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Reisevertrag – Schadensersatzansprüche bei Flugannullierung

AG Düsseldorf – Az.: 25 C 467/18 – Urteil vom 22.11.2019

Das Amtsgericht Düsseldorf hat auf die mündliche Verhandlung vom 30.10.2019 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 3.381,16 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2018 sowie außergerichtliche Nebenkosten i.H.v. 413,64 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.11.2018 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Reisevertrag aus eigenem und hilfsweise abgetretenem Recht.

Die Beklagte sitzt in der Schweiz und bietet auf dem deutschen Markt Sprachreisen an. Sie verfügt über eine Niederlassung in Düsseldorf.

Am 03.08.2017 wurde mit der Beklagten ein Reisevertrag über einen Gastschulaufenthalt des minderjährigen Sohnes des Klägers, Herrn F in den USA/Santa Barbara zu einem Gesamtreisepreis von 13.530,00 EUR für die Zeit vom 07.01.2018 bis 09.06.2018 abgeschlossen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger oder sein Sohn Vertragspartner der Beklagten geworden ist. Hinsichtlich des Inhalts der vereinbarten Leistungen wird auf die Rechnung der Beklagten vom 03.08.2017 (Anlage A1, Bl. X der Akte) sowie die Änderungen in der Rechnung vom 14.11.2017 (Anlage A1, Bl. X der Akte) Bezug genommen.

Der Sohn des Klägers sollte am 07.01.2018 um 10.45 Uhr von Stuttgart über London (British Airways) nach Los Angeles (American Airlines) fliegen.

Als der Sohn des Klägers am Flughafen in Stuttgart rechtzeitig zwei Stunden vor dem Flug einchecken wollte, wurde ihm vom Flughafenpersonal mitgeteilt, dass der Flug von London nach Los Angeles annulliert worden sei und darum auch der Flug nach London nicht zu Verfügung gestellt werden könne.

Der Kläger protestierte und bestand auf die Durchführung der Flugbeförderung. Dies wurde jedoch abgelehnt. Der Kläger versuchte erfolglos bei der Beklagten in Deutschland jemanden telefonisch zu erreichen. Bei der Vertretung in den USA sagte man ihm, er müsse sich an das Büro in Deutschland wenden.

Der Kläger buchte für den 07.01.2018 einen Ersatzflug von Stuttgart über Zürich nach Los Angeles am 07.01.2018 mit der Fluggesellschaft „Swiss“ zu einem Preis von 3.381,16 EUR.

Der Kläger forderte die Beklagte zum Ausgleich dieser Kosten auf, was die Beklagte mit E-Mail vom 15.01.2018 ablehnte. Im Anschluss schaltete er seinen Anwalt ein, der ebenfalls erfolglos zur Zahlung der 3.381,16 EUR aufforderte.

Der Kläger trägt vor, er sei Vertragspartner. Jedenfalls habe ihm sein Sohn ihm möglicherweise zustehende Ansprüche abgetreten. Er habe mit der Beklagten einen Reisevertrag über ein Gastschulaufenthalt abgeschlossen. Die Reise habe an einem erheblichen Reisemangel gelitten, welcher zu erheblichen Folgekosten für den Kläger geführt habe. Er habe nach der Mitteilung sofort versucht, bei der Beklagten jemanden zu erreichen. Bei der Beklagten in Deutschland sei niemand zu erreichen gewesen. Bei der Beklagten in den USA erklärte man, er müsse sich an das Büro in Deutschland wenden, wo nach wie vor niemand zu erreichen gewesen sei. Die Fluggesellschaft im American Airlines habe nach einem 45-minütigen Gespräch, einen Ersatzflug zu finden, jegliche Hilfe abgelehnt. Die Beklagte habe die Beförderung des Sohnes vertragswidrig endgültig verweigert. Da Abhilfeersuchen erfolglos geblieben seien, habe er selbst Abhilfe vornehmen müssen, damit sein Sohn rechtzeitig zum Schulbeginn zum vereinbarten Ziel komme. Der von ihm noch am Flughafen gebuchte Flug der „Swiss“ sei der einzige an dem Tag noch verfügbare gewesen, der zu finden gewesen sei.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag i.H.v. 3.381,16 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2018 zu zahlen; die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Nebenkosten i.H.v. 413,64 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (30.11.2018) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Reisevertrag – Schadensersatzansprüche bei Flugannullierung
(Symbolfoto: Von Ekaterina Pokrovsky/Shutterstock.com)

Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers. Vertragspartner sei der Sohn des Klägers. Sie sei lediglich als Vermittler zwischen der Fluggesellschaft und dem Reisenden aufgetreten und nicht passivlegitimiert. Am Morgen des Abfluges sei die Mitarbeiterin der Beklagten Frau J ausschließlich für die Annahme von Telefonaten verantwortlich gewesen, welche auf dem Notfalltelefon angekommen seien. Weder F noch der Kläger hätten angerufen. Es habe sich später herausgestellt, dass die beiden entgegen der erhaltenen Informationen nicht über WhatsApp angerufen hatten.

Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 24.07.2019 (Bl. 65 d.A.) durch Vernehmung der Zeugen F, G und J. Hinsichtlich der Einzelheiten des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2019 (Bl. 65 ff. d.A.) und 30.10.2019 (Bl. 94 ff. d.A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

1.

Das Amtsgericht Düsseldorf ist international zuständig, Art. 24 Luganer Übereinkommen.

Es kann dabei dahinstehen, ob das Amtsgericht Düsseldorf am Ort der Zweigniederlassung der Beklagten nach Art. 5 Nr. 5 des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung für die Klage gegen die in der Schweiz sitzende Beklagte ursprünglich international zuständig gewesen ist.

Es ist gemäß Art. 24 des Luganer Übereinkommens durch rügelose Einlassung der Beklagten jedenfalls international zuständig geworden.

Dieser lautet wie folgt:

„Sofern das Gericht eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates nicht bereits nach anderen Vorschriften dieses Übereinkommens zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein anderes Gericht auf Grund des Artikels 23 ausschließlich zuständig ist.“

Eine ausschließliche Zuständigkeit anderweitiger Gerichte nach Art. 23 des Luganer Übereinkommens ist nicht ersichtlich. Ferner hat sich die Beklagte zu keinen Zeitpunkt auf eine fehlende internationale Zuständigkeit berufen und sich damit rügelos eingelassen.

Es besteht für das Gericht nach dem maßgeblichen Luganer Übereinkommen, welches insofern mit dem Unionsrecht inhaltsgleich ist, keine Hinweispflicht. Die zuständigkeitseröffnende Wirkung der rügelosen Einlassung ist nicht davon abhängig, dass das Gericht den Beklagten auf die Möglichkeit, die internationale Unzuständigkeit zu rügen, hingewiesen hat, (Rostock OLG-Report 2006, 271, 272). Dies gilt auch für Verfahren ohne Anwaltszwang, (Geimer/Schütze EuZVR Art 24 Rn 20 (inhaltsgleich mit Luganer Übereinkommen). Ein Verstoß gegen § 504 ZPO hindert also – anders als nach autonomem deutschen Zuständigkeitsrecht (§ 39 S 2 ZPO) – den Eintritt der Wirkungen des Art 26 EuGVVO nicht (Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, Artikel 26 (Artikel 24 LugÜ) EUGVVO, Rn. 11).

2.

Das Amtsgericht Düsseldorf ist auch sachlich gemäß §§ 23, 71 GVG zuständig, denn der Streitwert liegt unter 5.000,00 EUR.

3.

Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 29 ZPO. Nach Rechtsprechung des BGH ist bei einem Beförderungsvertrag mit dem Fluggast gemeinsamer Erfüllungsort wahlweise sowohl der Abflug- als auch der (bestimmungsgemäße) Ankunftsort (BGHZ 188, 85 Tz 35 = NJW 2011, 2056; Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 29 ZPO, Rn. 25).

Vorliegend geht es um die Verletzung einer Verpflichtung aus einem Pauschalreisevertrag, bei welchem die Verpflichtung zur Luftbeförderung verletzt worden sei soll. Dass die Beklagte bestreitet, Vertragspartnerin zu sein, ist dabei unerheblich. Es handelt sich um eine sog. doppelrelevante Tatsache, bzgl. derer es im Rahmen der Zulässigkeit nur darauf ankommt, dass sich die Klägerseite hierauf beruft. Dies ist vorliegend der Fall.

II.

Die Klage ist auch begründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus abgetretenem einen Recht Anspruch auf Zahlung von 3.381,16 gemäß §§ 398 BGB, 651c Abs. 3 S. 1 BGB a.F.

a.

Der Kläger ist nur aus abgetretenem Recht aktiv legitimiert. Sein Sohn F1 hat ihm die Ansprüche auf Schadensersatz aus dem geschlossenen Vertrag während eines Telefonats abgetreten, § 398 BGB.

aa. F und die Beklagte waren durch einen Vertrag über einen Gastschulaufenthalt miteinander verbunden. Es handelt sich um einen Reisevertrag im Sinne des § 651a BGB a.F.

Nicht der Kläger, sondern sein zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses minderjähriger Sohn F1, vertreten durch seinen erziehungsberechtigten Vater ist Vertragspartner der Beklagten geworden. Dies ergibt sich durch Auslegung des Vertrages gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont. F und nicht der Kläger sollte die vertragliche Leistung in Anspruch nehmen. Zudem geschah ein Großteil der Kommunikation unmittelbar mit F. Die Kommunikation der Beklagten war zudem immer an F und nicht den Kläger gerichtet.

