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Auffahrunfall – Kausalität für Schultergelenksprengung

AG Paderborn – Az.: 55 C 160/15 – Urteil vom 19.09.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Am … gegen 13:50 Uhr befuhr der Kläger mit seinem Pkw Opel, amtl. Kennzeichen …, die B64 in Q in Fahrtrichtung E. An der Einmündung zur K7 (T Straße) hielt der Kläger verkehrsbedingt vor einer roten Lichtzeichenanlage. Hinter dem klägerischen Fahrzeug hielt ein weiteres Fahrzeug an, auf dieses Fahrzeug fuhr die Fahrerin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw hinten auf. Infolge des Aufpralls wurden alle drei Fahrzeuge zusammengeschoben, d.h. beide hinter dem Kläger stehenden Fahrzeuge auf dessen Fahrzeug.

Mit Anwaltsschreiben vom 09.07.2015 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die streitgegenständlichen Ansprüche geltend, die diese mit Schreiben vom 28.07.2015 ablehnte. Die grundsätzliche volle Haftung der Beklagten für die Unfallschäden war aber vorgerichtlich zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger behauptet, die streitgegenständliche Kollision habe sich in zwei Anstößen vollzogen. Zunächst sei das mittlere Fahrzeug durch den Heckaufprall des Beklagtenfahrzeugs auf das Klägerfahrzeug aufgeschoben worden, woraufhin es zu einer erneuten Trennung der beiden vorderen Fahrzeuge gekommen und das mittlere Fahrzeug zurückgestoßen worden sei. Sodann habe ein erneuter Anstoß zu einem nochmaligen Aufschieben aller Fahrzeuge auf das Klägerfahrzeug geführt. Der Kläger habe infolge des ersten Aufpralls die Schultern und Arme am Steuer seines Fahrzeugs angespannt und das Lenkrad festgehalten. Daher sei es durch den zweiten Aufprall zu einer Sprengung des linken Schultereckgelenks, verursacht durch den Sicherheitsgurt, gekommen. Die linke Schulter sei vorher beschwerdefrei gewesen. Der Kläger habe sich infolge der Unfallverletzungen bis Juni 2015 in Behandlung befunden und sich noch am Unfalltag selbst in das Krankenhaus T begeben, wo allerdings nur ein Muskelkrampf diagnostiziert worden sei, da lediglich eine oberflächliche Behandlung stattgefunden habe. In Ermangelung früherer Termine habe der Kläger am 27.11.2014 bei dem ihm zuvor unbekannten Arzt Dr. U eine Behandlung mittels Kortison und Schmerzmitteln eingeleitet. Da keine Besserung erfolgt sei, habe sich der Kläger in eine Kernspintomographie begeben, wo am 02.01.2015 ein Ödem des lateralen Klavikulaendes festgestellt worden sei. Am 26.01.2015 sei bei einem CT der linken Schulter eine erosive Arthrose mit deutlichen degenerativen Veränderungen festgestellt worden, hingegen weder eine Fraktur noch eine Sprengung höheren Grades.

Der Kläger habe sich von Oktober 2014 bis April 2015 unfallbedingt in physiotherapeutischer Behandlung befunden und vom 26.05.2015 bis 31.05.2015 in stationärer Behandlung aufgrund der notwendig gewordenen Operation der linken Schulter. Infolgedessen habe bis 13.06.2015 Arbeitsunfähigkeit bestanden.

Der Kläger hält vor diesem Hintergrund ein Schmerzensgeld von mindestens 3.000,00 EUR für angemessen.

Der Kläger behauptet zudem, Aufwendungen für Medikamente, Behandlungen, Zuzahlungen und Fahrten zu Ärzten bzw. ins Krankenhaus in Höhe von 479,36 EUR gehabt zu haben, wegen deren genauer Berechnung auf Bl. 7 der Akte Bezug genommen wird.

Der Kläger behauptet weiter außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 218,72 EUR.

