OLG Frankfurt
Az.: 7 U 151/03
Urteil vom 25.05.2005
Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich):
Gemäß den üblichen Bedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung liegt eine Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherungsnehmer infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich dauernd zu mindestens 50 % außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, wobei unter dem Begriff „Beruf“ die bisherige Erwerbstätigkeit des Versicherten in seiner konkreten Ausgestaltung zu verstehen ist. Enthält eine Berufsunfähigkeitsversicherung eines Beamten keine „Beamtenklausel“ (Dienstunfähigkeit für spezielle Verwendungen) so liegt eine Berufsunfähigkeit bei einem Beamten nach einem Teil der Rechtsprechung vor, wenn bei dem Beamten eine allgemeine Dienstunfähigkeit im Sinne der Nichtverwendbarkeit auch in einem vergleichbaren Amt bzw. in einer anderen Laufbahn besteht. Nach der Auffassung des OLG Frankfurt ist, sofern keine Beamtenklausel im Berufsunfähigkeitsvertrag vereinbart wurde, hinsichtlich der Frage des Eintritts der Berufsunfähigkeit auf die konkrete Ausgestaltung der in gesunden Tagen zuletzt ausgeübten Tätigkeit und nicht etwa auf die gesamte Spannbreite des jeweiligen Amtes abzustellen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 4.7.2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.
Gründe
I)
Der Kläger – von Beruf Dipl. Handelslehrer – macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend.
Der Kläger erlitt am 5.7.1997 unverschuldet als Motorradfahrer einen Verkehrsunfall, bei welchem er u.a. eine schwerwiegende Kopfverletzung davon trug. Seine Tätigkeit als Lehrer konnte er erst wieder ab Februar 1998 – und zwar mit verminderter Stundenzahl – aufnehmen.
Die Beklagte leistete aus Kulanz Zahlungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für den Zeitraum vom 6.1.1998 bis 31.7.1998, lehnte jedoch weitere Leistungen ab. Hieran hielt sie nach Einholung der Gutachten von Dr. A und Dr. B fest und belehrte den Kläger mit Schreiben vom 9.4.1999 (Bl. 29 d.A.) gemäß § 6 BUZ über die Klagefrist.
Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst die Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 1.8.1997 bis 5.1.1998 – unter Hinweis auf seine Krankschreibung – begehrt.
Im Laufe des Rechtsstreits ist die Beklagte – auf der Grundlage der von ihr eingeholten Gutachten von Prof. Dr. C und Prof. Dr. D – zunächst in eine neue Leistungsprüfung eingetreten, hat jedoch schließlich mit Schreiben vom 17.10.2000 (Bl. 213 f d.A.) weitere Leistungen abgelehnt. Daraufhin hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 5.10.2001 erweitert und begehrt nunmehr zusätzlich bedingungsgemäße Leistungen für die Zeit ab Juni 2000.
Das Landgericht hat Beweis erhoben zur Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers gemäß Beweisbeschluss vom 17.8.2000 (Bl. 101) nebst Ergänzung vom 12.10.2000 (Bl. 106 d.A.) durch Einholung eines neurologischen Gutachtens nebst neuropsychologischem Zusatzgutachten. Nach Vorliegen des Gutachtens von Prof. Dr. E vom 14.2001 (Bl. 149 ff d.A.) nebst Zusatzgutachten von Prof. Dr. F vom 21.6.2001 (Bl. 136 ff d.A.) hat das Landgericht eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen E (Bl. 274 ff d.A.) gemäß Beschluss vom 4.4.2002 (Bl. 269 f d.A.) eingeholt.
