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Anordnung einer Verlegung der Startzeit durch Flugsicherung als außergewöhnlicher Umstand

Flugverspätung durch Anordnung der Flugsicherung: Außergewöhnlicher Umstand oder nicht

In einem Urteil des Landgerichts Frankfurt wurde entschieden, dass die Anordnung einer Verlegung der Startzeit durch die Flugsicherung als ein außergewöhnlicher Umstand anzusehen ist, der Fluggesellschaften von der Pflicht zur Leistung von Ausgleichszahlungen an Passagiere bei Verspätungen befreit. Im konkreten Fall wurde die Klage von Fluggästen auf Ausgleichszahlungen wegen einer erheblichen Verspätung ihres Flugs abgewiesen, da die Verspätung auf Personalengpässe bei der Luftverkehrskontrolle zurückzuführen war, was außerhalb der Kontrolle des Luftfahrtunternehmens lag.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2/24 S 120/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Landgericht Frankfurt hat eine Klage auf Ausgleichszahlungen wegen eines verspäteten Flugs abgewiesen.
  2. Die Verzögerung wurde durch eine von der Flugsicherung angeordnete Verlegung der Startzeit verursacht.
  3. Diese Verlegung gilt als außergewöhnlicher Umstand, der das Luftfahrtunternehmen von der Zahlungspflicht befreit.
  4. Die Verantwortung für die Verspätung lag bei Personalengpässen der Luftverkehrskontrolle, was außerhalb der Einflussmöglichkeiten des Luftfahrtunternehmens liegt.
  5. Es wurde betont, dass außergewöhnliche Umstände nicht von der Fluggesellschaft beherrschbar sein müssen.
  6. Die Klägerin, die aus abgetretenem Recht von fünf Fluggästen handelte, trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und es wurde keine Revision zugelassen.
  8. Die Entscheidung stützt sich auf die Rechtsprechung des EuGH zu außergewöhnlichen Umständen und deren Auslegung.

Wenn ein Flug sich verspätet, können sich Passagiere im Falle großer Verspätungen auf bestimmte Rechte berufen. Doch eine Fluggesellschaft muss in einigen Fällen keine Entschädigung zahlen, wenn sie nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht. Ein solches Ereignis ist, wenn die Flugsicherung eine Verlegung der Startzeit anordnet. Kann die Fluggesellschaft nachweisen, dass sie bei der Anordnung alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, dann gilt dies als außergewöhnlicher Umstand und die Ausgleichszahlung entfällt. Dies hat auch der Europäische Gerichtshof entschieden.

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Die Rolle der Flugsicherung bei Flugverspätungen

In einem bemerkenswerten Urteil des Landgerichts Frankfurt, Az.: 2/24 S 120/22, vom 16.02.2023, wurde ein neues Licht auf die Verantwortung von Luftfahrtunternehmen bei Flugverspätungen geworfen.

Startzeitverlegung durch Flugsicherung: Gericht bestätigt außergewöhnlichen Umstand
Flug verspätet? Nicht immer ist die Airline schuld. In diesem Fall ordnete die Flugsicherung eine Startzeitverlegung an – ein außergewöhnlicher Umstand, der zu Entschädigungsansprüchen führen kann. (Symbolfoto: Prostock-studio /Shutterstock.com)

Im Kern des Falles stand eine von der Flugsicherung angeordnete Verlegung der Startzeit, welche eine erhebliche Verspätung eines Fluges von Frankfurt am Main nach Dallas zur Folge hatte. Die Kläger, vertreten durch eine Einzelperson, die aus abgetretenem Recht von fünf Fluggästen handelte, forderten Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c VO (EG) 261/2004, da die Verspätung über vier Stunden betrug.

Die rechtliche Herausforderung bei außergewöhnlichen Umständen

Das Gericht musste entscheiden, ob die Anordnung der Flugsicherung als außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung anzusehen ist, der das Luftfahrtunternehmen von der Pflicht zur Leistung von Ausgleichszahlungen befreit. Laut VO (EG) 261/2004 ist ein Luftfahrtunternehmen zu Ausgleichszahlungen verpflichtet, es sei denn, es kann nachweisen, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Entscheidungsgründe und Urteilsfindung

Das Gericht stellte fest, dass die verzögerte Startfreigabe auf Personalengpässe der Luftverkehrskontrolle zurückzuführen war, ein Umstand, der außerhalb der Einflussnahme des Luftfahrtunternehmens lag. Dementsprechend wurde entschieden, dass die Anordnung der Flugsicherung einen außergewöhnlichen Umstand darstellt, der das Luftfahrtunternehmen von der Leistung von Ausgleichszahlungen befreit. Diese Entscheidung beruht auf der Rechtsprechung des EuGH, die besagt, dass außergewöhnliche Umstände solche sind, die nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens sind und die es nicht tatsächlich beherrschen kann.

