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Beeinträchtigung der Grundstücksnutzbarkeit durch Windkraftanlage

LG Itzehoe – Az.: 2 O 336/12 – Urteil vom 24.09.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Unterlassung von Beeinträchtigungen durch eine Windkraftanlage.

Die Kläger bewohnen mit ihrem Sohn ein Einfamilienhaus belegen an der Adresse R. in R., das in ihrem Eigentum steht. Das Grundstück liegt bauplanungsrechtlich im Außenbereich bzw. in einem Dorf-/Mischgebiet im Sinne der TA Lärm.

Die Beklagte betreibt in einer Entfernung von etwa 1.800 m zum Wohnhaus der Kläger eine Windkraftanlage der Marke R. … mit einer Nabenhöhe von 80 m und einem Rotordurchmesser von 104 m und einer Gesamthöhe von 132 m, die im August 2011 in Betrieb gesetzt wurde. Die Anlage liegt in D., Flur X, Flurstück X, im Kreises D.. In Sichtweite des klägerischen Grundstückes befinden sich 7 Windkraftanlagen, zur Verdeutlichung wird auf die Anlage 1 zum Schriftsatz der Klägerseite vom 11.06.2012 verwiesen.

Die Errichtung der Windkraftanlage wurde durch das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume am 12.11.2010 genehmigt. Diese Genehmigung ist bestandskräftig. Der eingelegt Widerspruch der Kläger wurde durch Bescheid vom 02.11.2012 zurückgewiesen. Die weiteren Einzelheiten der Genehmigung ergeben sich aus der Anlage B1 auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 41 ff. d.A.).

Die dagegen erhobene Klage der Kläger wurde vom Verwaltungsgericht Schleswig durch Urteil vom 20.12.2013 abgewiesen. Auf den Inhalt des Urteils des Verwaltungsgerichts Schleswig, Az. 6 A 160/12 vom 20.12.2013 wird ergänzend Bezug genommen (Anlage B 2, Bl. 79 ff. d.A.). Die dagegen beantragte Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Schleswig- Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 27.03.2014 zum Az. 1 LA 9/14 abgelehnt. Auf den Inhalt des Beschlusses des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 27.03.2014 zum Az. 1 LA 9/14 wird ergänzend Bezug genommen (Anlage B 3, Bl. 97 ff. d.A.).

Die Kläger behaupten, in der Benutzung ihres Grundstücks durch die Windkraftanlage wesentlich beeinträchtigt zu sein.

Im Einzelnen behaupten sie nachstehende Beeinträchtigungen, die ortsunüblich und für sie unzumutbar seien:

1. Schattenwurf durch das Drehen der Flügel bei entsprechender Sonneneinstrahlung

2. Discoeffekt bei bestimmten Sonnen- und Lichtverhältnissen, welche ständig auf das Grundstück des Klägers einwirken

3. Eiswurf im Herbst, Winter und Frühling bei entsprechenden Witterungsverhältnissen

4. Erhebliche Lärmbeeinträchtigungen von über 60 dB durch den Betrieb der Windenergieanlage bei entsprechender Windrichtung und Windstärke

5. Infraschallbeeinträchtigung durch den Betrieb der streitgegenständlichen Windenergieanlage

6. Elektromagnetische Strahlungen durch den Betrieb der Anlage

7. Lichtimmissionen durch die Tag-und Nachtkennung (Beleuchtung zur Sicherheit des Flugverkehrs)

8. Optische Beeinträchtigungen durch die Drehbewegungen und eine optische bedrückende Wirkung der Anlage

Die Kläger behaupten ferner, dass sie durch die vorstehenden Beeinträchtigungen erheblich in ihrer persönlichen Lebensführung und ihrer Gesundheit beeinträchtigt seien. So sei beispielsweise die Lärmbelästigung teils so erheblich, dass ein Schlafen bei offenem Fenster nicht möglich ist. Im gesamten Haus und auch in Teilen des Außenbereiches sei ein Licht-/Schatteneffekt durch die rotierenden Flügel der Windkraftanlage zu sehen, der das persönliche Wohlbefinden maßgeblich verschlechtere. Der Kläger leidet unter Ein- und Durchschlafstörungen. Reizbarkeit, häufige Erschöpfung. Schwindel, Übelkeit und Durchfällen, die nach seinen Behauptungen auf die andauernden Einwirkungen durch die Windkraftanlage zurückzuführen ist. Die Klägerin leide unter Schlafstötungen, Benommenheit, Ohrendruck und Reizbarkeit. Ihre Vorerkrankungen in Form von Asthma bronchiale und art. Hyperthonie hätten sich verschlechtert. Sie leide seit der Inbetriebnahme der Anlage häufig unter Luftnot, könne Aktivitäten draußen nur eingeschränkt wahrnehmen, und ihre Blutwerte würden enormen Schwankungen unterliegen.

