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Aufrechnung durch Geltendmachung von Gegenforderungen in Klageerwiderung

Verhandlung um eine Verrechnung: Deutung der Einheitsbedingungen in der Textilwirtschaft

Der vorliegende Fall dreht sich um eine Auseinandersetzung zwischen einem Kläger und einem Beklagten im Rahmen eines Textilgeschäfts. Die Hauptfrage liegt darin, ob die Einheitsbedingungen der Deutschen Textilwirtschaft – genauer gesagt, Paragraph 11 dieser Bedingungen – in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien eingegangen sind und ob sie eine Aufrechnung verhindern würden. Der Beklagte vertritt die Ansicht, dass die Einheitsbedingungen nur für die Lieferkonditionen und nicht für die Zahlungsbedingungen gelten sollten. Darüber hinaus argumentiert er, dass der entsprechende Paragraph wettbewerbswidrig und daher ungültig sei.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 9 S 22/19 >>>

Bestreitung der Gültigkeit der Einheitsbedingungen

Im Berufungsprozess argumentiert der Beklagte weiter gegen die Gültigkeit des Paragraphen 11 der Einheitsbedingungen. Er behauptet, dass dieser Paragraph nicht Teil der vertraglichen Vereinbarung war, sondern lediglich die Lieferkonditionen festlegen sollte. Weitere Bedingungen seien nicht eingegangen. Des Weiteren hält er diesen Paragraphen für wettbewerbswidrig und daher für unwirksam.

Unklarheit über die Geltendmachung einer Gegenforderung

Einen wichtigen Aspekt bildet die Gegenforderung des Beklagten. Er argumentiert, dass zwischen den Parteien eine mündliche Vereinbarung bestand, dass der Gewinn aus den Transaktionen jeweils zur Hälfte geteilt werden sollte. Da die Klägerin ihm keine Gewinnmitteilung gemacht hat, nimmt der Beklagte an, dass der Gewinn 100% betrug. Daher fordert er 50% der Nettosumme der Rechnung, d.h. 8.728,00 Euro, als seinen Anteil ein. Jedoch wurde kein formeller Antrag auf eine Gegenklage gestellt, daher ist die Gegenforderung nicht rechtshängig geworden.

Bestimmung und Wirksamkeit der Gegenforderung

Trotz der fehlenden formalen Gegenklage ist die Gegenforderung des Beklagten hinreichend bestimmt. Darüber hinaus steht kein Aufrechnungsverbot der Geltendmachung der Gegenforderung entgegen. Auch wenn sich ein solches aus Paragraph 11 der Einheitsbedingungen ergeben könnte, galt nach übereinstimmendem Vortrag beider Parteien in der Berufungsinstanz, dass diese Bedingungen nur in Bezug auf die Liefermodalitäten, nicht aber in Bezug auf die Zahlungsmodalitäten wirksam einbezogen wurden.

Standpunkt des Beklagten bezüglich der Zahlung

Während des gesamten Klageverfahrens hat der Beklagte deutlich gemacht, dass er nicht gewillt ist, Geld an die Klägerin zu zahlen. Er vertritt die Ansicht, dass ihm ein Zahlungsanspruch gegen die Klägerin zusteht, hat jedoch bisher keine Zahlungen geleistet. Diese Haltung wirft Fragen über die weitere Entwicklung der Rechtsstreitigkeit und die Auslegung der Einheitsbedingungen der Deutschen Textilwirtschaft auf, die hier eine zentrale Rolle spielen.


Das vorliegende Urteil

LG Münster – Az.: 9 S 22/19 – Urteil vom 22.09.2020

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Rheine vom 09.05.2019 (Az.: 14 C 291/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil vom 07.03.2019 wird in Höhe von 4.650,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2018 sowie hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 216,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf  Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2018 aufrechterhalten. Im Übrigen wird es aufgehoben und wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 7% und der Beklagte zu 93%, mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, die der Beklagte allein trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten im Wege einer Teilklage vertragliche Zahlungsansprüche in Höhe von 5.000,- geltend.