Auswirkungen auf die Rechtspraxis

Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Kategorie der „außergewöhnlichen Umstände“ und wie diese von Gerichten interpretiert werden können. Sie zeigt auf, dass Entscheidungen der Flugsicherung, die aus sicherheitsrelevanten oder organisatorischen Gründen getroffen werden, die Luftfahrtunternehmen von der Verantwortung für Verspätungen entbinden können, vorausgesetzt, diese Unternehmen haben alles in ihrer Macht Stehende getan, um die Verspätung zu vermeiden.

Kurz gesagt, das Landgericht Frankfurt hat mit seinem Urteil klargestellt, dass die Anordnungen der Flugsicherung, die zu Verzögerungen führen, als außergewöhnliche Umstände zu werten sind, die Luftfahrtunternehmen von der Pflicht zur Zahlung von Ausgleichsleistungen befreien. Dies verdeutlicht die komplexen Herausforderungen, mit denen sich Luftfahrtunternehmen und Passagiere im Rahmen der Fluggastrechte auseinandersetzen müssen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter einem außergewöhnlichen Umstand im Flugverkehr?

Unter außergewöhnlichen Umständen im Flugverkehr versteht man Ereignisse, die außerhalb der Kontrolle der Fluggesellschaft liegen und die ordnungsgemäße Durchführung eines Fluges beeinträchtigen oder unmöglich machen. Diese Umstände führen in der Regel dazu, dass die Fluggesellschaft von der Pflicht zur Zahlung von Entschädigungen bei Verspätungen oder Annullierungen befreit ist, da sie nachweislich nicht für die Störung verantwortlich ist. Zu den außergewöhnlichen Umständen zählen unter anderem:

  • Technische Defekte, die auf unvorhersehbare Ereignisse zurückgehen, wie beispielsweise ein Defekt, der trotz regelmäßiger Wartung und Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften auftritt.
  • Wetterbedingungen, die so extrem sind, dass ein sicherer Flug nicht möglich ist, wie zum Beispiel starker Schneefall, Gewitter oder Nebel.
  • Streiks, die den Flugbetrieb beeinträchtigen, insbesondere wenn sie unangekündigt sind oder von externem Personal wie Fluglotsen durchgeführt werden. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass Streiks, die durch Entscheidungen der Airline selbst ausgelöst wurden, nicht immer als außergewöhnliche Umstände gelten.
  • Vogelschlag, der zu unvorhergesehenen technischen Überprüfungen und Reparaturen führen kann.
  • Terrorwarnungen oder politische Instabilität, die aus Sicherheitsgründen zu Flugverspätungen oder -annullierungen führen können.
  • Naturkatastrophen, wie Vulkanausbrüche oder Erdbeben, die den Flugverkehr erheblich beeinträchtigen können.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder technische Defekt als außergewöhnlicher Umstand angesehen wird. Die Fluggesellschaft muss nachweisen, dass der Defekt trotz aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermeidbar war. Zudem sind die Fluggesellschaften verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen außergewöhnlicher Umstände zu minimieren und dennoch eine Entschädigungspflicht entfallen zu lassen.

In jedem Fall haben Passagiere Anspruch auf Betreuungsleistungen wie Verpflegung und gegebenenfalls eine Unterbringung, unabhängig davon, ob die Verspätung oder Annullierung durch außergewöhnliche Umstände verursacht wurde.

Wie wird die Verantwortung für Flugverspätungen zwischen Fluggesellschaften und Flugsicherungen abgegrenzt?

Die Verantwortung für Flugverspätungen zwischen Fluggesellschaften und Flugsicherungen wird durch eine Reihe von Faktoren bestimmt, die festlegen, wer für die Verspätung verantwortlich ist und welche Rechte die Passagiere in solchen Fällen haben.