Der Sohn des Klägers ist am 15.09.1999 geboren und war damit zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 02.08.2017 noch nicht volljährig. Er konnte als beschränkt Geschäftsfähiger gemäß § 107 BGB die für ihn nicht lediglich rechtlich vorteilhafte Willenserklärung – das Angebot auf Vertragsschluss – nur mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters abgeben. Dementsprechend wurde das Anmeldeformular durch einen Erziehungsberechtigten unterzeichnet. Es kann dabei dahinstehen, ob dies zur Wirksamkeit der Erklärung ausreichte, da bei – hier vorliegender – gemeinsamer elterlicher Sorge grds. beide Elternteile zustimmen müssen. Mit Erwerb der Volljährigkeit am 15.09.2017 hat F1 den Vertrag jedenfalls konkludent genehmigt, indem er daran festgehalten hat.

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bb. Ihm aus dem Vertrag mit der Beklagten zustehende Ansprüche hat F dem Kläger abgetreten, indem er ihn – in den USA weilend – fernmündlich damit beauftragte, sich „um die Sache zu kümmern“ und ihm mitteilte, ihm die Ansprüche abzutreten. Dies hat der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung erklärt. Die Beklagtenseite hat diesen neuen Vortrag nicht bestritten, so dass er gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.

b.

Die Beklagte ist passivlegitimiert. Sie ist – entgegen ihres Vortrags – nicht nur Reisevermittlerin, sondern Reiseveranstalterin im Sinne des § 651a BGB a.F.

Die Beklagte trägt diesbezüglich erfolglos vor, in dem von dem Sohn des Klägers ausgefüllten Formular hieße es am Ende, dass die Beklagte lediglich als Vermittler auftrete. Auch in der E-Mail der Frau J vom 04.10.2017 hieße es nur, dass der Flug gebucht werde für F.

Der Passus in dem von F unterzeichneten Formular, auf welches die Beklagte Bezug nimmt, lautet wie folgt:

„Mit der Zustimmung zur verbindlichen Buchung wird automatisch 60 Tage vor Abreise ein Ticket für dich zugeteilt. Die genannten Konditionen verstehen sich für Hin- und Rückflüge am genannten Reisedatum. Es werden vor Ticket Ausstellung keine Angebote versendet. Es können keine Direktflüge, Flugzeiten oder sonstigen Sonderwünsche garantiert werden! Ausschlaggebend bei den Saisonzeiten ist der Abflugtermin. Es werden ausschließlich Economyclass-Flüge bei renommierten Gesellschaften wie z.B. Lufthansa, British Airways oder American Airlines gewählt, keine Verbindungen z.B. Ryanair, Easyjet, etc. Ein Gepäckstück pro Person ist inkludiert. Eine Flugbuchung erfolgt nur nach vorheriger Bestätigung des Kurses durch die jeweilige EF- Sprachschule. Solltest du bestimmte Wünsche bezüglich eines Fluges haben, möchten wir dich bitten, diesen eigenständig über unser Schülerportal N über den Reiter My Trip zu buchen. Die Buchung der Festpreisflüge zu den unten genannten Festpreisen kann bis zu 24 Tage (Europa) bzw. 44 Tage (International) vor Reiseantritt erfolgen – ausschlaggebend ist der Eingang der schriftlichen Buchung in einem unserer EF-Büros. Die Zahlung des Flugpreises ist direkt nach Buchung fällig. Die konkreten Flüge werden ca. 60 Tage vor Abflug zugeteilt. Umbuchungen nach Festbuchungen können gegen eine Gebühr von 100 EUR/Person und Ticket (Europa) bzw. 150 EUR/Person und Ticket (International) nach Verfügbarkeit der gebuchten Klasse erfolgen. (….) Bei der Vermittlung eines Flugscheins einer Linienfluggesellschaft werden wir ausschließlich als Vermittler eines Beförderungsvertrages tätig. Als Vermittler erbringen wir keine eigene Beförderungsleistung und haften daher nicht für die ordnungsgemäße Durchführung der Beförderungsleistung der Linienfluggesellschaft.“

Das Gesetz kennt keine gesetzliche Definition des Reiseveranstalterbegriffs. Als entscheidend wird angesehen, dass der Reiseveranstalter die Leistungen in eigener Verantwortung zu erbringen verspricht. Was das bedeutet, ergibt sich in Abgrenzung zum Begriff des Reisevermittlers (MüKoBGB/Tonner, 7. Aufl. 2017, BGB § 651a Rn. 8). Typischer Reisevermittler ist das Reisebüro. Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen ein Reisebüro als Reiseveranstalter auftritt, wie umgekehrt ein Reiseveranstalter im Einzelfall Reiseleistungen vermitteln kann. Nach der Club-Tour-Entscheidung des EuGH und nachdem der BGH ihm folgt ist häufiger als bisher davon auszugehen, dass ein Reisebüro als Reiseveranstalter handelt. Der Unterschied zwischen den beiden Vertragstypen liegt in der Bündelung von Reiseleistungen: Beim Reise(veranstaltungs)vertrag werden die Reiseleistungen zu einem Paket gebündelt und erst über dieses Paket der Vertrag abgeschlossen; beim Reisevermittlungsvertrag erfolgt die Bündelung, sofern nicht überhaupt nur eine einzelne Reiseleistung vermittelt wird, bereits durch den Reiseveranstalter, nicht erst durch das Reisebüro. Dabei kommt es auf die Sicht des Reisenden an (vgl. § 651a Abs. 2), so dass ein Reisevermittler in seiner Werbung, Katalog oder Rechnung deutlich erkennen lassen muss, dass ein Dritter Reiseveranstalter ist, wenn er eine Haftung als Veranstalter vermeiden will (vgl. MüKoBGB/Tonner, 7. Aufl. 2017, BGB § 651a Rn. 43a).

