BGH
Az: VII ZR 113/10
Beschluss vom 14.07.2011
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juli 2011 beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 97 Abs. 1 ZPO.
Gegenstandswert: 129.222,50 €
Gründe
Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, denn die Rechtsfrage, wie im Falle des Rücktritts gemäß § 634 Nr. 3 BGB ein nach § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB geschuldeter Wertersatz zu berechnen ist, bedarf nicht der Klärung durch den Senat.
1.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291).
2.
Die durch die Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig.
a)
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19. November 2008 VIII ZR 311/07, BGHZ 178, 355) hat entschieden, dass im Falle des Rücktritts wegen Zahlungsverzugs bei der Berechnung des Wertersatzes die im Vertrag bestimmte Gegenleistung zu Grunde zu legen ist. Eine Nichtanwendung des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Grund einer teleologischen Reduktion in dem Fall, dass der objektive Wert der Leistung, für die Wertersatz geschuldet wird, höher ist als der Wert der Gegenleistung, hat der Bundesgerichtshof abgelehnt (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2008 – VIII ZR 311/07, BGHZ 178, 355, Rn. 13 f.). Für den umgekehrten Sachverhalt gilt nichts anderes (BGH, Urteil vom 19. November 2008 – VIII ZR 311/07, aaO Rn. 15).
b)
Auch die Rechtsfrage, wie im Falle des Rücktritts wegen einer mangelhaften Leistung gemäß § 634 Nr. 3 BGB ein nach § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB geschuldeter Wertersatz zu berechnen ist, ist nicht klärungsbedürftig. Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht der eindeutigen Gesetzeslage und der entsprechend nahezu einhelligen Meinung der Literatur. Abweichende Entscheidungen der Gerichte sind nicht bekannt und hat die Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht aufgezeigt.
aa)
Die Regelung des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB unterscheidet hinsichtlich der Art der Berechnung des Wertersatzes nicht nach dem zugrunde liegenden Rücktrittsgrund. Auch bei einem Rücktritt wegen einer mangelhaften Leistung ist deshalb von einer Berechnung des Wertersatzes auszugehen, wie sie der VIII. Zivilsenat (BGH, Urteil vom 19. November 2008 – VIII ZR 311/07, aaO) angenommen hat.
(1)
Den Gesetzesmaterialien ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass bei einem Rücktritt wegen einer mangelhaften Leistung deren objektiver Wert entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der Berechnung des Wertersatzes zu Grunde zu legen ist. Im Gegenteil: § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB hat seine Ausgestaltung gerade im Hinblick auf einen Rücktritt wegen eines Mangels erhalten. Nach dem Regierungsentwurf sollte sich die Wertersatzpflicht nach der im Vertrag bestimmten Gegenleistung richten; nur bei Fehlen einer solchen Bestimmung sollten die objektiven Wertverhältnisse entscheidend sein (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6857, S. 781). Auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundesrates wurde die Formulierung des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB geändert, weil bei einem Rücktritt wegen eines Mangels die Gegenleistung nur als Ausgangspunkt der Berechnung des Wertersatzes dienen könne (Stellungnahme des Bundesrates, Anlage 2 zu BT-Drucks. 14/6857, S. 22, Ziff. 71).
(2)
Im Hinblick auf die damit § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB zugrunde liegende Wertentscheidung des Gesetzgebers kommt eine Berechnung des Wertersatzes nach dem objektiven Wert der Leistung (so aber Kohler, JZ 2002, 682, 689 f.) nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2008 VIII ZR 311/07, aaO).
bb)
Erfolgt der Rücktritt wegen eines Mangels und kann die empfangene Leistung nicht zurückgegeben werden, muss der Mangel bei der Bemessung des Wertersatzes berücksichtigt werden. Dabei ist folgerichtig von denselben Grundsätzen wie bei der Minderung auszugehen und dementsprechend eine Herabsetzung in Analogie zu § 441 Abs. 3 bzw. § 638 Abs. 3 BGB vorzunehmen.
(1)
Der Vorschrift des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB ist die Berechnung des Wertersatzes im Falle des Rücktritts wegen einer mangelhaften Leistung nicht unmittelbar zu entnehmen. Nach den Gesetzesmaterialien ist Ausgangspunkt der Berechnung die für die mangelfreie Leistung vereinbarte Gegenleistung (Stellungnahme des Bundesrates, Anlage 2 zu BT-Drucks. 14/6857, S. 22, Ziff. 71), weil an den vertraglichen Bewertungen grundsätzlich festgehalten werden soll (Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6857, S. 781). Für eine Kürzung des als Gegenleistung vereinbarten Entgelts um den Gewinnanteil aus Wertungsgesichtspunkten (so Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 346 Rn. 10) ist daher und deshalb, weil die Regelungen über die Rückabwicklung eines Vertrags aufgrund eines vertraglichen oder gesetzlichen Rücktritts keinen Sanktionscharakter haben (BGH, Urteil vom 19. November 2008 – VIII ZR 311/07, aaO), kein Raum.
(2)
Der Mangel der Leistung ist vielmehr bei der Berechnung des Wertersatzes durch eine analoge Anwendung des § 441 Abs. 3 bzw. § 638 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen, wie dies auch der in der Literatur nahezu einhellig vertretenen Meinung entspricht (vgl. MünchKommBGB/Gaier, 5. Aufl., § 346 Rn. 45; Staudinger/Kaiser [2004], § 346 Rn. 104 f.; Faust in: jurisPK-BGB, 5. Aufl., § 346 Rn. 81 f.; A. Röthel in: Erman, BGB, 12. Aufl., § 346 Rn. 15; Grothe in: BeckOK BGB, Stand: 01.02.2007, § 346 Rn. 46; Hager in: AnwK-BGB, § 346 Rn. 46; PWW/Medicus/Stürner, 6. Aufl., § 346 Rn. 9; Faust in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2002, 10. Kap. Rn. 11; Rolland in: Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendlandt, Das neue Schuldrecht, 2002, § 4 Rn. 49; Schwab in: Schwab/Witt, Einführung in das neue Schuldrecht, 2002, S. 196 f.; Arnold/Dötsch, NJW 2003, 187, 188; Gaier, WM 2002, 1, 9 f.; Kaiser, JZ 2001, 1057, 1059). Nur damit wird gewährleistet, dass im Rahmen der Rückabwicklung das zwischen den Parteien vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung entsprechend der gesetzgeberischen Intention unverändert bleibt.
3.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).