Infolge der erheblichen Beeinträchtigungen durch die Windkraftanlage sei auch der Marktwert ihres Grundstückes erheblich gesunken.

Die Kläger beantragen,

Beeinträchtigung der Grundstücksnutzbarkeit durch Windkraftanlage
(Symbolfoto: Von pedrosala/Shutterstock.com)

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, eine Windenergieanlage der Marke R. … gemäß der anliegenden Flurkarte zur Gewinnung von Windenergie zu betreiben.

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass weder das Eigentum der Kläger, noch deren Gesundheit durch den Betrieb der Windenergieanlage der Marke R. … beeinträchtigt wird.

3. der Beklagten anzudrohen, für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 € oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festzusetzen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie stellt eine übermäßige Beeinträchtigung der Kläger durch die Windkraftanlage in Abrede. Die streitbefangene Anlage sei schlichtweg zu weit vom Wohnhaus der Kläger entfernt und sämtliche Richtwerte des Bundesimmissionsschutzgesetzes würden eingehalten. Schon im Genehmigungsverfahren sei durch ein Gutachten belegt worden, dass die geltenden Schallemissionsrichtwerte von 60 dB tags und 45 dB nachts deutlich unterschritten werden. Dem Eigentum der Kläger komme im Außenbereich auch kein besonderer Schutz zu, weil in ihrer Umgebung jederzeit privilegierte Anlagen mit Land-, forstwirtschaftlichem-, oder gewerblichem Charakter errichtet werden könnten.

Sie beruft sich auf Verjährung und macht ferner eine Verwirkung geltend.

Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 3.7.2014 und 7.6.2017 Beweis erhoben durch Einholung eines schalltechnischen Gutachtens des Sachverständigen Diplom-Ingenieur J. H. sowie durch Einholung eines Gutachtens zu Lichtimmissionen des Sachverständigen Dr. H.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen H. vom 30.3.2017 (Bl. 179 d.A.) und des Sachverständigen Dr. H. vom 16.10.2017 (Bl. 342 d.A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat außerdem Beweis erhoben durch die Anhörung des Sachverständigen H. zur mündliche Erläuterung des Gutachtens vom 30.3.2017. Wegen des Ergebnisses der Anhörung des Sachverständigen wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.8.2018 (Bl. 392 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch aus §§ 1004, 906 BGB auf Einstellung oder Änderung des Betriebs der Windkraftanlage.

Nach § 1004 BGB kann ein Eigentümer die Beseitigung einer Eigentumsbeeinträchtigung verlangen, soweit er nicht zur Duldung verpflichtet ist. Nach § 906 BGB kann ein Eigentümer die Zuführung unwägbarer Stoffe insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt nach § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB in diesem Zusammenhang in der Regel vor, wenn die gesetzlichen Grenz-oder Richtwerte nicht überschritten werden.

Maßstab für alle vorgebrachten Beeinträchtigungen ist das Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks, der andere öffentliche und private Belange hinreichend berücksichtigt (Palandt/Herrler, 76. Aufl. § 906 Rz. 17).

Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenzen oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Das bedeutet, dass der Grundsatz, wonach der Störer darlegen und beweisen muss, dass sich eine Beeinträchtigung nur als unwesentlich darstellt (BGHZ 120, 239, 257), eine Einschränkung zu seinen Gunsten erfährt. Die in § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB genannten Grenz- oder Richtwerte stellen Umstände für eine Indizwirkung dar. Werden sie überschritten, indizieren sie die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung, werden sie eingehalten oder unterschritten, so indizieren sie die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung (BGH Senat, Urt. v. 13. Februar 2004, V ZR 217/03, NJW 2004, 1317, 1318; BGH, Urteil vom 08. Oktober 2004 – V ZR 85/04 –, Rn. 7, juris).

Zwar liegt ohne jeden Zweifel eine Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des Grundstücks durch den Betrieb der Windkraftanlage im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB vor. Denn dass die Windkraftanlage keinerlei Geräuschentwicklung zeigt oder die Rotorbewegungen vom Grundstück des Klägers aus gar nicht sichtbar seien, behauptet nicht einmal die Beklagte.

Einen Anspruch der Kläger auf Beseitigung oder Unterlassung ist jedoch nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil sie zur Duldung verpflichtet sind.

Eine Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 1 BGB durch einen Discoeffekt, Eiswurf oder elektromagnetische Strahlungen haben die Kläger schon nicht schlüssig vorgetragen.

