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Wohnungeingangstür durch Polizei aufgebrochen – Wer zahlt den Schaden?

Türschaden durch Polizeieinsatz – Wer trägt die Kosten?

Die juristische Welt des Deutschlands stand still, als der Streit über die Kosten einer beschädigten Wohnungstür, die während einer Polizeiaktion aufgebrochen wurde, vor Gericht landete. Der Kläger, für Drogenhandel und illegalen Besitz von Betäubungsmitteln verurteilt, wurde zum zentralen Punkt dieser Debatte, in der die Rolle der Polizei, die Rechte der Immobilienbesitzer und die Kostenbeteiligung von Kriminellen auf dem Prüfstand standen. Ein Blick auf das spannende Duell zwischen Recht und Verantwortung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: Au 8 K 20.1807  >>>

Auseinandersetzung um den Türschaden

Im Oktober 2018 wurde die Vermieterin des Klägers vom Beklagten – in diesem Fall die Polizei – informiert, dass eventuell bestehende Schadensersatzansprüche wegen der beschädigten Wohnungstür vorrangig gegenüber dem Kläger geltend gemacht werden sollten. Dies wurde auch dem Kläger mitgeteilt, was die Frage aufwirft: Wer trägt die Verantwortung für den Schaden, der durch eine Polizeiaktion verursacht wurde?

Notwendigkeit des gewaltsamen Eindringens

Im Kontext der Polizeiaktion war es unumgänglich, dass die Wohnungstür aufgebrochen werden musste. Der Kläger war während des Einsatzes nicht anwesend und es war nicht möglich, mit der Durchführung des Durchsuchungsbeschlusses zu warten, bis er da wäre. Darüber hinaus bestand die Gefahr, dass bei einem Klingeln an der Tür Beweise in Form von Betäubungsmitteln vernichtet worden wären. Dies unterstreicht die Notwendigkeit und die rechtliche Legitimität des Vorgehens der Polizei.

Eigentumsrechte und Reparaturkosten

Trotz der Auffassung, dass der Kläger primär für den Schaden verantwortlich sei, musste die Vermieterin als Eigentümerin der Wohnung eine voll funktionsfähige Tür wiederherstellen. Sie konnte nicht dazu gezwungen werden, auf die Reparaturkosten zu warten oder auf diesen Kosten sitzen zu bleiben, bis der Kläger zahlungsfähig war. Diese Situation hebt die Komplexität der Verantwortung und der Eigentumsrechte in Fällen hervor, in denen das Eingreifen der Polizei zur Beschädigung von Eigentum führt.

Juristische Implikationen und Präzedenzfall

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat bereits geklärt, dass der Landesgesetzgeber durch Bundesrecht nicht daran gehindert war, einen Ersatzanspruch in Fällen vorzusehen, in denen die Polizei, wie in diesem Fall, sowohl gefahrenabwehrend als auch strafverfolgend tätig geworden ist. Dieses Urteil veranschaulicht nicht nur die wichtige Rolle der Polizei bei der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr, sondern auch die juristischen Herausforderungen, die sich aus der Interaktion zwischen Polizei, Kriminellen und Unschuldigen ergeben.

Im Kern dieser Entscheidung steht die Frage der Kostenverteilung im Kontext von Polizeieinsätzen, die Schäden an privatem Eigentum verursachen. Diese Entscheidung könnte als Leitlinie für zukünftige Fälle dienen, in denen ähnliche Umstände vorliegen. Letztendlich bleibt die Frage der Kostenverteilung in solchen Fällen eine juristische Herausforderung, die stets eine sorgfältige Prüfung der Umstände erfordert, um die Interessen aller Beteiligten fair und gerecht zu berücksichtigen.


Das vorliegende Urteil

VG Augsburg – Az.: Au 8 K 20.1807 – Urteil vom 06.12.2022

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem er zum Ersatz der Kosten für eine polizeiliche Türöffnung in seiner (damals) angemieteten Wohnung herangezogen wird.

