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Verkehrsunfall – Zusammenstoß zwischen Fußgänger und Fahrradfahrer

LG Münster – Az.: 8 O 34/16 – Urteil vom 09.03.2017

Der Klageantrag zu 1) gerichtet darauf, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen, ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Der mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr anlässlich des Unfallereignisses vom 29.10.2014 noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen werden.

Der Klageantrag zu 4) gerichtet darauf, den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von der Verpflichtung, an ihre Prozessbevollmächtigten die vorprozessual angefallenen Rechtsanwaltskosten zu zahlen, freizustellen, ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand

Verkehrsunfall - Zusammenstoß zwischen Fußgänger und Fahrradfahrer
Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall zwischen einem Fußgänger und einem Radfahrer (Symbolfoto: Von Dan Race/Shutterstock.com)

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall geltend.

Am 29.10.2014 gegen 13:00 Uhr ereignete sich zwischen der Klägerin und dem Beklagten im Kreuzungsbereich L-Ring/C-Straße in 48431 Rheine ein Verkehrsunfall, bei dem der Beklagte als Radfahrer mit der Klägerin als Fußgängerin zusammenstieß und die Klägerin infolgedessen stürzte und sich Verletzungen zuzog. Der Fußgängerverkehr ist im Kreuzungsbereich durch Lichtzeichenanlagen geregelt. Sowohl neben der C-Straße als auch neben dem L-Ring verläuft ein teilweise durch Pflasterung farblich abgehobener Radweg. Auf die zur Akte gereichten Lichtbilder und Ausdrucke (Bl. 62-64, 96-98 d. A.) sowie die in der Beiakte befindlichen Lichtbilder und Skizzen (Bl.4 und 6 d. BA) wird Bezug genommen.

Am Unfalltag war es regnerisch. Der Unfallhergang ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig.

Die Klägerin behauptet, sie habe von der Innenstadt kommend bei Grünlicht den Kreuzungsbereich überquert und sei sodann links auf den C-Vorplatz in Richtung Parkplatzgelände abgebogen, um zu ihrem dort geparkten Fahrzeug zu gelangen. Der Zeuge C1 habe bereits unter dem C-Vordach auf sie gewartet. Sie habe bereits einige Meter auf dem C-Vorplatz zurückgelegt, als sich plötzlich der Beklagte mit seinem Fahrrad aus Richtung C-Unterführung kommend genähert habe und unvermittelt mit erheblicher Geschwindigkeit von rechts in sie hineingefahren sei. Dabei habe der Beklagte verbotswidrig den Radweg nicht benutzt. Auch sei der Beklagte angesichts der starken Frequentierung des C-Vorplatzes zur Unfallzeit sowie der ungünstigen Witterungsverhältnisse mit unangepasst zu hoher Geschwindigkeit gefahren. Anderenfalls wäre es ihm möglich gewesen, noch rechtzeitig anzuhalten oder zumindest auszuweichen.

Zudem, so meint die Klägerin, sei der Bereich, der von den querenden Fußgängern genutzt werde, eigens durch eine besondere helle Pflasterung abgegrenzt: So gebe es einen besonders gepflasterten Fußweg, der den Fahrradweg quere. Diese besondere Pflasterung solle auch den Radfahrern noch einmal signalisieren, dass in diesem Bereich mit Fußgängern zu rechnen sei und dass diese auch gegenüber den Radfahrern Vorrang hätten.

Darüber hinaus sei dem Beklagten ein Rotlichtverstoß in Bezug auf die Ampel im Einmündungsbereich der C-Straße in den L-Ring, die gemäß § 37 Abs. 2 Nr. 6 Satz 1 StVO auch für den Beklagten gegolten habe, vorzuwerfen. Die Ampelschaltung sei an der betreffenden Kreuzung so, dass der von der C-Straße kommende Fahrverkehr Rotlicht habe, wenn die Lichtzeichenanlage für die querenden Fußgänger Grünlicht zeige; diese Ampelschaltung sei gerade deshalb gewählt worden, um die Fußgänger gefahrlos passieren zu lassen. Zwar existiere vor der Ampel auf dem Radweg keine Haltelinie für Radfahrer – dies ist unstreitig -; eine solche wäre indes lediglich eine bloße Ergänzung zu dem Gebot gewesen, bei Rotlicht vor einer Kreuzung zu halten.