Durch Urteil vom 4.7.2003 – auf dessen Inhalt (Bl. 308 ff d.A.) wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird – hat das Landgericht der Klage überwiegend stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, aufgrund der Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. F und E stehe fest, dass der Kläger seit Juni 2000 dauerhaft mindestens zu 50 % berufsunfähig sei. Eine Präklusion der Ansprüche ab Juni 2000 sei aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 9.4.1999 nicht eingetreten. Auf eine Tätigkeit im Schulamt könne die Beklagte den Kläger mangels konkreter Darlegung der insoweit bestehenden Anforderungen nicht verweisen. Des weiteren sei eine Verwaltungstätigkeit mit der bisher ausgeübten Lehrtätigkeit nicht vergleichbar.
Ansprüche für die Zeit vom 1.8.1997 bis 5.1.1998 stünden dem Kläger nicht zu, da nach den Ausführungen des Sachverständigen eine Prognose, ob eine dauerhafte Beeinträchtigung vorliege, sich erst zwei Jahre nach dem Unfall habe stellen lassen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte – unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag – mit der Berufung.
Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe – trotz ihres Vortrages in erster Instanz – völlig außer acht gelassen, dass vorliegend keine Beamtenklausel vereinbart sei, so dass es nicht darauf ankomme, ob eine Tätigkeit im Schulamt eine vergleichbare Tätigkeit sei. Da der Kläger Lebenszeitbeamter sei, liege Berufsunfähigkeit nur dann vor, wenn über die Dienstunfähigkeit in einer Sonderlaufbahn hinaus keine Möglichkeit statuswahrender Verwendung bestehe. Demgegenüber habe jedoch der Sachverständige Prof. E ausdrücklich nur auf die Lehrtätigkeit des Klägers abgestellt. Darauf, dass im staatlichen Schulamt – wie im Schreiben vom 10.9.2000 mitgeteilt – keine Planstelle frei sei, komme es nicht an. Da es sich nicht um eine Verweisungstätigkeit handele, habe sie auch die konkreten Anforderungen einer Tätigkeit in der Verwaltung nicht aufzeigen müssen.
Dass der Kläger nur unter vermehrten Anstrengungen (Raubbau) in der Lage sei, eine Arbeitsbelastung von über 12 Wochenstunden auszuhalten, sei gerade bestritten gewesen und medizinisch nicht festgestellt worden. Soweit der Sachverständige von einer Belastung mit nur je 2 Unterrichtsstunden an drei Tagen sowie drei Stunden an zwei weiteren Tagen ausgegangen sei, bedeute dies nicht zwangsläufig, dass die Unterrichtsstunden auch hintereinander abgehalten werden müssten.
Des weiteren weist sie daraufhin, dass beide Gutachter von einer Arbeitsunfähigkeit zu 50 % ausgegangen seien, was nicht auf eine Berufsunfähigkeit schließen lasse.
Eine Feststellung, dass der Kläger bereits im Juni 2000 berufsunfähig gewesen sei, lasse sich den Gutachten nicht entnehmen.
Des weiteren verweist die Beklagte darauf, dass ihr die Klageerweiterung nach verzögerter Einzahlung des Vorschusses erst am 13.12.2001 zugestellt worden sei. Die Klageerweiterung habe denselben Sachverhalt – nämlich den Motorradunfall – zum Gegenstand, wie er zuvor bereits mit Schreiben vom 9.4.1999 zurückgewiesen worden sei. Insofern sei Präklusion eingetreten.
Des weiteren habe das Landgericht übersehen, dass eine Beitragsfreiheit überhaupt nur für die Lebensversicherung, nicht aber für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung eintrete.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Gießen vom 4.7.2003 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt – unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag – die angefochtene Entscheidung. Aus dem Kontext der überzeugenden Sachverständigengutachten ergebe sich, dass zwei Jahre nach dem Unfall die sichere Prognose einer Berufsunfähigkeit von 50 % habe gestellt werden können.
Das Landgericht habe völlig zu recht angenommen, dass eine Verwaltungstätigkeit beim staatlichen Schulamt für ihn als Handelsschullehrer mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik keine vergleichbare Tätigkeit darstelle. Im übrigen verweist er darauf, dass jede zumutbare Vergleichstätigkeit ein vergleichbares intellektuelles Niveau aufweisen müsse und deren Ausübung an seinen kognitiven Leistungsschwächen scheitere.