Wohnungeingangstür durch Polizei aufgebrochen - Wer zahlt den Schaden?
Polizeieinsatz und Türschaden: Ein juristischer Streit um Kosten, Verantwortung und Eigentumsrechte in Deutschland. (Symbolfoto: DesignumArt /Shutterstock.com)

Aufgrund eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Memmingen vom 10. August 2018 (Gz.: 3 Gs 1337/18) wegen Handels mit oder Herstellen von oder Abgabe bzw. Besitz von nicht geringen Mengen Betäubungsmitteln (BtM) suchten Polizeibeamte am 12. September 2018 gegen 6 Uhr die damalige Wohnanschrift des Klägers in … auf. Aus polizeitaktischen Gründen wurde im Vorfeld entschieden, die Wohnungstür gewaltsam zu öffnen sowie die Wohnung schlagartig zu betreten. Es wurde weder geklingelt noch anderweitig versucht, die Wohnungstüre zu öffnen. Die Wohnungstür wurde mittels „Türramme“ geöffnet und hierbei beschädigt. Der Kläger wurde in seiner Wohnung nicht angetroffen. Bei der Wohnungsdurchsuchung wurden u.a. circa 35 g Marihuana und circa 3,5 g Kokain sichergestellt. Durch die Feuerwehr wurde das Schloss der Wohnungstür ausgetauscht; dem Kläger wurden drei Schlüssel ausgehändigt. Mit seit 2. April 2019 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 25. März 2019 wurde der Kläger des unerlaubten Handeltreibens in Tateinheit mit unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen und deshalb zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt (8 Cs 221 Js 12563/18).

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2018 wurde die Vermieterin des Klägers vom Beklagten darauf hingewiesen, dass etwaige bestehende Schadensersatzansprüche bezüglich der beschädigten Wohnungstür vorrangig gegenüber dem Kläger geltend zu machen seien. Dies wurde mit Schreiben vom selben Tag auch dem Kläger mitgeteilt.

Am 24. Juli 2020 legte die Vermieterin des Klägers dem Beklagten die Rechnung einer Schreinerei vom 10. Februar 2020 i.H.v. 1.550,40 EUR vor und teilte am 18. August 2020 mit, dass die Kaution i.R.d. Mietverhältnisses bereits „aufgebraucht“ sei. Schlüssel der Schließanlage hätten gefehlt und nachbestellt werden müssen, die Wohnung habe komplett gestrichen (600,00 EUR) und der Kühlschrank ersetzt werden müssen. Der Kläger befinde sich derzeit in Haft und sei außer Stande, die offenen Rechnungen zu begleichen. Es werde dringend um Kostenübernahme durch die Polizei gebeten.

Daraufhin wurde am 27. August 2020 ein Erstattungsbetrag i.H.v. 1.439,03 EUR (nach einem Abzug „neu für alt“) zur Auszahlung an die Vermieterin des Klägers angewiesen.

Mit Schreiben vom 1. September 2020 wurde der Kläger zur beabsichtigten Kostenheranziehung angehört.

Der Kläger nahm hierzu mit Schreiben vom 3. September 2020 Stellung und brachte im Wesentlichen vor, dass die Maßnahme unverhältnismäßig gewesen sei. Es sei ihm, da er nicht zu Hause gewesen sei, keine Möglichkeit geblieben, die Tür aus freien Stücken zu öffnen. Dies hätte er natürlich getan. Ihm sei keine Möglichkeit gegeben worden, Vergleichsangebote einzuholen. Er habe seinem Vermieter zugesagt, die Tür zu bezahlen. Er habe ihm nie gesagt, dass er nicht zahlen werde. Warum die Polizei zuständig wurde, sei ihm unklar. Der Vermieter habe sich auch nicht bei ihm gemeldet. Aufgrund der Haftsituation sei es einfach nicht anders zu klären (gewesen).

Mit Bescheid vom 21. September 2020 verpflichtete der Beklagte – gestützt auf Art. 89 Abs. 1 PAG – den Kläger, den Betrag i.H.v. 1.439,03 EUR zu überweisen.

Der Vermieterin des Klägers sei in Folge des Polizeieinsatzes am 12. September 2018 ein nicht unerheblicher Schaden entstanden, welchen sie gegenüber dem Kläger nicht habe geltend machen können. Die Polizei habe der Vermieterin die Kosten erstattet. Der Kläger sei als Handlungsstörer erstattungspflichtig.

