BGH
Az.: V ZR 222/12
Urteil vom 25.01.2013
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2013 für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 25. April 2012 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien sind Eigentümer angrenzender Grundstücke. Entlang der Grenze befindet sich auf dem Grundstück des Klägers auf einer Länge von 15 m eine über 7 m hohe Thujenabpflanzung. An den Bäumen nahm der Beklagte ohne Einwilligung des Klägers Stämmlings- und Astkappungen vor, die nicht fachgerecht ausgeführt wurden. Infolgedessen sind die Thujen dauerhaft verstümmelt und in ihrer Vitalität beeinträchtigt; der optische Eindruck des klägerischen Grundstücks ist nicht unerheblich beeinträchtigt.
Mit der Klage hat der Kläger Schadensersatz in Höhe von 3.971,87 Euro (netto) verlangt. Davon entfallen 621,77 Euro auf die Kosten der Sofort- und Nachbehandlung durch einen Gärtner und 3.350,10 Euro auf die bleibende Wertminderung der Abpflanzung. Darüber hinaus hat der Kläger soweit von Interesse Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 402,82 Euro verlangt. Im Hinblick auf diese Anträge hat die Klage in den Tatsacheninstanzen vollen Umfangs Erfolg gehabt. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte nur noch gegen seine Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz aufgrund der Wertminderung und der darauf bezogenen vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Entscheidungsgründe
I.
Sachverständig beraten setzt das Berufungsgericht den gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Betrag je nach Ausmaß der Schäden teils auf 50 %, teils auf 10 % des Zeitwerts der Bäume fest. Maßgeblich für die Berechnung des Schadens sei die Wertminderung des Grundstücks. Allerdings komme es nicht darauf an, ob sich die Abpflanzung als solche werterhöhend auswirke. Vielmehr habe ein Wertvergleich des Grundstücks einerseits mit verstümmelter und andererseits mit intakter Thujenabpflanzung zu erfolgen. Die danach entstehende Wertminderung sei ebenso wie bei einem Totalverlust von Gehölzen nach der „Methode Koch“ zu ermitteln.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach die Thujenabpflanzung wesentlicher Bestandteil des Grundstücks und dessen Wertminderung maßgeblich für den entstehenden Schaden ist, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senat, Urteil vom 27. Januar 2006 V ZR 46/05, NJW 2006, 1424 ff.; BGH, Urteil vom 13. Mai 1975 VI ZR 85/74, NJW 1975, 2061). Grundsätzlich ist bei der Beschädigung einer Sache hier des Grundstücks Schadensersatz durch Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder durch Ersatz des hierzu erforderlichen Geldbetrags (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB) zu leisten. Eine denkbare Ersatzbeschaffung der Thujen ist allerdings gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen, weil sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1975 VI ZR 85/74, NJW 1975, 2061). Dem hat der Kläger Rechnung getragen, indem er sein Begehren auf die Kosten der Sofort- und Nachbehandlung durch einen Gärtner und den Ersatz der Wertminderung gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB beschränkt hat. Die letztere Schadensposition ist alleiniger Gegenstand des Revisionsverfahrens.
2. Die Ermittlung und Schätzung des Minderwerts steht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO im freien Ermessen des Tatrichters. Die revisionsrechtliche Nachprüfung ist darauf beschränkt, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 VI ZR 157/11, NJW 2012, 2024 Rn. 23 mwN). Solche Fehler sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.
a) Die Entfernung oder Zerstörung von Gehölzen kann auch dann zu einer Wertminderung des Grundstücks führen, wenn sich dessen Verkaufswert hierdurch nicht verändert hat (Senat, Urteil vom 27. Januar 2006 V ZR 46/05, aaO, Rn. 16). Die Wertminderung kann nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung anhand der sogenannten „Methode Koch“ berechnet werden (Senat, Urteile vom 27. Januar 2006 V ZR 46/05, NJW 2006, 1424 Rn. 16 und vom 15. Oktober 1999 V ZR 77/99, BGHZ 143, 1, 9; BGH, Beschluss vom 7. März 1989 VI ZR 147/88, NuR 1991, 94 f.; Urteil vom 13. Mai 1975 VI ZR 85/74, NJW 1975, 2061, 2062 f.). Bei dieser Wertermittlungsmethode handelt es sich um ein modifiziertes Sachwertverfahren. Der Wertverlust wird bestimmt, indem die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und kapitalisiert werden; der danach errechnete Wert wird gegebenenfalls mit Blick auf eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände bereinigt (näher Koch, Aktualisierte Gehölzwerttabellen, 3. Aufl. 2001, 19 ff., 25 ff.; Breloer, Der Sachverständige 2005, 217 f.). Wie bei der Teilschädigung von Gehölzen im Grundsatz zu verfahren ist und ob die „Methode Koch“ auch insoweit zur Schadensberechnung geeignet ist, hat der Senat bislang offen gelassen (Urteil vom 27. Januar 2006 V ZR 46/05, NJW 2006, 1424 Rn. 16).
