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Betriebsbedingte Kündigung – unzulässige Austauschkündigung – Notwendigkeit einer Sozialauswahl

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 7 Sa 1562/10 – Urteil vom 08.09.2011

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.12.2010 in Sachen 2 Ca 4245/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Auflösungsantrag der Beklagten bleibt abgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 14.05.2010, einen Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers sowie einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz und wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge wird auf den Tatbestand des mit der vorliegenden Berufung angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 01.12.2010 in Sachen 2 Ca 4245/10 Bezug genommen. Ergänzend wird ausdrücklich auf die von den Parteien zur Akte gereichten Anlagen hingewiesen, insbesondere auf die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger vom 24.03.2009 (Anlage B 4) und vom 05.05.2009 (Anlage B 5) sowie das Beförderungsschreiben vom 20.01.2010 (Anlage A 3), auf die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mit der Mitarbeiterin D vom 29.12.2006 (Anlage B 20) und vom 23.06.2009 (Anlage B 19) sowie auf die Betriebsratsanhörung vom 07.05.2010 (Anlage B 6). Wegen der Gründe, die die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattzugeben sowie den arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag abzuweisen, wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 01.12.2010 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 16.12.2010 zugestellt. Sie hat hiergegen am 22.12.2010 Berufung eingelegt und diese am 02.02.2011 begründet.

Die Beklagte beanstandet, dass das Arbeitsgericht sich in seinen Entscheidungsgründen nicht mit der von ihr vorgetragenen und zum 01.07.2010 durchgeführten Umstrukturierungsmaßnahme befasst habe, in deren Rahmen die vom Kläger geleitete Abteilung Artikeldatenmanagement (ADM) wieder in den IT-Bereich eingegliedert worden sei. Hierdurch sei der Arbeitsplatz des Klägers als Leiter der Abteilung ADM zwar nicht entfallen. Das Arbeitsgericht Köln habe aber übersehen, dass der Kläger nunmehr in dieser Position durch die Mitarbeiterin D im Rahmen einer Sozialauswahl verdrängt werde, da die Mitarbeiterin D über stärkere Sozialdaten als der Kläger verfüge.

Die von der Mitarbeiterin D davor eingenommene Position sei nahtlos zum 01.07.2010 auf den neu eingestellten Mitarbeiter H übertragen worden, einem ausgewiesenen proAlpha-Fachspezialisten, mit dem der Kläger fachlich nicht konkurrieren könne.

Weiter beanstandet die Beklagte, dass das Arbeitsgericht auch ihrem Auflösungsantrag nicht stattgegeben habe. Zur Begründung ihres Auflösungsantrags bezieht sich die Beklagte auf diverse dem Kläger zurechenbare Formulierungen seines Prozessbevollmächtigten im Zuge des vorliegenden Kündigungsschutzrechtsstreits. Wegen der Einzelheiten wird auf Abschnitt IV 2 der Berufungsbegründungsschrift vom 02.02.2011 sowie auf Abschnitt 3 des weiteren Schriftsatzes der Beklagten vom 07.06.2011 Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.12.2010, 2 Ca 4245/10, abzuändern und den Kündigungsschutzantrag sowie den Weiterbeschäftigungsantrag abzuweisen, hilfsweise: das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2010 gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber 5.200,00 EUR nicht überschreiten sollte.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt, die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Das Arbeitsgericht habe zu Recht festgestellt, dass die Beklagte für die streitige Kündigung keinerlei dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG anführen könne. Die von ihr dargestellte Umstrukturierungsmaßnahme habe gerade nicht zum Wegfall eines Arbeitskräftebedarfs geführt. Auf eine Sozialauswahl komme es daher gar nicht erst an. Unabhängig davon verstoße die Kündigung als betriebsbedingte Kündigung auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da es verschiedene Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf freien Arbeitsplätzen gegeben habe, die man ihm, dem Kläger, gegebenenfalls im Wege einer Änderungskündigung, habe anbieten müssen.