Die Parteien vereinbarten die Lieferung von 4152 Kinderjeans und Modeschmuck (5.000 Ketten, 3.000 Armreife, 2.000 Ohrringe) an die Bekleidung Fabrik Q. Der Kaufpreis betrug 20.772,64 Euro brutto. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 15.12.2017 (Bl. 9 d.A.) Bezug genommen. Die bestellten Waren wurden am  11.12.2017 an die Bekleidung Fabrik Q geliefert.

Mit E-Mail vom 12.12.2017 teilte der Beklagte dem Geschäftsführer der Klägerin mit, dass die Rechnung für die Lieferung auf ihn ausgestellt werden solle, da er gegenüber Q fakturiere, da er dort gelistet sei. Weiterhin wies er auf die Zahlungskonditionen Deutsche Einheitsbedingungen und eine 30 Tage Valuta hin.

Die Rechnung vom 15.12.2017 mit der Rechnungsnummer 201712-100 über einen Betrag von 20.772,64 Euro wurde dem Beklagten am 15.12.2017 übergeben. Die Rechnung enthält den Hinweis, dass die Lieferung zu den Einheitsbedingungen der Deutschen Textilwirtschaft erfolge und sieht eine 30-Tage Valuta vor.

Der Beklagte wurde von der Klägerin mehrmals zur Zahlung aufgefordert. Mit einer E-Mail vom 01.02.2018 wies der Beklagte darauf hin, dass er die Rechnung 201712-100 abzüglich seiner Provision pünktlich zahlen werde, also spätestens zum 15.03.2018. Die Klägerin nahm daraufhin anwaltliche Hilfe in Anspruch und forderte erneut zur Zahlung auf, die jedoch nicht erfolgte.

Mit E-Mail vom 01.03.2018 wandte sich der Beklagte an den damaligen Vertreter der Klägerin, Rechtsanwalt W, und wies insbesondere auf Probleme in der Geschäftsbeziehung mit der Klägerin hin. Der E-Mail war eine Rechnung vom 01.03.2018 mit der Rechnungsnummer 20180301-3 beigefügt, mit der verschiedene Forderungen geltend gemacht wurden. Unter anderem machte der Beklagte 50% Gewinnbeteiligung an der Rechnung 201712-100 in Höhe von 8.728,- Euro geltend, weil eine 50%-ige Gewinnbeteiligung vereinbart sei. Bei dem Geschäft zur Rechnung 201712-100 habe er dem Geschäftsführer der Klägerin seinen Verkaufspreis mitgeteilt. Die Klägerin habe dann die Rechnung an ihn mit den Preisen ausgestellt, die sein Kunde an ihn bezahle. Es sei besprochen worden, dass er dann später eine Rechnung schicke, in der abgerechnet werde. Da der Klägerin zu dem Zeitpunkt aber noch keine Einkaufspreise vorgelegen hätten, habe der Gewinn noch nicht ermittelt werden können. Da bis heute noch keine Abrechnungen vorlägen, gehe er davon aus, dass die Klägerin die Ware in China nicht bezahlt habe, und rechne daher zu 50% von seinem Rechnungswert ab.

Hinsichtlich des im Wege der Aufrechnung geltend gemachten Provisionsanspruchs aus dem streitgegenständlichen Geschäft in Höhe von 8.728,- Euro behauptet der Beklagte, dass bei Postengeschäften bzw. bei Lagerware – anders als im Handelsagenturvertrag – eine 50%-ige Gewinnbeteiligung vereinbart gewesen sei.

Das Amtsgericht hat zunächst ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen, welches es mit Urteil vom 09.05.2019 aufrechterhalten hat. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der unstreitige Kaufpreisanspruch der Klägerin aus § 433 Abs. 2 BGB für die unstreitig gelieferten Waren nicht durch eine Aufrechnung erloschen sei. Der Beklagte habe seine Forderung schon nicht begründet. Aus der Rechnung sei lediglich ersichtlich, dass er von der Klägerin Schadensersatz wegen Rufschädigung und mehrerer Provisionsverluste in Höhe von 27.932,63 Euro verlange. An einer nachvollziehbaren Begründung seines Anspruchs fehle es aber vollständig. Weiterhin sei gemäß § 11 der Einheitsbedingungen der Deutschen Textilwirtschaft die Aufrechnung und Zurückbehaltung fälliger Rechnungsbeträge nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig. Die Forderung des Beklagten gegen die Klägerin sei jedoch weder unbestritten noch rechtskräftig festgestellt worden. Damit gehe die Aufrechnung ins Leere.

