Kammergericht Berlin
Az: 20 W 23/10
Beschluss vom 01.07.2010
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 8.238,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.12.2008 zu zahlen.
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren materiellen Schäden aus der zahnärztlichen Behandlung vom 8.1.2007 bis zum 4.12.2007 zu ersetzen, sofern sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Gründe
Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht der Antragstellerin grundsätzlich ein Anspruch auf Rückzahlung des zahnärztlichen Honorars für die erbrachte prothetische Leistung zu, wenn diese – wie hier unter Vorlage der Kassengutachten substantiiert behauptet – so fehlerhaft erbracht wurde, dass ihre Neuanfertigung angezeigt ist.
Dieser Anspruch ergibt sich zwar – wie das Landgericht richtig ausgeführt hat – im vorliegenden Fall nicht aus der Kündigung des zahnärztlichen Dienstvertrages nach § 628 Abs. 1 S. 2 BGB. Auf die landgerichtlichen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.
Jedoch steht der Antragstellerin gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Rückzahlung des Behandlungshonorars aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Seit der Entscheidung BGHZ 63, 306 (Urteil vom 09.12.1974 – VII ZR 182/73) besteht weitgehend Einigkeit, dass es sich bei einem auf eine zahnprothetische Behandlung gerichteten Vertrag, soweit es – wie hier – um festsitzenden Zahnersatz geht, um einen Dienstvertrag handelt (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., A 4; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl., S. 63 f jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen). Eine Anwendung des Gewährleistungsrechts des Werkvertrages kommt daher nicht in Betracht. Liegt ein Behandlungsfehler vor, so ergeben sich die Rechte des Patienten vielmehr aus den schadensrechtlichen Normen der § 280 Abs. 1 BGB bzw. – wie hier nicht – § 628 Abs. 1 S. 2 BGB.
Ist die Prothetik aufgrund eines Behandlungsfehlers mangelhaft, so kann der Patient den Ersatz aller ihm für die Behebung der Mängel entstandenen Kosten verlangen, soweit sie objektiv erforderlich waren. Nach überwiegender Meinung in der OLG-Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, steht dem Patienten alternativ ein Anspruch auf Rückerstattung des bereits gezahlten Honorars zu, soweit der Zahnersatz für ihn aufgrund eines Behandlungsfehlers unbrauchbar ist (OLG Oldenburg 27.2.2008 – 5 U 22/07, VersR 2008, 781; OLG Koblenz 18.6.2009 – 5 U 319/09, VersR 2009, 1542; OLG Hamburg 25.11.2005 – 1 U 6/05, OLGR 2006, 128; OLG Hamm 2.11.2005 – 3 U 290/04 – zit. nach juris; OLG Zweibrücken 20.11.2001 – 5 U 20/01, OLGR 2002, 170; OLG Saarbrücken 21.04.1999 – 1 U 615/98, OLGR 2000, 401; OLG Oldenburg 5.9.1995 – 5 U 75/95, VersR 1997, 60; OLG Frankfurt 26.5.1995 – 24 U 371/93, VersR 1996, 1150; OLG Köln 26.5.1986 – 7 U 77/84, VersR 1987, 620; OLG Koblenz 7.1.1993 – 5 U 1289/92, VersR 1993, 1486; vgl. auch OLG Nürnberg 8.2.2008 – 5 U 1795/05 – MDR 2008, 554). Hiervon ist auszugehen, wenn eine Mängelbeseitigung nicht möglich ist, sondern eine Neuanfertigung erfolgen muss. In diesem Zusammenhang ist ohne Belang, ob der Patient den Zahnersatz zum Zeitpunkt des Prozesses – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht hat erneuern lassen. Entscheidend ist allein, ob eine Neuanfertigung aus zahnmedizinischen Gründen erforderlich ist. Für die Annahme dieses schadensrechtlichen Rückzahlungsanspruchs sprechen auch praktische Gründe: Da der Patient keine „Vorschussklage“ für die Neuversorgung erheben kann (OLG Koblenz 18.6.2009 – 5 U 319/09 VersR 2009, 1542), würde er ohne den Rückforderungsanspruch ggfls. aus finanziellen Gründen an einer Neuversorgung gehindert, wenn ihm hierfür keine liquiden Mittel zur Verfügung stehen. Auch ist der Weg über die Feststellungsklage mit nachfolgender Leistungsklage wegen der Aufspaltung des Rechtsstreits auf mehrere Prozesse nicht prozessökonomisch.
Die Höhe der Schadensersatzforderung bestimmt sich nach der Rechnung 85-000592 (Bl. 59 d.A.; 7.781,01 €), von der die Antragstellerin behauptet, sie enthielte lediglich Kosten prothetischer Versorgung (soweit der Antragsteller diesem zu einem geringen Teil entgegentritt, ist dies ggfls. sachverständig zu klären), sowie der Rechnung 85-000233 (Bl. 63 d.A., 500,27 €), die der Antragsgegner im Falle einer Haftung als rückzahlbar anerkennt. Die von Antragstellerseite behauptete Überzahlung ist nicht nachvollziehbar, da sie nicht berücksichtigen, dass die Rechnung neben den Verbrauchsmaterialien auch zahnärztliche Honorarposten enthält.
Im Rahmen des materiellen Feststellungsantrages ist in den Fällen, in denen der Patient die Rückzahlung des bereits geleisteten Honorars wählt, eine Einschränkung dahingehend auszusprechen, dass nur für die weiteren materiellen Schäden, d.h. insbesondere die durch die fehlerhafte Behandlung eventuell verursachten Mehrkosten, eine Ersatzpflicht besteht (vgl. zum ersatzfähigen Schaden auch BGHZ 160, 26 6.7.2004 – VI ZR 266/03). Damit wird auch die vom Landgericht ausweislich seines Beschlusses anscheinend befürchtete doppelte Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs vermieden.
Zurückzuweisen war der Antrag weiterhin hinsichtlich der ab dem 3.12.2008 beantragten Verzugszinsen, da die Antragstellerin eine Zahlungsfrist bis zum 3.12.2008 gesetzt hatte, konnte Verzug erst ab dem 4.12.2008 eintreten.