Der Kläger beantragt,

1.)  die Beklagte zu verurteilen, an ihn 479,36 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit dem 30.07.2015 zu zahlen,

2.)  die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 3.000,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.07.2015 zu zahlen,

3.)  die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 218,72 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise ihn von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 218,72 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet die Kausalität der vorgetragenen Verletzungen des Klägers. Es habe sich insgesamt lediglich um ein leichtes Aufprallgeschehen gehandelt, sodass die Schulterverletzung des Klägers nicht unfallbedingt sei. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass eine Diagnose einer derartigen Verletzung am 16.11.2014 unmittelbar nicht erfolgt sei, vielmehr am 26.01.2015 habe ausgeschlossen werden können. Die Verletzungsbilder des Klägers hätten ausschließlich degenerative Ursachen, nämlich ein Impingementsyndrom und eine ACG-Arthrose.

Die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung habe max. 7 km/h betragen, zudem habe die vom Kläger vorgetragene Belastung auf Arm und Schulter in Form eines Abstützens nicht die nunmehr behauptete Wirkung haben können, da dieser Zusammenhang grundsätzlich nur bei einem Frontalzusammenstoß denkbar gewesen wäre.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe bereits vor dem Unfall Physiotherapie erhalten.

Soweit der Kläger eine Zuzahlung für das Krankenhaus i.H.v. 60,00 EUR geltend mache, sei diese nicht erstattungsfähig, da sich der Kläger in derselben Höhe einen Vorteilsausgleich wegen ersparter Verpflegungskosten anrechnen lassen müsse. Fahrtkosten seien allenfalls i.H.v. 0,20 EUR pro Kilometer erstattungsfähig.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch mündliche Vernehmung der Zeuginnen G und I, durch schriftliche Vernehmung der Zeugen Dr. U, S, Dr. L und Dr. C sowie durch Einholung zweier schriftlicher Gutachten der Sachverständigen Q und Dr. L sowie deren ergänzende Anhörung. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten vom 07.01.2016 bzw. 29.05.2017, die schriftlichen Aussagen vom 26.07.2017, 25.07.2017, 02.08.2017 und 04.08.2017 sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 15.11.2016 und 19.09.2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO fest, dass die Voraussetzungen zur Begründung des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs nicht vorliegen.

Auffahrunfall - Kausalität für Schultergelenksprengung
(Symbolfoto: Von chayanuphol/Shutterstock.com)

Der Kläger kann aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignis gegen den Beklagten weder eine Schmerzensgeld- noch eine weitergehende materielle Schadensersatzforderung in Bezug auf die behaupteten Verletzungen geltend machen, da die bei dem Kläger festgestellten bzw. unstreitig vorhandenen Krankheitsbilder zur Überzeugung des Gerichts nicht kausal auf den streitgegenständlichen Verkehrsunfall zurückgeführt werden können.

Die Kausalität im Sinne des Schadensersatzrechts ist grundsätzlich nach der Äquivalenztheorie zu beurteilen, d.h. nach der Frage, ob eine Ursache nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele.

Insbesondere aufgrund der Begutachtung des Klägers durch den medizinischen Sachverständigen Dr. L und dessen ergänzende Erörterungen im Verhandlungstermin steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der streitgegenständliche Verkehrsunfall jedenfalls keine in diesem Sinne kausale Ursache für die Krankheitsbilder des Klägers darstellt.

Der Sachverständige Dr. L hat im Rahmen seiner Begutachtung zwar grundsätzlich die von dem Kläger vorgetragenen und zum Gegenstand des Rechtsstreits gemachten Beschwerden diagnostizieren und klassifizieren, ihnen aber den Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall fundiert und wissenschaftlich überzeugend absprechen können. Insoweit hat der Sachverständige nachvollziehbar Bezug genommen auf den durch bereits durch Gutachten und ergänzende Erläuterungen des technischen Sachverständigen Q festgestellten Unfallverlauf, wonach insbesondere der Kläger, insoweit auch seiner eigenen Einlassung folgend, aufgrund des reflexartigen Anspannens der Arme und des Festhaltens am Lenkrad im Kollisionszeitpunkt einer physikalischen Zugbelastung ausgesetzt gewesen sei. Der Sachverständige Q hat diese Erkenntnis im Rahmen des Verhandlungstermins am 15.11.2016 detailliert zur Überzeugung des Gerichts erläutert und insbesondere andere technische Zusammenhänge als nicht naheliegend ausgeschlossen.

