OLG Bremen
(Stand: 01. 07.1999 – gültig bis 30.06.2001)
Aus gegebenen Anlass weisen wir daraufhin, dass es sich vorliegend um keine Internet-Seite des OLG Bremen handelt!
Vorbemerkung:
Die Leitlinien sind von den Mitgliedern der Familiensenate des OLG Bremen in Anlehnung an die „Düsseldorfer Tabelle“ unter Berücksichtigung der Besonderheiten in der Rechtsprechung im Bezirk des OLG Bremen und der inzwischen bekannt gewordenen Rechtsprechung des BGH erarbeitet worden, um eine möglichst einheitliche Rechtsprechung im OLG Bremen zu ermöglichen. Sie stellen keine verbindlichen Regeln dar, das verbietet sich schon mit Rücksicht auf die richterliche Unabhängigkeit. Sie sind als Orientierungshilfen für den Regelfall gedacht, die dazu beitragen sollen, angemessene Lösungen zu finden, ohne aber den Spielraum einzuengen, der erforderlich ist, um den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden. Die Leitlinien beschränken sich auf die Nennung weniger Grundsätze; von der Wiedergabe der Rechtsprechung zu Einzelfragen wird abgesehen.
I. Ermittlung des anrechenbaren Einkommens
1. Das für die Eingruppierung in die Düsseldorfer Tabelle und für die Berechnung des Ehegattenunterhalts maßgebliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen – wie auch des Unterhaltsberechtigten – ist das Durchschnittsbruttoeinkommen abzüglich Steuern, Sozial-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen, evtl. Kammerbeiträgen sowie Schulden nach Maßgabe nachfolgender Nr. 4. Bei Nichtsozialversicherungspflichtigen sind angemessene Beiträge für die Krankenversicherung und die Altersvorsorge zu berücksichtigen.
2. Notwendige berufsbedingte Aufwendungen sind darzulegen und vom Einkommen vorweg abzuziehen (kein genereller Pauschalabzug von 5%).
3. Steuerzahlungen und Steuererstattungen sind im Kalenderjahr der tatsächlichen Leistungen anzurechnen.
4. Schulden können das anrechenbare Einkommen mindern. Dabei ist zu unterscheiden:
a) Ehegattenunterhalt: Für die Bedarfsbemessung sind nur Schulden berücksichtigungsfähig, die die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben.
Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen können zusätzlich solche Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, deren Eingehung „notwendig und unabweislich“ war.
b) Kindesunterhalt:
Minderjährige Kinder: Für die Einordnung des Unterhaltspflichtigen in die Einkommensgruppen können berücksichtigungswürdige Schulden vom Einkommen abgesetzt werden. Hierzu ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (z.B. Zwecke der Verbindlichkeit? Zeitpunkt und Art ihrer Entstehung? Dringlichkeit der Bedürfnisse? Möglichkeit der Schuldenreduzierung?). Führt die Berücksichtigung von Schulden zur Unterschreitung des Mindestunterhalts, sind sie nur ausnahmsweise zu berücksichtigen.
Privilegierte volljährige Kinder i.S. des § 1603 Abs.2 BGB (= volljährige Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden): Für diese gelten die gleichen Grundsätze wie für minderjährige Kinder.
Nicht privilegierte volljährige Kinder: Bei diesen Kindern, bei denen in der Regel von festen Bedarfssätzen auszugehen ist, sind Schulden nach einer Interessenabwägung gegebenenfalls bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen bzw. bei der Ermittlung der Haftungsquote beider Eltern abzusetzen.
c) Abzugsfähig sind Schulden grundsätzlich nur in angemessenen Raten im Rahmen eines vernünftigen Tilgungsplanes.
II. Kindesunterhalt
1. Die Unterhaltssätze für minderjährige Kinder einschließlich der geänderten Einkommensgruppen sind der ab 1. 7. 1999 geltenden Düsseldorfer Tabelle entnommen.
Die Richtsätze der 1. Einkommensgruppe entsprechen dem Regelbetrag nach der Regelbetrag-Verordnung für den Westteil der Bundesrepublik (Art. 1 § 1 der 1. VO zur Änderung der Regelbetrag-VO v. 28. 5. 1999, BGBl I, 1100). Der Vomhundertsatz drückt die Steigerung des Richtsatzes der jeweiligen Einkommensgruppe gegenüber dem Regelbetrag (1. Einkommensgruppe) aus. Die durch Multiplikation des Regelbetrages mit dem Vomhundertsatz errechneten Richtsätze sind entsprechend § 1612 a Abs.2 BGB aufgerundet. Die Beträge der 6. Einkommensgruppe sind geringfügig niedriger festgesetzt als die sich rechnerisch ergebenden Beträge, damit die Übereinstimmung mit der für das Beitrittsgebiet geltenden Berliner Tabelle gewahrt bleibt.
