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Benutzungsrechte aus Grunddienstbarkeiten

AG Bad Liebenwerda – Az.: 12 C 346/16 – Urteil vom 17.02.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Errichtung und Unterhaltung der separaten Trinkwasserleitung und des separaten Trinkwasseranschlusses für den Bauhof zu gestatten und die hierzu erforderliche Inanspruchnahme des Grundstückes, Am zu dulden. Aus Richtung des Haupteingangs gesehen, verläuft die Leitung von der linken Grundstücksecke etwa 150 m in nördlicher Richtung entfernt, beginnend am dortigen Weg von der linken Grundstücksgrenze etwa parallel zur Straße Am, direkt zum Bauhof in einer Tiefe von ca. 80 cm entsprechend der als Anlage K 1 beigefügten Lageskizze.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, die zur Ausführung der Bau- und Betriebs- und Unterhaltungsmaßnahmen nach Ziffer 1 notwendigen Arbeiten auf dem Grundstück zu dulden und hierfür der Klägerin, ihren Mitarbeitern und Beauftragten sowie dem Wasser- und Abwasserverband …, seinen Mitarbeitern und Beauftragten einschließlich ihrer Fahrzeuge, Geräte, Maschinen und Materialien den notwendigen Zugang zu gewähren.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Benutzungsrechte der Klägerin aus zwei beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten.

Mit notariellem Vertrag vom …, beurkundet von der Notarin mit Sitz in …, UR-Nr. …, veräußerte die Gemeinde …, vertreten durch den Amtsdirektor …, an die gGmbH, vertreten durch den Geschäftsführer …, die im Grundbuch von – jetzt Blatt …, Flur .., eingetragene Flurstücke, mit einer Gesamtfläche von 112.750 m². Das Flurstück ist bebaut mit einem ehemaligen Kraftwerk. Das Grundbuch enthielt keine Belastungen und Beschränkungen. Der Kaufpreis betrug 1 DM.

Im Kaufvertrag räumt der Käufer dem Amt, der Klägerin dieses Rechtsstreits, ein Geh- und Fahrrecht auf dem Flurstück des Inhaltes ein:

„Das Amt ist berechtigt, den in dem dieser Niederschrift als Anlage beigefügten Lageplan farblich gekennzeichneten, ca. 3 m breiten Weg zu begehen und zu befahren. Auf diesen Lageplan wird verwiesen. Er wurde den Erschienen zur Durchsicht vorgelegt und genehmigt.

Die Einräumung dieses Geh- und Fahrrechtes erfolgt für die nächsten 25 Jahre, ab dem Tag der Eigentumsumschreibung auf den Käufer gerechnet, unentgeltlich. Danach ist der Eigentümer berechtigt eine ortsübliche Nutzungsentschädigung vom Berechtigten zu verlangen. Den Berechtigten treffen keinerlei Unterhalts- und Verkehrssicherungspflichten. Auch die Kosten der Instandhaltung des Weges gehen zu Lasten des Eigentümers.

Zur dinglichen Sicherung dieses Geh- und Fahrrechtes bewilligen und beantragen die Parteien die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) für das Amt … zu Lasten des Flurstückes der Flur im Grundbuch von … .

Der Käufer räumt dem Amt weiterhin die alleinige Nutzung des derzeit genutzten Geländes des Bauhofes ein. Der Bereich, der von der Nutzung betroffen ist, ist in dem dieser Niederschrift als Anlage beigefügten Lageplan schraffiert und gelb umrandet gekennzeichnet. Der Berechtigte kann diesen Teil des Flurstückes der Flur von weiterhin als Bauhof nutzen. Der Eigentümer ist von der Nutzung dieses Teil des Grundstückes ausgeschlossen. Die Nutzung wird die nächsten 25 Jahre, vom Tage der Eintragung des Käufers als Eigentümer im Grundbuch an gerechnet, ebenfalls unentgeltlich gewährt. Danach ist der Eigentümer berechtigt, eine ortsübliche Nutzungsentschädigung vom Berechtigten zu verlangen.

