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Sozialhilfe und Leistungen zur Befriedigung sexueller Bedürfnisse

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Az.: 12 BV 06.320

Urteil vom 10.05.2006

Vorinstanz: VG München, Az.: M 15 K 93.6441, Urteil vom 17. November 2005


In der Verwaltungsstreitsache wegen Sozialhilfe; hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 17. November 2005, erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat, aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Mai 2006 am 10. Mai 2006 folgendes Urteil:

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 17. November 2005 wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt sinngemäß die Verpflichtung der Beklagten, die Kosten für neun Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente in den Monaten April, Juli und Oktober 2003 zu übernehmen.

1.

Der am 23. Oktober 1954 geborene Kläger ist schwerstbehindert. Er bezieht von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung (monatlich 1.149,33 €), pauschale Eingliederungshilfe (monatlich 715 €) und Mindestpflegegeld (monatlich 222 €).

Wegen der Schwere seiner Behinderung erhält er außerdem Grundpflege im Umfang von 4 Stunden täglich, hauswirtschaftliche Versorgung im Umfang von 1 Stunde und 20 Minuten täglich sowie Pflegebereitschaft im Umfang von 2 Stunden 10 Minuten täglich. Der Kläger kann mit der Restfunktion seiner linken Hand lediglich ein Notrufsystem bedienen.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für „Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente“. Die Krankenkasse habe eine Übernahme bereits abgelehnt. Nach der beigefügten ärztlichen Stellungnahme des Dr. K. vom 16. August 2002 leidet der Kläger an einer spastischen Cerebrallähmung bei Zustand nach Suizidversuch sowie depressiver Reaktion. Zudem sei im März 2000 vom Bezirkskrankenhaus H. ein gesteigertes sexuelles Verlangen diagnostiziert worden. Aufgrund seiner Behinderung sei der Kläger nicht in der Lage, sein sexuelles Bedürfnis aus eigener Kraft bzw. manuell zu befriedigen. Der Kläger leide seelisch schwer unter seiner Übersexualität und der mangelnden Befriedigung.

2.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24. Februar 2003 ab. Die Kosten für Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente gehörten nicht zum notwendigen Lebensbedarf. Ebenso wenig könnten die Kosten im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen übernommen werden. Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente seien keine Leistungen der Krankenhilfe, da es sich nicht um die Behandlung einer Krankheit handele. Die Massagen stellten weder Maßnahmen der Eingliederungshilfe dar noch sei eine Kostenübernahme im Rahmen der Hilfe zur Pflege möglich, weil es sich um keine Hilfe bei gewöhnlich wiederkehrenden Verrichtungen im Sinn des § 68 Abs. 5 BSHG handele.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Regierung von O. mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2003 zurück. Ergänzend zum Erstbescheid wurde ausgeführt, dass die Kosten nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen werden könnten, da das Ausleben der individuellen Sexualität gerade nicht im Leben in der Gemeinschaft stattfinde und den Kläger auch nicht unabhängiger von Pflegeleistungen mache.

3.

Am 8. Dezember 2003 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht München Klage, mit der er zuletzt sinngemäß beantragte, den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2003 in Form des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für die in Anspruch genommenen Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente zu übernehmen, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide zu verpflichten, erneut über seinen Antrag vom 6. Dezember 2002 nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Aus einer vom Kläger vorgelegten Bestätigung der Firma M. vom 10. Mai 2005 geht hervor, dass er im April, Juli und Oktober 2003 je 3 mal Ganzkörpermassagen mit Handentspannung (zu je 90 €) durchführen ließ.