Gegen dieses Urteil, das dem Beklagten am 17.05.2019 zugestellt worden ist, hat der Beklagte mit einem am 06.06.2019 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 12.07.2019 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Er wendet sich insbesondere gegen die Annahme des Amtsgerichts, dass § 11 der Einheitsbedingungen der Deutschen Textilwirtschaft der Aufrechnung entgegenstehe.

Das Amtsgericht verkenne, dass § 11 der Einheitsbedingungen der Deutschen Textilwirtschaft keinen Einzug in die vertragliche Vereinbarung der Parteien gefunden habe. Es habe allenfalls die Lieferung nach den entsprechenden Bedingungen erfolgen sollen. Die übrigen Bedingungen seien nicht einbezogen worden. Zudem sei § 11 der Einheitsbedingungen der Deutschen Textilwirtschaft wettbewerbswidrig und deswegen unwirksam.

Darüber hinaus bestünde zwischen den Parteien ein Handelsagenturvertrag, der am  08.08.2017 geschlossen worden sei. Wegen des Inhalts des Handelsagenturvertrages wird auf Bl. 102-106 d.A. Bezug genommen. Auch für das streitgegenständliche Handelsgeschäft komme der Handelsagenturvertrag zum Tragen, weil er das Geschäft vermittelt habe. Vorliegend sei die Rechnung nur deswegen nicht von der Klägerin an die Firma Q direkt, sondern ausnahmsweise an ihn gerichtet worden, weil er bei Q „gelistet“ sei. Dazu habe er der Klägerin die Preise genannt, die er gegenüber Q abrechne. Er habe dann am 11.12.2017 eine inhaltsgleiche Rechnung gegenüber der Q ausgestellt. Die Klägerin hätte ihm im Anschluss daran ihren Gewinn mitteilen müssen, um ihm so die Abrechnung der ihm aus dem Vertrag zustehenden Provision zu ermöglichen. Nach einer weiteren mündlichen Vereinbarung sollte nämlich bei Postengeschäften der von der Klägerin erzielte Gewinn jeweils hälftig zwischen den Parteien geteilt werden. Die Klägerin habe ihm aber keine entsprechende Gewinnmitteilung gemacht. Mangels eines angegebenen Gewinns unterstelle er einen Gewinn von 100%. Daher entspreche sein Anteil 50% der Nettosumme der Rechnung, mithin 8.728,00 Euro. Hinzu komme die Mehrwertsteuer, so dass sich ein Betrag in Höhe von 10.386,32 Euro ergebe. Ein entsprechender Anspruch ergebe sich selbst ohne vertragliche Grundlage aus § 87 HGB.

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Hinsichtlich der in erster Instanz weiterhin geltend gemachten Gegenforderungen, insbesondere Schadenersatzansprüchen wegen Rufschädigung und Provisionsverlusten, hat der Beklagte in der Berufungsverhandlung am 01.09.2020 die Aufrechnungserklärung ausdrücklich zurückgenommen und nur noch den Provisionsanspruch aus dem streitgegenständlichen Geschäft zur Aufrechnung gestellt.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Rheine vom 09.05.2019 (Az.: 14 C 291/18) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,  die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin rügt in der Berufungserwiderungsschrift die Verspätung des in der Berufungsschrift enthaltenen neuen Sachvortrags. Der Kläger habe weder außergerichtlich noch in der ersten Instanz jemals ausdrücklich die Aufrechnung erklärt. Die bedingte Widerklage sei im Hinblick auf die Bedingung unzulässig gewesen. Die Erklärung des Beklagten hätte vom Amtsgericht auch nicht in eine bedingte Aufrechnungserklärung umgedeutet werden dürfen. Dem Beklagten stünden die geltend gemachten Gegenforderungen aber auch nicht zu. Insbesondere sei bei Postengeschäften auch keine 50%-ige Gewinnbeteiligung zwischen den Parteien vereinbart. Die geltend gemachten Gegenansprüche seien verspätet und unsubstantiiert, sie könnten allenfalls in einem separaten Klageverfahren geltend gemacht werden, da sie das vorliegende Verfahren verzögern würden.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 511 ZPO) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 517, 519 ZPO). Insbesondere ist sie auch hinreichend begründet worden (§ 520 ZPO).