Der Kläger tritt auch dem in der Berufungsinstanz erneuerten Auflösungsantrag der Beklagten entgegen. Er habe die Beklagte weder beleidigt noch mit Schmähkritik überzogen, sondern lediglich in sachlicher Weise seine Rechte wahrgenommen und von seiner Meinungsäußerungsfreiheit Gebrauch gemacht. Die diversen außergerichtlichen Gespräche mit den verantwortlichen Personen der Beklagten seien allesamt in einer freundlichen und angenehmen Atmosphäre verlaufen und belegten, dass einer zukünftigen Zusammenarbeit der Parteien und insbesondere auch des Klägers mit seinen Vorgesetzten nichts im Wege stehe.

Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils hat die Beklagte dem Kläger mehrere Angebote auf Prozessrechtsbeschäftigung unterbreitet sowie zuletzt dem Kläger in einem dem Gericht mit Schriftsatz vom 10.08.2011 mitgeteilten Vergleichsvorschlag das Angebot der unbefristeten Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses unterbreitet.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.12.2010 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 vorgeschriebenen Fristen formal ordnungsgemäß eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Beklagten konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht Köln hat den Rechtsstreit richtig entschieden und seine Entscheidung zwar teilweise knapp, aber präzise und inhaltlich zutreffend begründet.

Zusammenfassend und ergänzend bleibt aus der Sicht des in der Berufungsinstanz zuletzt erreichten Streitstandes noch das Folgende auszuführen:

1. Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.05.2010 ist rechtsunwirksam. Sie ist sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Insbesondere ist sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegen gestanden hätten. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung.

a. Dringende betriebliche Erfordernisse in Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG setzen voraus, dass im Betrieb des kündigenden Unternehmens ein oder mehrere Arbeitsplätze weggefallen sind. Schon an dieser Grundvoraussetzung jeder betriebsbedingten Kündigung fehlt es hier, und zwar bereits auf der Grundlage des eigenen Sachvortrages der Beklagten. Dies hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend erkannt und seine Entscheidung zur Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung zu Recht hierauf gestützt.

b. Zu Unrecht kritisiert die Beklagte in diesem Zusammenhang in ihrer Berufungsbegründungsschrift, das Arbeitsgericht habe sich nicht ausreichend mit der von ihr vorgetragenen Umstrukturierung zum 01.07.2010 auseinandergesetzt. Das Gegenteil ist der Fall. Das Arbeitsgericht hat knapp, aber präzise ausgeführt, dass die von der Beklagten durchgeführte Umstrukturierung sich nicht auf den Umfang des Beschäftigungsbedarfes in dem hier interessierenden Arbeits- und Organisationsbereich ausgewirkt hat. Der Arbeitsplatz des Klägers als Leiter der Abteilung Artikeldatenmanagement ist unstreitig auch mit Wirksamwerden der Umstrukturierungsmaßnahme zum 01.07.2010 weiter vorhanden. Durch die Umstrukturierung hat sich auch das mit diesem Arbeitsplatz verbundene Arbeitsvolumen nicht geändert. Geändert hat sich lediglich die hierarchische Ansiedlung dieses Arbeitsplatzes: Die Abteilung Artikeldatenmanagement und ihr Abteilungsleiter sind nicht mehr unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt, sondern, wie bereits zu einem früheren Zeitpunkt, in den IT-Bereich eingegliedert und – ebenso wie die Abteilungen Systemtechnik und Organisation – dem Leiter des IT-Bereiches unterstellt. Ansonsten hat sich für die Abteilung Artikeldatenmanagement nichts geändert, auch nicht, was die hierarchischen Verhältnisse innerhalb der Abteilung angeht.

c. In ihrer weiteren Argumentation übersieht die Beklagte, dass aber nicht nur der Arbeitsplatz des Klägers als Abteilungsleiter Artikeldatenmanagement trotz der Umstrukturierung erhalten geblieben ist, sondern ebenso auch der bisherige Arbeitsplatz der Mitarbeiterin D . Diese Mitarbeiterin war vor der Umstrukturierung in der Abteilung Organisation auf einem Arbeitsplatz unterhalb der Ebene des Abteilungsleiters beschäftigt. Dieser Arbeitsplatz besteht auch nach der Umstrukturierung weiterhin fort und wird nunmehr unstreitig durch den dafür neu eingestellten Mitarbeiter H eingenommen.