b) In Rechtsprechung und Literatur wird die Frage uneinheitlich beantwortet.
aa) Teils wird eine über den Ersatz der Teilwiederherstellungskosten hinausgehende Wertminderung in der Regel verneint. Die „Methode Koch“ führe zu unangemessenen Forderungen, die mit der tatsächlichen Wertschätzung einer Grundstücksbepflanzung offensichtlich unvereinbar seien (OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. August 2009 15 U 100/08, […] Rn. 43, 50; Palandt/ Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 251 Rn. 12; Staudinger/Schiemann, BGB [2005], § 251 Rn. 92; wohl auch Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl. Rn. 3.127; für eine wildwachsende Uferbegrünung: OLG München, VersR 1995, 843 f.). An einem messbaren Wertverlust des Grundstücks fehle es jedenfalls dann, wenn Pflanzen ohne bleibende Schäden unbefugt beschnitten würden (OLG Köln, NZM 2000, 108 f.). Das gelte im Regelfall auch bei bleibenden Teilschädigungen von Gehölzen. Die „Methode Koch“ sei auf den Totalverlust bezogen; bei einer Teilschädigung spiegelten insbesondere die eingerechneten Pflegekosten für das Aufwachsen eines jungen Baums den Wertverlust des Grundstücks nicht angemessen wider (LG Bielefeld, NJW-RR 1992, 26, 27).
Die Wertminderung könne nur ein Sachverständiger für Grundstücksbewertung, nicht aber ein Gehölzsachverständiger beurteilen (Palandt/Grüneberg, aaO, § 251 Rn. 12).
bb) Nach anderer Auffassung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, ist die „Methode Koch“ auch in Fällen der Teilschädigung geeignet, um den Minderwert zu errechnen (OLG Düsseldorf, NVwZ-RR 1992, 216, 217; LG Dortmund, AUR 2010, 171 f.; LG Neubrandenburg, Schaden-Praxis 2001, 205 f.; LG Osnabrück, AgrarR 1998, 417; LG Kiel, ZfIR 1998, 733 734 f.; Erman/I. Ebert, BGB, 13. Aufl., § 249 Rn. 22). Bei dem unbefugten Beschneiden von Pflanzen sei eine angemessene Wertminderung für die Zeit bis zu dem Nachwachsen zu berechnen (KG, NJW-RR 2000, 160, 161).
c) Der Senat hält die zuletzt genannte Ansicht für richtig.
aa) Auszugehen ist davon, dass die infolge der Schädigung erhöhten Pflege- und Unterhaltungskosten ebenso wie die Kosten einer erforderlichen Neuanpflanzung im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB) zu ersetzen sind. Das gilt auch dann, wenn solche Kosten erst in der Zukunft entstehen; der Geschädigte kann in diesem Fall nur die Ersatzpflicht feststellen lassen. Lediglich eine über diese Schadenspositionen hinausgehende, durch die Teilwiederherstellung nicht kompensierte Schädigung des Grundstücks kann eine Wertminderung darstellen. Dies folgt aus § 251 Abs. 1 BGB, wenn ein vergleichbarer Ersatz nicht zu beschaffen ist, und aus § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn der Ersatz durch eine gleichwertige Pflanze zwar möglich ist, aber wie es bei ausgewachsenen Gehölzen regelmäßig der Fall ist unverhältnismäßige Kosten verursachte. Eine solche Wertminderung kann nicht nur bei dem Ersatz eines ausgewachsenen durch einen jungen Baum aufgrund einer Zerstörung entstehen, sondern auch bei einer Teilschädigung, beispielsweise infolge einer Kronenauslichtung, Verkrüppelung oder Verunstaltung (vgl. Senat, Urteil vom 27. Januar 2006 V ZR 46/05, NJW 2006, 1424 Rn. 18).