Zur dinglichen Sicherung dieses Nutzungsrechts bewilligen und beantragen die Parteien die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (Benutzungsrecht, Betreibung eines Bauhofes) für das Amt zu Lasten des Flurstückes …, der Flur im Grundbuch von … .“

Im Grundbuch von … sind in Abteilung II unter der lfd. Nr. 2 und 3 die Dienstbarkeiten eingetragen. Sie lauten: „beschränkt persönliche Dienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) … und beschränkt persönliche Dienstbarkeit (Benutzungsrecht – Betreiben eines Bauhofes)“.

Eine wesentliche Forderung der Gemeindevertreter des Verkäufers und ein grundlegender Vertragsbestandteil war die Beibehaltung und Absicherung der unentgeltlichen Nutzungen des Bauhofgeländes durch die Klägerin. Zum Zeitpunkt des Kaufvertrages befanden sich auf dem Bauhofgelände schon Gebäude. Diese sind auf der Anlage zum Kaufvertrag auch ersichtlich. Bereits zu DDR-Zeiten verlief die stationäre Trinkwasserleitung über das Grundstück des Kraftwerkes. Der Wasseranschluss lag am Kraftwerk an, von dort aus erfolgte die Versorgung des Bauhofes. Ein Zwischenzähler war eingebaut.

Die Klägerin erhielt Trinkwasser zur Versorgung des Bauhofes, zur Warmwasseraufbereitung, für Duschen, für Sanitärräume nebst Toiletten. Die Abwasserentsorgung erfolgte über eine abflusslose Sammelgrube.

Im Jahr 2003 monierte der Wasser- und Abwasserverband – nachfolgend WAV – eine nicht satzungsgemäße Wasserzählung. Mit bewilligten Fördermitteln ließ die Beklagte sämtliche Leitungen des Kraftwerksgrundstückes modernisieren und den Anforderungen an ein Museum anpassen. Seit der Anordnung der Liquidation der Beklagten erfolgte keine Abrechnung mehr.

Im August 2016 stellte der WAV die Wasserversorgung ein. Die Beklagte schuldet dem WAV 6.596,99 €. Zahlungen erfolgten trotz mehrfacher Mahnungen nicht. Der WAV macht seit dem von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch. Zur Wiederaufnahme der Wasserversorgung erklärte sich der WAV nur bei Ausgleich der Zahlungsrückstände, Übernahme der Kosten der Wiederinbetriebnahme und Sicherung der Bezahlung der Kosten des künftigen Wasserverbrauchs durch die Beklagte bereit (Anlage K 14, Bl. 133 ff. d. A.). Der WAV erklärte sich zur Herstellung eines separaten Trinkwasseranschlusses mit direkter Abrechnung mit der Klägerin bereit. Das erfordert die Verlegung einer neuen Leitung von der öffentlichen Hauptleitung zum Bauhof über das Grundstück der Beklagten (Anlage K 5, Bl. 17 d. A.).

Die Klägerin forderte die Beklagte mehrfach zum Ausgleich der Zahlungsrückstände beim WAV und zur Wiederaufnahme der Wasserversorgung auf. Im Sommer 2016 stellte die Klägerin zur Notversorgung des Bauhofes mobile Behältnisse auf. Das ermöglichte nur die Versorgung mit Kaltwasser. Eine Wasserversorgung im Winter kann damit nicht gewährleistet werden.