Mit Urteil vom 17. November 2005 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2003 und den Widerspruchsbescheid vom 28. November 2003 auf und verpflichtete die Beklagte, über den Antrag des Klägers vom 6. Dezember 2002 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Übrigen wies es die Klage ab. Der Kläger habe entgegen der Auffassung der Beklagten Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe, die grundsätzlich auch die Durchführung von Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente umfassten. Der Beklagten stehe jedoch nach § 4 Abs. 2 BSHG hinsichtlich der Form und des Maßes der Sozialhilfe ein Ermessen zu, so dass nur eine Verbescheidung in Betracht komme. Anspruchsgrundlage sei § 39 Abs. 1 BSHG. Der Begriff „Eingliederung in die Gesellschaft“ in § 39 Abs. 3 Satz 1 BSHG sei weit auszulegen und umfasse alle Bereiche des menschlichen Lebens, aus denen ein behinderter Mensch aufgrund seiner Behinderung ausgegrenzt werden könne. Ein derartig umfassendes Verständnis des Begriffs der Eingliederungshilfe gebiete auch das in Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerte Benachteiligungsverbot von Behinderten gegenüber Nichtbehinderten.

Eingliederungshilfe als Nachteilsausgleich könne nur für solche Bedarfslagen gewährt werden, für die auch bei Nichtbehinderten ein sozialhilferechtlicher Bedarf anzuerkennen sei. Prüfungsmaßstab hierfür seien bei dem streitgegenständlichen Anspruch § 12 Abs. 1 i.V.m. §§ 21 Abs. 1, 22 BSHG, die die existenzielle Grundsicherung, also die Deckung der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, bezweckten.

Zu ihnen zählten auch die Erfahrung und das Erleben der eigenen Sexualität und die Möglichkeit ihrer Befriedigung. Die Aufwendungen für das Sexualleben seien dabei grundsätzlich im Regelsatz enthalten. Dem Hilfesuchenden sei es zuzumuten, die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse an den Möglichkeiten und Grenzen der Regelsatzhilfe auszurichten und deshalb gegebenenfalls auf „kostengünstigere“ Sexualpraktiken auszuweichen und/oder die Häufigkeit des Verkehrs einzuschränken.

Der Kläger bedürfe aufgrund seiner Behinderung der Eingliederungshilfe, um ein Mindestmaß an sexueller Befriedigung zu erhalten. Er könne nicht auf die ihm gewährte Regelsatzleistung verwiesen werden, weil er aufgrund der Schwere seiner Behinderung nicht in der Lage sei, sein sexuelles Bedürfnis aus eigener Kraft bzw. manuell zu befriedigen. Nach dem Gutachten der Beklagten vom 7. August 2000 habe er nur noch Restfunktionen in der linken Hand, die ihn dazu befähigten, ein Notrufsystem zu bedienen. Zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse sei er daher auf die Hilfe einer dritten Person angewiesen. Die Kosten hierfür, die bereits bei einmaliger monatlicher Inanspruchnahme ungefähr ein Drittel des Regelsatzes betragen würden, überträfen den im Regelsatz vorgesehenen Anteil für Bedürfnisse des täglichen Lebens erheblich. Sie seien daher nicht mehr vom Regelsatz gedeckt, sondern als Leistungen der Eingliederungshilfe zusätzlich zu den Regelsatzleistungen zu gewähren. Gemäß § 4 Abs. 2 BSHG entscheide der Sozialhilfeträger über Form und Maß der Sozialhilfe nach pflichtgemäßem Ermessen. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor. Die Eingliederungshilfe habe im Falle des Klägers nur ein Mindestmaß an sexueller Befriedigung sicherzustellen. Eine Ermöglichung der sexuellen Befriedigung mindestens einmal im Monat erscheine als ermessensfehlerfrei. Bezüglich der Form der Hilfeleistung komme eine Bemessung als Einzelfallhilfe oder als Bestandteil einer Pauschale in Betracht. Der Kläger erhalte bereits jetzt von der Beklagten eine monatliche Mobilitätspauschale in Höhe von 715 €. Da seine fast vollständige Immobilität auch Ursache für den streitgegenständlichen Bedarf sei, könne zukünftig in diese Pauschale auch der streitgegenständliche Bedarf einbezogen werden, so dass es in den Händen des Klägers liege, für welche Bedürfnisse er die Pauschale verwende. Im Hinblick auf die nicht unbeträchtliche Höhe der Mobilitätspauschale erscheine eine Erhöhung nicht zwingend erforderlich.