Wegen des – teilweise streitigen – Vorbringens der Klägerin zu den Unfallfolgen wird auf die entsprechenden schriftsätzlichen Ausführungen nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld anlässlich des Unfalls vom 29.10.2014 in Rheine – C-Vorplatz – nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 5.652,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basisleitzins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr auch alle sämtlichen zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, die ihr anlässlich des Unfallereignisses vom 29.10.2014 zukünftig noch entstehen werden, soweit diese nicht auf Dritte oder Sozialversicherungsträger übergegangen sind, und

4. den Beklagten zu verurteilen, sie von der Verpflichtung, an ihre Prozessbevollmächtigten eine nicht anrechenbare Geschäftsgebühr in Höhe von 1.474,89 EUR zu zahlen, freizustellen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, die Klägerin sei vom C-Vorplatz kommend in Richtung Innenstadt auf die Ampelanlage im Kreuzungsbereich zugegangen. Hierbei habe sie weder auf den Radweg selbst noch auf die diesen befahrenden Radfahrer geachtet und sei ihm – dem Beklagten – deshalb in das Fahrrad hineingelaufen. Obwohl er vorschriftsmäßig den Radweg benutzt habe und auf Grund des vorangegangenen Abbiegevorgangs zudem relativ langsam gefahren sei, habe er einen Zusammenstoß auf dem Radweg nicht mehr verhindern können.

Der Radweg sei in erster Linie für Radfahrer da. Unabhängig davon, aus welcher Richtung die Klägerin gekommen sei, hätte sie sich vergewissern müssen, dass sie niemanden stört oder behindert. Selbst wenn die Lichtzeichenanlage für die den L-Ring querenden Fußgänger Grünlicht angezeigt hätte, so hätte dies allein für die Straße – d. h. den Bereich zwischen den beiden Lichtzeichenanlagen – gegolten, keinesfalls aber auch für den Radweg oder gar den C-Vorplatz. Nach dem von der Klägerin behaupteten Geschehensablauf habe sie den als Gehweg gewidmeten Bereich verlassen und sich – den als Radweg gewidmeten Bereich überquerend – auf den C-Vorplatz als öffentliche Verkehrsfläche begeben wollen; hierbei hätte sie den für auf dem Radweg befindliche Radfahrer geltenden Vorrang berücksichtigen müssen.

Ein Rotlichtverstoß sei ihm nicht vorzuwerfen, denn die Ampel im Einmündungsbereich der C-Straße in den L-Ring habe für ihn nicht gegolten.

Auch bringe die den Radweg querende Pflasterung keine Vorrangregelung zum Ausdruck, sondern stelle lediglich die üblicherweise eingesetzte geriffelte Pflasterung dar, welche Menschen mit Sehbehinderungen als Leitweg dienen solle.

Vor diesem Hintergrund, so die Auffassung des Beklagten, hafte er für das Unfallereignis nicht; jedenfalls aber müsse sich die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden entgegenhalten lassen.

Wegen des – teilweise streitigen – Vorbringens des Beklagten zu den Unfallfolgen wird auf die entsprechenden schriftsätzlichen Ausführungen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Parteien angehört und Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen C1, C2, PHK H und PHK Q. Wegen des Ergebnisses der Anhörungen und Beweisaufnahmen wird auf die Sitzungsniederschriften vom 24.06.2016 (Bl. 79 ff. d. A.) und 26.01.2016 (Bl. 140 ff. d. A.) Bezug genommen. Ferner hat das Gericht die Akte des Kreises Steinfurt zum Ordnungswidrigkeitenverfahren, Az. ######### beigezogen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist, soweit das Gericht über sie entscheidet, begründet.