Fluggesellschaften

Fluggesellschaften sind in der Regel für Verspätungen verantwortlich, die durch interne Probleme wie technische Defekte, Probleme mit dem Check-in-System oder durch Entscheidungen der Fluggesellschaft selbst verursacht werden. Wenn beispielsweise ein Check-in-System einer bestimmten Fluggesellschaft ausfällt, ist diese für die entstehenden Flugprobleme verantwortlich und Passagiere haben laut EU-Verordnung Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 € pro Person. Auch Verspätungen, die durch vorherige Verspätungen entstehen und eine Kettenreaktion von Flugverzögerungen auslösen, werden als Selbstverschulden der Fluggesellschaften angesehen.

Flugsicherungen

Flugsicherungen sind für einen erheblichen Teil der Verspätungen verantwortlich, etwa 22% der Abflugsverspätungen gehen auf ihr Konto. Störungen, die im Flugsicherungsturm auftreten und den Luftverkehr behindern, gelten als außergewöhnliche Umstände, für die die Fluggesellschaft nicht verantwortlich gemacht werden kann. Entscheidungen der Flugsicherung, die den Flugverkehr wegen schlechter Wetterbedingungen beschränken, liegen ebenfalls nicht in der Verantwortung der Fluggesellschaft.

Außergewöhnliche Umstände

Außergewöhnliche Umstände, wie schlechtes Wetter, Streiks der Flugsicherung und des Bodenpersonals, oder ein Stromausfall bei der Flugsicherung, befreien die Fluggesellschaft von der Pflicht zur Ausgleichszahlung. In solchen Fällen haben Passagiere keinen Anspruch auf Entschädigung, allerdings haben sie bei einer Flugannullierung das Recht auf einen Ersatzflug oder eine Erstattung des Ticketpreises.

Beweislast

Die Beweislast liegt bei der Fluggesellschaft. Sie muss nachweisen, dass die Verspätung durch außergewöhnliche Umstände verursacht wurde und dass alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätung zu vermeiden. Wenn die Fluggesellschaft nicht nachweisen kann, dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um die Verspätung zu verhindern, können Passagiere Anspruch auf Entschädigung haben.

Zusammenfassend hängt die Verantwortung für Flugverspätungen von der Ursache der Verspätung ab. Während Fluggesellschaften für interne Probleme und Entscheidungen verantwortlich sind, fallen Störungen durch die Flugsicherung oder andere außergewöhnliche Umstände nicht in ihren Verantwortungsbereich. In jedem Fall müssen Fluggesellschaften nachweisen, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben, um die Verspätung zu vermeiden, um von der Entschädigungspflicht befreit zu werden.

Welche Rolle spielt die Fluggastrechteverordnung bei Flugverspätungen?

Die Fluggastrechteverordnung (EG Nr. 261/2004) spielt eine entscheidende Rolle bei Flugverspätungen, indem sie den Passagieren bestimmte Rechte und Ansprüche gegenüber den Fluggesellschaften gewährt. Diese Verordnung gilt für Fluggäste, die von einem Flughafen in der EU abfliegen oder auf einem solchen landen, sofern die Fluggesellschaft ihren Sitz in der EU hat. Hier sind die wichtigsten Punkte, die die Verordnung bei Flugverspätungen abdeckt:

Entschädigung

Passagiere haben Anspruch auf eine Entschädigung, wenn ihr Flug mehr als drei Stunden verspätet am Zielort ankommt. Die Höhe der Entschädigung variiert je nach Flugstrecke zwischen 250 und 600 Euro. Der Anspruch auf Entschädigung besteht jedoch nicht, wenn die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die außerhalb der Kontrolle der Fluggesellschaft liegen, wie z.B. schlechtes Wetter oder Streiks der Flugsicherung.

Betreuungsleistungen

Unabhängig von der Ursache der Verspätung haben Passagiere bei einer Wartezeit von mehr als zwei Stunden Anspruch auf Betreuungsleistungen. Dazu gehören Mahlzeiten, Erfrischungen und gegebenenfalls eine Unterkunft sowie der Transport zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung.

Recht auf Auskunft

Fluggesellschaften sind verpflichtet, ihre Passagiere über ihre Rechte zu informieren. Bei einer Flugannullierung oder -verspätung müssen die Fluggesellschaften den Passagieren ein Merkblatt mit den Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen aushändigen.