Aus der nach § 651a Abs. 2 BGB a.F. maßgeblichen Sicht des Reisenden agierte die Beklagte vorliegend als Reiseveranstalterin. Aus Sicht des Reisenden F bot die Beklagte die Gesamtheit der Reiseleistungen, welche mit dem Gastschulaufenthalt verbunden waren, an. Dies schloss letztlich auch die übliche Buchung des Fluges mit ein. Aus den vorgelegten Unterlagen folgt zwar, dass es sich bei der Beförderung um einen von der Beklagten optional angebotenen Reiseteil handelt, welcher hier jedoch unstreitig – ggf. mit Zusatzkosten verbunden – gebucht wurde.

Es stellt sich bezüglich des Einwands darüber hinaus die Frage, wer bzgl. der Flugbeförderung Vertragspartner geworden sein soll, wenn nicht die Beklagte, da sie jedenfalls keinerlei Unterlagen zu dem Vertragspartner, mit dem der Beförderungsvertrag geschlossen worden sein soll, vorlegt. Aus der von der Beklagten vorgelegten Anmeldeinformationen (Anl. B1, Bl. XX der Akte) ergibt sich nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 155 BGB vielmehr, dass der das Formular Ausfüllende davon ausgehen darf, dass – ohne anderweitige Mitteilung zu einem zusätzlichen Vertragspartner – sämtliche gebuchte Leistungen von der Beklagten erbracht werden.

Darüber hinaus wäre ohnehin fraglich, ob der Passus in den AGB der Beklagte, dass sie bei Linienflügen nur Vermittlerin sei, im vorliegenden Fall überhaupt Anwendung findet. Es wurde von ihr nicht dazu vorgetragen, dass es sich bei dem gebuchten Flug um einen Linienflug gehandelt haben soll. Aber selbst wenn es ein Linienflug gewesen wäre, wäre die Regelung nach § 305c Abs. 2 BGB unwirksam. Danach gehen Zweifel bei der Auslegung zulasten des Verwenders. Aus dem ersten Teil der o.g. AGB entsteht der Eindruck, dass die Beklagte auch die Flugbuchung als optionale Reiseleistung mitanbietet und dementsprechend Reiseveranstalterin im Sinne des § 651a BGB a.F. wäre. Soweit sie dann in Folgenden nur als Reisevermittlerin auftreten will, ist dies widersprüchlich und führt dazu, dass die Regelung insgesamt unwirksam ist, § 306 Abs. 2 BGB. Es finden sodann die gesetzlichen Bestimmungen Anwendung, wonach die Beklagte als Reiseveranstalterin anzusehen ist, weil sie eine Vielzahl von Reiseleistungen gebündelt anbietet.

c.

Die Beklagte hat eine Pflicht aus dem Reisevertrag verletzt, indem der von ihr eingesetzte Erfüllungsgehilfe American Airlines F am 07.01.2018 die geschuldete Beförderung auf dem Flug von London nach Los Angeles verweigerte und riet, bereits den Flug von Stuttgart nach London nicht wahrzunehmen.

Zwischen den Parteien ist – gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig, dass der Flug von London nach Los Angeles annulliert wurde und F beim Versuch für beide Flüge einzuchecken, geraten wurde, den Zubringerflug von Stuttgart nach London nicht wahrzunehmen, bis eine Weiterreise nach Los Angeles gesichert sei. Der Kläger hat – genauso wie der Zeuge F – im Rahmen seiner Anhörung bekundet, F1 sei geraten worden, den Zubringerflug nicht wahrzunehmen. Es handelt sich insofern um eine Abweichung vom Klagevortrag. Dieses Vorbringen im Rahmen der persönlichen Anhörung hat sich der Klägervertreter hilfsweise zu Eigen gemacht.

Die Nichtbeförderung/ Annullierung des Fluges stellt eine Pflichtverletzung des Reisevertrages dar, der – wie oben dargestellt – auch die Luftbeförderung beinhaltete.

d.

Im vorliegenden Fall bedurfte es aufgrund der besonderen Interessen des Reisenden F keines Abhilfeverlangens gegenüber der Beklagen, § 651a Abs. 3 S. 2 Alt. 2 BGB.