Hiergegen erhob der Kläger Klage und beantragt (sinngemäß), den Bescheid vom 21. September 2020 aufzuheben.

Die Verhältnismäßigkeit wie die Türe geöffnet und somit stark beschädigt worden wäre, sei übertrieben. Es gebe verschiedene Möglichkeiten Türen zu öffnen, v.a., wenn man Zeit habe. Er sei ja nicht da gewesen. Soweit der Beklagte sage, dass er dies nicht wissen habe können, hätte eine Handyortung genügt. Oder zu sehen, wann er das Haus betrete und vor Ort sei und wann nicht. Es gebe Wege derartige Eskapaden zu verhindern. Schadensminimierung. Grundsätzlich sei er als Verursacher des Einsatzes verpflichtet zu zahlen. Deswegen müsse ihm Gelegenheit gegeben werden, Vergleichsangebote einzuholen. Die Kostenrechnung sei viel zu hoch. Das Zuwarten bis der Schaden von ihm beglichen werden könne, wäre durchaus zumutbar gewesen, da die Türe ihre Funktion als solche nicht verloren habe. Man habe sie auf- und zumachen bzw. auf- und zuschließen können. Die Begleichung sei voreilig – wie auch das Öffnen der Türe – erfolgt. Zudem sei seinem Vermieter nie mitgeteilt worden, dass er auf keinen Fall zahlen möchte. Im Gegenteil wundere er sich, dass diesbezüglich nichts mehr erwähnt worden sei. Die Situation hätte anders gelöst werden müssen. Die Polizei habe von sich aus und voreilig entschieden, seinen Schaden zu begleichen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unbegründet. Der Bescheid vom 21. September 2020 sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den Bescheid sei Art. 89 Abs. 1 PAG. Danach könne der nach Art. 87 Abs. 6 PAG entschädigungspflichtige Polizeiträger von der nach Art. 7 oder 8 PAG verantwortlichen Person Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen, wenn er keinen Erstattungsanspruch nach Art. 88 PAG habe. Art. 89 Abs. 1 PAG sei auch dann anwendbar, wenn die polizeiliche Maßnahme – wie hier die Durchsuchung der Wohnung des Klägers – primär der Strafverfolgung gedient habe. Gemäß Art. 87 Abs. 6 PAG sei der Träger der Polizei entschädigungspflichtig, welcher die zur Entschädigung verpflichtende Maßnahme getroffen habe. Nach Art. 87 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 PAG sei dem Geschädigten, der nicht nach Art. 7 oder 8 PAG verantwortlich sei und gegen den nicht Maßnahmen nach Art. 10 PAG gerichtet worden seien, und der durch die polizeiliche Maßnahme einen nicht zumutbaren Schaden erleide, Entschädigung zu leisten, sofern er nicht von einem anderen Ersatz zu erlangen vermöge.

Der Vermieterin des Klägers sei infolge der vom Kläger veranlassten polizeilichen Maßnahme am 12. September 2018 ein nicht unerheblicher Schaden entstanden. Das gewaltsame Öffnen der Tür sei durch die Polizei für erforderlich gehalten worden, um unter Ausnutzung des Überraschungseffektes den Erfolg des Polizeieinsatzes nicht zu gefährden. Insbesondere habe die mögliche Vernichtung von Beweismittel verhindert werden sollen. Die Vermieterin sei unbeteiligte Dritte, der es nicht zugemutet werden habe können, die beschädigte Tür auf eigene Kosten reparieren zu lassen. Infolge der nicht möglichen Schadensregulierung durch den Kläger habe das Polizeipräsidium S. der Vermieterin den durch die polizeiliche Maßnahme entstandenen Schaden ersetzt.

Der Kläger sei als Handlungsstörer i.S.d. Art. 7 Abs. 1 PAG zu qualifizieren. Der Kläger trage selbst vor, dass er Verursacher des Einsatzes gewesen sei. Dadurch, dass der Kläger seine Wohnung zur Aufbewahrung von Betäubungsmitteln genutzt habe, habe er damit rechnen müssen, dass es im Zuge von strafprozessual durchgeführten Maßnahmen zu Schäden an der Wohnung komme. Er habe die Ursache für die Wohnungsdurchsuchung und die dadurch entstehende Beschädigung der Wohnungstür gesetzt. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass bei der Durchsuchung 35 g Marihuana und 3,5 g Kokain sichergestellt worden seien. Darüber hinaus bestehe kein Erstattungsanspruch nach Art. 88 PAG. Der Kläger sei gemäß Art. 89 Abs. 1 PAG zum Ersatz der getätigten Aufwendungen i.H.v. 1.439,03 EUR verpflichtet.