d. Ist weder der Arbeitsplatz des Klägers noch der Arbeitsplatz der Mitarbeiterin D durch die Umstrukturierung weggefallen oder auch nur quantitativ eingeschränkt worden, so besteht auch keinerlei Anlass und Notwendigkeit für die Durchführung einer Sozialauswahl im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG. Die Notwendigkeit einer Sozialauswahl setzt nämlich zunächst voraus, dass ein Arbeitsplatzwegfall gegeben ist. Nur eine solche Verknappung des arbeitgeberseitigen Beschäftigungsbedarfs kann dazu führen, dass mehrere bisher nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen untereinander austauschbare und damit vergleichbare Arbeitnehmer um einen verbleibenden Arbeitsplatz konkurrieren müssen. Nur für eine solche auf Grund einer Verknappung des Beschäftigungsbedarfs betriebsbedingt verursachte Konkurrenzsituation schreibt § 1 Abs. 3 KSchG vor, nach welchen Regeln die Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers zu erfolgen hat.

e. Da vorliegend unstreitig weder der Arbeitsplatz eines Abteilungsleisters Artikeldatenmanagement noch der bisher von der Mitarbeiterin D eingenommene Arbeitsplatz in der Abteilung Organisation weggefallen oder quantitativ eingeschränkt worden ist, fehlt es von vorneherein an einer betriebsbedingten Konkurrenzsituation zwischen dem Kläger und der Mitarbeiterin D im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG. Die Beklagte hat vielmehr lediglich den Kläger durch die Mitarbeiterin D und diese an ihrem bisherigen Arbeitsplatz durch den neu eingestellten Mitarbeiter H ersetzt und somit eine reine Austauschkündigung vorgenommen. Eine solche kann durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG von vorneherein nicht gerechtfertigt werden (vgl. z.B. BAG vom 6.12.2001, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr.115; BAG vom 16.12.2004, AP § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr.133; ErfKomm-Oetker, § 1 KSchG Rdnr.275).

2. Die Beklagte vermag eine durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingte Konkurrenzsituation zwischen dem Kläger und der Mitarbeiterin D im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG auch nicht mit dem Argument zu konstruieren, dass die Mitarbeiterin D in Wahrheit einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf habe, als Abteilungsleiterin beschäftigt zu werden.

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a. Die Beklagte kann mit dem Argument schon deshalb nicht gehört werden, weil sie sich damit den Vorwurf eines widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) und damit letztlich eines Rechtsmissbrauchs zu Lasten des Klägers aussetzte.

aa. Die Beklagte will darauf hinaus, dass die Mitarbeiterin D während ihrer Vorbeschäftigung bei der Firma S GmbH zum 01.01.2007 – unter Anhebung des Monatsgehalts auf 3.200,- EUR brutto (!) – zur Leiterin der Abteilung „Vertriebsinnendienst“ ernannt worden sei und im Überleitungsvertrag zur Beklagten vom 23.06.2009 vereinbart worden sei: „Im Übrigen gelten die aktuellen Bedingungen des bestehenden Arbeitsverhältnisses.“

bb. Geht man einmal von dem Postulat der Beklagten aus, dass der Inhalt des Überleitungsvertrages vom 23.06.2009 einen arbeitsvertraglichen Anspruch der Mitarbeiterin D auf eine Beschäftigung als Abteilungsleiterin bedingte, so hat die Beklagte jedoch in keiner Weise, schon gar nicht plausibel, dargelegt, dass sie auf Grund gesetzlicher Vorschriften zu einer Übernahme der Mitarbeiterin D und zu einer entsprechenden Zusage ihrer künftigen arbeitsvertraglichen Stellung verpflichtet gewesen wäre. Wenn die Beklagte jedoch ihre Verpflichtung zur Übertragung einer Abteilungsleiterstelle an die Mitarbeiterin D aus freien Stücken eingegangen ist, ohne einen freien Arbeitsplatz als Abteilungsleiter zur Verfügung zu haben, so steht die Mitarbeiterin Dickel dem Kläger – ebenso wie allen anderen Abteilungsleitern der Beklagten – wie eine neu eingestellte Arbeitnehmerin gegenüber. Auch damit erwiese sich, dass es sich bei der Kündigung des Klägers zu Gunsten der Mitarbeiterin D lediglich um eine sozial nicht gerechtfertigte Austauschkündigung handelte.