Gemäß § 651 c Abs. 2 BGB a.F. hat der Reise dem Reiseveranstalter bei Reisemängeln eine Frist zur Abhilfe zu setzen. Erst nach erfolglosen Ablauf einer vom Reisenden bestimmten angemessenen Abhilfefrist, kann der Reisende selbst Abhilfe schaffen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, § 651c Abs. 3 S.1 BGB a.F. Der Bestimmung einer Frist bedarf es gemäß § 651c Abs. 3 S. 2 BGB a.F. nicht, wenn die Abhilfe von dem Reiseveranstalter verweigert wird oder wenn die sofortige Abhilfe durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten wird.

aa. Weder F als Vertragspartner der Beklagten noch der Kläger als möglicher Vertreter haben der Beklagten eine Abhilfefrist gesetzt. Das Selbstabhilferecht erfordert grundsätzlich den fruchtlosen Ablauf einer vom Kunden gesetzten angemessenen Frist. Diese kann nur durch eine ausdrückliche Erklärung bestimmt werden (vgl Bartl Rn 42; Bechhofer 74; Soergel/H-W Eckert Rn 37; Staudinger/Staudinger (2016) BGB § 651c, Rn. 170). Die Mangelanzeige muss ausweislich des Wortlauts der Norm gegenüber dem Reiseveranstalter oder dessen Vertreter erfolgen und ist formlos möglich. Soweit F und der Kläger gegenüber American Airlines als Erfüllungsgehilfin der Beklagten Abhilfe verlangten, genügt dies nicht. American Airlines kann insofern nicht als Vertreterin der Beklagten für Abhilfeverlangen bzgl. des Reisevertrages angesehen werden.

bb. Eine Verweigerung der Abhilfe durch die Beklagte liegt ebenfalls nicht vor. Sie wurde von der Klägerseite telefonisch nicht erreicht und hat eine Abhilfe auch nicht von vornherein verweigert. Dass sie über 45 Minuten nicht erreichbar gewesen sein soll, stellt an sich keine Abhilfeverweigerung dar.

cc. Allerdings war vorliegend die sofortige Abhilfe durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten.

Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Reiseveranstalter Abhilfe verweigert oder besondere Interessen des Reisenden sofortige Abhilfe erfordern. Grundsätzlich ist es dem Kunden zuzumuten, eine gewisse Zeit auf genauere Informationen beim Ausfall eines Fluges zu warten. Er darf dem Veranstalter die Gelegenheit zur Abhilfe nicht dadurch abschneiden, dass er sofort einen Ersatzflug bucht (Staudinger/Staudinger (2016) BGB § 651c, Rn. 176 unter Bezugnahme auf AG Neuwied RRa 2004, 215). Ein besonderes Interesse des Reisenden liegt demgegenüber vor, wenn ihm selbst eine sehr kurze Fristsetzung nicht zumutbar ist (Steinrötter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 651c BGB, Rn. 124). Es werden folgende Beispiele für besondere Interessen des Reisenden an einer sofortigen Abhilfe diskutiert: Der zugesagte Transfer-Bus zum Flughafen kommt nicht, so dass der Abflugtermin nur noch bei Nutzung eines Taxis einzuhalten ist; der gebuchte Flug wird wegen eines Organisationsfehlers des Reiseveranstalters verpasst und auf dem nächstmöglichen Flug sind nur noch wenige Sitzplätze frei (Schmid in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 651c BGB, Rn. 39).

Letztendlich durfte F im vorliegenden Fall nach 45 Minuten vergeblicher Versuche, die Beklagte auf allen ihm bekannten Kanälen unter Zuhilfenahme seiner Familienmitglieder zu erreichen, selbst einen Flug buchen.

Folgender Sachverhalt steht insofern nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Abteilungsrichterin im Sinne des § 286 ZPO fest:

Der Flug von Stuttgart nach London sollte ausweislich der vorgelegten Buchung um 10.45 Uhr starten. Beim Versuch, zwei Stunden vor dem Start (ca. 08.45 Uhr) einzuchecken, wurde dem Zeugen F mitgeteilt, dass der Flug nach Los Angeles annulliert sei. Er kontaktierte darauf telefonisch die gebuchte Airline American Airlines und versuchte über einen längeren Zeitraum – mit seinem Vater, dem Kläger – einen Ersatzflug zu erhalten, was letztlich scheiterte. Zwischenzeitlich rief sein Bruder unter der mitgeteilten Nummer der Beklagten in den USA an, wo man ihm mitteilte, man solle sich an die Beklagte in Deutschland wenden. Der Kläger wählte mehrfach die mitgeteilte Handynummer der am Wochenende für Notfälle zuständigen Zeugin J1, unter der niemand erreicht werden konnte. Gleichzeitig erkundigte sich die Familie im Flughafen an einem Schalter nach Ersatzflügen. Ihnen wurden auch Ersatzflüge angeboten, welche telefonisch dem Mitarbeiter der American Airlines durchgegeben wurden, welche dieser jedoch wiederum in seinem Buchungssystem (angeblich) nicht hat finden können, so dass die vorhandenen Flüge im Laufe des länger andauernden Telefonats mit einem Mitarbeiter der American Airline nach und nach ausverkauft wurden, so dass dem Kläger nur noch die Möglichkeit verblieb, gegen 10.20 Uhr den letztlich gebuchten Flug der Swiss zu buchen, um sicherzustellen, dass der Zeuge F noch am gleichen Tag in die USA reisen konnte. Um 10.26 Uhr schickte der Kläger eine E-Mail an Frau J1, mit dem Hinweis, dass niemand erreichbar gewesen sei und er nach erfolglosen Kommunikationsversuchen mit American Airlines den Flug der SwissAir für 3.381,16 EUR gebucht habe. Der Zeuge F schickte um 10.25 Uhr eine E-Mail mit ähnlichem Inhalt.