Recht auf Erstattung oder Umbuchung

Bei einer erheblichen Verspätung haben Passagiere das Recht, zwischen der vollständigen Erstattung des Ticketpreises und einer anderweitigen Beförderung zum Endziel zu wählen.

Ausnahmen und Besonderheiten

Die Verordnung gilt nicht für Flüge, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif nicht direkt oder indirekt öffentlich verfügbar sind. Außerdem sind technische Probleme, die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigen oder infolge einer unterbliebenen Wartung auftreten, in der Regel keine außergewöhnlichen Umstände, die eine Entschädigung ausschließen.

Zusammengefasst bietet die Fluggastrechteverordnung (EG Nr. 261/2004) einen umfassenden Schutz für Passagiere bei Flugverspätungen, indem sie klare Regeln für Entschädigungen, Betreuungsleistungen und das Recht auf Information, Erstattung oder Umbuchung festlegt.

Was muss ein Luftfahrtunternehmen nachweisen, um sich auf außergewöhnliche Umstände zu berufen?

Um sich auf außergewöhnliche Umstände zu berufen und damit von der Pflicht zur Leistung von Ausgleichszahlungen bei Flugverspätungen oder -annullierungen befreit zu sein, muss ein Luftfahrtunternehmen nach der EU-Fluggastrechteverordnung zwei wesentliche Bedingungen erfüllen:

  • Nachweis außergewöhnlicher Umstände: Das Luftfahrtunternehmen muss darlegen und beweisen, dass die Verspätung oder Annullierung des Fluges auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die außerhalb seiner Kontrolle liegen. Außergewöhnliche Umstände sind solche, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Beispiele für außergewöhnliche Umstände sind Verzögerungen nach Vogelschlag, Streik fremden Personals, außergewöhnliche Wetterereignisse, verzögerte Schneeräumung nach starkem Schneefall, Verzögerungen durch auf dem Flug erkrankten Passagier oder Anweisungen der Flugsicherung.
  • Nachweis der Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen: Das Luftfahrtunternehmen muss zusätzlich nachweisen, dass es alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Verspätung oder Annullierung zu vermeiden bzw. die Auswirkungen zu minimieren. Es reicht nicht aus, lediglich das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu behaupten. Die Fluggesellschaft muss auch darlegen, dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um die Fluggäste trotz der außergewöhnlichen Umstände pünktlich an ihr Ziel zu bringen. Dies kann beispielsweise das Bereithalten von Ersatzflugzeugen oder das Anfragen von Subchartern umfassen.

Die Beweislast liegt dabei bei der Fluggesellschaft. Sie muss vor Gericht oder gegenüber den zuständigen Behörden und den betroffenen Passagieren nachweisen, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände erfüllt sind und dass trotz dieser Umstände alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätung oder Annullierung zu vermeiden.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  1. Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004
    Erklärt die Bedingungen, unter denen Fluggesellschaften bei Flugannullierungen oder großen Verspätungen von der Verpflichtung zur Leistung von Ausgleichszahlungen befreit sind, insbesondere bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände.
  2. Art. 7 Abs. 1 lit. c VO (EG) 261/2004
    Legt die Höhe der Ausgleichszahlungen fest, die Fluggästen im Falle von großen Verspätungen zustehen können, abhängig von der Flugdistanz.
  3. §§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO
    Regelt die Berufungsgründe und die Anforderungen an die Darstellung der Entscheidungsgründe in einem Berufungsurteil.
  4. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO
    Bestimmt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
  5. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO
    Bezieht sich auf die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit von Urteilen und die damit verbundenen Sicherheitsleistungen.
  6. § 543 Abs. 2 ZPO
    Bestimmt die Voraussetzungen, unter denen die Revision gegen ein Urteil zulässig ist, insbesondere im Hinblick auf die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung oder die Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtsprechung.


Das vorliegende Urteil

LG Frankfurt – Az.: 2/24 S 120/22 – Urteil vom 16.02.2023

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9.6.2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main – Az. 30 C 4489/20 (68) – wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).

II.

Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte und fristgemäß begründete Berufung der Beklagten ist in der Sache auch begründet.

Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht von fünf Fluggästen wegen der Verzögerung des Fluges am 15.2.2018 von Frankfurt am Main nach Dallas (……..) kein Anspruch auf Ausgleichsleistung gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c VO (EG) 261/2004 (im Folgenden VO genannt) in Höhe von 600 € pro Fluggast zu.

