OLG Köln – Az.: 5 U 62/17 – Beschluss vom 15.11.2017
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 21. März 2017 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen – 41 O 40/16 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass etwaige Gewährleistungsansprüche der Klägerin, die sich aus dem Kauf des Teppichbodens Clinic Anfang August 2008 ergeben können, verjährt waren, als die Klägerin am 4.7.2016 die vorliegende Klage beim Landgericht eingereicht hat.
Die nach § 6a Nr. 1 der AGB der Beklagten oder nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 b BGB maßgebliche Verjährungsfrist von fünf Jahren begann mit der Ablieferung der Sache. Die Lieferung des Teppichbodens ist nach dem Vorbringen der Parteien in der ersten Hälfte des Monats August 2008 erfolgt, das heißt bis zum Ablauf des 15.8.2008. Ein früherer Verjährungsbeginn lässt sich auf der Grundlage des Parteivortrags nicht feststellen.

Die Verjährung wurde durch Verhandlungen gemäß § 203 S. 1 BGB beginnend ab dem 22.2.2011 gehemmt, indem die Klägerin einem Vertreter der Beklagten mit Mail von diesem Tag Mangelerscheinungen in Gestalt von sich öffnenden Nähten anzeigte und die Beklagte sich mit Fax vom 24.3.2011 zu einer Überprüfung der Beanstandung bereit erklärte. Hierin lag die Aufnahme von Verhandlungen im Sinne von § 203 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 30.10.20017 – X ZR 101/06, iuris Rdn. 13 f., abgedruckt in NJW 2008, 576 ff.). Ihre Behauptung, dass die Reklamation bereits am 18.2.2011 an die Beklagte übermittelt worden sei, vermag die Klägerin nicht zu beweisen.
Die Verhandlungen und die Hemmung der Verjährung endeten mit dem für den 28.9.2011 anzunehmenden Zugang des Schreibens der Beklagten vom 27.9.2011 bei der Klägerin. In diesem kündigte die Beklagte aus Kulanz und ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung die Erteilung einer Gutschrift über 1.200 EUR an und erklärte, dass damit der Vorgang für sie abgeschlossen sei. Hierdurch verweigerte sie die Fortsetzung von Verhandlungen. Entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung kam durch die Formulierung eindeutig zum Ausdruck, dass die Klägerin Gewährleistungsansprüche zurückwies und nicht weiter verhandeln wollte. War die Angelegenheit für die Beklagte mit einer Leistung aus Kulanz abgeschlossen, war sie auch aus Sicht der Klägerin zur Erfüllung von Gewährleistungsansprüchen nicht bereit.
Soweit die Klägerin behauptet, dass ihr Geschäftsführer A und die Mitarbeiterin der Beklagten A2 nach dem erfolglosen Mängelbeseitigungsversuch vom 28.9.2011 in einem am 5.10.2011 geführten Telefongespräch die Verhandlungen wieder aufgenommen und insbesondere eine Fortsetzung der Begutachtung durch den Sachverständigen I besprochen hätten, ist sie für ihr von der Beklagten rechtzeitig bestrittenes Vorbringen beweisfällig. Zu einer Anhörung oder Parteivernehmung ihres Geschäftsführers besteht kein Anlass. Für den erforderlichen Anbeweis ist weder etwas dargetan noch ersichtlich. Die Parteien haben vor und nach dem 5.10.2011 ausschließlich schriftlich oder per Mail verhandelt. In dem vorgelegten Schriftverkehr findet sich zudem kein Hinweis auf ein Telefonat vom 5.10.2011.
Die Parteien haben die zur Verjährungshemmung führenden Verhandlungen ab dem 20.6.2012 wieder aufgenommen, indem die Klägerin am 20.6.2012 digital das Gutachten des Sachverständigen I vom 20.5.2012 an die Beklagte übermittelte und die Beklagte hierzu im Schreiben vom 5.7.2012 fünf ihrer Ansicht nach zur Klärung der Schadensursache wichtige Fragen stellte und um Weiterleitung an den Sachverständigen I zur Klärung der Fragen bat. Diese Verhandlungen haben die Parteien durch die mit der Berufungsbegründung vorgelegten Mails der Klägerin vom 22.11.2012 und der Beklagten vom 26.11.2012, deren Inhalt und Zugang unstreitig sind, zunächst fortgeführt.