1.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 4.650,00 Euro aufgrund der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung zu.

a)

Unstreitig hat der Beklagte die Lieferung der Kinderjeans und des Modeschmucks von der Klägerin an die Bekleidung Fabrik Q veranlasst. Lediglich die Abrechnung dieses Kaufvertrages erfolgte durch den Beklagten gegenüber der Bekleidung Fabrik Q, weil dieser dort gelistet war. Dazu haben die Parteien nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag des Beklagten vereinbart, dass die Klägerin an den Beklagten eine inhaltsgleiche Rechnung ausstellt, wie der Beklagte dies gegenüber der Bekleidung Fabrik Q getan hat. Diese Vereinbarung ist gem. §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass der Kaufpreisanspruch aus dem Geschäft der Klägerin mit der der Bekleidung Fabrik Q durch den Beklagten im eigenen Namen geltend gemacht werden sollte, der Klägerin dann aber ein inhaltsgleicher Anspruch gegenüber dem Beklagten zustehen sollte. Diesen hat die Klägerin in der Rechnung vom 15.12.2017 geltend gemacht. Dementsprechend steht der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf den hier geltend gemachten Teilbetrag in Höhe von 5.000,00 Euro zu.

b)

Dieser Anspruch ist gem. § 389 BGB aber in Höhe von 350,00 Euro aufgrund der Aufrechnung des Beklagten mit seinem Provisionsanspruch aus dem streitgegenständlichen Geschäft erloschen.

aa)

Eine entsprechende Aufrechnungserklärung des Beklagten gemäß § 388 S. 1 BGB lag entgegen der Auffassung der Klägerin schon in erster Instanz vor. Zwar ist der Klägerin insoweit zuzustimmen, dass die Klageerwiderung vom 27.12.2018 keine ausdrückliche Aufrechnungserklärung enthält. Die darin enthaltenen Erklärungen sind jedoch im Hinblick auf ihren Sinn und Zweck als Aufrechnungserklärung auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Denn die Klageerwiderung stellt das Entstehen der Klageforderung in keiner Weise in Frage. Lediglich eine nur teilweise Einbeziehung der Einheitsbedingungen der Deutschen Textilwirtschaft in den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag wird bestritten, was im Wesentlichen die Frage der Fälligkeit der Klageforderung betrifft. Dennoch wird die Klageforderung nicht anerkannt, sondern im Hinblick auf das Bestehen von Gegenforderungen die Klageabweisung beantragt. Nur eine Aufrechnung führt jedoch zu einer rechtsvernichtenden Einwendung gegenüber der Klageforderung, so dass die Ausführungen in der Klageerwiderung entsprechend auszulegen sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte beantragt hat, die Klägerin auf Zahlung des mit Rechnung vom 01.03.2018 geltend gemachten Betrages zu verurteilen. Soweit damit möglicherweise weitergehend auch eine Widerklage erhoben werden sollte, ist diese jedenfalls nicht rechtshängig geworden, da die Klageerwiderung nicht zugestellt und auch in der mündlichen Verhandlung kein entsprechender Antrag gestellt wurde.

bb)

Der nunmehr nur noch als Gegenforderung geltend gemachte Provisionsanspruch aus dem streitgegenständlichen Vertrag ist hinreichend bestimmt.

Ob der Beklagte in erster Instanz im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 2 BGB und das damit einhergehende Bestimmtheitserfordernis eine bestimmte Reihenfolge der von ihm geltend gemachten Gegenansprüche hätte angeben müssen, kann dahinstehen, da er die Aufrechnung mit den weiteren Forderungen aus der Rechnung vom 01.03.2019 wegen Rufschädigung und Provisionsverlusten in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 01.09.2020 ausdrücklich zurückgenommen hat. Der Beklagte war auch nicht gehindert, eine einmal erklärte Prozessaufrechnung zurückzunehmen; die Rücknahme schlägt dann auf die materiell-rechtliche Seite der Aufrechnung durch (Stadler in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Auflage 2020, § 145 Rn. 15; BGH, Urteil vom 19.11.2008, Az. CII ZR 123/07; BGH, Urteil vom 11.10.1990, Az.: I ZR 32/89).

cc)

Ein Aufrechnungsverbot steht der Aufrechnung nicht entgegen.