Mit seinen Ansprüchen sei er auch nicht aufgrund des Schreibens vom 9.4.1999 präkludiert. In jenem Schreiben weise die Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass sie im Falle einer Änderung seiner gesundheitlichen Situation jederzeit zu einer Neuprüfung bereit sei. Nach den zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Gutachten sei eine abschließende Einschätzung aus medizinischer Sicht gerade noch nicht möglich gewesen.
Die Befreiung von der Beitragspflicht beziehe sich auch auf die eingeschlossene Zusatzversicherung.
Der Senat hat den Kläger zu der konkreten Ausgestaltung seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit in der Sitzung vom 6.10.2004 angehört; auf die Sitzungsniederschrift Bl. 435 ff d.A. wird Bezug genommen. Des weiteren hat der Senat gemäß Beweisbeschluss vom 20.10.2004 (Bl. 438 d.A.) ein Sachverständigengutachten zur Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers eingeholt. Auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. G vom 10.12.2004 nebst neuropsychologischem Zusatzgutachten der Diplom-Psychologin H vom 13.12.2004 wird – ebenso wie auf die in der Senatssitzung vom 4.5.2005 erfolgte mündliche Erläuterung der Gutachten (Bl. 489 ff d.A.) – Bezug genommen.
II)
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung rückständiger bzw. zukünftig fällig werdender Berufsunfähigkeitsrenten gemäß § 1 (1) b der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) – welche er in Höhe von 50 % des Rentenbetrages geltend macht – gegenüber der Beklagten zu. Ebenso kann er gemäß § 1 (1) a BUZ die Rückzahlung geleisteter Prämien bzw. die Freistellung von der Prämienzahlung für die Haupt- und Zusatzversicherung begehren. Hinsichtlich der zukünftigen Beitragsfreiheit hat der Kläger ein Interesse an der begehrten Feststellung, dass er seit Juni 2000 berufsunfähig ist.
Gemäß § 2 BUZ liegt Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherungsnehmer infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich dauernd zu mindestens 50 % außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, wobei unter dem Begriff „Beruf“ die bisherige Erwerbstätigkeit des Versicherten in seiner konkreten Ausgestaltung zu verstehen ist. Ausgehend hiervon besteht bei dem Kläger eine Berufsunfähigkeit zu mindestens 50 % seit Juni 2000.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die für die Auslegung der Beamtenklausel maßgeblichen Erwägungen vorliegend nicht heranzuziehen. Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz (VersR 1999, 1399), wonach in Hinblick auf die Besonderheiten der Beamtenstellung – unabhängig von der Vereinbarung einer Beamtenklausel – eine Dienstunfähigkeit für spezielle Verwendungen nicht genügt, es vielmehr der Feststellung allgemeiner Dienstunfähigkeit im Sinne der Nichtverwendbarkeit auch in einem vergleichbaren Amt bzw. in einer anderen Laufbahn bedarf. Die Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz steht im Widerspruch zu den Versicherungsbedingungen, da im Falle des Fehlens einer Beamtenklausel für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht ersichtlich ist, dass es für die Frage der Berufsunfähigkeit entgegen des klaren Wortlauts der Bedingungen nicht auf den bisher ausgeübten Beruf und eine etwaige Verweisungstätigkeit ankommen soll. Des weiteren führt sie zu einer Schlechterstellung des Beamten hinsichtlich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit, ohne dass diesem zugleich die unwiderlegliche Vermutung der Berufsunfähigkeit durch Feststellung der Dienstunfähigkeit – wie im Falle der Vereinbarung der Beamtenklausel -zugute kommt. Nach Auffassung des Senates ist daher auch bei einem Beamten – sofern keine Beamtenklausel vereinbart ist – auf die konkrete Ausgestaltung der in gesunden Tagen zuletzt ausgeübten Tätigkeit und nicht etwa auf die gesamte Spannbreite des jeweiligen Amtes abzustellen (so auch OLG Hamburg VersR 2002,556; OLG Düsseldorf VersR 2001,219).