I.

Das Gericht entscheidet bezüglich der Zahlungsanträge und des Freistellungsantrages vorab über den Grund, § 304 Abs. 1 ZPO. Im Vordergrund steht die Frage einer Haftung des Beklagten; die Höhe der geltend gemachten Zahlungsansprüche ist streitig und bedarf der weiteren Sachaufklärung. Zu den Folgen des Unfalls wird noch Beweis zu erheben sein durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens.

II.

Der Klägerin stehen gegen den Beklagten im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Unfall die sich aus dem Tenor ergebenden Schadensersatzansprüche dem Grunde nach aus §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB zu.

1. Indem der Beklagte mit der Klägerin zusammenstieß und die Klägerin daraufhin stürzte, hat der Beklagte die Klägerin in rechtswidriger Weise an ihrer Gesundheit geschädigt, § 823 Abs. 1 BGB.

2. Dies geschah auch schuldhaft, § 276 BGB.

a) Hierbei kann dahinstehen, ob die Ampel im Einmündungsbereich der C-Straße für den Beklagten galt, woran seitens des Gerichts mangels Existenz einer Haltelinie auf dem Radweg und angesichts der Positionierung der Ampel links des Radweges bereits durchgreifende Bedenken bestehen, da Unklarheiten hinsichtlich der Frage, ob eine Lichtzeichenanlage auch denjenigen Radverkehr regeln „will“, der nicht auf der Fahrbahn fährt, nicht zu Lasten des Radfahrers gegen dürfen (vgl. hierzu Janker/Hühnermann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. 2016, § 37 Rn. 3 m. w. N.). Die weißlich-helle Pflasterung, die auf den zur Akte gereichten und in der Beiakte befindlichen Lichtbildern ersichtlich ist, hat keine verkehrsregelnde Funktion, sondern ist Teil eines Blindenleitsystems; es handelt sich hierbei um optisch und taktil kontrastierende Bodenleitindikatoren. Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass diese Pflasterung mittig (d. h. erst in Höhe des Ampelmastes) auf die Fußgängerfurt zuläuft und dabei den Radweg durchkreuzt.

b) Jedenfalls hat der Beklagte gegen § 9 Abs. 3 Satz 3 StVO (als Konkretisierung der allgemeinen Grundregel des § 1 StVO) verstoßen, wonach Abbiegende auf zu Fuß Gehende besondere Rücksicht zu nehmen und, wenn nötig, zu warten haben.

Auf Fußgänger, die in der bisherigen Längsrichtung die Fahrbahn überqueren, muss der Abbieger besondere Rücksicht nehmen; dem Fußgänger wird somit der Vorrang eingeräumt, wobei das Gebot der besonderen Rücksichtnahme nur im Kreuzungsbereich – allerdings für Fußgänger aus beiden Richtungen – gilt. Es bedingt, dass so langsam abgebogen werden muss, dass jederzeit angehalten werden kann, d. h. in der Regel mit Schrittgeschwindigkeit. Diese Pflicht besteht schon dann, wenn mit Fußgängern gerechnet werden muss (vgl. zu alledem Burmann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. 2016, § 9 Rn. 39 m. w. N.).

Es steht zunächst zur Überzeugung des Gerichts im Sinne des § 286 ZPO fest, dass der Beklagte den neben der C-Straße befindlichen Radweg befuhr und anschließend rechts auf den neben dem L-Ring befindlichen Radweg abbog, wie es der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung glaubhaft geschildert hat. Zwar hat die Klägerin hiervon abweichend ebenso glaubhaft erklärt, der Beklagte habe den Radweg nicht benutzt, sondern sei auf dem C-Vorplatz gefahren; nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer indes von der Richtigkeit der Schilderung des Beklagten überzeugt.