Zwar erreichte die Zedentin das vereinbarte Endziel in Dallas erst mit einer Verzögerung von mehr als vier Stunden.

Eine solche Verzögerung ist grundsätzlich geeignet, einen Anspruch auf Ausgleichsleistung zu begründen, denn die Art. 5, 6 und 7 der VO sind dahingehend auszulegen, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden können und somit den in Art. 7 VO vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleiden, d.h. wenn sie ihr Ziel nicht früher als 3 Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunft erreichen (EuGH, Urt. 19.11.2009, Az. C-402/07).

Das ausführende Luftfahrtunternehmen ist allerdings dann nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gem. Art. 7 der VO zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung bzw. eine solche große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, Art. 5 Abs. 3 VO. Dafür trägt das Luftfahrtunternehmen die Darlegungs- und Beweislast (EuGH, Urt. 19.11.2009, Az. C-402/07; EuGH, Urt. 22.12.2008; Az. C-549/07). Diesem obliegt es, darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass es ihm auch unter Einsatz aller ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel nicht möglich gewesen wäre, ohne angesichts der Kapazitäten des Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer die Annullierung bzw. große Verspätung zu vermeiden (BGH, Urt. 14.10.2010, Az. Xa ZR 15/10).

Grundsätzlich kann die Anordnung einer Verlegung der Startzeit durch die Flugsicherung einen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 VO darstellen. Ein Luftverkehrsunternehmen muss bei seiner Planung von den im Flugplan vorgesehenen Start- und Landezeiten ausgehen und selbst alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, damit von seiner Seite die Voraussetzungen für die Einhaltung des Flugplans geschaffen und aufrechterhalten werden. Das Luftverkehrsunternehmen, dem für einen bestimmten Flug eine Startzeit am Abflugort und eine Landezeit am Ankunftsort zugewiesen sind, hat jedoch keinen Einfluss darauf, ob ihm, auch wenn es selbst alle hierfür erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, tatsächlich auch der Abflug zur vorgesehenen Zeit und die Landung zur vorgesehenen Zeit gestattet werden. Nicht anders als Wetterbedingungen, die der planmäßigen Durchführung eines Flugs entgegenstehen, können Entscheidungen der Luftverkehrsbehörden oder eines Flughafenbetreibers „von außen“ in den vorgesehenen Flugverlauf eingreifen. Erwägungsgrund 15 der Fluggastrechteverordnung zählt demgemäß „Entscheidungen des Flugverkehrsmanagements“ (air traffic management decision; décision relative à la gestion du trafic aérien) zu einem einzelnen Flugzeug, die unvermeidbare Verspätungen oder Annullierungen von mit diesem zu absolvierenden Flügen zur Folge haben, zu den außergewöhnlichen Umständen (BGH, Urteil vom 13. November 2013 – X ZR 115/12 –, Rn. 14, juris; LG Frankfurt, Urteil vom 16. September 2021 – 2-24 S 189/20 –, Rn. 10, juris; LG Frankfurt, Urteil vom 28. Mai 2020 – 2-24 S 154/19 –, Rn. 19, juris).

Allerdings setzt die Entlastung des Luftfahrtunternehmens bei solchen Anordnungen – wie auch der BGH betont – voraus, dass es selbst alles Mögliche und Zumutbare getan hat, damit von seiner Seite die Voraussetzungen für die Einhaltung des Flugplans geschaffen und aufrechterhalten werden. Damit darf der Grund für eine Verlegung der Startzeit durch eine Anordnung der Flugsicherung nicht auf dem Betrieb des Luftfahrtunternehmens beruhen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH zu außergewöhnlichen Umständen. Ein von außen kommender Umstand liegt dann nicht vor, wenn der Grund von einem Flugzeug des Luftfahrtunternehmens stammt, das diesen Flug durchgeführt hat (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2019 – C-159/18 –, Rn. 18, juris).