Diese Feststellungen beruhen auf den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen F1 und G sowie den Angaben des Klägers im Rahmen seiner persönlichen Anhörung. Sämtliche Beteiligte schilderten den Vorfall schlüssig, detailreich und widerspruchsfrei. Sie waren in der Lage, auch auf Rückfragen, Dinge zeitlich einzuordnen und die richtige Chronologie aufrecht zu erhalten. Alle haben Wissenslücken, die für die Glaubhaftigkeit einer Aussage sprechen, offen gelegt. Dass aufgrund der Hektik in der Situation im Rahmen der Beweisaufnahme kleine Widersprüche entstanden, wer wann mit wem mit welchem Inhalt gesprochen hat, spricht ebenfalls eher für die Glaubhaftigkeit der Aussagen denn dagegen. Offensichtlich hat keine vorherige Absprache der Aussagen stattgefunden, sondern jeder rekapitulierte den unvorhergesehenen und hektischen Vorfall am Flughafen in seinen eigenen Worten. Die von den Zeugen geschilderte Vorgehensweise ist auch lebensnah und daher nachvollziehbar. Insbesondere hat der Kläger auf Nachfrage unumwunden eingeräumt, nur versucht zu haben, die Zeugin J1 über ihre Handy telefonisch zu erreichen und es zu keinem Zeitpunkt über „Whatsapp“ versucht zu haben.

Angesichts der bekannten zeitlichen Komponenten (Emails an die Zeugin J1 um 10.25 Uhr; Versuch einzuchecken ca. zwei Stunden vor Flugbeginn und damit um 08.45 Uhr) lässt sich auch die klägerische Behauptung, 45 Minuten lang vergeblich versucht zu haben, die Beklagte zu erreichen und über American Airlines einen Alternativflug zu buchen, ohne Weiteres nachvollziehen. Aufgrund der besonderen Dringlichkeit, dass F1 noch am gleichen Tag befördert werden musste und sämtliche vorhandenen Flügen dem Kläger von anderen verzweifelten Reisenden sozusagen vor der Nase weggeschnappt wurden, während der zuständige Gesprächspartner der American Airlines vom Kläger bereits gefundene Ersatzflüge nicht anbieten konnte, ist ein Zuwarten von 45 Minuten ausreichend, um von einer besonderen Dringlichkeit auszugehen.

Im Einzelnen:

(1) Zunächst bestand eine besondere Dringlichkeit, dass F1 noch am 07.01.2018 nach Los Angeles befördert wurde, da am Folgetag, dem Montag, den 08.01.2018 die Schule mit einem Einführungsprogramm startete.

Nach dem Vertragszweck und der Darstellung des ersten Tages durch die Beklagte in der Vertragsbeschreibung war es trotz der Dauer des Aufenthaltes von 6 Monaten wichtig, am ersten Tag (08.01.2018), dem sog. Kennenlerntag vor Ort zu sein. An diesem Tag werden nach übereinstimmenden Angaben der Parteien und Zeugen die wichtigsten Ansprechpartner vorgestellt und die Schüler absolvieren einen Einstufungstest.

Die Zeugin J1 hat insofern zwar bekundet, dass dieser Kennenlerntag für diejenigen Schüler, die verspätet anreisen, sozusagen nachgeholt wird. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass dieser Umstand den Schüler und ihren Eltern bekannt ist. Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB erscheint es für den Gastschüler anhand der ihm mitgeteilten Informationen als essentiell am ersten Schultag in der Partnerschule vorstellig zu werden und der Einführung beizuwohnen. Nicht umsonst hat die Zeugin J1 darauf hingewiesen, dass es jährlich Starttermine im Januar, April und Juni gebe, zu den die Schüler anreisten.