Das Amtsgericht Bad Liebenwerda hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, antragsgemäß eine Regelungsverfügung erlassen. In seiner Entscheidung hat das Amtsgericht zur Dringlichkeit der Wasserversorgung für den Betrieb des Bauhofes ausgeführt (Anlage K 7, Bl. 19 ff. d. A.). Die Klägerin errichtete inzwischen die Trinkwasserleitung, die zum Betrieb des Bauhofes zwingend notwendig ist. Das ist nicht nur aus hygienischen Gründen für die Arbeitnehmer der Klägerin erforderlich, sondern ergibt sich aus den gesetzlichen Anforderungen an Arbeitsstätten (vgl. Arbeitsstättenverordnung). Das Landgericht Cottbus hat in seinem Urteil vom 25.01.2017 die erstinstanzliche Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz aufgehoben. Im Wesentlichen stellt das Landgericht auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ab.

Die Klägerin meint, einen Anspruch aus §§ 1018, 1019 BGB in Verbindung § 44 Bbg NRG zu haben. Die beiden beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten, das Geh- und Fahrrecht zum Betreiben des Bauhofes würden das Recht zum Bezug von Trinkwasser beinhalten. Außerhalb der bewilligten und eingetragenen Dienstbarkeit bestünde jedenfalls der schuldrechtliche Anspruch der Klägerin zur alleinigen Nutzung des Geländes zum Betrieb des Bauhofes, dass die Verpflichtung zur Benutzung der erforderlichen Wasserleitung umfasse (siehe Kaufvertrag).

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Die Klägerin behauptet, früher Wasser ordnungsgemäß bezahlt zu haben und verweist auf einen Auszahlungsbeleg vom 10.01.2002 (Bl. 126 d. A.).

Die Beklagte nutze die Liefersperre als Druckmittel, um eine entgeltliche Nutzung zu erzwingen.

Die Klägerin ist der Ansicht, auch nach Errichtung der Trinkwasserleitung den tenorierten Anspruch geltend machen zu können. Die Notwendigkeit dazu bestünde zum Einen in der landgerichtlichen Entscheidung und zum Anderen darin, dass auch in Zukunft eventuelle Baumaßnahmen erforderlich sind bzw. Unterhaltungsmaßnahmen an der jetzt liegenden Leitung notwendig werden.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Errichtung und Unterhaltung der separaten Trinkwasserleitung und des separaten Trinkwasseranschlusses für den Bauhof zu gestatten und die hierzu erforderliche Inanspruchnahme des Grundstückes …, (Grundbuch von … Blatt …, Gemarkung …, Flur …, Flurstück …) zu dulden. Aus Richtung des Haupteingangs gesehen, verläuft die Leitung von der linken Grundstücksecke etwa 150 m in nördlicher Richtung entfernt, beginnend am dortigen Weg von der linken Grundstücksgrenze etwa parallel zur Straße Am Kraftwerk, direkt zum Bauhof in einer Tiefe von ca. 80 cm entsprechend der als Anlage K 1 beigefügten Lageskizze.

2. die Beklagte zu verpflichten, die zur Ausführung der Bau- und Betriebs- und Unterhaltungsmaßnahmen nach Ziffer 1 notwendigen Arbeiten auf dem Grundstück zu dulden und hierfür der Klägerin, ihren Mitarbeitern und Beauftragten sowie dem Wasser- und Abwasserverband, seinen Mitarbeitern und Beauftragten einschließlich ihrer Fahrzeuge, Geräte, Maschinen und Materialien den notwendigen Zugang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Verlauf der Wasserleitung sei bei Abschluss des Kaufvertrages nicht bekannt gegeben worden. Eine Einigung über die Leitungsnutzung und Wasserentnahme sei nicht erfolgt. Von einem Zwischenzähler habe die Beklagte keine Kenntnis gehabt.