Der Senat tritt der Auffassung des Landgerichts bei, dass die Verhandlungen der Parteien im Anschluss an ihre im Juni 2012 erfolgte Wiederaufnahme mit der Folge eingeschlafen sind, dass die Hemmung der Verjährung erneut endete. Dies war jedenfalls ab Juli 2013 der Fall. Lässt der Gläubiger die Verhandlungen einschlafen, sind sie in dem Zeitpunkt beendet, in dem der nächste Schritt nach Treu und Glauben zu erwarten war (vgl. BGH, Urteil vom 6.11.2008 – IX ZR 158/07, iuris Rdn. 10 f., abgedruckt in NJW 2009, 1806 ff.). Der nächste Schritt der Klägerin war entweder in dem Zeitpunkt zu erwarten, in dem ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen I vorlag, oder in dem Zeitpunkt, in dem sich herausstellte, dass ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen I nicht oder nicht in zumutbarer Frist zu erlangen war. Ob ein üblicherweise mit höheren Kosten verbundenes weiteres Gutachten eines neuen Sachverständigen eingeholt werden sollte, musste die Klägerin im Rahmen der geführten Verhandlungen nach Treu und Glauben mit der Beklagten erörterten. Diese hätte die veränderte Sachlage zum Anlass nehmen können, ein Vergleichsangebot zu unterbreiten oder mögliche Gewährleistungsansprüche der Klägerin endgültig zurückzuweisen. Dass ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen I nicht oder nicht in zumutbarer Frist zu erlangen war, stand jedenfalls im Juli 2013 fest. Am 18.7.2013 hat der Sachverständige N aufgrund des ihm von der Klägerin erteilten Auftrags einen Ortstermin in dem Objekt in Unterschleißheim, in dem der Teppichboden verlegt worden war, durchgeführt. Nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ist der Auftrag einige Wochen zuvor erteilt worden.
Entgegen der Ansicht der Klägerin haben die Parteien durch den im Juni und Juli 2012 vorgenommenen Schriftwechsel nicht stillschweigend eine Verhandlungspause vereinbart, die die Verpflichtung oder Obliegenheit der Beklagten begründete, die Initiative zur Wiederaufnahme oder Beendigung der Verhandlungen zu ergreifen. Die Verhandlungen sollten nicht für eine ungewisse Zeit ruhen, sondern waren lediglich bis zur Erstellung eines Ergänzungsgutachtens, das heißt einem bestimmten Ereignis, nicht sinnvoll. Ob der Sachverständige I ein Ergänzungsgutachten anfertigte oder ein solches nicht zu erlangen war, konnte nur die Klägerin als Auftraggeberin der Begutachtung wissen.
Mit dem für den 11.1.2014 anzunehmenden Zugang des Schreibens vom 10.1.2014, mit dem die Klägerin der Beklagten das Gutachten des Sachverständigen N übersandte und in dem sie einen Teil ihrer Ansprüche bezifferte, hat die Klägerin die Verhandlungen wieder aufgenommen. Die hierdurch bewirkte Hemmung der Verjährung endete, als der Klägerin das Gewährleistungsansprüche zurückweisende Schreiben der Beklagten vom 25.2.2014 zuging. Bei üblichem Postlauf war dies am 26.2.2014 der Fall.
Von vorstehenden Ausgangspunkten aus ergibt sich die folgende Berechnung. Zwischen dem Ablauf des 15.8.2008 und dem 22.2.2011 liefen zwei Jahre sechs Monate und sechs Tage der Verjährungsfrist ab. Vom 22.2.2011 bis 28.9.2011 war die Verjährung unter Einschluss beider Tage gehemmt. Zwischen dem 28.9.2011 und dem 20.6.2012 liefen weitere acht Monate und 21 Tage der Verjährungsfrist ab. Vom 20.6.2012 an bis zum Beginn des Monats Juli 2013 war die Verjährung gehemmt. Zwischen dem 1.7.2013 und dem 11.1.2014 liefen weitere sechs Monate und zehn Tage der Verjährungsfrist ab. Vom 11.1.2014 an bis einschließlich 26.2.2014 war die Verjährung gehemmt. Ende Februar 2014 verblieb somit bei einer insgesamt verstrichenen Verjährungsfrist von drei Jahren neun Monaten und sieben Tagen eine Verjährungsfrist von weniger als 15 Monaten, die vor Beginn des Monats Juni 2015 endete. Die am 4.7.2016 erfolgte Einreichung der Klage hätte die Verjährung daher auch dann nicht gemäß §§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, 167 ZPO rechtzeitig gehemmt, wenn sich die Hemmung nach § 203 BGB zusätzlich auf den Zeitraum zwischen dem 28.9.2011 und dem 20.6.2012 (nach Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen) oder auf den Zeitraum zwischen dem 1.7.2013 und dem 11.1.2014 (nach dem Einschlafen der Verhandlungen) erstreckt hätte.
II. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.