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Bestehen von Zahlungsansprüchen aus Kommanditistenhaftung

LG Hamburg – Az.: 329 O 219/11 – Urteil vom 03.04.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Kosten der Nebenintervention trägt die Nebenintervenientin.

3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 12.437,17 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten Zahlungsansprüche aus Kommanditistenhaftung geltend.

Der Beklagte ist mit einer Einlage von 70.000 DM als Kommanditist an der Nebenintervenientin beteiligt.

Diese ist ein geschlossener Immobilienfonds, der eine Immobilie in der S. Straße in B. hält. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die B. Bank AG (im Folgenden: Klägerin) war gemeinsam mit der N. Vermögensanlage GmbH & Co KG Initiatorin der Nebenintervenientin. Ferner ist die Klägerin Gründungskommanditistin der Nebenintervenientin mit einer Einlage von DM 100.000. Zugleich ist sie über eine 100%ige Tochtergesellschaft zu 50% an der Komplementärin der Nebenintervenientin, der “ E.-W. Beteiligungsgesellschaft mbH“ beteiligt.

Die Nebenintervenientin erwarb die vorgenannte Immobilie im September 1993. Zu diesem Zeitpunkt war das Objekt bis 30.09.2003 vollständig an die Investitionsbank des Landes B. vermietet. Die Klägerin gewährte der Nebenintervenientin mit Vertrag vom 15.11./02.12.1993 zum Zwecke der Finanzierung der Immobilie einen Buchkredit von 200 Mio DM, der bis zum 15.11.2003 befristet war.

Mit Ablauf der Mietverträge geriet die Nebenintervenientin ab Ende 2003 in finanzielle Schwierigkeiten. Eine vollständige Neuvermietung gelang nicht; Verkaufsbemühungen scheiterten zunächst im Jahr 2008.

Zur Vermeidung der Insolvenz gewährte die Klägerin – die einzige Gläubigerin der Nebenintervenientin ist – der Nebenintervenientin im Jahr 2004 nach Ablauf des zunächst gewährten Darlehens einen neuen Kredit über € 35 Mio bis zum 15.11.2013. Bis heute räumte sie ihr mehrfach (teilweise) Zins- und Tilgungsstundungen ein.

Mit Schreiben vom 12.12.2008 (Anlage K3) informierte die Nebenintervenientin die Gesellschafter darüber, dass die bisherigen Verkaufsbemühungen der Immobilie erfolglos waren und die Klägerin noch offene Verbindlichkeiten habe, die nicht bedient werden könnten. Die Klägerin sei jedoch bereit, Zins- und Tilgungsleistungen erneut unter der Bedingung zu verlängern, dass die Gesellschafter freiwillig erhaltene Ausschüttungsbeträge in Höhe von 11,25% der Kommanditbeteiligung bis 31.01.2009 gegen Freistellung von der Nachschusspflicht im Übrigen zurückzahlen würden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Schreibens verweist das Gericht auf die Anlage K3.

Der Beklagte unterzeichnete die übersandte Freistellungserklärung im Gegensatz zu einem Teil der im Übrigen angeschriebenen Kommanditisten nicht. Die Klägerin nimmt die Kommanditisten, welche wie der hiesige Beklagte gehandelt haben, nunmehr bundesweit im Wege der Kommanditistenhaftung nach §§ 171 Abs. 1 HS 1, 172 Abs. 4 Satz 2 HGB wegen Zahlung eines nicht gestundeten Teils ihrer gegen die Nebenintervenientin gerichteten Zinsforderung klageweise in Anspruch, nachdem sie Zinsforderungen aus dem Darlehensvertrag gegen die Nebenintervenientin zwischenzeitlich teilweise sukzessive fällig gestellt hat.

Die Klägerin ist unter anderem der Auffassung, die Inanspruchnahme des Beklagten sei weder treuwidrig noch rechtsmissbräuchlich oder schikanös. Denn durch die Inanspruchnahme der Kommanditisten könne das Insolvenzrisiko herabgesetzt und die Möglichkeit eines Verkaufs der Immobilie gewahrt werden. Andernfalls hätten die Kommanditisten die erhaltenen Ausschüttungen sowieso an den Insolvenzverwalter zu erstatten.

Die Klägerin und die Nebenintervenientin beantragen, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 12.437,17 nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Klagzustellung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, Klagabweisung.

Er ist insbesondere der Auffassung, dass er im Verhältnis zur Nebenintervenientin nur subsidiär hafte. Die Klage verletzte ferner das Schikaneverbot nach § 226 BGB, denn durch den Abschluss der teilweisen Stundungsvereinbarungen mit der Nebenintervenientin bezwecke die Klägerin lediglich, die im Übrigen unvermeidbare Insolvenz der Nebenintervenientin auf Kosten der Kommanditisten hinauszuzögern und so ihr eigenes Forderungsausfallrisiko zu minimieren.