Zwar bilden die in erster Instanz eingeholten Gutachten von Prof. F und Prof. E keine geeignete Grundlage zur Feststellung der Berufsunfähigkeit des Klägers, da sie – mangels entsprechender Vorgaben – nicht an die konkrete Ausgestaltung der bisher ausgeübten Tätigkeit des Klägers anknüpfen. Der Kläger hat jedoch seinen Vortrag zur konkreten Ausgestaltung seiner bisherigen Berufstätigkeit in zweiter Instanz anlässlich seiner Anhörung ergänzt.
Wie er glaubhaft dargelegt hat, hat er vor seinem Unfall zunächst 24 später 25 Wochenstunden an einer kaufmännischen Schule in O1 die Fächer Wirtschaft und Informatik unterrichtet. Der Unterricht erfolgte in drei verschiedenen Schultypen. Zu seinen Schülern gehörten zum einen Berufsschüler aus dem kaufmännischen Bereich, zum anderen Vollzeitschüler zur Vorbereitung des Abiturs sowie Schüler der Fachschule für Informatik. Pro Unterrichtsjahr hat der Kläger etwa 24 Arbeiten in beiden Fächern schreiben lassen, was für ihn mit einem Korrekturaufwand von ca. fünf Stunden je Klassensatz für eine Arbeit verbunden war. Zusätzlich zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen hat der Kläger sich regelmäßig durch die Lektüre von Fachzeitschriften fortgebildet, was ca. sechs Stunden pro Woche in Anspruch nahm. Nach dem Ergebnis des auf dieser Grundlage eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. G nebst neuropsychologischem Zusatzgutachten der Diplom-Psychologin H steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger infolge des erlittenen Schädel-Hirn-Traumas und der daraus resultierenden Beeinträchtigung seiner geistigen Leistungsfähigkeit mindestens zu 50 % berufsunfähig ist. Der Sachverständige Dr. G hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass der Kläger an einem hirnorganischen Psychosyndrom verbunden mit einer mittelgradigen Beeinträchtigung seiner geistigen Leistungsfähigkeit leidet, die vor allem mit Aufmerksamkeitsdefiziten, Gedächtnisschwierigkeiten und einer Belastbarkeitsminderung einhergeht und gemessen an seiner Tätigkeit in gesunden Tagen zu einer dauerhaften Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % seit Juni 2000 geführt hat. Zu dieser Beurteilung gelangte der Sachverständige auf der Grundlage der von ihm erhobenen Anamnese sowie der Auswertung der seitens der Diplom-Psychologin H durchgeführten Testverfahren.
Die Diplom-Psychologin H hat eine Reihe von neuropsychologischen Testverfahren –u.a. Aufmerksamkeits-Belastungstest d 2 sowie Testverfahren zur geteilten Aufmerksamkeit (TAP) – durchgeführt, die zusammenfassend eine leichte Verlangsamung der selektiven Aufmerksamkeit, leichte qualitative Defizite bei deutlicher Verlangsamung in der geteilten Aufmerksamkeit, eine leichte Instabilität der Reaktionen in der kognitiven Umstellfähigkeit sowie eine nach ca. zwei Stunden eintretende deutliche Belastbarkeitsminderung zeigten. Des weiteren wurden eine leichte Beeinträchtigung des Arbeitsgedächtnisses im Sinne einer Verlangsamung sowie erhebliche Defizite in den sprachlichen Gedächtnisleistungen und deutliche Defizite in der Konzeptbildung bzw. Flexibilität festgestellt.
