernabsatzverträgen über Dienst- und Werkleistungen liegt die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers also eher darin, dass er sich im persönlichen Gespräch mit dem Unternehmer genauer über die zu erbringende Leistung informieren könnte und er dabei auch einen persönlichen Eindruck von ihm erhielte. Gerade der persönliche Eindruck ist vielfach für die Entscheidung über die Auftragsvergabe grundlegend (Martens in BeckOK, BGB, Stand 01.05.2021, § 312 c, Rn. 5; ähnlich Staudinger/Thüsing, § 312 c, Rn. 31).

(2) Nach diesen Grundsätzen steht der dem Vertragsschluss vorangegangene persönliche Kontakt zwischen den Parteien der Annahme eines ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommenen Vertrages entgegen.

Unstreitig – und aufgrund der Feststellungen UA S. 2 im angefochtenen Urteil der Entscheidung des Senats schon nach § 318 ZPO zugrunde zu legen – hatte die Klägerin im Verlauf des ersten Gesprächs Gelegenheit, dem Beklagten im persönlichen Gespräch ihre Wünsche zu schildern, ihm dabei die Zeichnung eines anderen Gartenbauers zeigte, mit deren Inhalt sich der Beklagte auseinandersetzte, und der Beklagte schlussendlich vor Ort Aufmaß nahm. Damit hatte die Klägerin einerseits Gelegenheit, sich einen persönlichen Eindruck von dem Beklagten und der von ihm vermittelten Fachkunde zu verschaffen. Sie hatte vor allem aber auch Gelegenheit, dem Beklagten ihre Vorstellungen darzulegen, ihn zu fragen, welche Vorschläge zur Umsetzung er habe, wie er die Kosten einschätze, welche Alternativen es gebe usw. Inwieweit die Klägerin von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht hat, kann nicht maßgeblich sein. Sie hatte aufgrund dessen auch die Gelegenheit, dem Beklagten ihre Vorstellungen soweit zu vermitteln, dass sie sein Angebot daraufhin überprüfen konnte, ob es diesen Vorstellungen entsprach. Der Beklagte hatte zudem Aufmaß nehmen können, so dass die Klägerin – anders als bei einem Kontakt rein über Fernkommunikationsmittel – gewiss sein konnte, dass er ihr ein auf ihr Grundstück zugeschnittenes Angebot unterbreiten werde.

Für das dem zweiten Vertragsschluss vorangehende Gespräch gilt Gleiches, wie der Senat aufgrund der persönlichen Anhörung der Parteien im Termin vom 03.09.2021 festgestellt hat. Die Klägerin wollte den Abwasserschacht erneuern lassen und dafür die günstige Gelegenheit wahrnehmen, dass die Auffahrt ohnehin gerade offen war. Sie sprach den Beklagten darauf an, ob er die Arbeiten mit erledigen könne, was er bestätigt und zum Anlass des weiteren Angebots genommen hat. Auch hier hatte die Klägerin Gelegenheit, sich im persönlichen Gespräch mit dem Beklagten über den Inhalt des beabsichtigten Vertrags auszutauschen, und auch hier konnte der Beklagte sich vor Abgabe des Angebots vor Ort ein Bild davon verschaffen, welche Leistung für die Bedürfnisse der Klägerin sachgerecht sein könnte.

Damit war der Schutzbedürftigkeit der Klägerin Genüge getan. Entgegen der Auffassung der Klägerin war es hierfür nicht erforderlich, dass die Parteien den Vertrag persönlich bereits in seinen Einzelheiten erörterten. Die das Widerrufsrecht rechtfertigende Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers entfällt, wenn die Situation der „Unsichtbarkeit des Vertragspartners und des Produkts“ beseitigt ist (OLG Köln WM 2019, 825, 826, Zitat). Das ist nicht zwingend erst der Fall, wenn die Parteien Einzelheiten des Vertrages verhandeln. Maßgeblich muss vielmehr sein, ob der Verbraucher anlässlich des persönlichen Kontakts hinreichend Informationen erfragen kann, um ein späteres Angebot sachgerecht beurteilen zu können. Davon ist hier auszugehen.

Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen den „Verhandlungen“ und dem Vertragsschluss ist gewahrt. Eines solchen Zusammenhangs bedarf es, um Verhandlungen und Vertragsschluss als Einheit ansehen zu können. Eine starre zeitliche Grenze kann es hierfür nicht geben. Zu streng wäre es, die Wertung des § 147 BGB entsprechend heranzuziehen. Zu lang wäre andererseits eine Zeitdauer, nach der ein objektiver Betrachter die Verhandlungen als gescheitert ansähe (BeckOK BGB/Martens, § 312 c, Rn. 16). Der dreiwöchige Zeitraum zwischen Gespräch und Unterbreitung des ersten Angebots liegt noch in dem Rahmen, der bei der Einholung von Angeboten von Handwerkern üblich ist. Das gilt zumal dann, wenn das eingeforderte Angebot mit gewissem Aufwand erstellt werden muss. Der Beklagte hat damit sein Angebot innerhalb eines Zeitraums abgegeben, innerhalb dessen die Klägerin noch damit rechnen musste. Erst recht gilt dies für den nach Beginn der Arbeiten am 06.08.2019 erfragten Angebote vom 08.08.2019.

bb) Ein Fernabsatzvertrag liegt somit schon deshalb nicht vor, weil der Vertrag nicht unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen ist. Es fehlt außerdem aber auch an der Voraussetzung, dass der Vertrag im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wurde.