Sie meint, die Klägerin entnehme Trinkwasser jahrzehntelang mittels verbotener Eigenmacht. Die Dienstbarkeiten enthielten kein Leitungsrecht. Ohne eigenes Leitungsrecht sei der Betrieb des Bauhofes von Anfang an unmöglich. Damit liege eine Unmöglichkeit in der Umsetzung der Dienstbarkeit. Das führe zur Nichtigkeit der Bewilligung der Dienstbarkeit.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Dienstbarkeit sei nicht wirksam bestellt worden. Der Amtsdirektor habe als Vertreter des Verkäufers, der Gemeinde, die Dienstbarkeit für einen nutzungsberechtigten Dritten – das Amt – bestellt. In der Einräumung eines unentgeltlichen Geh- und Fahrrechtes läge eine verdeckte Gewinnausschüttung an einen Dritten, die Klägerin.

Es läge ein kollusives Zusammenwirken der Vertreter der Gesellschafter der Beklagten zum Nachteil der Beklagten vor.

Die Beklagte meint, die Forderung der Klägerin ziele auf ein Leitungsrecht im Sinne eines Notwegerechtes nach § 917 BGB ab. Dafür sei eine Entschädigung zu entrichten.

Die Beklagte hat im Termin der mündlichen Verhandlung auf die Frage des Gerichtes, ob der Zahlungsrückstand gegenüber dem WAV ausgeglichen wurde erbost reagiert. Der Klägerin hat die Beklagte Zahlungsansprüche für den Bezug von Wasser für die letzten 16 Jahre in einer Größenordnung von ca. 28.000,00 € zzgl. Zinsen von ca. 20.000,00 € vorgehalten und für eine vergleichsweise Regelung eine monatliche Nutzungsentschädigung für den Bauhof von 2.500,00 € vorgeschlagen. Auf die Protokollierung des überaus wortreichen und ausschweifenden Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, gleichzeitig des Geschäftsführers der Beklagten, hat das Gericht verzichtet.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Kläger kann von der Beklagten die Duldung der Errichtung und Unterhaltung der separaten Trinkwasserleitung verlangen gem. §§ 1018, 1090 BGB, § 44 BbgNRG.

Die Beklagte räumt zur notariellen Urkunde dem Kläger die in der Urkunde bezeichneten Nutzungsrechte ein, die Beklagte und der Verkäufer bewilligten und beantragten die Eintragung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten im Grundbuch. Dem Formerfordernis ist der rechtsgeschäftlichen Bestellung entsprochen.

Für Inhalt und Umfang einer Grunddienstbarkeit ist die Grundbucheintragung maßgebend. Diese darf das Revisionsgericht selbständig auslegen (BGH NJW 1983, 115, 116). Die hM und Rechtsprechung stellen dabei für die Auslegung von Dienstbarkeiten auf eine stark objektivierende Interpretation unter Reduzierung des Auslegungsgegenstandes und der Auslegungsmittel ab. Angesichts der Zweckbestimmung des Grundbuchs, jedem Einsichtnehmenden über Bestand und Reichweite der Rechte zuverlässig Auskunft zu geben (vgl. etwa BGH DNotZ 1976, 16, 17), wird dabei auf folgende „Auslegungsformel“ abgestellt: Der Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit bestimmt sich nach dem Grundbucheintrag (Auslegungsobjekt). Bei dessen Auslegung ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus der Eintragung und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung bei objektiver Betrachtungsweise für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Aus diesen Urkunden nicht hervorgehende Umstände sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres ersichtlich sind (BGHZ 37, 147, 149 = NJW 1962, 1344; NJW 1969, 502, 503 = LM Nr 16; BGH NJW 1976, 417, 418 = LM Nr 25; NJW 1983, 115, 116; MDR 1991, 421 = Rpfleger 1991, 49; BGHZ 90, 181, 184; 92, 351, 355 = NJW 1985, 385; NJW 2002, 1797, 1798 = DNotZ 2002, 718; BayObLGZ 1982, 69, 73; 1984, 122, 123 = DNotZ 1984, 562; OLG Köln NotBZ 2006, 366; OLG Koblenz NotBZ 2007, 417; 2. 7. 2013 – 3 U 1442/12 – NJW-RR 2014, 401, 402; OLG München MittBayNot 2007, 50 = FGPrax 2006, 247; Soergel/Stürner Rn 8; Bauer/Oefele/Bayer/Lieder AT III Rn 374; Meisner/Ring/Götz § 27 Rn 6; NK-BGB/Otto Rn 71; Schöner/Stöber Rn 293; Staudinger/Gursky [2012] § 873 Rn 269). Zum Urkundeninhalt gehören nach § 9 Abs 1 S 3 BeurkG auch Karten, Zeichnungen und Abbildungen, auf die in der Bewilligung ausdrücklich verwiesen wird; die zur früheren bis zum 27.02.1980 geltenden Rechtslage ergangene Rechtsprechung (vgl. etwa BGH LM Nr 14, 25 = NJW 1976, 417) ist dadurch überholt (MünchKomm/Joost Rn 17).