bb) Für die Bemessung der Wertminderung ist die „Methode Koch“ auch bei einer Teilschädigung geeignet. Das Sachwertverfahren ist eine von mehreren im Grundsatz gleichrangigen Methoden zur Ermittlung des Grundstückswerts (vgl. §§ 21 ff. ImmoWertV; Senat, Urteil vom 2. Juli 2004 V ZR 213/03, BGHZ 160, 8, 12). Maßgeblich ist bei einem Gehölzschaden anders als bei bloßen Verkehrswertermittlungen von Grundstücken der Vergleich zwischen dem Zustand des konkreten Grundstücks vor und nach dem Eintritt des Schadensereignisses. Diese Differenz kann im Regelfall nicht durch das Vergleichsund Ertragswertverfahren, sondern nur durch ein auf die spezielle Fragestellung zugeschnittenes Sachwertverfahren bemessen werden; dazu dient die „Methode Koch“ sowohl bei einer Zerstörung als auch bei einer Beschädigung. Hiernach ist der Zeitwert des beschädigten Gehölzes zu ermitteln, also der in der Vergangenheit für die Aufzucht erforderliche Aufwand. Richtigerweise ist eine Kapitalisierung vorzunehmen; denn es geht gerade nicht um einen erst zukünftig anfallenden Aufwand (unzutreffend daher Palandt/Grüneberg, aaO, § 251 Rn. 12). Auch weitere Einwände beruhen auf methodischen Missverständnissen. Einer untergeordneten Funktion eines Gehölzes wird Rechnung getragen, weil die Funktion Ausgangspunkt der Berechnung ist; eine verkürzte Restlebensdauer findet durch Abschläge im Sinne einer Alterswertminderung Berücksichtigung (übersehen von Palandt/Grüneberg, aaO, § 251 Rn. 12; Staudinger/Schiemann, aaO, § 251 Rn. 91). Die sachverständige Beurteilung ist Aufgabe eines Baum- oder Gehölzsachverständigen. Denn von Bedeutung ist beispielsweise, welche Pflanzgröße zum Ausgangspunkt der Berechnung gemacht wird, welche Herstellungskosten dadurch entstehen und ob sich die Schäden möglicherweise regenerieren werden (Koch, aaO; Breloer, Der Sachverständige 2005, 217 f.). Diese Fragen liegen außerhalb der Kompetenz eines Sachverständigen für Grundstücksbewertung.
Im Falle der Teilbeschädigung ist je nach Ausmaß der Schäden nur ein zu schätzender Teil des Zeitwerts ersatzfähig. Bei gravierenden Schädigungen, beispielsweise einer dauerhaften erheblichen Verunstaltung oder Verkrüppelung, kann sogar der gesamte Zeitwert zu ersetzen sein.
cc) Die Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken vom 19. Mai 2010 (Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV, BGBl. I S. 639) steht der Schadensbemessung nach der „Methode Koch“ nicht entgegen. Allerdings zählen Bäume und Grünpflanzen danach zu den „sonstigen Anlagen“, die in der Regel im Bodenwert enthalten sein sollen; der Sachwert bestimmt sich nur anhand der „nutzbaren baulichen Anlagen“ und dem Bodenwert (§ 21 Abs. 1, § 23 Abs. 3 ImmoWertV; näher Kleiber in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB [2012], § 21 ImmoWertV Rn. 28 f.). Die Verordnung, die in erster Linie der Immobilienbewertung durch die Gutachterausschüsse in den durch das Baugesetzbuch vorgesehenen Fällen dient, enthält zwar ohne Bindungswirkung für die Gerichte allgemein anerkannte Grundsätze der Verkehrswertermittlung (näher Kleiber, aaO, § 1 ImmoWertV Rn. 1 ff., 8 mwN). Sie ist auf den hier erforderlichen Vergleich eines konkreten Grundstücks vor und nach einem Schadensereignis aber nicht zugeschnitten. Würde sie auch der Schadensberechnung bei einer Beschädigung von Gehölzen zugrunde gelegt, hätte dies zur Folge, dass der Grundstückswert unabhängig von dem Ausmaß der Beschädigung regelmäßig unverändert bliebe. Dass das nicht richtig sein kann, liegt schon deshalb auf der Hand, weil grundsätzlich der Ersatz der beschädigten Pflanzen durch einen gleichwertigen Bewuchs gemäß § 249 Abs. 1 BGB geschuldet ist; ist dies nicht möglich oder verursacht es unverhältnismäßige Kosten, muss das Wiederherstellungsinteresse des Geschädigten durch Wertersatz kompensiert werden.
§ 251 Abs. 2 Satz 1 BGB soll den Schädiger zwar vor unverhältnismäßigen Herstellungskosten schützen, ihn aber nicht über Gebühr entlasten.
d) Bei der Schadensberechnung muss stets in den Blick genommen werden, dass die durch den Gehölzschaden eintretende Wertminderung des Grundstücks nicht mit mathematischer Genauigkeit ermittelt werden kann und in das Ermessen des Tatrichters gestellt ist. Er muss nicht nur die Plausibilität einer sachverständig erstellten Schadensberechnung kritisch würdigen, sondern die Forderungshöhe auch abschließend unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls auf ihre Angemessenheit hin überprüfen.
e) Dem entspricht das Vorgehen des Berufungsgerichts. Soweit sich die Revision gegen seine Feststellungen wendet, wonach die Bäume massiv und nachhaltig geschädigt sind und der optische Eindruck des Grundstücks nicht unerheblich beeinträchtigt ist, erhebt sie keine Verfahrensrüge; sie ersetzt lediglich die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts durch ihre eigene. Auf der Grundlage seiner Feststellungen hat das Berufungsgericht den Zeitwert der Abpflanzung sachverständig beraten nach der „Methode Koch“ ermittelt. Weil das Ausmaß der Schädigung unterschiedlich war, hat es dem Gutachten folgend teils 50 %, teils 10 % des Zeitwerts als ersatzfähig angesehen und den errechneten Betrag angesichts des Schadensbildes für plausibel gehalten. Daran hat es die zu ersetzenden vorgerichtlichen Anwaltskosten bemessen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.