Soweit sich ein solches aus § 11 der Einheitsbedingungen der Deutschen Textilwirtschaft ergeben könnte, wurden diese nach dem in der Berufungsinstanz übereinstimmenden Vortrag beider Parteien nur hinsichtlich der Modalitäten der Lieferung, nicht aber im Hinblick auf die Zahlungsmodalitäten wirksam einbezogen.

Bei den Einheitsbedingungen der deutschen Textilwirtschaft handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Zwischen den Parteien war in erster Instanz streitig, inwiefern sie einbezogen wurden. Der Beklagte hat in der Berufungsinstanz aber unstreitig gestellt, dass diese lediglich hinsichtlich der Lieferung, nicht aber hinsichtlich  der Zahlung gelten sollten, so dass in Bezug auf § 11 der Einheitsbedingungen der deutschen Textilwirtschaft keine wirksame Einbeziehung gem. §§ 310 Abs. 1 Satz 1,145 ff. BGB vorliegt.

Die Änderung des Sachvortrags in der Berufungsinstanz war auch noch möglich. Zwar ist für die Überprüfung des Ersturteils dessen Tatsachengrundlage nur insoweit nicht verbindlich, als Zweifel an ihrer Vollständigkeit oder Richtigkeit bestehen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder als der Vortrag von Angriffs- und Verteidigungsmitteln aus Gründen unterblieben ist, die der Partei nicht anzulasten sind (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 531 Abs. 2 BGB). Eine Ausnahme ist aber für unstreitiges neues Vorbringen zu machen (Ball in Musielak/Voit, 17. Auflage 2020, § 531 Rn. 16; BGH, Urteil vom 18.11.2004, Az.: IX ZR 229/03), so dass unstreitige Tatsachen stets zu berücksichtigen sind. Auf die – vom Amtsgericht noch zu entscheidende – Frage der Wirksamkeit von § 11 der Einheitsbedingungen der deutschen Textilwirtschaft kommt es damit nicht an.

dd)

Dem Beklagten steht gegen die Klägerin gemäß §§ 4, 5 und 6  des Handelsagenturvertrages ein Provisionsanspruch in Höhe von 350,00 Euro hinsichtlich des mit der Teilklage geltend gemachten Betrages in Höhe von 5.000,00 zu.

(1)

Soweit der Beklagte behauptet, ihm stünde aufgrund einer mündlichen Vereinbarung zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Klägerin ein Provisionsanspruch in Höhe von 50% des Gewinns der Klägerin aufgrund des vermittelten Kaufvertrages mit der Bekleidung Fabrik Q zu, ist dieser Vortrag nicht hinreichend substantiiert. So fehlen jegliche Angaben dazu, wann, wo und unter welchen Umständen es zu einer solchen Vereinbarung gekommen ist. Darüber hinaus hat die Klägerin eine derartige Vereinbarung aber auch bestritten. Einen Beweis hat der Beklagte für seine Behauptung, dass eine entsprechende Vereinbarung bestanden habe, nicht angetreten, so dass er darüber hinaus auch beweisfällig geblieben ist.

(2)

Ein Provisionsanspruch des Beklagten ergibt sich aber aus § 4 des mit der Berufungsschrift vorgelegten Handelsagenturvertrages.

Denn nach § 4 des Handelsagenturvertrages steht ihm ein Provisionsanspruch für die von ihm vermittelten/abgeschlossenen Geschäfte zu. Vorliegend ist das Geschäft zwischen der Klägerin und der Bekleidung Fabrik Q auf Vermittlung des Beklagten zustande gekommen. Der Umstand, dass die Abrechnung auf Veranlassung des Beklagten im Verhältnis zwischen der Klägerin und ihm einerseits und ihm und der Bekleidung Fabrik Q andererseits erfolgen sollte, steht dem nicht entgegen. Denn dieses geschah nach dem unstreitigen Vortrag des Beklagten lediglich vor dem Hintergrund, dass dieser bei der Bekleidung Fabrik Heiner Q gelistet war, und hatte damit nur abrechnungstechnische Gründe.