Zu diesen ohne Weiteres erkennbaren Umständen gehören die tatsächlichen Verhältnisse beider Grundstücke, insbesondere Lage und Verwendungsart des herrschenden Grundstücks (BGH NJW 1960, 673; LM Nr 25 = NJW 1976, 417, 418; NJW-RR 1991, 457, 458; NJW-RR 1992, 1484; 4. 12. 2015 – V ZR 22/15 – Rn 48, DNotZ 2016, 289; BayObLG MittBayNot 1988, 231, 232).

Daran gemessen und aufgrund der Tatsache, dass der Urkunde der Lageplan zum Flurstück mit gekennzeichnetem Gelände des Bauhofes beigefügt war, ergibt sich bei objektiver Betrachtungsweise für einen unbefangenen Betrachter der Inhalt und Umfang des Nutzungsrechts des berechtigten Klägers – die alleinige Nutzung des zum Bewilligungszeitpunkt genutzten Geländes des Amtsbauhofes unter Ausschluss der Beklagten. Auf dem Areal des Bauhofes sind Gebäude erkennbar. Die Bezeichnung Bauhof wird definiert: Bauhof ist ein Lagerplatz für Baumaterial und -maschinen der Baubetriebe und Verwaltungen. [Ein Bauhof kann also am Standort eines Bauunternehmens errichtet werden oder eine ständige Einrichtung von Gemeinden sein, die dort Material und Gerätschaft für Grünpflege, Straßenerhaltung und -reinigung, Winterdienst u. Ä. aufbewahren und die erforderlichen Fahrzeuge abstellen. Im ersten Fall spricht man auch von Betriebshof oder Baubetriebshof, im Letzteren auch von Stadtpflegebetrieb. Die Verwaltung kommunaler Bauhöfe erfolgt in unterschiedlichen Rechtsformen wie Regiebetrieb oder Eigenbetrieb. Meist werden auf dem Bauhof auch Büro-, Umkleide- und Sozialräume für die Mitarbeiter vorgehalten (Wikipedia). So verhält es sich hier. Die Klägerin unterhält in den vorhandenen Gebäuden auch Sanitäreinrichtungen, geht damit mit den Anforderungen der ArbeitsstättenVO konform.

Die Inhaltsbezeichnung muss so bestimmt sein, dass ein Dritter nach vernünftigem Ermessen in der Lage ist, den Umfang des Rechts zu erkennen; dabei dürfen allerdings keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Dem Grundsatz der Bestimmtheit ist genügt, wenn das Rechtsverhältnis objektiv bestimmbar ist, also aufgrund objektiver Umstände erkennbar und für einen Dritten verständlich ist. Ein Dritter muss die Belastung des Grundstücks einschätzen und eine ungefähre Vorstellung davon gewinnen können, welche Bedeutung die Dienstbarkeit für das Eigentum hat (BGH 6.11. 2014 – V ZB 131/14 – Rn 19, DNotZ 2015, 113 = NJW-RR 2015, 208; vgl. auch RGZ 117, 323, 326 f; KGJ 53, 152; BayObLGZ 1967, 48, 52 f = NJW 1967, 1373).