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Die Maßnahme sei nicht unverhältnismäßig gewesen. Die Wohnungsöffnung sei aus einsatztaktischen Gründen notwendig gewesen, um eine mögliche Vernichtung von Beweismitteln zu verhindern. Zudem sei der Kläger nicht anwesend gewesen und es sei aufgrund der Sachlage weder möglich gewesen, mit dem Vollzug des Durchsuchungsbeschlusses zuzuwarten, bis der Kläger anwesend sei, noch wäre möglich und aus einsatztaktischen Gründen sinnvoll gewesen, den Kläger die Tür öffnen zu lassen. Selbst wenn der Kläger anwesend gewesen wäre, hätte bei Klingeln an der Tür die Gefahr einer möglichen Vernichtung von Betäubungsmitteln bestanden.

Soweit der Kläger rüge, dass zugewartet hätte werden müssen, bis er in der Lage sei, die Schadensregulierung vorzunehmen, sei ein Zuwarten weder möglich noch zumutbar gewesen. Selbst wenn ein Schließen der Wohnungstür durch den damaligen Austausch des Schlosses möglich gewesen sei, sei nicht zu vergessen, dass es sich um eine Wohnungstüre handele. Die Vermieterin habe als Eigentümerin der Wohnung ein berechtigtes Interesse an der Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit der Tür. Der Eigentümerin habe nicht zugemutet werden können, mit der Reparatur der Tür so lange zu warten bzw. auf den Kosten der Reparatur so lange sitzen zu bleiben, bis der Kläger zahlungsfähig sei. Wegen der Verpflichtung nach Art. 87 Abs. 1 PAG habe eine sofortige Regulierung gegenüber der Vermieterin veranlasst werden müssen. Das Einholen von Vergleichsangeboten durch den Kläger wäre weder möglich noch zielführend gewesen. Die Kosten i.H.v. 1.439,03 EUR seien ordnungsgemäß. In dem Betrag seien nicht nur die Wohnungstür, sondern auch die Montagekosten und Entsorgungskosten der beschädigten Tür enthalten. Der von der Vermieterin geforderte Betrag i.H.v. 1.550,40 EUR sei im Wege des Abzugs „neu für alt“ um 111,37 EUR brutto gekürzt worden. Die Aussage des Klägers, dass der Vermieterin nie mitgeteilt worden sei, dass der Kläger auf keinen Fall zahlen wolle, werde mit Nichtwissen bestritten. Was zwischen dem Kläger und der Vermieterin kommuniziert worden sei, entziehe sich der Kenntnis des Beklagten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie die beigezogene Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Memmingen (Az.: 221 Js 12563/18) sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleiben des Klägers verhandeln und entscheiden, nachdem dieser in der Ladung auf diese Folgen hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kostenbescheid vom 21. September 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht auf die ausreichende und nachvollziehbare Begründung in der Klageerwiderung des Beklagten mit Schriftsatz vom 10. November 2020 Bezug und sieht insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. zur Zulässigkeit der Bezugnahme BVerwG, B.v. 3.12.2008 – 4 BN 25/08). Lediglich ergänzend wird ausgeführt:

1. Rechtsgrundlage ist Art. 89 Abs. 1 PAG. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass der Landesgesetzgeber durch Bundesrecht nicht daran gehindert war, einen Ersatzanspruch in Fällen vorzusehen, in denen die Polizei wie hier zugleich gefahrenabwehrend und strafverfolgend tätig geworden ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.6.2001 – 6 B 25/01; BayVGH, U.v. 10.5.2000 – 24 B 99.603; OVG RP, B.v. 8.2.2006 – 7 A 11613/05; vgl. dazu auch VG München, U.v. 23.11.2016 – M 7 K 15.3762). Die am 12. September 2018 vollzogene Wohnungsdurchsuchung hat zwar (primär) dem Ziel gedient, etwaige Straftaten des Klägers zu verfolgen und in diesem Kontext etwa Betäubungsmittel (als Beweismittel) aufzufinden bzw. sicherzustellen. Daneben hat die Polizei aber ersichtlich auch den (untergeordneten) präventiven Zweck verfolgt, die fortgesetzte Begehung einer rechtswidrigen Tat, d.h. den Besitz von bzw. das Handeltreiben mit BtM, zu unterbinden bzw. die sich hieraus ergebenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, um durch das Auffinden und Sicherstellen von BtM zu verhindern, dass der Kläger in absehbarer Zeit weiter Drogen konsumiert bzw. mit Drogen Handel treibt (vgl. VG Augsburg, U.v. 2.4.2009 – Au 5 K 08.1259; U.v. 5.5.2011 – Au 5 K 10.1341; vgl. auch VG München, U.v. 23.11.2016 – M 7 K 15.3762). Wie die beigezogenen Strafakte der zuständigen Staatsanwaltschaft belegt, wurde u.a. wegen der Handyauswertung eines Chatverlaufs des Klägers mit einem damals anderweitig Verfolgten sowie bei jenem aufgefundenen „Schuldenlisten“, die den Kläger aufführten, die von einem Besitz bzw. wegen eines Handeltreibens mit BtM ausgehenden Gefahren gesehen (vgl. Bl. 1 ff. der Strafakte) und hierauf gestützt ein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss beantragt (vgl. Bl. 6 der Strafakte: „Der Beschuldigte [Kläger] erwarb zu nicht näher bekannten Zeitpunkten … erhebliche Mengen derzeit nicht näher bekannter Betäubungsmittel … Diese waren sowohl zum Eigenkonsum als auch zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt“.). Dass ein Rückgriff auf den Störer in Gemengelagen, wenn die Maßnahme sowohl präventiven als auch repressiven Charakter hat, möglich ist, ist nunmehr in Art. 93 Satz 2 PAG für den Bereich der Kostenerhebung ausdrücklich geregelt (VG Augsburg, U.v. 15.3.2022 – Au 8 K 21.1921).

Gemäß Art. 89 Abs. 1 PAG kann der nach Art. 87 Abs. 6 PAG entschädigungspflichtige Polizeiträger, der die zur Entschädigung verpflichtende Maßnahme getroffen hat, von einem polizeirechtlich nach Art. 7 und 8 PAG Verantwortlichen Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen, wenn er keinen Erstattungsanspruch nach Art. 88 PAG hat. Nach Art. 87 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 PAG ist dem Geschädigten, der nicht nach Art. 7 oder Art. 8 PAG verantwortlich ist und gegen den nicht Maßnahmen nach Art. 10 PAG gerichtet worden sind, und der durch die polizeiliche Maßnahme einen nicht zumutbaren Schaden erleidet, dafür Entschädigung zu leisten, sofern er nicht von einem anderen Ersatz zu verlangen vermag.

2. Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde der Kläger vor dessen Erlass angehört (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG).

3. Der Kostenbescheid vom 21. September 2020 ist auch materiell rechtmäßig.

a) Der Beklagte ist als Polizeiträger anspruchsberechtigt (Art. 87 Abs. 6 PAG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 POG).

b) Die Begleichung der Rechnung für die Reparatur bzw. den Austausch der Wohnungstüre erfolgte unstreitig für einen nicht unerheblichen Schaden, der nach Art. 87 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 PAG aus Anlass des Polizeieinsatzes am 12. September 2018 entstanden ist. Nach dieser Vorschrift war die Wohnungseigentümerin (Vermieterin) entschädigungsberechtigt, da sie weder nach Art. 7 PAG Handlungsstörerin noch nach Art. 8 PAG Zustandsstörerin war. Auch hat die Polizei gegen sie keine Maßnahme nach Art. 10 PAG gerichtet. Der Schaden entstand durch das gewaltsame Öffnen der Wohnungstür, welche die Polizei für erforderlich hielt, um unter Ausnutzung des Überraschungseffektes den angestrebten Erfolg des Polizeieinsatzes nicht zu gefährden.