Diese Feststellungen bilden eine zuverlässige Grundlage zur Beurteilung der Leistungsbeeinträchtigungen des Klägers. Wie die Diplom-Psychologin H in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. G ausgeführt hat, gab es bei dem Kläger keine Anzeichen für Verdeutlichungstendenzen. Die Testergebnisse entsprachen den aufgrund der Verletzungen zu erwartenden Ergebnissen. Des weiteren wurde auch durch die Testauswahl sicher gestellt, dass etwaige Verdeutlichungstendenzen aufgedeckt worden wären. Angesichts dessen ist es nachvollziehbar, dass die Diplom-Psychologin H keine Veranlassung sah, sog. Symptomvalidierungstestungen – die zudem in ihrer Aussagekraft nicht gesichert sind – , durchzuführen.
Danach steht fest, dass der Kläger gerade in den Leistungsbereichen beeinträchtigt ist, die im Unterricht besonders gefordert werden, so dass es nachvollziehbar erscheint, dass der Kläger nach zwei Unterrichtsstunden an die Grenzen seiner Belastbarkeit stößt und einer Ruhephase bedarf. Des weiteren hat die Diplom-Psychologin H zu recht darauf hingewiesen, dass sich Testsituationen wesentlich strukturierter und ablenkungsfreier als der Berufsalltag gestalten. Zum einen bilden die Testergebnisse insofern den Umfang der tatsächlichen Beeinträchtigung nur annähernd ab und zum anderen lässt der Umstand, dass der Kläger sich einer zeitlich aufwendigen Testung gewachsen zeigte, nicht auf ein entsprechendes berufliches Leistungsvermögen schließen.
Unter Berücksichtigung der bestehenden Leistungsbeeinträchtigungen einerseits und der beruflichen Anforderungen andererseits hat der Sachverständige Dr. G in Übereinstimmung mit der Diplom-Psychologin H überzeugend dargelegt, dass die seitens des Klägers derzeit ausgeübte Unterrichtstätigkeit von neun Stunden zuzüglich drei Stunden EDV-Betreuung die Obergrenze seiner Belastbarkeit darstellt.
Der Kläger unterrichtet derzeit an vier Tagen (Dienstag bis Freitag), wobei er an zwei Tagen jeweils drei Stunden und an den übrigen Tagen eine bzw. zwei Stunden Unterricht erteilt. Hinzukommen drei Funktionsstunden für die EDV-Betreuung, deren Einteilung dem Kläger frei steht. Im Gegensatz zu seiner früheren Tätigkeit unterrichtet der Kläger jetzt ausschließlich Fachschüler und auch nur noch in dem Unterrichtsfach Datenverarbeitung.
Eine Unterrichtstätigkeit in drei verschiedenen Schulformen mit zwei unterschiedlichen Fächern ist dem Kläger aufgrund seines herabgesetzten Leistungsvermögens – insbesondere auch seines eingeschränkten Umstellvermögens – nicht mehr möglich. Durch den Einsatz nur noch in einer Schulform und in einem Schulfach wurden die organisatorischen Möglichkeiten zur Entlastung des Klägers – was die inhaltlichen Anforderungen seiner Lehrtätigkeit betrifft – bereits ausgeschöpft. Des weiteren wurde die Anzahl der Unterrichtsstunden von zuletzt 25 auf neun reduziert, was unter Berücksichtigung der erforderlichen Vor- und Nachbereitungszeiten und der zusätzlich geleisteten EDV-Betreuung von drei Stunden nach den Ausführungen von Dr. G und Diplom-Psychologin H die Grenze des für den Kläger noch Leistbaren darstellt. Zwar hat die Diplom-Psychologin H eingeräumt, dass eine exakte Quantifizierung der dem Kläger angesichts seiner herabgesetzten Leistungsfähigkeit noch zumutbaren Unterrichtstätigkeit schwierig ist. Wie sie weiter ausgeführt hat, mag es denkbar sein, dass der Kläger – der den unterrichtsfreien Montag für die EDV-Betreuung nutzt – auch in der Lage wäre, eine weitere Stunde Unterricht am Mittwoch zu erteilen. Der Dienstag und der Freitag mit jeweils drei Unterrichtsstunden seien jedenfalls für den Kläger bereits sehr belastend, so dass es ihm entgegen komme, dass am Mittwoch nur eine Stunde Unterricht vorgesehen sei. Im übrigen hat sie auch auf den gescheiterten Arbeitsversuch des Klägers mit 15 Stunden Unterricht verwiesen, der die Leistungsfähigkeit des Klägers überschritten habe. Letztlich sei es schwer begründbar, ob neun oder zehn Stunden Unterricht nebst der erforderlichen Vor- und Nachbereitung etc. die Grenze der Leistungsfähigkeit bildeten. Fest stehe jedenfalls, dass bereits ein Stundendeputat von 12 Unterrichtsstunden – also ohne drei Stunden EDV-Betreuung, die mit keinen zusätzlichem Vor- und Nachbereitungsaufwand verbunden und weniger belastend seien – hinsichtlich der Belastbarkeit des Klägers als grenzwertig anzusehen sei.
Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen steht insofern fest, dass der Kläger im Vergleich zu seiner in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit in seiner Berufsfähigkeit mindestens zu 50 % eingeschränkt ist. Trotz des erfolgten Einsatzes in nur einer Schulform und nur einem Unterrichtsfach ist es ihm unter Berücksichtigung erforderlicher Erholungspausen keinesfalls möglich, mehr als maximal 12 Stunden Unterricht zu erteilen. Wie die Dipl.-Psych. H zu recht ausgeführt hat, muss neben der Anzahl der Unterrichtsstunden insbesondere berücksichtigt werden, dass der Kläger nach zwei Stunden jeweils Erholungspausen benötigt und er für erforderliche Vor- und Nachbereitung, Lektüre von Fachzeitschriften etc. im Vergleich zu früher wesentlich mehr Zeit aufwenden muss. Für die Korrektur der in jeder zweiten Woche anfallenden Klassenarbeiten benötigt der Kläger nunmehr anstelle von ca. 5 Stunden fast einen ganzen Arbeitstag. Der Kläger muss vieles zwei- bis dreimal lesen, bis er es behalten kann und häufig Pausen einlegen, da er rasch erschöpft ist. Zwar lagen den Gutachtern keine Testergebnisse des Klägers aus der Zeit vor seiner unfallbedingten Verletzung vor. Ein Vergleich seines prämorbiden Leistungsvermögens mit seinem jetzigen Leistungsvermögen war den Gutachtern jedoch auf der Grundlage der erhobenen Fremd- und Eigenanamnese, der Kenntnis seines beruflichen Werdegangs sowie seiner Angaben anlässlich seiner Anhörung vor dem Senat ohne weiteres möglich.
Im Ergebnis werden die Ausführungen des Sachverständigen Dr. G und der Diplom-Psychologin H letztlich auch durch die Feststellungen von Prof. E und Prof. F gestützt, auch wenn diese von einer dauerhaften Beeinträchtigung der „Arbeitsfähigkeit“ zu 50 % ausgehen und die konkreten Anforderungen der zuletzt ausgeübten Tätigkeit des Klägers nicht berücksichtigt haben. Prof. E hat – ebenso wie auch Prof. C – ein Stundedeputat von maximal 12 Unterrichtsstunden als zumutbar erachtet. Mit einer wesentlichen Besserung der kognitiven Beeinträchtigungen des Klägers ist angesichts des langen Zeitablaufs nicht zu rechnen, so dass von einem Dauerzustand auszugehen ist. Wie der Sachverständige Dr. G in Übereinstimmung mit Prof. E ausgeführt hat, bestehen die insoweit festgestellten, dauerhaften Leistungseinbußen unverändert bereits seit Juni 2000.
Danach steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Kläger mindestens zu 50 % berufsunfähig in seinem zuletzt ausgeübten Beruf ist.