Diese Anforderung ist erfüllt. Mit der Berechtigung der Klägerin zur weiteren Nutzung als Bauhof unter Ausschluss der Beklagten führt die Klägerin den bisherigen „Geschäftsbetrieb“ weiter. Es handelt sich um eine Benutzungsdienstbarkeit (§ 1018, 1. Fallgruppe). Danach darf der Eigentümer des herrschenden Grundstücks das dienende Grundstück „in einzelnen Beziehungen benutzen“. Unerheblich ist dabei, ob es sich um eine einzelne Sachnutzung oder einen Gebrauchsvorteil (Wohnen) handelt. Der Berechtigte darf das fremde Grundstück in einzelnen Beziehungen benützen (Benutzungsdienstbarkeit; § 1018, 1. Alt); dem entspricht auf Seite des belasteten Eigentümers die Verpflichtung zum Dulden dieser Nutzung, z.B. zum Gehen oder Fahren. Dies ist die in der Praxis am häufigsten vorkommende Art der Grunddienstbarkeit. Unter „Benutzen eines Grundstücks in einzelnen Beziehungen“ ist ein dauerndes oder fortgesetztes oder doch mehr oder weniger häufiges, regelmäßig wiederkehrendes Gebrauchmachen von dem Grundstück zu bestimmten Zwecken zu verstehen (KGJ 26 A 274, 275 f [nicht bloßes Beseitigungsrecht]; 39 A 215, 216; OLG Schleswig 16. 3. 2011 – 2 W 47/10 – SchlHA 2012, 19). Hierbei kann jeder Gebrauch in Frage kommen, der mit einem Vorteil für das herrschende Grundstück unmittelbar oder mittelbar verknüpft ist (s. dazu Erl zu § 1019). Der Begriff „in einzelnen Beziehungen“ ist im Übrigen weit auszulegen (BayObLG NJW – RR 1990, 208). Vorliegend ist wegen dem Betrieb des Bauhofes die Gebrauchsnutzung von überwiegender Bedeutung. Zum Gebrauch gehört das Vorhandensein von Trinkwasser. So ist der Bauhof bei Vertragsschluss auch ausgestattet gewesen. Niemand behauptet, die Wasserleitung sei erst nach dem Kauf der Grundstücke gelegt worden. Die Formulierung „weiterhin als Bauhof nutzen“ bedarf keiner Auslegung, sie besagt nichts anderes als dass die Berechtigung der Nutzung unverändert fortbesteht.

In der Gebrauchsgewährung der Trinkwasserleitung durch die Beklagte liegt aber keine unzulässige Leistungspflicht der Beklagten. Die Gebrauchsgewährung ist kein positives Handeln im Sinne einer Abnahme – oder Bezugspflicht. Die Pflicht des Eigentümers zu einem positiven Handeln kann nicht Hauptinhalt einer Grunddienstbarkeit sein („servitus in faciendo consistere nequit“ dazu etwa BGH NJW-RR 2003, 733, 735; WM 1984, 820, 821; WM 1985, 808, 809; WM 1985, 1003, 1004; BayObLG NJW-RR 2005, 1178 = MittBayNot 2005, 307; 21. 12. 2012 – V ZR 221/11 – Rn 21, NJW 2013, 1965; Just, in: Brieskorn/Mikat ua, Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft [1994] 493, 515 ff; Wilhelm, Sachenrecht Rn 1962 f; NK-BGB/Otto Rn 58; vgl auch BGH LM 31 zu § 242 [D] = DNotZ 1959, 240, 241; BayObLGZ 1980, 232, 235). Der Klägerin stand und steht daher kein Recht zum unentgeltlichen Bezug von Trinkwasser zu, gleichbedeutend mit einer Pflicht der Beklagten zur entgeltlichen Lieferung von Trinkwasser. Die Berechtigung zum Bezug von Trinkwasser liegt in der unentgeltlichen Benutzung der Trinkwasserleitung.