Nach alledem war die von der Polizei entschädigte Wohnungseigentümerin eine unbeteiligte Dritte, der es nicht zugemutet werden kann, die beschädigte Tür auf eigene Kosten reparieren bzw. instand setzen zu lassen. Die Wohnungseigentümerin war nicht auf einen anderweitigen Ersatzanspruch zu verweisen. Ein Geschädigter muss sich nicht auf Ersatzansprüche verweisen lassen, die er nicht oder jedenfalls nicht in absehbarer und angemessener Zeit durchsetzen kann. Weitläufige, unsichere bzw. im Ergebnis zweifelhafte Wege des Vorgehens braucht er nicht einzuschlagen. Die Ausnutzung der anderweitigen Ersatzmöglichkeit muss dabei zumutbar sein (vgl. analog BGH, U.v. 6.10.1994 – III ZR 134/03 i.R.d. Amtshaftungsanspruchs). Auch aus den Vorschriften der Art. 87 und 89 PAG ergibt sich, dass die Entschädigungspflicht des Beklagten, verbunden mit einem Regressanspruch beim polizeirechtlichen Störer, dem Entschädigungsberechtigten das Insolvenzrisiko des Störers abnehmen, nicht jedoch den Störer aus seiner Verantwortung entlassen soll. Dem liegt letztlich der Rechtsgedanke einer Geschäftsführung ohne Auftrag zugrunde (BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 20. Ed., Stand: 1. Oktober 2022, Art. 89 Rn. 2).

Nach diesen Maßgaben war der Wohnungseigentümerin als Vermieterin des Klägers eine alsbaldige Abwicklung im „mietrechtlichen“ Verhältnis (vgl. Schmidbauer, in Schmidbauer/Steiner, PAG/POG, 5. Aufl. 2020, Art. 87 Rn. 71) unzumutbar. Aus den Lichtbildern in der Behördenakte (Bl. 5 ff.) sind Beschädigungen u.a. der Türe selbst, des Schließblechs sowie der Zarge ersichtlich. Trotz der ggf. gegebenen Möglichkeit eines „behelfsmäßigen“ Auf- und Abschließens der Wohnungstüre nach dem vom Beklagten veranlassten Austausch des Schlosses bzw. der Aushändigung neuer Schlüssel nach der gewaltsamen Wohnungsöffnung am 12. September 2018 hatte die Wohnungseigentümerin einen Anspruch auf zeitnahe Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit und des pflicht- bzw. ordnungsgemäßen Zustandes der beschädigten Wohnungstüre. Eine u.U. mit eigenen Beträgen erkaufte Versicherung stellt keine anderweitige Ersatzmöglichkeit dar (BayVGH, U.v. 10.5.2000 – 24 B 99.603). Dem Schreiben vom 18. August 2020 der Vermieterin an den Beklagten und dem vorgelegten Mietvertrag ist plausibel zu entnehmen, dass die Mietkaution „aufgebraucht“ war, verschiedene Kosten angefallen sind sowie der Kläger außerstande war, die offenen Rechnungen zu begleichen. Mit einer alsbaldigen Wiederherstellung des pflicht- bzw. ordnungsgemäßen Zustandes der Wohnungstüre durch den Kläger war damit nicht zu rechnen. Die Einwände des Klägers, u.a. es hätte zugewartet werden können, bis er den Schaden (nach Einholung von Vergleichsangeboten) begleiche, gehen daher fehl.

c) Der Beklagte hat – entsprechend der Ausgestaltung von Art. 89 Abs. 1 PAG als Regressanspruch – auch tatsächlich Entschädigung geleistet.

d) Der Beklagte hat keinen Erstattungsanspruch nach Art. 88 PAG, weil die Polizei bei ihrem Einsatz nicht auf Weisung oder Ersuchen einer Behörde tätig geworden ist, deren Träger nicht der Freistaat Bayern ist.

e) Der Kläger ist als verantwortliche Person i.S.d. Art. 7 PAG anspruchsverpflichtet.