Die Argumentation der Beklagten, die Schüler seien ein halbes Jahr vor Ort, so dass die Eilbedürftigkeit der Beförderung nicht mit einer zweiwöchigen Pauschalreise verglichen werden könne, verfängt vor diesem Hintergrund nicht. Die Angebote der Beklagten richten sich an Jugendliche und junge Erwachsene, die im Zweifel zum ersten Mal in ihrem Leben ihr Elternhaus für eine längere Zeit verlassen, um für eine längere Zeit im Ausland zu leben und dort zur Schule zu gehen. Auf einen derartigen Aufenthalt fiebert die ganze Familie bereits längere Zeit hin und alles wird akribisch vorbereitet und geplant. Bei einer üblichen Pauschalreise handelt es sich ggf. um den Jahresurlaub des Reisenden, aber bei einem Gastschulaufenthalt prägt diese Reise den Schüler für eine wesentlich längere Zeit und hat dementsprechend auch eine weitaus höhere Relevanz für ihn.

Vor dem Hintergrund, dass ein Gastschulaufenthalt über einen längeren Zeitraum geplant und vorbereitet wird und der Schüler vom Veranstalter insbesondere die Informationen für den Kennenlerntag erhält, entsteht der Eindruck, dass die Teilnahme an diesem ersten Tag für das Gelingen des Aufenthaltes von besonderer Bedeutung ist. Dies ist ja auch tatsächlich der Fall, da die jungen Leute in ihrer vollkommen neuen Umgebung ihre Ansprechpartner für das nächste halbe Jahr kennenlernen und sie zudem auch hinsichtlich ihres Leistungsniveaus eingestuft werden. An diesem Tag werden zudem auch neue Kontakte geknüpft und Grundsteine für die Bildung neuer Freundschaften gelegt.

Aus diesem Grund erscheinen die Bekundungen des Klägers im Rahmen seiner persönlichen Anhörung, dass es ihnen wichtig gewesen sei, dass F1 pünktlich am Montag in der Schule erscheine und sie es auch so wahrgenommen hatten, dass es wichtig sei, dass er fristgerecht dort ankomme, mehr als nachvollziehbar.

(2) Ein weiterer Aspekt, der die besondere Dringlichkeit förderte, war der, dass der Kläger und seine Familie über 45 Minuten auf allen möglichen Kanälen vergeblich versuchten, die Beklagte zu erreichen oder über American Airlines einen Ersatzflug zu bekommen.

Zwar ist es dem Reisenden – wie oben dargestellt – zumutbar, Abhilfe vom Reisveranstalter zu verlangen, weil ein Flug annulliert wird. Dann ist jedoch von Seiten des Reiseveranstalters auch erforderlich, dass er erreichbar ist und sich – auch für den Kunden erkennbar – um einen zeitnahen Ersatzflug bemüht.

Dies war vorliegend gerade nicht der Fall. Die Mitarbeiter der Beklagten in den USA, welche der Bruder des Zeugen F angerufen hatte, verwiesen ihn nur an die deutsche Hotline, obwohl sie nach den Angaben der Zeugin J1 Hilfestellung hätte anbieten und sie als zuständige Mitarbeiterin der Beklagten in Deutschland hätten kontaktieren müssen. Die Zeugin J1 war damals Mitarbeiterin des Kundenservice und ist zwischenzeitlich Customer Care Managerin der Beklagten geworden. Sie verfügt daher aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen der Beklagten über genaue Erkenntnisse der üblichen und vorgesehenen Informationswege in Notfällen, welche hier ersichtlich nicht eingehalten wurden. Die Zeugin J1 hatte nach ihren Angaben bis zum Erhalt der Emails um 10.25 Uhr keine Erkenntnisse darüber, dass der Flug storniert worden war.

Die Erfüllungsgehilfin der Beklagten war ebenfalls nicht in der Lage, zeitnah innerhalb von 45 Minuten einen zumutbaren Ersatzflug anzubieten, der den Zeugen F bis zum Schulbeginn in die USA hätte transportieren können. Der auch von Beklagtenseite angesprochene 25 Stunden-Flug hätte den Kläger nicht rechtzeitig vor Schulbeginn nach Los Angeles befördert. Dies gilt gleichermaßen für einen Flug am Folgetag.

Die Beklagte kann sich nicht erfolgreich darauf berufen, der Kläger bzw. der Zeuge F habe die Beklagte entgegen der Absprachen nicht über „Whatsapp“ zu erreichen versucht.

Es ist nicht ersichtlich, dass zwischen den Parteien wirksam vereinbart worden wäre, dass die mitgeteilte (Notruf-)Handynummer der Zeugin J1 ausschließlich über „Whatsapp“ zu nutzen sein soll.

Aus den von Beklagtenseite zum Vertrag zur Verfügung gestellten Unterlagen ergibt sich an keiner Stelle, dass die Beklagte via Frau J1 nur über „Whatsapp“-Telefonanrufe erreichbar sein soll.