Zu einem behaupteten Discoeffekt hätten die Kläger jedenfalls darlegen müssen, wann und auf welche Weise dieser auftreten sollte. Denn die Beklagte hat detailliert vorgetragen, dass die Anlage entsprechend der heutigen Technik und der behördlichen Genehmigung mit einer mittelreflektierenden Farbe mit matten Glanzgraden ausgestattet war, die einer Beeinträchtigung durch Lichtblitze/Discoeffekte wirksam vorbeugen. Wann und bei welchem Sonnenstand ein solcher Discoeffekt im Einzelnen gleichwohl auftreten könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen.

Eine Beeinträchtigung durch Eiswurf haben die Kläger ebenfalls nicht schlüssig vorgetragen, und ein solcher erscheint angesichts der Entfernung von etwa 1.800 m auch sehr unwahrscheinlich.

Eine Beeinträchtigung durch elektromagnetische Strahlungen wird ohne jegliche Substantiierung offensichtlich ins Blaue hinein vorgetragen.

Die weiteren Ansprüche wären weder verjährt noch verwirkt. Die öffentlich- rechtlichen und privatrechtlichen Rechtsbehelfe stehen grundsätzlich unabhängig nebeneinander. Aus diesem Grunde ist die Verwirkung im hiesigen Verfahren anders zu beurteilen als in dem von der Beklagten vorgelegten Urteil des Schleswig-holsteinischen Verwaltungsgerichts zum Aktenzeichen 6 A 160/12. Unbesehen der Frage, ob durch jede einzelne Beeinträchtigung ein neuer Anspruch gemäß §§ 1004, 906 BGB besteht und damit auch Verjährung und Verwirkung jeweils neu zu beurteilen wären, ist vorliegend nur ein Zeitraum von weniger als 2 Jahren seit Errichtung der Windkraftanlage bis zur Klageerhebung vergangen. Eine vollständige Sperrwirkung der bestandskräftigen Baugenehmigung führte zu einer Aushöhlung der zivilrechtlichen Ansprüche und einer unzulässigen Verkürzung der zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften. Dies entspricht auch der Wertung in § 73 Abs. 4 der Landesbauordnung Schleswig-Holstein.

Hinsichtlich der Beeinträchtigungen durch Lärm, Schattenwurf und die Tag-Nachtkennung ist der Kläger zur Duldung verpflichtet, weil nur eine unwesentliche Beeinträchtigung seines Grundstücks vorliegt. Ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen ab und davon, was diesem auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (BGH NJW 2004, 1317, Beck- Online). Der Vortrag der insoweit Darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (BGH s.o.), dass die festgelegten Grenzwerte für eine Lärmbeeinträchtigung nicht überschritten werden, hat sich in der Beweisaufnahme bestätigt.

Ihm kommt die Regelvermutung des §§ 906 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB zugute, welche die Kläger ihrerseits nicht erschüttern konnten. Die Vorschrift verweist auf § 48 des Bundesimmissionsschutzgesetzes und die Verwaltungsvorschriften auf Grundlage dieser Norm, mithin auch die TA Lärm. Die TA Lärm wiederum gibt in Abschnitt 6.1 für das Wohngebiet der Kläger als Kerngebiet, Dorfgebiet oder Mischgebiet Immissionsrichtwerte von höchstens 60 dB tagsüber und 45 dB nachts vor, wobei einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen diese Emissionsrichtwerte um nicht mehr als 30 dB tagsüber und 20 dB nachts überschreiten dürfen.

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Der Sachverständige H. hat fundiert und überzeugend dargelegt, dass die durch die streitgegenständliche Windkraftanlage erzeugten Immissionen am Haus der Kläger diese Richtwerte deutlich unterschreiten. Der Sachverständige hat am 11.4.2016, 23./24.2.2017 und 26./27.2.2017 bei südöstlicher Windrichtung unter Zuhilfenahme geeichter Messinstrumente vor Ort jeweils eine Messung durchgeführt. Die DIN EN 61400-11/3 beschreibt ein Verfahren für die schalltechnische Vermessung von Windenergieanlagen und die Ermittlung des emissionsrelevanten Schallleistungspegels. Zwischen allen geräuschemittierenden Teilen der Windenergieanlage und dem Messmikrofon bestand freie Schallausbreitung. In der Nähe befanden sich keine Gebäude oder sonstige Strukturen, die das Messergebnis durch Reflexion oder Abschattung beeinflussen konnten. Fremdgeräusche wurden während der Messung im Wesentlichen durch Windrauschen, den Betrieb der benachbarten Windkraftanlagen, Fahrzeugverkehr und Regen verursacht, wobei Fremdgeräuschspitzen bei der Auswertung nicht berücksichtigt wurden.

