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Zulässigkeit einer 1,75 m hohen Zaunanlage an einer Grundstücksgrenze

AG Marburg, Az.: 9 C 212/14 (82), Urteil vom 08.08.2014

Die Beklagte wird verurteilt, die 1,75 m hohe Zaunanlage auf ihrem Grundstück <…> zurückzubauen, soweit sie als Einfriedung in Richtung des klägerischen Grundstücks dient.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Zulässigkeit einer 1,75 m hohen Zaunanlage an einer Grundstücksgrenze
Symbolfoto: Von James R. Martin /Shutterstock.com

Die Parteien sind Nachbarn hanglagiger Grundstücke. Die Beklagte errichtete im März 2013 einen 1,75 m hohen Maschendrahtzaun, der an etlichen Stützpfosten befestigt war. Wegen des Erscheinungsbildes wird auf die Lichtbilder Bl. 33 ff. d. A. Bezug genommen.

Mit Anwaltsschreiben vom 24.04.2013 forderten die Kläger die Beklagte erfolglos zum Rückbau auf.

Sie sind der Ansicht, der Zaun überschreite das übliche Maß eines 1,2 m hohen Zauns, der nach § 15 Satz 2 Hessisches Nachbarrechtsgesetz allein zulässig sei, da es mit ihnen bzgl. der Einfriedung zu keiner Einigung gekommen sei.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, die 1,75 m hohe Zaunanlage auf ihrem Grundstück <…> zurückzubauen, soweit sie als Einfriedung in Richtung des klägerischen Grundstücks dient;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 572,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit (17.04.2014) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die nach Beratung und Vorgaben einer Fachfirma errichtete Zaunanlage sei zulässig. Aufgrund der starken Hanglage hätten 16 Stützpfosten verbaut werden müssen. Nach § 6 Abs. 10 Ziff. 6 der HBO seien Einfriedungen mit einer Höhe bis zu 2 Metern über der Geländeoberfläche ohne Abstandsfläche zulässig und setzten gerade keine nachbarrechtliche Einigung oder Zustimmung voraus.

Sie bestreitet eine Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks durch den Zaun und behauptet, er sei am Hang ortsüblich. Ohnehin seien die Kläger als Nachbarn verpflichtet, an der Einfriedung des Grundstücks mitzuwirken

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im Hauptanspruch in vollem Umfang begründet, nur bezüglich der anwaltlichen Gebührenforderung unbegründet.

Den Klägern steht gemäß §§ 1004 Abs. 1 BGB i. V. m. § 15 Satz 2 Hessisches Nachbarrechtsgesetz ein Beseitigungsanspruch zu, weil es durch die Errichtung des 1,75 m hohen Zauns an der Grundstücksgrenze zu einer nachbarrechtwidrigen Beeinträchtigung ihres Grundstücks im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB gekommen ist.

Nach § 15 Hessisches Nachbarrechtsgesetz hat die Einfriedung – eine Einrichtung, die insbesondere dazu dient, Grundstücke ganz oder teilweise gegen unbefugtes Betreten oder eine unerwünschte Einsicht zu schützen (Reich, Hess. Nachbarrechtsgesetz § 14 Rn 1) – aus einem ortsüblichen Zaun zu bestehen. Lässt sich eine ortsübliche Einfriedung nicht feststellen, so besteht sie aus einem 1,2 m hohen Zaun aus verzinktem Maschendraht.

Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat keinen Vortrag zur Ortsüblichkeit eines 1,75 m hohen Zauns in ihrem Wohngebiet gehalten. Die bloße Behauptung, in einer Hanglage sei ein Zaun dieser Höhe erforderlich und ortsüblich, reicht insoweit nicht aus. Es hätte der konkreten Darlegung bedurft, welche Nachbarn in vergleichbarer Grundstückslage einen ebenso hohen Maschendrahtzaun mit einer vergleichbaren Anzahl von Metallstützen als Grundstückseinfriedung gewählt haben. Die Ortsüblichkeit lässt sich deshalb nicht feststellen. Es bleibt deshalb bei der allein zulässigen, gesetzlich vorgeschriebenen Höhe von 1,2 m.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich keine andere Rechtsfolge aus § 6 Abs. 10 Ziff. 6 HBO. Danach sind ohne Abstandsflächen zum Nachbargrundstück zulässig Einfriedungen mit einer Höhe bis zu 2 Metern über der Geländeoberfläche. Die Vorschrift regelt jedoch, wie schon die Überschrift des § 6 HBO zeigt, lediglich Abstandsfläche und Abstände zum Grundstücksnachbarn. Sie ist als Landesrecht keine gegenüber dem Hessischen Nachbarrechtsgesetz höherrangige Rechtsvorschrift, die der Vorschrift des § 15 Hessisches Nachbarrechtsgesetz vorgehen würde, begrenzen sich vielmehr gegenseitig. Die HBO regelt die baurechtliche Zulässigkeit, das Nachbarrechtsgesetz die nachbarrechtlichen Vorgaben. Gemäß § 45 Hessisches Nachbarrechtsgesetz gelten die §§ 1- 44 dieses Gesetzes nur, soweit öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. § 6 Abs. 10 Ziff. 6 HBO steht aber nicht entgegen, hat vielmehr einen anderen Schutzbereich.

Hätte die Beklagte substantiiert eine Ortsüblichkeit eines über 1,2 m hohen Zauns vorgetragen, folgte aus § 6 Abs. 10 Ziff. 6 HBO nur die Rechtsfolge, dass ein solcher Zaun, da ortsüblich, nachbarrechtlich zulässig und ohne Abstandsfläche, das heißt auf der Grundstücksgrenze, wie es § 15 Abs. 2 Hessisches Nachbarrechtsgesetz vorsieht, zulässig wäre.

Es bleibt daher, da die Ortsüblichkeit nicht dargelegt ist, bei einer zulässigen Höhe eines Grenzzauns von nur 1,2 m, die vorliegend überschritten ist. Die Beklagte ist deshalb zur Beseitigung des nachbarrechtswidrigen Zustandes, mithin zum Rückbau und Beseitigung des Zauns verpflichtet.

Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten kann sich nur ergeben aus dem Gesichtspunkt des Verzuges. Er ist unbegründet, da nicht ersichtlich ist, dass die Kläger die Beklagte vor der Beauftragung ihres Rechtsanwalts erfolglos zum Rückbau aufgefordert hätten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten ist lediglich Nebenforderung und als solche nicht streitwerterhöhend gewesen, weshalb § 92 Abs. 2 ZPO eingreift.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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