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Werklohnklage –  Kostentragung eines Privatgutachtens

LG Bochum – Az.: I-8 O 400/15 – Urteil vom 16.06.2016

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.855,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.11.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht werkvertragliche Gewährleistungsansprüche geltend. Der Beklagte begehrt widerklagend die Zahlung von Werklohn.

Der Kläger beauftragte im Juli 2015 den Beklagten mit der Verlegung von Fliesen. Der Kläger kaufte in einem Fachhandel schwarze Fliesen (30 x 60 cm) zu einem Preis von 22,81 EUR/m². Er stellte dem Beklagten diese Fliesen zur Verfügung.

Nach Ausführung besichtigten die Parteien die Fliesenarbeiten am 02.08.2015. Der Kläger bemängelte die nicht ordnungsgemäße Verlegung zweier Fliesen, die noch fehlenden Silikonfugen und eine Übergangsschiene. Er verweigerte die Abnahme.

Mit Schreiben vom 20.08.2015, welches dem Beklagten am 28.08.2015 zuging, forderte der Kläger nach der Feststellung weiterer Mängel den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 01.09.2015 vergeblich zur Mängelbeseitigung durch den kompletten Austausch der Fliesen auf.

Der Beklagte forderte den Kläger mit Rechnung vom 01.09.2015 fruchtlos zur Zahlung des Werklohns in Höhe von 1.162,69 EUR auf.

Der Kläger beauftragte am 07.09.2015 einen Privatgutachter mit der Erstellung eines Gutachtens über die Mängel der Fliesenverlegung. Der Privatgutachter führte in seinem Gutachten Mängel durch die nicht fluchtgerechte Verlegung der Fliesen und das Bestehen von Schallbrücken an mindestens sechs Stellen auf. Der Privatgutachter stellte dem Kläger einen Betrag in Höhe von 1.354,03 EUR in Rechnung.

Der Kläger beauftragte am 08.10.2015 die Firma L mit dem Austausch der Fliesen. Er wählte nunmehr hellbeige Fliesen (60 x 60 cm) zu einem Preis von 29,33/m². Es entstanden ausweislich der Rechnung vom 08.10.2015 Arbeits- und Materialkosten in Höhe von 6.834,75 EUR.

Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 13.10.2015 sich nichts von den Vorwürfen des Klägers anzunehmen und forderte den Kläger erneut vergeblich zur Zahlung des Werklohns auf.

Mit Schreiben vom 22.10.2015 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 03.11.2015 fruchtlos zum Ersatz der Kosten für den Austausch der Fliesen durch die Firma L auf.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.187,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 04.11.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt widerklagend, den Kläger zu verurteilen, an ihn 1.162,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.09.2015 zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, etwaige Mängel der Fliesenverlegung lägen im Verantwortungsbereich des Klägers. Die zur Verfügung gestellten Fliesen seien minderwertig gewesen, insbesondere sei eine fluchtgerechte Verlegung nicht möglich gewesen, da die Fliesen in sich schief gewesen seien. Auf diesen Umstand habe er den Kläger hingewiesen. Er sei jedoch zur Fortsetzung der Arbeiten aufgefordert worden. Der Kläger habe ihm zudem keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß §§ 634 Nr. 2, 633, 637 BGB in Höhe von 6.502,23 EUR wegen der Kosten der Mängelbeseitigung.

Der Besteller kann nach § 637 Abs. 1 BGB wegen eines Mangels des Werkes nach erfolglosem Ablauf einer von ihm zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn nicht der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert.

Es liegt ein Werkvertrag gemäß § 631 BGB vor.

Das Werk ist mangelhaft. Es liegt ein Sachmangel vor. Gemäß § 633 Abs. 2 BGB ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken gleicher Art üblich ist und die der Besteller nach der Art und Weise des Werkes erwarten kann. Die Fliesen wurden nicht fluchtgerecht verlegt und es liegen Schallbrücken vor. Dies entspricht nicht den Anforderungen an eine fachgerechte Fliesenverlegung.

Die Mängelhaftung ist nicht ausgeschlossen. Grundsätzlich haftet der Unternehmer für alle Mängel, unabhängig davon, auf welchem Umstand sie beruhen. Auch wenn die Mängel auf einen Wunsch des Bestellers zurückzuführen sind, ist die Haftung an sich gegeben. Die Tatsache, dass Mängel vorliegen, genügt zur Begründung der Haftung (Werner/Pastor, 15. Aufl. 2014, Rn. 2034). Dieser Grundsatz erfährt jedoch Einschränkungen. Der Unternehmer haftet nicht für Mängel, deren Ursachen im Verantwortungsbereich des Bestellers liegen. Mängel liegen im Verantwortungsbereich des Bestellers, soweit sie auf seine Anweisungen bzw. verbindliche Vorgaben oder auf von ihm gelieferte Materialien zurückgehen. Dies gilt jedoch nur, wenn der Unternehmer die ihm obliegenden Prüfungen durchgeführt sowie Hinweise gegeben hat und der Besteller dennoch auf die untaugliche Ausführung besteht. Die Darlegungs- und Beweislast für einen Tatbestand, der dazu führt, dass der Unternehmer von der Mängelhaftung befreit ist, trägt der Unternehmer (Werner/Pastor, 15. Aufl. 2014, Rn. 2035; Palandt/Sprau, 73. Aufl. 2014, § 633 BGB Rn. 4).