Allenfalls käme eine geringfügige Erhöhung in Höhe der Kosten für eine Massagebehandlung in Betracht. Alternativ dazu käme eine Einzelfallhilfe von mindestens einer Behandlung monatlich in Frage. Dem Kläger könne jedoch nicht entgegengehalten werden, dass es sich bei der von ihm begehrten Ganzkörpermassage mit sexueller Komponente grundsätzlich nicht um einen sozialhilferechtlichen Bedarf in Gestalt der Eingliederungshilfe handele. Sollte sich herausstellen, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum seine Mobilitätspauschale nicht in vollem Umfang ihrem ursprünglichen Zweck entsprechend verwendet habe, wäre der Restbetrag anzurechnen. Soweit die Klage darüber hinaus auf unmittelbare Verpflichtung zur Übernahme der Kosten der im Jahre 2003 durchgeführten „Ganzkörpermassagen mit Handentspannung“ gerichtet sei, sei sie abzuweisen, weil das Gericht das der Beklagten nach § 4 Abs. 2 BSHG eingeräumte Ermessen nicht an deren Stelle ausüben könne.

4.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Sie trägt vor, dass die Eingliederungshilfe nach § 39 BSHG bzw. § 53 SGB XII keine Möglichkeit biete, den einem behinderten Menschen im Bereich der sexuellen Bedürfnisse eventuell erwachsenden Mehrbedarf zu decken. Ziel aller Eingliederungsleistungen sei es, den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, d.h. ihn zu befähigen, einen gleichberechtigten Platz in ihr einzunehmen.

Durch die Eingliederungshilfe sollten diejenigen Nachteile ausgeglichen werden, die einem behinderten Menschen durch seine Behinderung hinsichtlich des Lebens in der Gemeinschaft entstünden. Gerade um die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gehe es bei der Befriedigung sexueller Bedürfnisse aber nicht. Diese seien höchstpersönlicher Natur und beträfen allein die Privat- und Intimsphäre des Klägers, so dass sie von der Eingliederungshilfe nicht erfasst würden. Ein weitergehendes Verständnis von § 39 BSHG bzw. § 53 SGB XII könne auch nicht auf das in Art. 3 Abs. 1 und 2 GG verankerte Benachteiligungsverbot von Behinderten gestützt werden. Hieraus ergebe sich nicht, dass der Staat alle Nachteile, die behinderten Menschen im Verhältnis zu nichtbehinderten Erwachsenen bis hin zu solchen im höchstpersönlichen Bereich erwachsen, auszuräumen habe. Die Eingliederungshilfe stelle somit keine Rechtsgrundlage für die Übernahme der für die Befriedigung sexueller Bedürfnisse anfallenden Kosten dar. Sie könne damit auch nicht herangezogen werden, wenn wie hier der Regelsatz zur Deckung dieser Bedürfnisse nicht ausreiche und ein Ausweichen auf kostengünstigere Praktiken nicht möglich sei. Es bleibe dem Kläger unbenommen, die ihm monatlich gewährte Mobilitätspauschale in Höhe von 715 €, deren Verwendung nicht überprüft werde, für die gewünschten Massagen einzusetzen und sich dafür in der Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben zu beschränken.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 17. November 2005

aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

6.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten und wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung auf die Niederschrift darüber verwiesen (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 1 bis 3 VwGO) ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 6. Dezember 2002 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die bei ihm durchgeführten Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente zu.

1.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist im Sozialhilferecht derjenige der letzten behördlichen Entscheidung (BVerwGE 25, 307; 38, 299), hier des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2003, so dass im vorliegenden Fall noch das Bundessozialhilfegesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl I S. 646), geändert durch Gesetz vom 23.12.2002 (BGBl I S. 4621), Anwendung findet.