Diese schuldet die Beklagte aus der Urkunde aber auch als schuldrechtliche Pflicht. Das kausale Geschäft ist nicht losgelöst zu betrachten. Als Verpflichtungsgeschäft bestimmt es den Umfang des Verfügungsgeschäftes.

Deswegen erfolgte die Wasserentnahme nicht mittels verbotener Eigenmacht gem. § 858 BGB. Die verbotene Eigenmacht ist, wie sich aus den §§ 859, 861, 862 und 863 ergibt, entweder Besitzentziehung oder Besitzstörung. Besitzentziehung nimmt dem Besitzer die tatsächliche Gewalt total und dauernd (RGZ 67, 387, 389; Westermann/Gursky/Eickmann § 21 Rn 1; BGB-RGRK/Kregel Rn 5; Soergel/Stadler Rn 7; Erman/Lorenz Rn 4). Verbotene Eigenmacht ist eine Besitzbeeinträchtigung ohne den Willen des unmittelbaren Besitzers. Hiernach erscheint schon zweifelhaft, ob die Benutzung der Trinkwasserleitung auf dem Gelände des Bauhofes eine Besitzentziehung im Sinne des Gesetzes darstellt.

Da das Gesetz nicht verlangt, dass die Beeinträchtigung gegen den Willen des Besitzers geschehen müsse kann nur eine Zustimmung des Besitzers dem Eingriff in den Besitz den Charakter verbotener Eigenmacht nehmen (RG JW 1928, 497; RG WarnR 1925 Nr 24; MünchKomm/Joost Rn 7; Soergel/Mühl Rn 5; Westermann / Gursky/Eickmann § 21 Rn 3). Die Zustimmung kann auch stillschweigend kundgegeben werden, etwa der Gleichgültigkeit hinsichtlich des Schicksals der Sache zu entnehmen sein (RGZ 72, 192, 198 f). So verhält es sich hier. Es kommt nämlich nicht darauf an ob die jetzigen Geschäftsführer der Beklagten der Wasserentnahme zustimmten, sondern die Beklagte zum Zeitpunkt der Bewilligung der Dienstbarkeit – Benutzungsrecht -. Als juristische Person erteilt die Beklagte keine Zustimmung, sie handelt aber durch ihr Organ, hier den vertragsschließenden Geschäftsführer. Die Beklagte kann gegenwärtig nicht einfach behaupten, eine Zustimmung habe nicht vorgelegen, wenn die Klägerin von Beginn an Wasser entnahm, zumindest über die Bezahlung von Trinkwasser Verhandlungen geführt wurden, ihr über Jahrzehnte hinweg die Entnahme von Wasser nicht versagt wurde.

Die Pflicht der Beklagten, das Verlegen der Wasserleitung zu dulden beruht auf § 44 BbgNRG. Der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten eines Grundstücks müssen dulden, dass durch ihr Grundstück der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten des Nachbargrundstücks auf eigene Kosten Versorgungs- und Abwasserleitungen hindurchführen, wenn

1. das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig,

2. der Anschluss an das Versorgungs- und Entwässerungsnetz anders nicht möglich und

3. die damit verbundene Beeinträchtigung nicht erheblich ist.

Mit der Liefersperre des WAV, ihrem Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Beklagten und den Bedingungen der Wiederaufnahme der Wasserlieferung durch den WAV gegenüber der Beklagten verfügt der Bauhof über keine eigene Wasserleitung. Ein Zugang zum öffentlichen Trinkwassernetz besteht nicht (mehr). Die Ursache hierfür setzte die Beklagte. Sie schuldet dem WAV 6.596,99 €. Die Wiederaufnahme der Versorgung ist nicht zu erwarten. Die wiederholten Aufforderungen der Klägerin zum Ausgleich der Zahlungsrückstände blieben erfolglos. Die Beklagte nahm das Angebot des WAV zur Wiederaufnahme der Versorgung nicht an.