Das Vorbringen des Beklagten zur Verantwortlichkeit des Klägers ist nicht erheblich und reicht nicht aus, um seine Haftung auszuschließen. Er hat nicht konkret dargelegt, zu welchem Zeitpunkt und gegenüber welcher Person er auf die untaugliche Ausführung der Arbeiten durch die etwaige Mangelhaftigkeit der Fliesen hingewiesen hat. Ebenso fehlt konkretes Vorbringen dazu, wie und von wem er zur Fortführung der Arbeiten trotz der offensichtlichen Vielzahl von Mängeln aufgefordert wurde. Es ist auch nicht nachvollziehbar und widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Besteller einen Unternehmer trotz erheblicher und sofort sichtbarer Mängel anweist, die Arbeiten fortzusetzen.

Dem Beklagten ist eine angemessene Frist zur Nacherfüllung i.S.d. § 637 Abs. 1 BGB gewährt worden. Angemessen ist eine Frist dann, wenn sie den Belangen beider Parteien gerecht wird. Für die Angemessenheit ist in erster Linie die Zeitspanne maßgebend, die ein zügig arbeitender Unternehmer benötigt, um das konkrete mangelhafte Werk in einen mangelfreien Zustand zu versetzen. Erweist sich die von dem Besteller für die Mängelbeseitigung bestimmte Frist nicht als angemessen, und zwar deswegen, weil die Frist zu kurz bemessen worden ist, so ist die Fristbestimmung dennoch nicht wirkungslos. Auch wenn die festgesetzte Frist unangemessen ist, beginnt sie zu laufen und erstreckt sich auf eine nach objektiven Maßstäben unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls zu bestimmende Zeitspanne. Etwas anderes gilt wiederum nur dann, wenn die unangemessene Frist nur zum Schein gesetzt wurde, so dass es Treu und Glauben widerspräche, an eine derartige Fristsetzung irgendwelche Rechtsfolgen zu knüpfen (MüKO/Busche, 6. Aufl. 2012, § 636 Rn. 6-8).

Mit Schreiben vom 20.08.2015, dem Beklagten zugegangen am 28.08.2015, setzte der Kläger dem Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung bis zum 01.09.2015. Diese Frist war nicht angemessen. Objektiv angemessen dürfte eine Frist von mindestens zwei Wochen sein. Die am 28.08.2015 angelaufene Frist endete daher frühestens Mitte September. Bis zu diesem Zeitpunkt nahm der Beklagte keine Mängelbeseitigung vor. Diese wäre insbesondere bis zu Beauftragung der Firma L am 08.10.2015 möglich gewesen. Ferner liegen auch keine Anhaltspunkte für eine nur zum Schein gesetzte Frist vor.

Ersatzfähig sind die tatsächlichen Aufwendungen, soweit sie objektiv erforderlich waren. Erforderlich sind Aufwendungen, die ein wirtschaftlich denkender Bauherr auf Grund sachkundiger Beratung für vertretbare, d. h. geeignete und Erfolg versprechende Maßnahmen der Mängelbeseitigung halten durfte. Der Besteller hat im Wege seiner Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB die Kosten in angemessenen Grenzen zu halten (Palandt/Sprau, 73. Aufl. 2014, § 637 BGB Rn. 7).

Ersatzfähig sind danach die Arbeitskosten der Firma L und die Materialkosten in Höhe der Kosten für die vormals ausgewählten Fliesen (22,81 EUR/m²). Die nunmehr ausgewählten teureren Fliesen (29,33 EUR/m²) sind dagegen zur Mängelbeseitigung nicht erforderlich gewesen. Die Mängelbeseitigungskosten sind daher insgesamt um 332,52 EUR herabzusetzen.

2. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 634 Nr. 4 Alt. 1, 280 Abs. 1, 633, 636 BGB in Höhe von 1.353,03 EUR wegen der Kosten des Privatgutachtens.

Die Kosten können als Mangelfolgeschaden ersetzt verlangt werden. Voraussetzung für einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung von Privatgutachterkosten ist regelmäßig, dass die Beauftragung des Privatgutachtens unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach Zeitpunkt, Inhalt und Umfang des Auftrags bei objektiver, verständiger Sicht erforderlich erscheint. Im privaten Baurecht ist bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Einschaltung eines Privatgutachters bzw. der Frage, ob sich der Besteller durch etwaige vertragswidrige Leistungen des Unternehmers dazu herausgefordert fühlen durfte, zu berücksichtigen, dass sich der Besteller zur Geltendmachung von Gewährleistungsrechten auf die Rüge der Mängelerscheinung/-symptome beschränken darf, wodurch für den Besteller – im Umkehrschluss – nicht ohne weiteres eine Notwendigkeit besteht, selbst durch Einschaltung eines Privatgutachters bereits die dem Unternehmer obliegende Feststellung der Mängelursachen zu betreiben (OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.08.2013 – Az. 22 U 4/1310 -, BeckRS 2014, 00210).

Die Einholung eines Privatgutachtens war wegen der vertragswidrigen Leistungen des Beklagten durch die mangelhafte Fliesenverlegung erforderlich. Insbesondere beschränkte sich das Gutachten auf die Feststellung der Mängelerscheinungen. Es sind daher keine unnötigen Kosten entstanden.

3. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

II. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.

Der Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Werklohn gemäß § 631 Abs. 1 BGB in Höhe von 1.162,69 EUR.

Die Vergütung ist nicht fällig. Nach § 641 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Vergütung bei Abnahme des Werkes zu entrichten. Der Besteller ist nach § 640 Abs. 1 BGB verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist nicht abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist.

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Der Kläger hat das Werk nicht abgenommen. Insbesondere kommt eine stillschweigende Abnahme mangels Anerkennung des Werkes als vertragsgemäß nicht in Betracht. Auch die Abnahmefiktion des § 640 Abs. 1 S. 3 BGB ist nicht eingetreten.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 9.350,47 EUR festgesetzt.

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