2.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch kann nicht darauf gestützt werden, dass es sich bei den streitigen Massagen um Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne der §§ 39 ff. BSHG handeln würde. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Eingliederungshilfe zu gewähren, wenn und so lange nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Der Kläger gehört aufgrund seiner Schwerstbehinderung zwar zu den Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt sind. Durch die bei ihm durchgeführten Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente konnte die Aufgabe der Eingliederungshilfe jedoch nicht erfüllt werden. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 39 Abs. 3 Satz 1 BSHG, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört nach § 39 Abs. 3 Satz 2 BSHG vor allem, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Die Eingliederung des behinderten Menschen in die Gesellschaft ist Ziel aller in § 39 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz BSHG genannten Maßnahmen (vgl. Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., § 39 RdNr. 73), von denen beim Kläger nur die Milderung der Folgen seiner Behinderung in Betracht kommt. Die angeführten Maßnahmen der Eingliederungshilfe müssen deshalb dazu geeignet sein, die Eingliederung des behinderten Menschen in die Gesellschaft zu fördern.

Diese Eignung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil die Befriedigung seines sexuellen Bedürfnisses durch die Ganzkörpermassagen dem Kläger nicht die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht oder erleichtert. Die Massagen finden ausschließlich in einem von der Außenwelt abgesonderten, geschützten Intimbereich statt und vermitteln ihm keinerlei Kontakte nach außen. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern diese Bedürfnisbefriedigung dem Kläger gesellschaftliche Kontakte erleichtern sollte. Sicherlich bewirken die Ganzkörpermassagen eine körperliche und seelische Entspannung des Klägers und steigern sein persönliches Wohlbefinden. Das genügt aber nicht für die Annahme, dass sie ihm die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, d.h. persönliche Kontakte zu anderen Menschen ermöglichen oder erleichtern. Im Übrigen sind die begehrten Maßnahmen nicht vergleichbar mit den Beispielen, die der Gesetzgeber in §§ 39 Abs. 4 Satz 1, 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BSHG i.V.m. §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, 58 Nr. 3 SGB IX aufgezählt hat.

3.

Da die Übernahme der streitigen Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe somit ausscheidet – für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Hilfe zur Pflege gemäß § 68 BSHG ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich –, kommt eine Kostenübernahme nur im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1 BSHG in Betracht. Auch unter diesem Gesichtspunkt steht dem Kläger eine Kostenübernahme jedoch nicht zu. Hilfe zum Lebensunterhalt ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Der notwendige Lebensunterhalt umfasst nach § 12 Abs. 1 BSHG besonders Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Die Kosten der streitigen Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente gehören zu den allgemeinen Aufwendungen für das Sexualleben, das zu den Grundbedürfnissen des menschlichen Daseins gehört (OVG Hamburg vom 21.12.1990 Az. Bf IV 110/89 (juris) m.w.N., insoweit bestätigt durch BVerwG vom 19.5.1994, FEVS 45, 146). Die Aufwendungen für derartige Maßnahmen sind im System der Hilfen des Sozialhilferechts als persönliche Bedürfnisse der Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG) zuzuordnen und, weil sie grundsätzlich laufend anfallen können, aus der die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt umfassenden Regelsatzhilfe (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG, § 1 Abs. 1 Regelsatzverordnung) zu decken, die der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum erhalten hat. Grundsätzlich sind sämtliche Bedürfnisse, die üblicherweise im täglichen Leben regelmäßig wiederkehrend anfallen, durch die Regelsatzleistungen als gedeckt anzusehen (OVG Hamburg, a.a.O.).