cc. Im Übrigen: Selbst wenn man mit der Beklagten davon auszugehen hätte, dass die von der Mitarbeiterin D zuletzt bei der Firma S GmbH innegehabte Tätigkeit als Abteilungsleiterin „Vertrieb Innendienst“ auch Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarung mit der Beklagten geworden wäre, so folgt daraus noch keineswegs eine arbeitsplatz- bezogene Vergleichbarkeit einer solchen „Abteilungsleiterstelle“ der Mitarbeiterin D mit der Stelle des Klägers als Abteilungsleiter Artikeldatenmanagement. Eine Vergleichbarkeit von Mitarbeitern, die zur Notwendigkeit einer Sozialauswahl im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG führt, liegt dann vor, wenn die Mitarbeiter allein auf Grund arbeitgeberseitigen Direktionsrechts und ohne die Notwendigkeit einer vorherigen Arbeitsvertragsänderung austauschbar sind. Auch hierzu fehlt jedwede stichhaltige Darlegung der Beklagten. Der äußere Anschein spricht jedenfalls gegen eine Vergleichbarkeit der Positionen: Zum einen sind die Tätigkeiten inhaltlich in gänzlich unterschiedlichen Arbeitsbereichen angesiedelt. Zum anderen spricht der Umstand, dass die Klägerin bei ihrer Beförderung zur Abteilungsleiterin im Jahre 2007 eine Gehaltsaufbesserung auf 3.200,00 EUR brutto erfuhr, während der Kläger schon im Jahre 2009 vor seiner Beförderung zum Abteilungsleiter Artikeldatenmanagement 6.000,00 EUR brutto monatlich verdiente, dafür, dass auch die Wertigkeit der Stellen eine gänzlich andere war.

dd. In Anbetracht dieser Umstände drängt sich dem Berufungsgericht wie bereits dem Arbeitsgericht schon auf Grund des eigenen Verhaltens der Beklagten der Eindruck auf, dass das Argument, die Mitarbeiterin D müsse die Abteilungsleiterstelle des Klägers einnehmen, weil sie einen entsprechenden arbeitsvertraglichen Anspruch habe, nur vorgeschoben ist. Dies wird auch dadurch indiziert, dass die Mitarbeiterin D bereits seit dem 01.06.2009 auf der Grundlage des Änderungsvertrages vom 23.06.2009 bei der Beklagten beschäftigt ist, der Kläger aber erst im Januar 2010 (!) zum Abteilungsleiter Artikeldatenmanagement befördert wurde. Wenn die Beklagte Anfang 2010 keine Notwendigkeit sah, die damals offenbar vakante Abteilungsleiterstelle Artikeldatenmanagement der Mitarbeiterin D zu übertragen, so ist es ihr jetzt verwehrt, dies auf Kosten einer Beendigungskündigung zu Lasten des Klägers nachzuholen.

