OBERLANDESGERICHT FRANKFURT/MAIN
Az.: 20 W 414/99
Beschluss vom 04.12.2000
Vorinstanzen:
LG Darmstadt – Az.: 19 T 256/98
AG Offenbach/M. – Az.: 41H 30/98
In der Wohnungseigentumssache hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts in Darmstadt vom 21.04.1999 am 04.12.2000 beschlossen:
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Offenbach vom 28.5.1988 werden abgeändert.
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten aller drei Instanzen tragen die Antragsteller. Außergerichtliche Kosten werden in allen drei Instanzen nicht erstattet
Beschwerdeweit. 5000.-DM
Gründe:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft (§ 45 Abs.1 WEG) und auch ansonsten zulässig. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 22 Abs. 2 FGG) wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde war nicht erforderlich, weil die Beschwerdefrist des § 22 Abs. 1 FGG mangels Zustellung des angefochtenen Beschlusses nicht in Lauf gesetzt wurde (§16 Abs. 2 FGG, §187 ZPO).
In der Sache ist das Rechtsmittel begründet und führt zur Abänderung der Vorentscheidungen und Zurückweisung der Anträge.
Grundsätzlich unterscheidet das Wohnungseigentumsgesetz zwischen Angelegenheiten, die die Wohnungseigentümer durch (Mehrheits-)Beschluss, und solchen, die sie durch Vereinbarung regeln können (§ 23 Abs. 1,10 Abs. 1 WEG). Die Mehrheitsherrschaft bedarf damit der Legitimation durch Kompetenzzuweisung (BGH DWE 2000,113/115 = NJW 2000,3500 = ZMR 2000,771 = WuM 2000,620). Ist eine Angelegenheit weder durch das Wohnungseigentumsgesetz noch durch Vereinbarung dem Mehrheitsprinzip unterworfen, so fehlt der Mehrheit von vorneherein jede Beschlusskompetenz mit der Folge, dass ein dennoch gefasster Mehrheitsbeschluss nichtig und nicht nur anfechtbar ist (so BGH aaO für den Fall der Einräumung eines Sondernutzungsrechtes).
Das Gesetz ermöglicht den Wohnungseigentümern den Gebrauch des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums nicht nur durch Vereinbarung iSv §§ 15 Abs. 1,10 Abs.1 Satz 2 WEG zu regeln, sondern auch durch Mehrheitsbeschluss (§§ 15 Abs. 2,21 Abs. 1 und 3 WEG). Wird dieser Beschluss nicht angefochten, bindet er die Wohnungseigentümer wie eine Vereinbarung (BGH NJW 1995,2(736 mwN), wenn er weder sittenwidrig ist noch in den dinglichen Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift (BGH aaO).
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen gehört jedoch nach Auffassung des Senats die Möglichkeit, innerhalb des Wohnungseigentums die täglich anfallende Wäsche maschinell reinigen zu können ebenso zum Kernbereich des Wohnungseigentums wie z. B. das Musizieren in den eigenen Räumlichkeiten oder die tägliche Körperhygiene.
§ 13 Abs. 1 WEG erlaubt dem Wohnungseigentümer, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit seinem Sondereigentum nach Belieben zu verfahren, insbesondere es zu bewohnen oder in sonstiger Weise zu nutzen. Er ist nach § 14 Nr. 1 WEG verpflichtet, von seinem Sondereigentum in einer Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.
Ebenso wie ein völliges Musizierverbot nicht durch Stimmenmehrheit beschlossen werden kann (OLG Frankfurt OLGZ 1984,407= NJW 1985,2138= WuM 1984,303= WE 1985,30 ; OLG Hamm NJW 1981,465= DWE 1981,128 = Rpfleger 1981,149 = MDR 1986,501; Bay ObLGZ 1985,105 = ZMR 1985,208; weitergehend noch Staudinger/Bub WEG 12. Auflage § 21 Rn 130) kann auch ein völliges Bade- und Duschverbot ausgesprochen werden (hingegen kann die Hausordnung ein Bade- und Duschverbot für bestimmte Zeiten, etwa die Nachtzeiten aussprechen: BayObLG WE 1992,60).
Nach Auffassung des Senats bedarf auch der Ausschluss des maschinellen Wäschewaschens in der Wohnung der Zustimmung aller Wohnungseigentümer und kann nicht durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. Der Gebrauch von Waschmaschinen ist kein Luxus, sondern erleichtert die häusliche Arbeit.
Lediglich ein kleiner Teil der Bevölkerung nutzen außerhalb der Wohnung gelegene Waschküchen oder öffentliche Waschsalons.
Im Wohnungsmietrecht gehört der Betrieb einer Waschmaschine zum „vertragsgemäßen Gebrauch“ der Mietsache (Stemel, Mietrecht 3. Auflage S. 287; Palandt /Putzo BGB 59. Auflage Rn 13 zu § 535; Münchener Kommentar BGB Rn 52f zu § 535; LG Karlsruhe WM 68,107; LG Essen WM 1964,64; LG Düsseldorf ZMR 60,109; Glaser MDR 1969,577 mit zahlr. N.); im sozialhilferechtlichen Bereich kann für die Beschaffung einer Waschmaschine auch für einen Ein-Personen-Haushalt als notwendig hauswirtschaftliche Hilfe Anspruch auf eine einmalige Sozialhilfeleistung nach § 21 Abs.1 a Nr. 6 BSHG bestehen (BVerwG NJW 1999,664).
In diesem Zusammenhang ist die Einrichtung einer Waschküche im Keller des Wohnhauses als zusätzliches Angebot für die Hausbewohner gedacht, die z. B. wegen der Enge der Räumlichkeiten und/oder schwieriger Stellmöglichkeiten ihre Wasch- und Trockengeräte außerhalb des eigenen Wohnbereichs aufstellen wollen und denen zugleich die Möglichkeiten gegeben werden soll, ihre Wäsche – optisch nicht beeinträchtigend – in der Waschküche aufhängen. Keinesfalls kann ein solches Zusatzangebot zu einem Benutzungszwang der Hausbewohner führen, zumal die moderneren Geräte sowohl gegen das Auslaufen von Wasser gesichert sind als auch geräuscharm sind.
Die häusliche Ruhe kann dadurch hergestellt werden, dass in der Hausordnung Ruhezeiten vereinbart werden, innerhalb derer der Gebrauch von Waschmaschinen und Trocknern untersagt ist.
Darüber hinaus fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin zu ungewöhnlichen Tages- bzw. Nachtzeiten gewaschen haben soll. Die Benutzung einer Waschmaschine am Samstag morgen nach 9.00 Uhr ist jedenfalls nicht außergewöhnlich früh.
Auch hinsichtlich des uneingeschränkten Verbots des Lufttrocknens der Wäsche in der Wohnung ist der Senat der Ansicht, dass es hierzu der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf, zumal eine Beeinträchtigung von Gemeinschaftseigentum nicht dargetan ist. Unstreitig rührten die in der Wohnung der Antragsgegnerin aufgetretenen Feuchtigkeitserscheinungen von einer fehlerhaft installierten Dachantenne, ein kausaler Zusammenhang zu dem Lufttrocknen der Wäsche besteht demnach nicht.
Darüber hinaus erscheint es zweifelhaft, ob eine Wiederholungsgefahr angesichts des von der Antragsgegnerin unter Beweis gestellten Vertrags, sie trockne ihre Wäsche ausschließlich auf dem Balkon, überhaupt zu bejahen ist.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 47,48 Abs. 3 WEG.