Zeitweise wurde die Windkraftanlage auch abgeschaltet, so dass der Sachverständige insgesamt mehrere hundert gültige Messwerte bei eingeschalteter Anlage und bei ausgeschalteter Anlage zur Identifizierung des notwendigen Fremdgeräuschabstands erheben konnte.

Der Sachverständige hat nach den Vorgaben der DIN EN 61400-11/3 Messunsicherheiten bei den ermittelten Schallleistungspegeln berücksichtigt und in seine Berechnung aufgenommen.

Aufgrund dieser ermittelten Werte hat der Sachverständige sodann eine Schallimmissionsberechnung für das Wohnhaus der Kläger durchgeführt. Zuschläge für Ton-oder Impulshaltigkeit waren weder nach den Messergebnissen noch nach dem subjektiven Eindruck des Sachverständigen erforderlich. Bei seiner Berechnung hat er die Topographie des Untersuchungsgebietes berücksichtigt und Abschläge für meteorologische Phänomene nicht vorgenommen.

Auf dieser Grundlage kommt er zur Überzeugung des Gerichts zu einer maximalen Lärmbeeinträchtigung am Haus der Klägers durch die Windkraftanlage nachts von 37 dB, wobei erhebliche Geräuschspitzen nicht zu erwarten sind.

Das Gericht ist von den Ausführungen des Sachverständigen positiv überzeugt. Zunächst hat er alle Vorgaben der einschlägigen Messverfahren unter Einsatz aktueller und geeichter Messinstrumente eingehalten. Entsprechende Eichscheine wurden in der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Er hat auch überzeugend dargelegt, dass eine Schallausbreitungsberechnung anhand der gewonnenen Messergebnisse zuverlässig vorgenommen werden kann. Die Geräuschentwicklung der benachbarten Windkraftanlagen konnte aufgrund der vorherrschenden Windrichtung plausibel differenziert werden.

Der Sachverständige hat plausibel und überzeugend dargelegt, dass für die Emmissionsmessung die Messungen an drei Tagen ausreichten. Denn auf dieser Grundlage konnte er eine belastbare Berechnung unter Einbeziehung des ermittelten Betriebsgeräuschs, der maximalen Windstärke und des Höchstbetriebs der Anlage durchführen. Eine weitere Messung könnte maximal eine Abweichung von 1 dB ergeben. Nach der DIN 45645 würde es sogar ausreichen, nur eine Messung durchzuführen, wenn die Messung mehr als 6 db als der Richtwert von 45 db ergeben hätte. Vorliegend habe die erste Messung eine Belastung von 39 db ergeben und habe damit deutlich unter diesem Grenzwert gelegen.

Eine längerfristige Messung wäre nach Ausführung des Sachverständigen und den Vorgaben der TA Lärm nur für eine Immissionsmessung am Haus des Klägers notwendig. Im Übrigen ist die Geräuschquellentrennung – also die Herausrechnung der vielen Umgebungsgeräusche – eine der wesentlichen Herausforderungen bei der Begutachtung, für die auch eine Langzeitmessung keine Abhilfe oder Vereinfachung schafft.

Dem Antrag der Kläger auf Einholung eines weiteren Gutachtens war nicht nachzugehen. Dies ist gem. § 412 Abs. 1 ZPO nur dann erforderlich, wenn das Gericht das bisherige Gutachten für ungenügend erachtet. Dies ist hier, wie zuvor geschildert, nicht der Fall. Der Umstand, dass die Kläger die Feststellungen des Sachverständigen anzweifeln, gebietet nicht die Einholung eines weiteren Gutachtens.

Die Einhaltung der Richtwerte aus der TA Lärm indiziert die Unwesentlichkeit der Benutzungsbeeinträchtigung, welche die Kläger nicht erschüttern konnte.

Das Gericht ist nach den Ausführungen des Sachverständigen auch überzeugt, dass keine wesentliche Beeinträchtigung durch Infraschall am Haus der Kläger vorliegt. Die Anlage steht für eine erhebliche Beeinträchtigung zu weit entfernt.

Im Übrigen sind die Beeinträchtigungen durch einen möglichen Schattenwurf, die Tag-/Nachtkennung der Anlage oder optische Beeinträchtigung durch die Größe und die Drehbewegungen der Anlage auch unwesentlich und/oder ortsüblich im Sinne von § 906 Abs. 1, Abs. 2 BGB.

Die optischen Beeinträchtigungen durch die streitgegenständliche Windkraftanlage sind bei einer Entfernung von 1,8 Km nicht wesentlich.

