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Corona-Pandemie – Polizeigewahrsam wegen fehlendem Mund-Nasen-Schutz

LG Köln – Az.: 34 T 27/21 – Beschluss vom 31.05.2021

Die Beschwerde des Betroffenen vom 18.01.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 20.12.2020 (Az.: 507a XIV (L) 287/20) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Betroffene hielt sich am 20.12.2020 gegen 12:30 Uhr auf dem Kölner Heumarkt auf, wo zu diesem Zeitpunkt eine Versammlung von Gegnern der staatlichen Maßnahmen zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 angekündigt war. Die Versammlung sollte bis ca. 17:00 Uhr andauern.

Corona-Pandemie – Polizeigewahrsam wegen fehlendem Mund-Nasen-Schutz
(Symbolfoto: SannePhoto/Shutterstock.com)

Der Betroffene fiel den Beamten gegen 12:30 Uhr auf, weil er keinen Mund-Nasen-Schutz trug, obwohl zu diesem Zeitpunkt auf dem Heumarkt eine generelle Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes bestand. Zudem befanden sich im Umfeld des Betroffenen mehrere Personen, welche sich wiederkehrend fortbewegten, sodass die Einhaltung des Mindestabstands nicht durchgehend gewährleistet war. Von den Mitarbeitern des Ordnungsdienstes angesprochen, gab der Betroffene an, dass er keine Maske bei sich trage und auch nicht über ein Attest verfüge, dass ihn von der Pflicht zum Tragen einer solchen befreie Der Betroffene verweigerte das Vorzeigen eines Personalausweises oder sonstiger Papiere. Nach entsprechender Androhung der Durchsuchung sowie der Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Beamten weigerte er sich, diese zum Zweck der Durchsuchung zur nächsten Hauswand zu begleiten. Die Beamten verbrachten den Betroffenen anschließend mittels einfacher körperlicher Gewalt an eine nahegelegene Wand. Der Betroffene zeigte sich weiter unkooperativ und leistete körperlichen Widerstand, der durch Einsatz unmittelbaren Zwangs in Form von einfacher körperlicher Gewalt gebrochen werden konnte. Bei der Durchsuchung wurde ein Einhandmesser bei dem Betroffenen aufgefunden.

Nach Rücksprache mit dem Einsatzleiter der Demonstrationslage wurde der Betroffene zur Verhinderung weiterer Straftaten und Ordnungswidrigkeiten um 12:40 Uhr in Gewahrsam genommen. Im Polizeigewahrsam erfolgte um 14:55 Uhr eine Anhörung des Betroffenen durch die zuständige Bereitschaftsrichterin des Amtsgerichts Köln. Das Amtsgericht erklärte die polizeiliche Ingewahrsamnahme des Betroffenen mit dem angefochtenen Beschluss für zulässig und ordnete die Fortdauer der Freiheitsentziehung längstens bis zum 20.12.2020, 17:00 Uhr, an. Danach wurde er aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Mit Schriftsatz vom 18.01.2021 hat der anwaltlich vertretene Betroffene Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln eingelegt. Mit weiterem Beschluss vom 25.02.2021, Az. 507a XIV (L) 287/20, hat das Amtsgericht Köln der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 36 Abs. 2 PolG NRW, §§ 58ff., 415ff. FamFG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1.

Durch die Entlassung des Betroffenen aus dem Polizeigewahrsam ist hinsichtlich der Hauptsache Erledigung eingetreten. Indes hat der Betroffene bereits in der Beschwerdeschrift vom 18.01.2021 zusätzlich die Feststellung beantragt, dass die am 20.12.2020 erlittene Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Die Beschwerde ist damit gemäß § 62 FamFG zulässigerweise aufgrund des mit der Freiheitsentziehung verbundenen schwerwiegenden Grundrechtseingriffs auf die beantragte Feststellungsentscheidung gerichtet.

2.

In der Sache ist die Beschwerde unbegründet. Die polizeiliche Ingewahrsamnahme und die angeordnete Fortdauer der Freiheitsentziehung bis zum 20.12.2020, 17:00 Uhr, waren rechtmäßig.

Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

a)

Der Betroffene hat vorliegend ordnungswidrig gehandelt, da er bei seinem Aufenthalt auf dem Heumarkt in Köln am 20.12.2020 keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen hat.