Der Beklagte hat der Nebenintervenientin mit Schriftsatz vom 03.08.2011 den Streit verkündet. Die Nebenintervenientin hat mit Schriftsatz vom 24.08.2011 ihren Beitritt zum Rechtstreit auf Seiten der Klägerin erklärt.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands verweist das Gericht im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze und auf die zur Akte gereichten Anlagen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch gegen den Beklagten gemäß §§ 171 Abs. 1 1. HS, 172 Abs. 4 Satz 2 HGB zu.

Die Inanspruchnahme des Beklagten ist bereits auf Grundlage des unstreitigen Sachverhalts zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls derzeitig treuwidrig, so dass der Klägerin im Nachgang zum Beklagtenschriftsatz vom 30.01.2012 kein weiterer Schriftsatznachlass zu gewähren war. Die gleichwohl noch zur Akte gereichten Schriftsätze der Klägerin vom 14.02.2012 sowie der Nebenintervenientin vom 20.02.2012 hat das Gericht berücksichtigt, sie rechtfertigen indessen keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Allein die Stellung der Klägerin als Mitgesellschafterin der Nebenintervenientin schließt die Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs zwar jedenfalls dann nicht aus, wenn – wie vorliegend – Forderungen geltend gemacht werden, die ihren Grund nicht im Gesellschaftsverhältnis haben, sondern die auch ein Außenstehender gegenüber der Gesellschaft erwerben kann. Indessen ist die Position des darlehensgebenden Gesellschafters im Vergleich zu einem „Drittgläubiger“, der nicht Gesellschafter ist, durch die Rücksichtnahme- und Treuepflicht der Gesellschafter untereinander abgeschwächt (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 35. Auflage, § 128, Rdnr. 24). Hieraus folgt, dass er seine Mitgesellschafter regelmäßig nur subsidiär in Anspruch nehmen darf. Dieser Grundsatz ist in Bezug auf die Forderungen, die die Klägerin zur Inanspruchnahme des Beklagten heranzieht, nicht gewahrt, obschon der unstreitige Sachverhalt dies erforderlich gemacht hätte.

Denn die Klägerin ist nicht nur Mitgesellschafterin der Nebenintervenientin, sondern auch deren Mitinitiatorin und ihre einzige Gläubigerin. Sie hat damit ein – für sich genommen selbstverständlich anerkennenswertes – gesteigertes wirtschaftliches Interesse, die drohende Insolvenz der Nebenintervenientin hinauszuzögern. Dieses Interesse setzt sie mit der vorliegenden Klage jedoch in einer im Verhältnis zu den nunmehr bundesweit verklagten Kommanditisten einseitig belastenden und damit treuwidrigen Weise um.

Offensichtlich nimmt sie aus der mit der Nebenintervenientin geschlossenen Stundungsvereinbarung immer (nur) dann einzelne – im Vergleich zur gesamten offenen Darlehenssumme geringe – Teilbeträge heraus, wenn andernfalls eine Haftung der nunmehr bundesweit in Anspruch genommenen Kommanditisten aus den vorgenannten Anspruchsgrundlagen von vornherein nicht in Betracht kommen könnte. Einziger Zweck der Teilfälligstellung ist damit die Begründung der an sich subsidiären Kommanditistenhaftung. Beleg hierfür ist ihr Vortrag im Schriftsatz vom 27.09.2011, Seite 5;

„Sollten wider Erwarten (…) höhere Geldeingänge aufgrund der Klagen zu verzeichnen sein, nimmt die Klägerin einen weiteren Betrag von € 500.000 von der Stundung aus.“

Hieran zeigt sich, dass es die Klägerin in der Hand hat, nach eigenem Belieben im Verhältnis zur Nebenintervenientin den Umfang der fälligen Forderung – je nach Stand der angestrengten Klageverfahren – kurzfristig einseitig zu bestimmen. Hiervon macht sie nur im Umfang von Teilforderungen Gebrauch, die im Vergleich zur Gesamtforderung (vgl. Anlage K 25) einen geringen Teilbetrag ausmachen. Dass einer dieser Teilbeträge gegenüber der Nebenintervenientin geltend gemacht wurde, also eine Inanspruchnahme der Nebenintervenientin selbst Zweck der Teilfälligstellung hätte sein können, ist nicht vorgetragen. Ebensowenig ist ersichtlich, dass eine Durchsetzung dieser Teilforderungen gegenüber der Nebenintervenientin nicht möglich wäre.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 101, 709 ZPO.

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