2. Im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung geben die Familiensenate des OLG Bremen ihre bisherige Rechtsprechung, nach der bei allen volljährigen Kindern in der Regel von festen Bedarfssätzen auszugehen ist, auf und wenden auf privilegierte volljährige Kinder nunmehr die Richtsätze der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle an.
Im Hinblick darauf, daß den privilegierten volljährigen Kindern kein Betreuungsunterhalt mehr geschuldet wird, bestimmt sich der Bedarf dieser Kinder in der Regel nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern.
3. Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, daß der Unterhaltspflichtige einem Ehegatten und zwei Kindern Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl von Unterhaltsberechtigten ist die Einstufung in die entsprechend niedrigere/höhere Einkommensgruppe vorzunehmen.
Bei der Einstufung des Kindesunterhalts ist in jedem Fall eine Bedarfskontrollrechnung vorzunehmen. Der Bedarfskontrollbetrag des Unterhaltspflichtigen ist ab Einkommensgruppe 2 nicht identisch mit dein Selbstbehalt. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird er unter Berücksichtigung des Ehegattenunterhalts unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird, anzusetzen.
4. Der Bedarf eines nicht privilegierten volljährigen Kindes beträgt ab 01.07.1999:
– bei einem Kind, das nicht bei den Eltern wohnt, in der Regel 1120 DM,
– bei einem noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils lebenden Kind in der Regel 970 DM.
Bei entsprechenden Einkommensverhältnissen der Eltern ist eine Erhöhung denkbar.
5. In den Tabellensätzen sowie den Unterhaltsbeträgen gern. Nr. 4 sind Beitrüge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht enthalten.
6. Die Ausbildungsvergütung eines in der Berufsausbildung stehenden Kindes ist grundsätzlich als Eigeneinkommen vom Bedarf abzusetzen.
Ausbildungsbedingter Mehraufwand ist darzulegen und – gegebenenfalls nach Schätzung gern. § 287 ZPO -vorweg von der Vergütung abzuziehen (kein genereller Pauschalabzug).
Das anrechnungspflichtige Eigeneinkommen des Kindes ist anteilig auf den Barunterhalt und den Naturalunterhalt zu verrechnen, wenn das Kind im Haushalt eines Elternteils Naturalunterhalt erhält.
7. Die Selbstbehaltssätze sind der ab 01.07.1999 geltenden Düsseldorfer Tabelle entnommen.
In den Selbstbehaltssätzen sind Beträge für den Wohnbedarf (Warmmiete, d. h. Miete einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung) enthalten in Höhe von
– bis zu 650 DM im notwendigen Selbstbehalt
– bis zu 800 DM im angemessenen Selbstbehalt.
Der Selbstbehalt kann angemessen erhöht werden, wenn dieser Betrag im Einzelfall erheblich überschritten wird und dies nicht vermeidbar ist.
III. Ehegattenunterhalt
1. Die Unterhaltsquoten wie auch die Selbstbehaltssätze sind der ab 1. 7. 1999 geltenden Düsseldorfer Tabelle entnommen.
2. er Altersvorsorgeunterhalt (§§ 1361 Abs.1 S.2, 1578 Abs.3 BGB) ist entsprechend den Grundsätzen der Rechtsprechung des BGH anhand der sogenannten Bremer Tabelle zu berechnen und in der Regel vorab vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzusetzen.
3. Betreut ein Ehegatte ein minderjähriges Kind, so bestimmt sich seine Erwerbsverpflichtung nach den Umständen des Einzelfalls. Ist nur ein Kind zu betreuen, kommt eine Obliegenheit zur Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung in der Regel vom 3. Schuljahr des Kindes an in Betracht.
IV. Mangelfälle
1. Reicht das Einkommen zur Deckung des Bedarfs des Unterhaltspflichtigen und der gleichrangigen Unterhaltsberechtigten nicht aus (sog. Mangelfälle), ist die nach Abzug des notwendigen Eigenbedarfs (Selbstbehalts) des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse auf die Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Bedarfssätze gleichmäßig zu verteilen.
2. Einsatzbeträge: Der Einsatzbetrag für den Unterhalt minderjähriger und privilegierter volljähriger Kinder entspricht in der Regel dem Regelbetrag (= 1. Einkommensgruppe), da der Bedarfskontrollbetrag einer höheren Gruppe nicht gewahrt ist.
Der Einsatzbetrag für den Ehegattenunterhalt wird mit einer Quote des Einkommens des Unterhaltspflichtigen angenommen. Trennungsbedingter Mehrbedarf kommt gegebenenfalls hinzu.
Der Unterhaltsbedarf des nicht erwerbstätigen Ehegatten, der mit dem Unterhaltspflichtigen in einem gemeinsamen Haushalt lebt, ist mit 3/7, des bereinigten Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen abzüglich eines angemessenen Betrags für gedeckten Wohnbedarf zu bemessen.
3. Eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, den Unterhalt in Höhe des Regelbetrags zu leisten (§ 1612b Abs.5 BGB).
V. Verwandtenunterhalt und Unterhalt nach § 1615 L BGB
1. Angemessener Selbstbebalt gegenüber den Eltern: mindestens monatlich 2250 DM (einschließlich 800 DM Warmmiete). Der angemessene Unterhalt des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten beträgt mindestens 1750 DM (einschließlich 600 DM Warmmiete).
2. Bedarf der Mutter und des Vaters eines nichtehelichen Kindes (§§ 1615 L, 1610 BGB): nach der Lebensstellung des betreuenden Elternteils.
Angemessener Selbstbehalt gegenüber der Mutter und dein Vater eines nichtehelichen Kindes (§§ 1615 L Abs.3 S.1 und Abs.5, 1603 Abs.1 BGB): mindestens monatlich 1800 DM.
Düsseldorfer Tabelle (Stand:01.07.1999)
A. Kindesunterhalt:
Anrechenbares Einkommen des Unterhaltspflichtigen
B. Ehegattenunterhalt:
I. Monatliche Unterhaltsrichtsätze des nach dem neuen Recht berechtigten Ehegatten ohne gemeinsame unterhaltsberechtigte Kinder:
Aus §§ 1361, 1569, 1578 BGB
1. gegen einen erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen:
a) wenn der Berechtigte kein Einkommen hat: 3/7 des anrechenbaren Erwerbseinkommens zuzüglich 1/2 der anrechenbaren sonstigen Einkünfte des Pflichtigen, nach oben begrenzt durch den vollen Unterhalt, gemessen an den zu berücksichtigenden ehelichen Verhältnissen;
b) wenn der Berechtigte ebenfalls Einkommen (z.B. Rente, Arbeitslohn, Zinsen) hat:
aa) bei Doppelverdienerehe: 3/7 der Differenz zwischen den anrechenbaren Erwerbseinkommen der Ehegatten, insgesamt begrenzt durch den vollen ehelichen Bedarf; für sonstige anrechenbare Einkünfte gilt der Halbteilungsgrundsatz;
bb) bei Alleinverdienerehe: Unterschiedsbetrag zwischen dem vollen ehelichen Bedarf und dem anrechenbaren Einkommen des Berechtigten, wobei Erwerbseinkommen um 1/7 zu kürzen ist; der Unterhaltsanspruch darf jedoch nicht höher sein als bei einer Berechnung nach aa;
c) wenn der Berechtigte erwerbstätig ist, obwohl ihn keine Erwerbsobliegenheit trifft: Anrechnung nach Billigkeit (§ 1577 Abs.2 BGB).
2. gegen einen nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen (z.B. Rentner):
wie zu 1, jedoch 1/2-Quote insgesamt.
II. Monatliche Unterhaltsrichtsätze des berechtigten Ehegatten mit von ihm versorgten gemeinsamen unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern:
Wie zu 1, jedoch wird vorab der volle Tabellensatz des Kindesunterhalts (ohne Abzug von Kindergeld) vom Nettoeinkommen des Pflichtigen abgezogen.
C. Monatlicher Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen
1. Notwendiger Selbstbehalt gegenüber unverheirateten minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern sowie getrennt lebenden Ehegatten
a) bei nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1300 DM
b) bei erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1500 DM.
2. Angemessener Selbstbehalt gegenüber sonstigen volljährigen Kindern und gegenüber Ehegatten nach §§ 1569 ff. BGB (hier jedoch gern. § 1581 BGB Kürzung aus Billigkeitsgründen bis auf den notwendigen Selbstbehalt möglich)
a) bei nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1800 DM
b) bei erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1800 DM.
Bremer Tabelle zur Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts (Stand: 1. 4. 1999)
Berechnet unter Berücksichtigung von Beitragssätzen von 19,5 % für die Rentenversicherung und 6,5% für die Arbeitslosenversicherung und Lohnsteuer der Klasse 1 ohne Kinderfreibeträge mit Solidaritätszuschlag.
1) In den neuen Bundesländern wird bei einer Beitragsbemessungsgrenze von 7200 DM mit einer Nettobemessungsgrundlage von 4322,19 DM und einem Zuschlag von 66,58% der höchstmögliche Einzahlungsbetrag in die gesetzliche Rentenversicherung von 1404 DM erreicht.
2) In den alten Bundesländern wird bei einer Beitragsbemessungsgrenze von 8500 DM mit einer Nettobemessungsgrundlage von 4858,70 DM und einem Zuschlag von 74,94% der höchstmögliche Einzahlungsbetrag in die gesetzliche Rentenversicherung von 1658 DM erreicht.