Es besteht keine Verpflichtung der Klägerin zur Begleichung der Schulden der Beklagten beim WAV. Zwischen WAV und Klägerin bestand kein Liefervertrag, die Beklagte legte keine verbrauchsabhängige Rechnung. Selbst wenn die Klägerin in Vorleistung gegenüber dem WAV treten würde, stünde es schlecht um einen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten wegen § 812 BGB. Die Leistung der Klägerin würde gerade nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sein.

Die Beklagte kann von der Klägerin auch keine Entschädigung i.S. § 917 Abs. 2 BGB verlangen. Dem steht rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten entgegen. Die Beklagte erwarb den Anspruch erst durch eigenes rechtswidriges Verhalten. Sie verursachte die Liefersperre und setzte den Grund für die Notwendigkeit zur Verlegung einer separaten Wasserleitung.

Letztlich verfangen die Einwendungen der Beklagten nicht.

Die persönlich beschränkte Dienstbarkeit zum Betreiben des Bauhofes ist wirksam entstanden und nicht zu löschen. Das Gesetz (§ 1090 Abs. 2 BGB) führt unter den auf die beschränkt persönliche Dienstbarkeit anzuwendenden Vorschriften § 1019 BGB zwar nicht auf. Es ist jedoch selbstverständlich, dass auch eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit für irgend jemand einen erlaubten Vorteil bedeuten muss, wenn sie gültig entstehen soll (BGHZ 41, 209, 214; MünchKomm/Joost § 1091 Rdn. 3; vgl. auch RGZ 111, 384, 392). Eine Dienstbarkeit erlischt, wenn ihre Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauernd unmöglich wird (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1984, V ZR 177/82, NJW 1984, 2157, 2158 m.w.N.). Besteht diese objektive und dauernde Ausübungsunmöglichkeit schon bei ihrer Bestellung, kann sie demgemäß nicht wirksam entstehen (BGH, Urteil vom 07. Dezember 1984 – V ZR 189/83 -, BGHZ 93, 142-146- Bimsabbau -). Die Entscheidung ist auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar. Wie oben ausgeführt war der Bauhof mit Trinkwasser versorgt, die Leitung lag an, der Betrieb des Geländes und der Gebäude für einen Bauhof tatsächlich möglich.

Die Wirksamkeit der Grunddienstbarkeit scheitert nicht an der Beteiligung des gesetzlichen Vertreters des Verkäufers und des Berechtigten. Nach der Entscheidung des Reichsgerichts – RG, Beschluss vom 14. November 1933 – V B 10/33 -, RGZ 142, 231-239 – kann der Eigentümer zweier Grundstücke an dem einen von diesen zu Gunsten des anderen eine Grunddienstbarkeit bestellen. Damit ist eine Personengleichheit der Eigentümer des dienenden und des herrschenden Grundstücks möglich und nach hier übertragbar.

Ein kollusives Zusammenwirken des Vertreters der Klägerin und der Vertreter der Gesellschafter der Beklagten zum Nachteil der Beklagten ist nicht ersichtlich. Die Unentgeltlichkeit der Dienstbarkeit ist nicht losgelöst vom gesamten Rechtsgeschäft zu betrachten. Die Unentgeltlichkeit ist befristet festgelegt, danach das Recht der Beklagten auf eine übliche Entschädigung vereinbart. Der Kaufpreis für das riesige Areal auf 1,- DM festgelegt.

Aus denselben tatsächlichen Gründen erscheint die Behauptung einer verdeckten Gewinnausschüttung an einen Dritten als abwegig, insbesondere weil Verträge dieser Art auch der Kontrolle der Kommunalaufsicht und Zustimmung des Finanzamtes unterliegen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

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