Auch der Begriff des für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems ist nicht klar definiert. Der europäische Richtlinien- und nationale Gesetzgeber ging davon aus, dass davon von einem Dritten angebotene Fernabsatz- oder Dienstleistungssysteme erfasst werden sollten, die von Unternehmern verwendet werden, wie etwa eine Onlineplattform. Der Begriff sollte dagegen nicht Fälle erfassen, in denen Webseiten nur Informationen über den Unternehmer, seine Waren oder Dienstleistungen und seine Kontaktdaten anbieten (Erwägungsgrund 20 RL 2011/83/EU; BT-Drucks. 17/12637, S. 49 f.; BGH NJW 2018, 690, 691, Rn. 19). Erforderlich ist ein organisiertes Fernabsatzsystem, das der Unternehmer mit – nicht notwendig aufwändiger – personeller und sachlicher Ausstattung geschaffen hat, um in der Lage zu sein, regelmäßig im Fernabsatz zu tätigende Geschäfte zu bewältigen. Hohe Anforderungen sind dabei nicht zu stellen. Nur Geschäfte, die unter gelegentlichem, eher zufälligem Einsatz von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden, sollen aus dem Anwendungsbereich des Fernabsatzwiderrufs ausscheiden (BT-Drucks. 14/2658, S. 30; BGH NJW 2021, 304, 305, Rn. 13). Zweck der Ausnahmevorschrift ist es, solche Geschäfte aus dem Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts auszunehmen, die nur zufällig unter dem Einsatz von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden. Die Einschränkung zielt vor allem auf Unternehmer, die ihre Leistungen grundsätzlich in einem Ladengeschäft anbieten und nur gelegentlich oder zufällig telefonische Bestellungen entgegennehmen oder eine Ware per Post versenden (Beck OGK/Busch, § 312 c, Rn. 25; s.a. Leitfaden GD Justiz Ziff. 5.1 – S. 38 -).

Ist der Vertrag ausschließlich über Fernkommunikationsmittel geschlossen worden, so wird zulasten des Unternehmers widerleglich vermutet, dass sein Vertriebs- und Dienstleistungssystem auf den Fernabsatz ausgerichtet ist. Die Darlegungs- und Beweislast, dass ein ausschließlich mit Fernkommunikationsmitteln zustande gekommener Vertrag nicht im Rahmen eines hierauf gerichteten Vertriebs- und Dienstleistungssystems abgeschlossen worden ist, liegt mithin bei ihm (BT-Drucks. 17/12637, S. 50; BT-Drucks. 14/2658, S. 31; BGH NJW 2021, 304, 305, Rn. 12). Der Sachverhalt ist hier jedoch unstreitig. Auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts steht fest, dass der Beklagte seinen Betrieb nicht in solcher Weise organisiert hat.

Der Beklagte hält eine Webseite vor, in der er über sein Leistungsangebot informiert und über die er durch ein eingebundenes Nachrichtentool kontaktiert werden kann. Ein unmittelbares Leistungsangebot findet sich dort nicht. Er hat zwar keine Geschäftsräume, in denen er aufgesucht werden könnte. Dies liegt seinem Vortrag zufolge aber nicht daran, dass er sich für den Kundenkontakt auf Fernkommunikation eingestellt hat, sondern daran, dass er seine Kunden ohnehin immer aufsuchen muss. Dieser Vortrag ist unstreitig und nachvollziehbar. Das Angebot zu garten- und landschaftsgestalterischen Arbeiten setzt zwangsläufig voraus, dass sich der Dienstleister zuvor ein Bild vor Ort gemacht hat. Wie es sodann zum Vertragsschluss kommt, ist offen. Er kann mündlich erfolgen, ausschließlich über Fernkommunikationsmittel oder durch Unterbreitung eines vor Ort noch einmal besprochenen Angebots. Der Geschäftsbetrieb des Beklagten ist jedenfalls gerade nicht darauf ausgelegt, Verträge über die angebotenen Dienstleistungen ausschließlich im Wege der Fernkommunikation zu schließen. Der Beklagte hat seinen Vertrieb vielmehr so organisiert, dass stets im Laufe der Vertragsanbahnung oder des Vertragsschlusses persönlicher Kontakt vorgesehen ist.

3. Auch die Rüge der Verletzung der Hinweispflicht verhilft der Berufung nicht zum Erfolg.

Hintergrund der Rüge ist die Befürchtung der Klägerin, mit der Klagabweisung auch ihren Anspruch aus Mängelgewährleistung zu verlieren. Dies ist jedoch nicht der Fall. In Rechtskraft erwächst nur die Entscheidung über den Streitgegenstand (Musielak in ders./Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 322, Rn. 16). Ansprüche aus Mängelgewährleistung aber hat die Klägerin nicht zum Streitgegenstand gemacht. Dem Klagvortrag ist unmissverständlich zu entnehmen, dass sie ihren Zahlungsantrag ausschließlich auf den Widerruf der Verträge stützt, nicht aber auf die Mangelhaftigkeit der erbrachten Leistung, zu der sie nichts vorgebracht hat. Der Senat stellt vorsorglich klar, dass er deshalb ausschließlich von einer Entscheidung über das Widerrufsrecht der Klägerin nach § 312c BGB ausgeht.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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