Soweit dies – wie in der mündlichen Verhandlung von Beklagtenseite vorgetragen und von der Zeugin J1 ebenfalls bekundet – im Rahmen des Vorbereitungsgesprächs erklärt worden sein soll, ergibt sich aus der von dem Zeugen F diesbezüglich mitgeteilten Formulierung „Ihr könnt uns immer über „Whatsapp“ erreichen“ nicht zwingend der Umkehrschluss, dass eine telefonische Erreichbarkeit über die Handynummer nicht gewährleistet ist. Ohne konkreten auch schriftlichen Hinweis, dass eine telefonisch Erreichbarkeit über die mitgeteilten Handynummer nicht möglich ist, sondern immer „Whatsapp“ zu verwenden ist, genügt dieser Hinweis nicht.

In der Emailsignatur der Zeugin J1 (Anlage B2, Bl. XX) ist zwar die Handynummer der Zeugin nur in der Rubrik „WhatsApp“ geführt, allerdings lässt dies für den unbefangenen Leser, auf den es nach dem objektiven Empfängerhorizont ankommt, nicht ausreichend eindeutig erkennen, dass eine telefonische Erreichbarkeit außerhalb von WhatsApp überhaupt nicht gewährleistet ist. Die Tatsache, dass Telefonanrufe über „Whatsapp“ getätigt werden können und die Möglichkeit besteht, „Whatsapp“ auf auch auf einem Rechner, Handy oder „Pad“ ohne „normale“ telefonische Erreichbarkeit zu nutzen, ist noch nicht so bekannt, als dass man davon ausgehen kann, dass ein objektiver Dritter sofort erkennen würde, dass ein Anruf bei der mitgeteilten Handynummer erfolglos sein würde. Vielmehr muss hiermit nicht gerechnet werden, wenn nicht ausdrücklich auf diesen Umstand hingewiesen wird.

e.

Der Kläger kann, nachdem er selbst durch Buchung des Ersatzfluges Abhilfe geschaffen hat, gemäß § 651c Abs. 3 S. 1 BGB a.F., Ersatz der dafür erforderlichen Aufwendungen, hier 3.381,16 EUR verlangen.

Die Aufwendungen müssen stets angemessen sein. Dies beurteilt sich aus der Sicht des Reisenden in der konkreten Situation (vgl KG NJW-RR 1993, 1209, 1210; Bidinger/Müller 123; Führich § 7 Rn 166). Jener muss die Aufwendungen für erforderlich halten. Geringfügige Fehleinschätzungen sind jedoch unschädlich (Staudinger/Staudinger (2016) BGB § 651c, Rn. 179).

Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger durfte die Kosten des Fluges der Swiss in Höhe von 3.381,16 EUR für erforderlich halten.

Der Kläger stand unmittelbar nach Erhalt der Information über die Annullierung des Fluges mit American Airlines in telefonischem Kontakt, um einen zeitnahen Ersatzflug zu erhalten. Da er sich zeitgleich an einem Schalter über mögliche Flugangebote an dem Tag informierte, konnte er hautnah miterleben, wie schnell für die fragliche Strecke noch vorhandene Flüge von anderen Passagieren gebucht wurden und die vorhandenen Angebote sich nach und nach reduzierten. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, der Flug sei überteuert gewesen, der Kläger habe nach seinen Angaben einen Flug für 1.200,00 EUR buchen können, so war dies zu einem früheren Zeitpunkt tatsächlich der Fall. Durch das Zaudern der Erfüllungsgehilfin American Airlines und die Nichterreichbarkeit der Beklagten war es dem Kläger, der zunächst noch auf Abhilfe hoffte und auch zur Erklärung eines Abhilfeverlangens verpflichtet war, nicht möglich, den fraglichen Flug zu buchen. Selbst redend wurden die weniger teuren, schnellen Flugverbindungen nach Los Angeles von anderen betroffenen Reisenden dem richtigerweise auf eine Antwort der Beklagten wartenden Kläger sozusagen vor der Nase weggeschnappt. Soweit die Beklagte mit Nichtwissen bestritten hat, dass der Flug zu 1.200,00 EUR am Abreisetag nicht mehr buchbar gewesen sei und am Folgetag nur ein Flug mit 25 Stunden Flugzeit, hat der Kläger mit Hilfe der Vernehmung der Zeugen F1 und G bewiesen, dass der letztendlich gebuchte Flug der einzige am fraglichen Tag gewesen ist, der F1 fristgerecht nach Los Angeles transportierte (s.o.)

Der Kläger war angesichts der unvorhergesehenen und hektischen Situation und der Erforderlichkeit einer schnellen Beförderung auch nicht gehalten, die Kosten des Ersatzfluges in Relation zum Gesamtpreis der Reise zu setzen. Es standen ihm keine kostengünstigeren Alternativen zur Verfügung.

2.

Die Zinsforderung folgt aus §§ 288, 286 BGB, nachdem die Beklagte mit Email vom 15.01.2018 die Zahlung ernsthaft und endgültig verweigerte.

3.

Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer (413,64 EUR) folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB, 2, 13 RVG, Nr. 2300, 7002, 7008 VV RVG.

4. Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 3.381,16 EUR festgesetzt.

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