Im vorliegenden Fall ist die Beklagte für den Grund der verzögerten Startfreigabe nicht verantwortlich. Vielmehr lag nach den Feststellungen des Amtsgerichts, gestützt durch die Auskunft von Eurocontrol, der Grund für die verzögerte Startfreigabe in Personalengpässen der Luftverkehrskontrolle in Langen. Diesen Grund kann die Beklagte nicht beherrschen.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts scheitert die Annahme eines außergewöhnlichen Umstandes i.S.d. Art. 5 Abs. 3 VO nicht daran, dass dieser Grund wiederholt auftritt und es deswegen an der Außergewöhnlichkeit fehlt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) werden als „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004, der eng auszulegen ist, Vorkommnisse angesehen, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind, wobei diese beiden Bedingungen kumulativ sind und ihr Vorliegen von Fall zu Fall zu beurteilen ist (Urteil vom 23. März 2021, Airhelp, C-28/20, EU:C:2021:226, Rn. 23 und 24 sowie die dort angeführte Rechtsprechung und EuGH, Beschluss vom 3. Oktober 2022 – C-302/22 –, Rn. 16, juris).

Unter diesen Begriff fallen als sogenannte „externe“ Ereignisse, diejenigen Ereignisse, die auf die Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens und auf äußere Umstände zurückzuführen sind, die in der Praxis mehr oder weniger häufig vorkommen, aber vom Luftfahrtunternehmen nicht beherrschbar sind, weil sie auf ein Naturereignis oder die Handlung eines Dritten, etwa eines anderen Luftfahrtunternehmens oder einer öffentlichen oder privaten Stelle, zurückgehen, die in den Flug- oder den Flughafenbetrieb eingreifen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. März 2021, Airhelp, C-28/20, EU:C:2021:226, Rn. 40 und 41 und EuGH, Urteil vom 7. Juli 2022 – C-308/21 –, Rn. 25, juris; als externe Ursachen anerkannt: die Kollision eines Flugzeugs mit einem Vogel, Urteil vom 4. Mai 2017, Pešková und Peška, C-315/15, EU:C:2017:342, Rn. 26; die Beschädigung des Reifens eines Flugzeugs durch einen Fremdkörper, wie einen umherliegenden Gegenstand auf dem Rollfeld eines Flughafens, Urteil vom 4. April 2019, Germanwings, C-501/17, EU:C:2019:288, Rn. 34; Vorhandensein von Treibstoff auf einer Flughafenrollbahn, das zu deren Schließung geführt hatte, Urteil vom 26. Juni 2019, Moens, C-159/18, EU:C:2019:535, Rn. 29; eine Kollision zwischen dem Höhenruder eines Flugzeugs in Parkposition und dem Winglet eines Flugzeugs einer anderen Fluggesellschaft, die durch die Bewegung des zweiten Flugzeugs verursacht wurde, Beschluss vom 14. Januar 2021, Airhelp, C-264/20, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:26, Rn. 26; aber genauso ein versteckter Fabrikationsfehler oder auch Sabotageakte oder terroristische Handlungen, Urteile vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann, C-549/07, EU:C:2008:771, Rn. 26, und vom 17. September 2015, van der Lans, C-257/14, EU:C:2015:618, Rn. 38).

Aus dieser Rechtsprechung zum Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO ergibt sich, dass Vorkommnisse mit im Hinblick auf das ausführende Luftfahrtunternehmen „interner“ Ursache von solchen mit „externer“ Ursache zu unterscheiden sind (vgl. EuGH, Urteil vom 23. März 2021 – C-28/20 –, Rn. 39 – 41, juris).

Auf der Grundlage dieser Definition des außergewöhnlichen Umstandes durch den EuGH sind Anordnungen der Flugsicherung als externe Ursachen anzusehen. Das Kriterium des Amtsgerichts, dass der Umstand nicht als außergewöhnlich anzusehen ist, wenn er häufig vorkommt, findet sich in der Definition des EuGH nicht wieder, weil es auf die Häufigkeit bei der Unterscheidung zwischen externer und interner Ursache nicht ankommt.

Dass die verzögerte Ankunft in Dallas auch darauf beruhte, dass die Beklagte zum Wechsel der Crew in New York hat zwischenlanden müssen, bleibt ohne Bedeutung. Die Notwendigkeit, die Crew zu wechseln, weil die Dienstzeit abgelaufen war, beruht auf dem durch die Anordnungen der Flugsicherung verzögerten Start in Frankfurt am Main. Ohne diese Ursache wäre die Dienstzeit der Crew nicht abgelaufen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin als insgesamt unterlegene Partei zu tragen (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht, nachdem die Beschwer für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in der Fassung vom 12.12.2019 nicht erreicht wird.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Es ist die gefestigte Rechtsprechung des EuGH auf einen Einzelfall anzuwenden.

 

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