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Berichterstattung im Internet – Störerhaftung – Löschungsanspruch

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 7 U 60/13 – Urteil vom 08.07.2014

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 31.05.2013, Az. 324 O 550/12, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die auf Löschung gerichtete Klage abgewiesen.

Berichterstattung im Internet – Störerhaftung – Löschungsanspruch
Symbolfoto: Von Song_about_summer /Shutterstock.com

Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, verfolgt das Ziel, sich an Unternehmen in aufstrebenden Branchen zu beteiligen. Sie bezeichnet sich als V C I-Unternehmen. Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er war für die heute nicht mehr existierende Kanzlei Dr. S & v B als freier Mitarbeiter tätig. Nunmehr ist er Rechtsanwalt in der Sozietät von B Rechtsanwälte. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Kanzlei Dr. S & v B betreute er ein Mandat einer Erbengemeinschaft gegen die hiesige Klägerin. Die Parteien stritten um die Rückkaufverpflichtung von Aktien der Klägerin. Die Kanzlei Dr. S & v B veröffentlichte auf ihrer Homepage zeitnah eine Berichterstattung über die Klagerhebung; der Beitrag wurde auf diesem Internetauftritt gelöscht; diese Homepage existiert mittlerweile nicht mehr. Ebenfalls erfolgte eine Berichterstattung auf den Seiten des „BSZ Bund für soziales und ziviles Rechtsbewusstsein e.V.“ und im Rahmend des Internetauftritts „recht&billig“ (Anlage K 1). Nach Abmahnung des Beklagten war die Berichterstattung dort nicht mehr abrufbar. Allerdings stellte die Klägerin in der Folgezeit fest, dass eine entsprechende Berichterstattung unter der Überschrift „Zahlungsklage gegen A & L AG erhoben“ in der aus der Anlage K 4 ersichtlichen Form unter den dort genannten URLs abrufbar war. Zudem war die Berichterstattung über Suchmaschinen abrufbar (vgl. Anlagen K 6 und K 7). Mit Schreiben vom 26. Januar 2012 verlangte die Klägerin von dem Beklagten, „dafür zu sorgen, dass der Artikel spätestens bis zum 30. Januar 2012, 12. Uhr aus sämtlichen Foren verschwunden ist, die öffentlich zugänglich sind.“ (Anlage K 5).

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Berichterstattung auf den Seiten der Kanzlei Dr. S und v Br nicht streitgegenständlich sei; hinsichtlich der Folgeberichterstattungen sei der Beklagte nicht anspruchsverpflichtet, denn es könne der Entscheidung nicht zugrundegelegt werden, dass der Beklagte Täter oder Teilnehmer dieser Veröffentlichungen sei; auch liege keine Verantwortlichkeit unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung vor.

Die Klägerin verfolgt ihr Löschungsbegehren mit der form- und fristgerecht eingereichten Berufung weiter wie auch den in einem vom Landgericht nachgelassenen Schriftsatz nachgeschobenen auf Schadensersatz gerichteten Hilfsantrag und macht geltend, der Beklagte habe nicht wirksam bestritten, den Artikel verfasst zu haben. Mit dem Artikel habe man die Absicht verfolgt, Kontakt zu weiteren Aktionären zu finden. Das sei auch gelungen (Anlage BF K 1). Ob der Beklagte als freier Mitarbeiter tätig gewesen sei, spiele keine Rolle; er habe nicht bestritten, für die Veröffentlichung auf der Website verantwortlich gewesen zu sein. Der angegriffene Artikel stelle eine unzulässige Werbemaßnahme dar, er hätte nicht veröffentlicht werden dürfen, zumal er unwahre Tatsachenbehauptungen verbreite, wie das Urteil des Landgerichts Hamburg in der Sache der Erbengemeinschaft gegen die hiesige Klägerin belege (Anlage Bf K 1).

Auch wenn es nicht darauf ankomme, gleiches gelte für den BSZ – Artikel, denn der Beklagte habe bestätigt, dass der BSZ – Artikel im Wesentlichen mit seinem Artikel aus der Holmepage übereinstimme. Soweit der Beklagte vortrage, der Artikel sei redaktionell verändert worden, behaupte er nicht, der Artikel sei inhaltlich verändert worden.

Das Landgericht habe auch nicht davon ausgehen dürfen, dass eine Zusammenarbeit des Beklagten mit dem BSZ, der ihn als Vertrauensanwalt mit Foto vorstelle, nicht nachgewiesen sei. Der Beklagte habe einen Informationsaustausch im Zusammenhang mit derartigen Aktionen ausdrücklich bestätigt; er bestreite lediglich das Bestehen von Rechtsbeziehungen.

Das Landgericht habe nicht die Vernehmung der angebotenen Zeugen R, H und Dr. S ablehnen dürfen; das Gericht überspanne damit das Maß der notwendigen Darlegungslast. Der klägerische Vortrag gehe nicht ins Blaue und sei auch nicht zu pauschal. Dr. S habe im Büro des Klägervertreters angerufen und erklärt, den gesamten Vorgang habe der Beklagte allein und eigenverantwortlich bearbeitet.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 31.5.2013 – 324 O 550/12 – zu verurteilen, die Löschung des im Internet über Suchmaschinen abrufbaren Artikels vom 24.09.2010 „Zahlungsklage gegen AL AG erhoben“ zu bewirken; hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin jeden Schaden zu erstatten, der ihr infolge der jederzeitigen Abrufbarkeit des beanstandeten Artikels im Internet entstanden ist oder noch entstehen wird; hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, die Löschung folgender Passagen aus dem im Internet über Suchmaschinen abrufbaren Artikel vom 24. September 2010 „Zahlungsklage gegen AL AG erhoben“ zu bewirken: Seit 2003 wird den Aktionären der Kauf ihrer Aktien zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis versprochen und auch vertraglich zugesichert. Der Vorstand der AL AG hält die Aktionäre mit immer neuen Versprechen, wonach die Kaufabwicklung unmittelbar bevorstehe, nun schon ganze sieben Jahre hin. Hinzu kommt, dass die Aktionäre außer Hinhalteparolen keine aussagekräftigen Informationen über das Unternehmen erhalten. Die wahre Geschäftstätigkeit und Geschäftsentwicklung des Unternehmens wird verschleiert.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

2. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Löschungsanspruch gegenüber dem Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, insbesondere bieten die §§ 823, 1004 BGB keine tragfähige Grundlage für das klägerische Begehren.

Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass eine Haftung des Beklagten nur als Täter oder Teilnehmer der angegriffenen Verbreitungshandlung oder aber unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung in Betracht kommt. Allerdings hat man der Entscheidung zugrunde zu legen, dass der Beklagte zumindest Mittäter der zunächst auf der Internetseite der Kanzlei von S & v B vorgenommenen Veröffentlichung ist. Seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 8. Februar 2013, er sage zu seiner Autorenschaft im Hinblick auf diesen Beitrag nichts, macht den klägerischen Vortrag insoweit unstreitig (§ 138 ZPO). Nur insoweit geht das Löschungsbegehren ins Leere, denn bereits vor Klagerhebung wurde der Beitrag aus dem Internetauftritt herausgenommen. Gleiches gilt für die Veröffentlichungen dieses oder eines inhaltsgleichen Beitrags auf den Seiten des BSZ oder aber von „recht&billig“, so dass die Frage nach Täter- oder Teilnehmerschaft des Beklagten bezüglich dieser Veröffentlichung offen bleiben kann. Das klägerische Löschungsbegehren zielt vielmehr auf Folgeveröffentlichungen im Internet ab. In der Klage heißt es dazu, der (Ursprungs)-Artikel stamme vom Beklagten. Auch wenn er den Inhalt dieses Artikels auf seiner Homepage nicht mehr verwende, sei er verantwortlich dafür, dass sich der Artikel im Internet habe ausbreiten können wie ein Virus. Dieser Vortrag gebietet – die Rechtswidrigkeit des Beitrags unterstellt – den Umfang der Haftung des Beklagten näher zu bestimmen. Dass der Beklagte Täter oder Teilnehmer der Folgeveröffentlichungen war, behauptet auch die Klägerin nicht; bleibt die Frage nach der Störerhaftung. Als Störer ist verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgend einer Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsgutes beiträgt ( BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, Rdnr. 21 – Intelligenzproblem?). Adäquat kausal wird die Beeinträchtigung des Rechtsgutes herbeigeführt, wenn sie im Allgemeinen und nicht nur unter besonderen eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014, Rdnr. 26 zu Vorb v § 249 BGB). Kausal mag der ursprüngliche Beitrag des Klägers für die in Rede stehenden Folgeveröffentlichungen gewesen sein, nur an der Adäquanz dürfte es fehlen, denn es entspricht nicht dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, dass ein Beitrag des Beklagten ohne sein Zutun unter der möglichen Verletzung urheberrechtlich geschützter Positionen des Beklagten von Dritten veröffentlicht wird. Aber auch wenn man diesen Schritt nicht mitgeht, kommt eine Haftung des Beklagten für die ohne sein Zutun erfolgten Folgeveröffentlichungen nicht in Betracht. Es ist anerkannt, dass die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Die Störerhaftung setzt die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten voraus; deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den jeweiligen Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Handlung selbst unmittelbar vorgenommen hat, eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 22). Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass allein die Bereitstellung einer Internetauktions- oder Verkaufsplattform, auf der Inhalte nicht vom Betreiber, sondern von Nutzern bereitgestellt werden, regelmäßig keine Verkehrssicherungspflichten verletzt, weil es dem Betreiber nicht zuzumuten ist, jedes Angebot vor Veröffentlichung auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu überprüfen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2010 – V ZR 44/10 – Grundstücksfotos). Dies zugrundegelegt, ist es dem Beklagten erst recht nicht zuzumuten, fremde Internetauftritte zu überprüfen. Aber selbst wenn der Beklagte von einer solchen Veröffentlichung weiß, etwa weil er von der Klägerin informiert worden ist (vgl. Anlage K 4), besteht für ihn keine Löschungspflicht, denn der Beklagte ist gar nicht in der Lage, die Störung zu beseitigen, weil er keinen Zugriff auf fremde Internetauftritte hat. Zwar mag es Fälle geben, in denen einer Unterlassungsverpflichtung nur dadurch genüge getan werden kann, dass man aktiv in einen Kausalverlauf eingreift. Dies kann aber nicht auf Fälle wie den vorliegenden erstreckt werden, in denen die als rechtswidrig reklamierten Veröffentlichungen ohne Zutun des in Anspruch Genommenen erfolgten.

Nach alledem muss nicht entschieden werden, ob der geltend gemachte Anspruch auch aufgrund der Meinungsäußerungsfreiheit des Beklagten aus Art 5 Abs. 1 GG oder aus anderen Gründen scheitert. Den mit vom Landgericht nachgelassenen Schriftsatz nachgeschobenen auf Schadensersatz gerichteten Hilfsantrag hat die Kammer zu recht unberücksichtigt gelassen, denn er ist verspätet (vgl. dazu Greger, in Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, Rdnr. 5 zu § 283 ZPO; Rdnr. 2 a zu § 296 a ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

 

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