Von diesen Feststellungen ausgehend ist der Sachverständige Dr. L in ebenso nachvollziehbarer Weise zu der Erkenntnis gelangt, dass die im Schultereckgelenk bzw. AC-Gelenk bei dem Kläger festgestellten Beschwerden wie eine Eckgelenksprengung und ein Impingement-Syndrom jedenfalls nicht in dieser Zugbelastung ihre Ursache haben können. Der Sachverständige hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass derartige Verletzungsbilder im Schultereckgelenk allenfalls durch ein Stoß- oder Sturzereignis, nicht aber durch eine gegenläufige Zugbelastung hervorgerufen werden könnten. Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, dass bei den bildgebenden Untersuchungen des Klägers zusätzlich zu den akut aufgetretenen Krankheitserscheinungen wie insbesondere einem Ödem im Schultergelenk degenerative Veränderungen festzustellen gewesen seien. Der Sachverständige kommt daher aus Sicht des Gerichts in überzeugender Weise zu dem Schluss, dass aus medizinischer Sicht nur eine schicksalhafte Krankheitsentwicklung bei dem Kläger angenommen werden könne, insoweit, als sich ein bereits bestehendes, zuvor nicht symptomatisch in Erscheinung getretenes Krankheitsbild in zeitlich zufälligem Zusammenhang mit dem Unfallereignis tatsächlich zu zeigen begonnen habe. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang fundiert erläutert, dass nach statistischen Erhebungen der Medizin der Kläger einer Risikogruppe angehöre, bei denen regelmäßig mit entsprechenden Krankheitsbildern gerechnet werden müsse, wenngleich diese in zahlreichen Fällen symptomlos verliefen. In diesem Zusammenhang sind auch die schriftlichen Zeugenaussagen der Zeugen Dr. U, S, Dr. L und Dr. C zu sehen, wonach bei dem Kläger jedenfalls vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis kein Handlungsbedarf hinsichtlich der nunmehr erkrankten linken Schulter bestanden habe. Der Sachverständige hat insoweit auch überzeugend den Zusammenhang dieser statistischen Erkenntnisse mit einer bei dem Kläger tatsächlich als unfallbedingt festgestellten Zerrung der Schulter hergestellt. Diese Verletzung sei, dem Normalfall entsprechend, nach einer Karenzzeit von 6-8 Wochen ohne weitere Behandlung abgeheilt. Gleichzeitig sei aber aufgrund dieser Diagnose eine weitere Untersuchung auf die nunmehr als degenerativ zu klassifizierenden Krankheitsbilder wegen ihrer vorherigen Unauffälligkeit nicht indiziert gewesen.

Der Sachverständige hat unter entsprechender detaillierter Erläuterung, insbesondere auch anhand eines mitgebrachten dreidimensionalen Modells, weiter ausgeführt, dass die bei dem Kläger festgestellten Verletzungsbilder durch eine wie bei dem streitgegenständlichen Unfall anzunehmenden Zugbelastung gegebenenfalls sogar kontraindiziert würden, d.h., dass eine derartige Belastung bei einem wie beim Kläger geschädigten Gelenk sogar Bestandteil einer Therapiemaßnahme sein könne.

Jedenfalls steht damit zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine Kausalität des streitgegenständlichen Unfallereignisses bzw. der insoweit auf den Kläger einwirkenden physikalischen Belastung für die Entstehung des im Rechtsstreit vorgetragenen Verletzungsmusters auszuschließen ist.

Die von dem Sachverständigen Dr. L tatsächlich als unfallbedingt festgestellte Zerrung der Schulter des Klägers rechtfertigt für sich genommen die Begründung eines Schmerzensgeldanspruchs nicht. Dies ergibt sich insbesondere aus der insoweit überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen, dass weder Medikations- noch Behandlungsbedarf bestanden und eine folgenlose Ausheilung stattgefunden habe.

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Vor diesem Hintergrund sind auch die seitens des Klägers weiter geltend gemachten Schadensersatzforderungen im Hinblick auf Fahrt- und Behandlungskosten im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Verletzungen i.H.v. 479,36 EUR nicht ersatzfähig, da es auch insoweit an der Kausalität zwischen dem streitgegenständlichen Unfall und den für den Kläger notwendigen Behandlungsmaßnahmen fehlt.

In Ermangelung einer begründeten Hauptforderung bleiben auch die Nebenforderungen ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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