Die Beklagte kann den Kläger auch nicht auf eine andere Tätigkeit verweisen, die ihm eine Berufsausübung zu mehr als 50 % ermöglichen würde. Eine Verwaltungstätigkeit beim staatlichen Schulamt stellt keine Vergleichstätigkeit dar, da sie dem Kläger die Verwertung seiner spezifischen Kenntnisse und Erfahrungen als Lehrer für Informatik und Wirtschaftslehre nicht ermöglichen würde. Eine solche Tätigkeit könnte nur im Rahmen der Versicherung eines Beamten unter Einschluss der Beamtenklausel zu berücksichtigen sein, da in diesem Fall – wie bereits ausgeführt – bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit auf die Verwendbarkeit auch in einem vergleichbaren Amt bzw. in einer anderen Laufbahn abzustellen wäre und die Dienstunfähigkeit für spezielle Verwendungen nicht genügen würde. Andere Tätigkeiten, die dem Kläger eine seiner Ausbildung und Erfahrung entsprechende Berufsausübung ermöglichen würden, sind weder ersichtlich noch von der Beklagten – die insoweit die Aufzeigelast trifft (vgl. Prölss/Martin VVG-Komm., 27. Aufl., § 2 BUZ Rz. 54) – dargetan.
Danach steht dem Kläger gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf bedingungsgemäße
Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zu, der entgegen der Auffassung der Beklagten eine Beitragsfreistellung sowohl für die Hauptversicherung (Lebensversicherung) als auch für die eingeschlossene Zusatzversicherung (BUZ) gemäß § 1 (1) a BUZ umfasst.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf Leistungsfreiheit wegen Versäumung der Klagefrist berufen.
Grundsätzlich kann der Versicherer zwar auch im Rahmen der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung von der Möglichkeit des § 12 III VVG Gebrauch machen. Welche Rechtsfolgen die Versäumung der Klagefrist hat, ist jedoch – insbesondere im Falle einer nachträglichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes – zweifelhaft (vgl. OLG Hamm VersR 1992, 1249; Senatsurteil vom 4.12.2002, Az.: 7 U 113/99). Vorliegend dürfte zwar keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers im Verhältnis zu dem zum Zeitpunkt der Leistungsablehnung am 9.4.1999 bestehenden Zustand eingetreten sein. Der Kläger befand sich vielmehr in einer Wiedereingliederungsphase und eine zuverlässige Beurteilung der Frage, ob eine dauerhafte Hirnleistungsschwäche zurückbleibt, war überhaupt erst nach Abschluss des zweiten Unfalljahres möglich. Der Anspruch auf bedingungsgemäße Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist somit überhaupt erst nach der Leistungsablehnung mit Schreiben vom 9.4.1999 entstanden. Die Leistungsablehnung der Beklagten basierte gerade auch auf dem Umstand, dass zum damaligen Zeitpunkt eine Prognose – in welchem Umfang dauerhaft Berufsunfähigkeit eintreten werde – noch nicht zu stellen war. Mit den erst nachträglich entstandenen Ansprüchen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ist der Kläger daher nicht präkludiert. Darauf, dass diesen Ansprüchen derselbe Sachverhalt – nämlich die aufgrund des Motorradunfalls erlittene Verletzung – zugrunde liegt, kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht abgestellt werden.
Die mit Schreiben vom 17.10.2000 zusätzlich gesetzte weitere Klagefrist hat der Kläger jedenfalls eingehalten. Die Beklagte hat die Frist zur Klageerhebung – zuletzt mit Schreiben vom 12.9.2001 – bis zum 30.4.2002 verlängert. Der klageerweiternde Schriftsatz vom 5.10.2001 – mit welchem die streitgegenständlichen Ansprüche geltend gemacht wurden – ist der Beklagten am 13.12.2001 zugestellt worden.
Danach hat die Berufung der Beklagten in der Sache keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.
Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.