Es lag eine „wirkliche“ Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor, weil bei der Wohnungsdurchsuchung tatsächlich BtM gefunden und deshalb (dort) eine Straftat des unerlaubten Besitzes bzw. Handeltreibens von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 BtMG begangen wurde. Denn die Begehung von Straftaten stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar (vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 PAG). Für diese Gefahr war der Kläger auch nach Art. 7 Abs. 1 PAG verantwortlich, da er wissentlich und willentlich die in seiner Wohnung sichergestellten Betäubungsmittel überwiegend zum gewinnbringenden Weiterverkauf und im Übrigen zum Eigenkonsum verwahrte (Urteil des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 25. März 2019 unter Verweis auf den Strafbefehl des Amtsgerichts Neu-Ulm vom 1. Februar 2019, Az.: 8 Cs 221 Js 12563/18).

Auf die umstrittene Frage, ob der Kläger (lediglich) die den Anschein einer Gefahr begründenden Umstände veranlasst und dafür einzustehen hat und ob er nur, wenn dies der Fall ist, nach Art. 89 Abs. 1 PAG in Anspruch genommen werden kann, kommt es damit nicht an (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 13.12.2013 – 10 ZB 11.1836; VG Augsburg, U.v. 15.3.2022 – Au 8 K 21.1921).

f) Die gewaltsame Türöffnung war – entgegen dem Einwand des Klägers – auch nicht unverhältnismäßig (Art. 4 PAG).

Die vom Kläger u.a. vorgebrachte Handyortung oder Observierung erweisen sich nicht als mildere, gleich wirksame Mittel. Dass vor der Wohnungsöffnung weder geklingelt noch anderweitig versucht wurde, die Türe zu öffnen, begegnet vor dem Hintergrund einer gewissen polizeilichen Einschätzungsprärogative im Hinblick auf die plausible Gefahr einer Vernichtung von Betäubungsmitteln sowie unter Berücksichtigung einer effektiven Gefahrenabwehr nach den vorliegenden Umständen keinen Bedenken.

g) Der Anspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe. Der Kläger ist dem nicht substantiiert entgegengetreten. Die angefallenen Kosten waren notwendig, da sie bei pflichtgemäßer und sorgsamer Würdigung der Umstände des Einzelfalls rechtlich geboten und unerlässlich erscheinen mussten (vgl. Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 20. Aufl. 2010, Art. 72 Rn. 4). Vom Kläger wird nur der Betrag verlangt, der erforderlich war, um die bei dem Polizeieinsatz beschädigte Tür zu reparieren bzw. auszutauschen und damit wieder instand zu setzen. Zudem wurde ein Abzug „neu für alt“ vorgenommen.

Nach alledem war die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Strafrecht: Es geht um ein strafbares Verhalten (Besitz und möglicher Handel mit Betäubungsmitteln). Hierbei ist insbesondere das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) relevant, da es den Besitz und Handel mit Betäubungsmitteln unter Strafe stellt.
  2. Polizei- und Ordnungsrecht: Die Maßnahmen der Polizei zur Durchsuchung und zur Sicherstellung von Beweisen sind hier relevant. Die entsprechende Norm in Bayern ist das Polizeiaufgabengesetz (PAG), insbesondere Art. 10 und 7 Abs. 1 PAG. Diese Regelungen erlauben der Polizei das Betreten von Grundstücken und Wohnungen unter bestimmten Voraussetzungen.
  3. Verwaltungsrecht: Die Frage, ob und in welchem Umfang die öffentliche Hand für Schäden haftet, die im Rahmen von Polizeimaßnahmen entstehen, ist eine verwaltungsrechtliche. Diese Fragen werden in der Regel durch Landesgesetze geregelt.
  4. Zivilrecht/Mietrecht: Der Sachverhalt betrifft auch die Beziehung zwischen einem Mieter und seinem Vermieter, speziell in Bezug auf die Kaution und die Pflicht zur Reparatur beschädigter Wohnungsteile. Hierzu sind vor allem die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) relevant, insbesondere die Regelungen zum Mietrecht in den §§ 535 ff. BGB und zur Haftung bei Schäden.
  5. Zivilprozessrecht: Bei der Durchsetzung von Ansprüchen und der Bestimmung der Höhe des Schadenersatzes kommt das Zivilprozessrecht zur Anwendung, insbesondere die Zivilprozessordnung (ZPO).

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