Die Höhe des dem Beklagten zustehenden Provisionsanspruchs ergibt sich aus § 5 des Handelsagenturvertrages. Danach steht dem Beklagten ein Anspruch auf Provision im Umfang eines bestimmten Prozentsatzes vom Netto-Rechnungsbetrag zu, wobei die Höhe des Prozentsatzes abhängig von den bestellten Stückzahlen ist. Das sind bei dem streitgegenständlichen Vertrag 7% von 17.456,- Euro, da sich die Stückzahlen der verschiedenen Kaufgegenstände jeweils zwischen 1.501 und 5.000 bewegen. Daraus ergibt sich ein Betrag in Höhe von 1.221,92 Euro. Gemäß § 5 Nr. 1 des Handelsagenturvertrages ist die Umsatzsteuer hinzurechnen, so dass sich bezogen auf das Gesamtgeschäft ein Provisionsanspruch inkl. Mehrwertsteuer in Höhe von 1.454,08 Euro ergibt.

Im Hinblick auf die vorliegend erhobene Teilklage über 5.000,00 Euro ist der Provisionsanspruch jedoch anteilig in ergänzender Auslegung des § 6 des Handelsagenturvertrages auf 350,00 Euro zu kürzen. Nach § 6 des Handelsagenturvertrages entfällt bzw. mindert sich der Provisionsanspruch, wenn feststeht, dass der Kunde die Zahlung nicht bzw. nur teilweise Zahlung leistet. Die Klägerin soll also nur dann eine Provision schulden, wenn sie auch den Kaufpreis für die gelieferten Waren erhalten hat. Das ist bislang aber nicht der Fall. Der Beklagte – der hier aus abrechnungstechnischen Gründen zugleich der Schuldner der dem Kaufpreis entsprechenden Forderung ist – hat bislang nicht nur keine Zahlungen geleistet, sondern im gesamten Klageverfahren und auch in der Berufungsverhandlung deutlich gemacht, dass er nicht gewillt ist, Geld an die Klägerin zu zahlen. Vielmehr hat er die Auffassung vertreten, dass ihm ein Zahlungsanspruch gegen die Klägerin zustehe. Derzeit ist die Forderung der Klägerin gegen den Beklagten über den geltend gemachten Teilbetrag hinaus daher faktisch kaum durchsetzbar. Dann widerspräche es aber dem Sinn und Zweck der Regelung in § 6 des Handelsagenturvertrages, wenn der Beklagte dem geltend gemachten Teilbetrag seinen vollen Provisionsanspruch entgegenhalten könnte. Dementsprechend ist der Provisionsanspruch im Verhältnis entsprechend dem geltend gemachten Teilbetrag zu kürzen. Die Geltendmachung des weitergehenden Provisionsanspruchs fehlt es im Hinblick auf die Regelung des § 6 des Handelsagenturvertrages derzeit an der Durchsetzbarkeit.

(3)

Soweit der Beklagte in der Berufungsschrift weiterhin auf § 87 HGB Bezug nimmt, ist dieser nicht einschlägig, denn § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. § 87 b Abs. 1 HGB betrifft nur die Fälle, in den der Provisionsanspruch und dessen Höhe nicht geregelt sind. Das ist vorliegend aufgrund des zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses bestehenden Handelsagenturvertrages aber nicht der Fall.

2.

Der Klägerin steht weiterhin gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 288 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2018 zu, soweit ihre Forderung nicht durch Aufrechnung erloschen ist.