Zum einen ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich eine Vielzahl von Windkraftanlagen in der Nähe des klägerischen Grundstücks befindet. Soweit die Kläger eine optische Beeinträchtigung durch fortwährende Rotation der Windkraftanlage und daraus folgende Verschattungs- oder Spiegeleffekte behaupten, ist dem nicht zu folgen. Angesichts einer Entfernung von über 1,8 Km kann ein Verschattungseffekt nur über einen sehr kurzen Zeitraum täglich in den Sommermonaten eintreten. Das Gericht ist gerade auch angesichts der Vorlage der konkreten Abschaltungszeiten der Anlage zur Vermeidung von Schattenwurf durch die Beklagte nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung gerade durch diese Windkraftanlage überzeugt.

Eine wesentliche Beeinträchtigung durch die Tag-/Nachtkennung ist ebenfalls nicht gegeben. Zur Erkennbarkeit angesichts der Entfernung, zur Helligkeit und zur Frequenz haben die Kläger nichts vorgetragen.

Auch die durchaus wahrnehmbaren Spiegelungen der Drehbewegungen stellen keine wesentliche Beeinträchtigung dar. Selbst bei abweichender Beurteilung wären die vorgenannten Beeinträchtigungen ortsüblich im Sinne von § 906 Abs. 2 BGB und damit vom Kläger zu dulden. Das Grundstück der Kläger befindet sich im Außenbereich nach § 35 BauGB, in dem Wohnhäuser gerade nicht zu den privilegierten Objekten gehören. Das unmittelbare Umfeld ist seit vielen Jahren sowohl durch vereinzelte Wohnbebauung als auch durch eine Vielzahl von Windkraftanlagen geprägt.

Eine optisch bedrängte Wirkung der Windkraftanlage, deren Beseitigung oder Unterlassung im Rahmen der nachbarschaftlichen Pflicht zur Rücksichtnahme gefordert werden könnte, liegt nicht vor. Ist der Abstand größer als die dreifache Höhe der Anlage liegt regelmäßig keine optisch bedrängte Wirkung vor (OVG Koblenz, NVWZ-RR 2011, 438). Die Windkraftanlage des Beklagten ist etwa 104 m hoch und 1800 m entfernt, so dass von einer optisch bedrängen Wirkung mangels anderer Anhaltspunkte nicht auszugehen ist.

Auf eine weitere Beweisaufnahme zum Schattenwurf durch Einholung eines Sachverständigengutachtens war durch die Kläger verzichtet worden.

Zur Überzeugung des Gerichts besteht keine wesentliche Beeinträchtigung durch Lichtimmissionen. Der Sachverständige Dr. H. stellte in seinem Gutachten vom 16.10.2017 fest, dass die Anlage der Beklagte durch Lichtimmissionen auf das Grundstück der Kläger tags und nachts einwirke. Der Sachverständige stellt aber auch fest, dass diese Lichtimmissionen unterhalb der Grenzwerte nach der Licht-Leitlinie liegen. Ausgehend von einer Einstufung des klägerischen Grundstücks als Allgemeines Wohngebiet bzw. Dorf- oder Mischgebiet gilt als Richtwert für den Betrieb einer Windkraftanlage bis 22:00 Uhr 3 lx bzw. 5 lx und ab 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr ein Immissionsrichtwert von 1 lx. Der Sachverständige Dr. H. stellte für die Aufhellung der Beleuchtung einen mittleren Messwert von 0,013 lx fest, der mit dem Fakter 5 zu multiplizieren ist, so dass ein Wert von 0,065 lx anzusetzen sei, der die Richtwerte nicht überschreite. Für das Blendmaß gelte ebenfalls die Einstufung des klägerischen Grundstücks als Allgemeines Wohngebiet bzw. Dorf- oder Mischgebiet. Der Immissionsrichtwert beträgt nach den Feststellungen des Sachverständigen 32 k. Das von ihm ermittelte Blendmaß betrug ks 0,9. Die Bewertung war dieser Wert mit dem Faktor 5 zu multiplizieren, dass der relevante Wert 4,5 beträgt und damit unter dem Immissionsrichtwert liegt.

Das Gericht ist von den Ausführungen des Sachverständigen positiv überzeugt. Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Insbesondere ist der Sachverständige von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt.

Weil den Klägern kein Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung zusteht, konnte keiner der Klageanträge Erfolg haben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen auf 100.000,- € festzusetzen, und zwar 50.000,- für den geltend gemachten Wertverlust des Grundstücks durch die Beeinträchtigung der Windkraftanlage und jeweils 25.000,- € für die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Kläger.

 

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