b. Schließlich sei die Beklagte an den Inhalt der von ihr selbst in das vorliegende Verfahren eingeführten schriftlichen Betriebsanhörung erinnert, in der sie ihre Motivation für den Ringtausch zwischen den Mitarbeitern H , D und dem Kläger gänzlich anders motiviert hat als mit dem jetzt vorgetragenen Grund, der Mitarbeiterin D die ihr arbeitsvertraglich zustehende Abteilungsleiterstelle übertragen zu müssen. Wörtlich heißt es auszugsweise in der Betriebsratsanhörung vom 07.05.2010 (Anlage B 6): „Frau D (seit 01.06.2003 im Unternehmen), die in 2009 vom Vertrieb in die IT gewechselt ist, wurde mit proAlpha-Themen für Mitglieder betraut. Auf Grund der inzwischen gestiegenen Anforderungen kann sie tiefere Themen in proAlpha mangels fehlender Qualifikationen nicht betreuen und die geplante Neuausrichtung, die verbunden ist mit dem Aufbau der Anbindung an die Warenwirtschaftsysteme der Mitglieder in proAlpha, erfordert Spezialwissen in proAlpha. Dafür werden wir Herrn H zum 01.07.2010 einstellen. Frau D möchten wir auf Grund von Sozialauswahl die Position ALADM (bislang die Position von Herrn Hö ) vorübergehend anbieten. In circa 1 Jahr wird sie dann Herrn H bei Aufbau des neuen proAlpha-Bereichs unterstützen . . . “

c. Dringende betriebliche Erfordernisse zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung des Klägers sind bei alledem nicht ansatzweise erkennbar. Dies hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend seiner Entscheidung zugrundegelegt.

3. Auch den in der Berufungsinstanz wiederholten arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der in der Berufungsinstanz erreichte Sach- und Streitstand führt zu keiner anderen Beurteilung. Im Gegenteil:

a. Der Kläger ist bei der Führung des vorliegenden Kündigungsschutzprozesses in seinen Formulierungen über das, was ihm die Wahrnehmung berechtigter Interessen gestattet, an keiner Stelle hinausgegangen. Der Kläger hat die Beklagte oder ihre führenden Repräsentanten und seine Vorgesetzten weder mit unsachlicher Schmähkritik, noch mit Beleidigungen überzogen.

b. Die Beklagte hatte dem Kläger durch eine Beendigungskündigung seinen Arbeitsplatz entzogen und diese Kündigung rechtlich unhaltbar mit vermeintlichen dringenden betrieblichen Erfordernissen zu rechtfertigen versucht. Der Kläger befand sich überdies im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer erst seit kurzer Zeit überstandenen schwerwiegenden und potentiell lebensbedrohlichen Erkrankung in einer persönlich angespannten Situation. Dies wird auch durch die zwischenzeitliche Anerkennung eines Grades der Behinderung von 80 % zusätzlich verdeutlicht. Die Beklagte hat ihr eigenes Vorgehen im Zusammenhang mit dem vorliegenden Kündigungsschutzverfahren mit Schriftsatz vom 07.06.2011 wie folgt zusammengefasst: „Noch einmal in aller Deutlichkeit: Die Beklagte wollte und will den Kläger loswerden, umso schneller, umso besser.“ Wenn ein Kündigungsschutzkläger in Anbetracht dieser Rahmenverhältnisse sich Gedanken darüber macht, welche „wahre“ Motivation hinter dem Vorgehen seines Arbeitgebers stecken mag, und mit deutlichen, aber die Schwelle zur Unsachlichkeit nicht überschreitenden Worten seine eigene Situation veranschaulicht, kann dies nicht zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 KSchG führen.

c. Überdies: Die Beklagte hat dem Kläger noch im Februar 2011 aus freien Stücken ein Prozessrechtsarbeitsverhältnis angeboten und – zwar auf Anregung des Berufungsgerichts, aber dennoch aus freien Stücken – noch im Sommer 2011 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, welcher eine unbefristete Weiterbeschäftigung des Klägers vorsieht. Diese Vorgehensweise der Entscheidungsträger der Beklagten steht in diametralem Gegensatz zu dem prozessualen Vorbringen, wonach eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten und eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger unzumutbar sei.

4. Da somit weder die Kündigung vom 14.05.2010 wirksam ist noch der Auflösungsantrag Erfolg hat, besteht das Arbeitsverhältnis der Parteien bis auf weiteres fort und ist der Kläger, wie vom Arbeitsgericht ausgeurteilt, – zunächst bis zum Eintritt der Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung – weiter zu beschäftigen.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.

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