Der Beklagte befand sich seit dem 15.01.2018 gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB in Verzug. Denn in der E-Mail des Beklagten vom 12.12.2017 ist in der Formulierung „30 Tage Valuta“ ein Angebot auf Abschluss der Bestimmung einer Leistungsfrist nach Rechnungsstellung zu sehen. Diese Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass der Rechnungsbetrag 30 Tage nach Rechnungstellung gezahlt wird. Dieses Angebot hat die Klägerin durch die Erteilung der Rechnung vom 15.12.2017 mit dem entsprechenden Vermerk „30 Tage Valuta“ angenommen.

Soweit in der E-Mail des Beklagten vom 12.12.2017 auch auf die Zahlungskonditionen Deutsche Einheitsbedingungen Bezug genommen wird, hat dies keine Auswirkungen auf das vereinbarte Fälligkeitsdatum. Denn der Beklagte hat im Anschluss an diese Bezugnahme ausdrücklich auf „30 Tage Valuta“ hingewiesen und damit auf einen von den Einheitsbedingungen der deutschen Textilwirtschaft abweichenden Fälligkeitszeitpunkt. Zudem hat die Klägerin in der Rechnung vom 15.12.2017 auch ausdrücklich vermerkt, dass die Lieferung nach den deutschen Einheitsbedingungen erfolgt. Außerdem hält der Beklagte seinen Vortrag, dass die Einheitsbedingungen der deutschen Textilwirtschaft vollumfänglich einbezogen wurden, in der Berufungsinstanz nicht mehr aufrecht, sondern verweist ebenfalls nur noch darauf, dass lediglich die Lieferung nach diesen Bedingungen erfolgen sollte.

3.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 2 Nr. 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 216,95 Euro zu, weil ihr damaliger Vertreter, Rechtsanwalt W, erstmalig mit Schreiben vom 01.02.2108 bzw. im Rahmen des Gesprächs am 02.02.2018 tätig wurde und damit nach Verzugseintritt.

Diese Forderung ist gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 BGB ab dem 28.02.2018 zu verzinsen, da nach den unbestrittenen Vortrag der Klägerin der Beklagte zur Zahlung des Betrages unter entsprechender Fristsetzung aufgefordert wurde. Diese Forderung ist jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB  nur mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, da es sich gegenüber dem Beklagten nicht um eine Entgelt-, sondern eine Schadensersatzforderung handelt (vgl. Grüneberg in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Auflage 2020, § 286 Rn. 27).

4.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 344 ZPO und §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Kammer lässt die Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Vertragsrecht und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB): Im Zentrum dieses Rechtsstreits stehen die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien und die Einbeziehung der Einheitsbedingungen der Deutschen Textilwirtschaft als allgemeine Geschäftsbedingungen. Besonders relevant sind hier § 305 Abs. 1 BGB, der die Anforderungen an Allgemeine Geschäftsbedingungen definiert, und § 310 Abs. BGB, der die Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Verträgen mit Unternehmern regelt. Die Bestimmungen der BGB-Paragrafen können Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Einheitsbedingungen und ihre Einbeziehung in den Vertrag haben.
  2. Aufrechnungsrecht: Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, gegen die Klageforderung aufzurechnen. Hier kommt § 387 BGB zum Einsatz, der besagt, dass ein Schuldner das Recht hat, seine eigene Forderung gegen die Forderung des Gläubigers aufzurechnen, wenn beide Forderungen in einem gegenseitigen Verhältnis stehen.
  3. Handelsrecht: Es scheint, dass der Beklagte als Handelsagent tätig war, was bedeutet, dass Bestimmungen aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) relevant sein könnten, insbesondere diejenigen, die die Rechte und Pflichten eines Handelsagenten regeln.
  4. Wettbewerbsrecht: Der Beklagte behauptet, dass § 11 der Einheitsbedingungen der Deutschen Textilwirtschaft wettbewerbswidrig ist, was impliziert, dass das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) hier eine Rolle spielen könnte. Das UWG enthält Regeln gegen unfaire Geschäftspraktiken, die einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnten.
  5. Zivilprozessrecht: Dieses Rechtsgebiet regelt, wie ein zivilrechtlicher Streit vor Gericht ausgefochten wird. Besonders relevant ist hier die Regelung von Gegenforderungen und Widerklagen, insbesondere die Vorschriften in der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Zustellung von Klageerwiderungen und die Formulierung von Anträgen in der mündlichen Verhandlung.

 

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