Der vom Zeugen PHK Q unmittelbar nach dem Vorfall auf Basis der Unfallschilderungen der Parteien aufgenommene Unfallbericht (Bl. 3 d. BA; dort unter der Ordnungsziffer „01“) bestätigt zunächst die Angaben des Beklagten. Anhaltspunkte dafür, dass diese Eintragung des Zeugen PHK Q unrichtig ist, bestehen nach Auffassung des Gerichts nicht. So hat der Zeuge PHK Q im Rahmen seiner Vernehmung glaubhaft erklärt, er habe zwar keine Erinnerung mehr an den Vorfall, könne aber sicher ausschließen, dass dieser Umstand zwischen den Parteien seinerzeit streitig gewesen sei, da er ansonsten die verschiedenen Angaben der Parteien mit einem ausdrücklichen Hinweis und einer differenzierten Darstellung in den Bericht aufgenommen hätte, zumal es sich um einen Unfall mit Personenschaden gehandelt habe.

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Darüber hinaus ist das Gericht auch davon überzeugt, dass sich der Unfall auf dem Radweg zugetragen hat, was als Indiztatsache ebenfalls für die Richtigkeit der Schilderung des Beklagten spricht, er habe vor dem Zusammenstoß den Radweg befahren. Zwar hat die Klägerin dies in Abrede gestellt; jedoch hat der Zeuge PHK Q glaubhaft geschildert, dass er mit der von ihm im o. g. Unfallbericht verwendeten Formulierung, wonach sich der Zusammenstoß „in Höhe des Radweges“ ereignet habe, habe zum Ausdruck bringen wollen, dass sich der Unfall auf dem Radweg zugetragen habe, da er diese Formulierung ansonsten keinesfalls verwendet hätte; die von ihm gefertigte Unfallskizze (Bl. 4 d. BA) sei auch auf diese Weise zu verstehen.

Ferner ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin den L-Straße unmittelbar vor dem Zusammenstoß mit dem Beklagten aus der Innenstadt kommend und in Richtung C-Vorplatz gehend bei Grünlicht überquert hat, wie sie es in ihrer persönlichen Anhörung ausführlich geschildert hat. Soweit der Beklagte behauptet, die Klägerin sei vom C-Vorplatz in Richtung Innenstadt gegangen, kann dem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gefolgt werden. Der Zeuge C1 hat glaubhaft und ohne Belastungstendenz erklärt, er sei seinerzeit vom Berufskolleg gekommen und unter der Unterführung vom Bahnhof (d. h. von der C-Straße kommend) in Richtung des C-Vorplatzes gegangen. Er habe sich am Parkplatz mit der Klägerin treffen wollen und sei, als er aus der Entfernung gesehen habe, wie die Klägerin die Kreuzung bei Grün überquere, schon einmal zum Auto vorgegangen, weshalb er den Unfall selbst auch nicht mitbekommen habe. Auch im o. g. Unfallbericht des Zeugen PHK Q wird die Schilderung der Klägerin bestätigt, weshalb das Gericht aus den vorgenannten Gründen, auf die Bezug genommen wird, davon ausgeht, dass der Hergang auch insoweit zwischen den Parteien direkt nach der Kollision unstreitig war.