Allerdings sind die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG abweichend von den Regelsätzen zu bemessen, soweit dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist. Im vorliegenden Fall erscheint es zweifelhaft, ob der im maßgeblichen Zeitraum vom 6. Dezember 2002 bis 28. November 2003 im Bereich der Beklagten geltende Regelsatz von 314 € (bis 30.6.2003) bzw. 316 € (ab 1. Juli 2003) monatlich für einen alleinstehenden Haushaltsvorstand ausreichend war, um den notwendigen Bedarf des Klägers an Ganzkörpermassagen mit sexueller Komponente decken zu können. Selbst wenn man als notwendigen Bedarf an Aufwendungen für das Sexualleben beim Kläger nur eine Massage pro Monat ansieht, was das Verwaltungsgericht als ermessensfehlerfreie Bedarfsbestimmung angesehen hat, so würde dieser Bedarf nicht mehr aus dem Regelsatz gedeckt werden können, weil er mit 90 € fast ein Viertel des gesamten Regelsatzes beträgt.

Dennoch hat der Kläger wegen des von ihm geltend gemachten Bedarfs an Massagekosten keinen Anspruch auf Erhöhung des Regelsatzes gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG. Denn er hat nicht im Einzelnen nachgewiesen, dass er seinen notwendigen Lebensunterhalt infolge der Massagekosten nicht mehr vollständig habe decken können. Dies ist auch nicht ersichtlich, da er in der Lage war, die ihm bereits während des streitgegenständlichen Zeitraums gewährte pauschale Eingliederungshilfe in Höhe von 715 € monatlich teilweise zur Deckung dieses Bedarfs in Höhe von insgesamt 810 € (9 x 90 €) zu verwenden. Dieser Verwendung steht nicht entgegen, dass es sich bei der Zahlung der Pauschale um die Gewährung von Eingliederungshilfe nach §§ 39 ff. BSHG handelt, während der Bedarf des Klägers an den genannten Massagen zu seinen persönlichen Bedürfnissen im Sinn des § 12 Abs. 1 BSHG und damit zur Hilfe zum Lebensunterhalt gehört. Da die Behinderung durch die fast vollständige Immobilität des Klägers zumindest Mitursache des von ihm geltend gemachten Bedarfs ist, erscheint es zulässig, dass die pauschale Eingliederungshilfe auch zur Deckung dieses Bedarfs verwendet wird, zumal sie nicht gesetzlich vorgeschrieben und zweckgebunden ist, sondern nach den Angaben der Beklagten nur zur Verwaltungsvereinfachung aufgrund von nach der Erfahrung geschätzten durchschnittlichen Kosten zum Ausgleich von Mobilitätsdefiziten gewährt wird. Der Kläger kann daher darüber frei verfügen und sie auch für ihm wichtiger erscheinende Zwecke als die Erlangung der Mobilität verwenden. Dafür könnte auch die Tendenz des Gesetzgebers sprechen, Kosten für die Deckung sexueller Bedürfnisse einzuschränken, wie sie in Art. 1 Nr. 22 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (BGBl I S. 2190) zum Ausdruck kommt. Danach wird die Versorgung selbst mit Medikamenten zur Befriedigung sexueller Bedürfnisse, die krankheitshalber beeinträchtigt sind, eingeschränkt, was verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. BSG vom 10.5.2005, BSGE 94, 302).

Dies kann durchaus auch auf die Gewährung zusätzlicher Mittel für die Befriedigung sexueller Bedürfnisse durch behinderte Personen im Sozialhilferecht übertragen werden und auch hier dem Gebot, niemanden wegen seiner Behinderung zu benachteiligen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG), Grenzen setzen, wenn dem Behinderten ausreichend Mittel allgemeiner Art zur Verfügung stehen wie die genannte Mobilitätspauschale.

Diese Verwendung der Pauschale ist dem Kläger dann schon deshalb zuzumuten, weil er weder konkret vorgetragen hat noch ersichtlich ist, dass er die Mobilitätspauschale für Zwecke der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben (vollständig) verbraucht habe.

Nach alledem ist der Berufung stattzugeben.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auf eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung verzichtet, weil er davon ausgeht, dass die Beklagte nicht beabsichtigt, ihre ohnehin nur in geringer Höhe angefallenen außergerichtlichen Kosten vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zu vollstrecken.

5.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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