Als Abbieger trafen den Beklagten hiernach die eingangs dargestellten Pflichten gegenüber der Klägerin. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass, wie der Beklagte meint, der von § 9 Abs. 3 Satz 3 StVO geschützte Bereich sich allein auf die Fahrbahn zwischen den beiden Lichtzeichenanlagen beschränkte und damit im Bereich des Radweges nicht mehr galt. Nicht nur für den abbiegenden Verkehr auf der Fahrbahn, sondern auch für den abbiegenden Radverkehr stellen jedenfalls die Fußgänger, die sich aus der Innenstadt kommend über die Fußgängerfurt über den L-Ring in Richtung des Bahnhofsvorplatzes bewegen, querenden Verkehr dar, mit dem aufgrund der Verkehrsregelung vor Ort auch zu rechnen war und der in beiden Fällen gleichermaßen schutzbedürftig ist. Der Beklagte hat der Klägerin weder den Vorrang eingeräumt noch ist er bei den seinerzeit herrschenden regnerischen Witterungsverhältnissen mit einer derart reduzierten Geschwindigkeit abgebogen, dass er jederzeit hätte anhalten können. Dies ergibt sich bereits aus der Schilderung des Beklagten, wonach er die Klägerin direkt nachdem er aus der Kurve gekommen sei gesehen und deshalb auch sofort gebremst habe, er indes trotz blockierender Räder einen Zusammenstoß nicht mehr habe verhindern können.

3. Ein Verhalten – Handeln oder Unterlassen – der Klägerin, welches ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB mit der Folge einer Reduzierung der Haftungsquote des Beklagten oder gar eines Haftungsausschlusses begründen könnte, hat der insoweit beweisbelastete Beklagte nicht bewiesen.

Zwar wird das in § 9 Abs. 3 Satz 3 StVO normierte Vorrecht der Fußgänger durch das allgemeine Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme gemäß §§ 1 Abs. 1, 11 Abs. 3 StVO eingeschränkt, weshalb sich Fußgänger wenigstens durch einen beiläufigen Blick zu den Seiten über die Verkehrslage vergewissern und bei erkennbarer Gefährdungslage warten müssen (vgl. Burmann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. 2016, § 9 Rn. 39; OLG Hamm, Urteil v. 06.08.2012, Az. 6 U 14/12, Rz. 25 -juris-), so dass ein Mitverschulden der Klägerin – die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe überhaupt nicht auf den Radweg und die dort befindlichen Fahrradfahrer geachtet, als wahr unterstellt – grundsätzlich denkbar wäre.

Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung hat der Beklagte jedoch überhaupt nicht erklärt, dass er wahrgenommen habe, wie die Klägerin, ohne vorher zu den Seiten gesehen zu haben, auf den Radweg getreten wäre. Der weiter angebotene Beweis hierzu durch Vorlage von Lichtbildern der Örtlichkeit (vgl. S. 2 der Klageerwiderung vom 13.04.2016, Bl. 55 d. A.) betrifft schon kein geeignetes Beweismittel in Bezug auf die behauptete Unachtsamkeit der Klägerin. Weiteren Beweis, etwa durch Einholung eines unfallanalytischen Rekonstruktionsgutachtens, hat der Beklagte in Kenntnis der Beweislast und der Erheblichkeit seiner Behauptung nicht angetreten (sein entsprechende Beweisantritt auf S. 2 des Schriftsatzes vom 14.06.2016, Bl. 76 d. A., erfolgte ausdrücklich gegenbeweislich und bezieht sich allein auf die Kollisionsstelle); der Beklagte ist daher insoweit beweisfällig geblieben. Auch war ein entsprechendes Gutachten nicht gemäß § 144 Abs. 1 ZPO von Amts wegen einzuholen, da keine Anknüpfungstatsachen (insbes. zur Fahrgeschwindigkeit des Beklagten und zur Gehgeschwindigkeit der Klägerin) feststehen; der alleinige Umstand, dass sich der Zusammenstoß auf dem Radweg ereignete, lässt auf ein selbstgefährdendes Verhalten der Klägerin vor Betreten des Radweges keinen hinreichenden Rückschluss zu.

III.

Die Zinsforderung folgt dem Grunde nach aus § 291 BGB.

IV.

Der Feststellungsantrag ist begründet, da weiterer materieller und immaterieller Schaden je nach künftigem Verlauf auf Basis des substantiierten Sachvortrags der Klägerin nicht mit Sicherheit auszuschließen ist.

V.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

 

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