Die Stadt Köln hat am 02.10.2020 auf Grund von § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 20.07.2000 (BGBl. I S. 1045) in Verbindung mit § 15a Abs. 2 und § 2 Abs. 4 der Coronaschutzverordnung NRW (CoronaSchVO) vom 30.09.2020 – jeweils in der zum 02.10.2020 gültigen Fassung – eine Allgemeinverfügung zur regionalen Anpassung der Coronaschutzverordnung an das Infektionsgeschehen in der Stadt Köln erlassen. Gemäß § 1 Nr. 2 lit. c) dieser Allgemeinverfügung in der am 20.12.2020 gültigen Fassung war im Bereich der Kölner Altstadt eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, soweit medizinische Gründe, die durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen sind, dem nicht entgegenstanden. Gemäß des der Allgemeinverfügung als Anlage beigefügten Lageplans 1 gehörte die gesamte Platzfläche des Kölner Heumarkts zum Bereich der Altstadt. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gemäß § 1 Nr. 2 der Allgemeinverfügung stellte gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG in der zum 20.12.2020 geltenden Fassung eine Ordnungswidrigkeit dar. Soweit der Betroffene vorträgt, er habe am 20.12.2020 ein Tuch bei sich geführt, ist dies unerheblich, da er dieses oder eine sonstige Mund-Nasen-Bedeckung unstreitig nicht getragen hat.

b)

Es bestehen keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, wie sie in der CoronaSchVO NRW und im Anschluss hieran in § 1 Nr. 2 der Allgemeinverfügung der Stadt Köln angeordnet ist. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen an, das in mehreren Verfahren die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes bestätigt hat. Danach dient die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes dem legitimen Zweck, die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus einzudämmen. Der Verordnungsgeber darf davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet, die staatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leib und Gesundheit der Bevölkerung gebietet. Es besteht die konkrete Gefahr der Verbreitung der Infektion und daran anknüpfend einer Überlastung des Gesundheitswesens mit gravierenden Folgen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Nach den maßgeblichen Feststellungen des Robert Koch-Instituts handelt es sich bei der Corona-Pandemie um eine dynamische Situation. Die Gefährdung für die Bevölkerung wird als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen sogar als sehr hoch. Nach dieser Maßgabe erweist sich die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung als geeignet zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks, die Ansteckungsgefahr einzudämmen. Dass der Verordnungsgeber die Grenzen seines Einschätzungsspielraums überschritten haben könnte, ist nicht festzustellen. Die Regelung beruht im Wesentlichen auf der Grundannahme, dass sich das Coronavirus nach derzeitigen Erkenntnissen bei direkten persönlichen Kontakten im Wege einer Tröpfcheninfektion besonders leicht von Mensch zu Mensch verbreitet. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber Tröpfchen und Aerosolen im Umkreis von 1 bis 2 Metern um eine infizierte Person herum erhöht. Nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, denen der Verordnungsgeber gefolgt ist, ist bei dem derzeitigem Erkenntnisstand davon auszugehen, dass Mund-Nasen-Bedeckungen eine Filterwirkung entfalten, die als Fremdschutz zu einer Reduzierung der Ausscheidung von Atemwegsviren über die Ausatemluft führen. Hierdurch erscheint es wiederum möglich, dass ihr Tragen einen Beitrag zur Verlangsamung der Ausbreitung des von Mensch zu Mensch übertragbaren Coronavirus leistet. Ausgehend hiervon steht der Zweck der Maßnahme nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs. Die Maßnahme führt zwar unverkennbar zu Beschränkungen des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Diese Rechte gelten jedoch nicht unbeschränkt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt und treten hier im Ergebnis angesichts der drohenden Überforderung des Gesundheitswesens gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zurück. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die in Rede stehenden Regelungen keine generelle Maskenpflicht im öffentlichen Raum vorsehen, sondern die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung räumlich auf bestimmte Orte mit hohem Publikumsverkehr beschränkt ist (vgl. z.B. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juli 2020 – 13 B 675/20.NE -, Rn. 81, juris).

c)

Es handelt sich vorliegend auch um eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW. Die Regelung der Allgemeinverfügung dient – wie bereits ausgeführt – dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung sowie der Vermeidung einer drohenden Überforderung des Gesundheitswesens. Dies liegt im überragenden Interesse der Allgemeinheit. In Köln lag die 7-Tage-Inzidenz am 20.12.2020 ausweislich der städtischen Pressemitteilung von jenem Tag bei 163,3; die Stadt Köln befand sich – ebenso wie Deutschland insgesamt – im Dezember 2020 auf dem Höhepunkt der zweiten Welle der Corona-Pandemie, so dass der Verstoß des Betroffenen auch vor diesem Hintergrund schwer wiegt.

d)

Die Ingewahrsamnahme war auch verhältnismäßig. Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt die Ingewahrsamnahme des Betroffenen bis zur Beendigung der Versammlung um 17:00 Uhr, da aufgrund des renitenten und uneinsichtigen Verhaltens des Betroffenen zu besorgen war, dass dieser unter erneutem Verstoß gegen die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zum Versammlungsort auf dem Heumarkt zurückkehren und hierdurch sich und andere Personen gesundheitlich gefährden würde. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der mit der Freiheitsentziehung verbundene Grundrechtseingriff auf einen kurzen Zeitraum von nur wenigen Stunden beschränkt war.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 81 Abs. 1, 84 FamFG.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 5.000,00 EUR (§ 36 Abs. 3 GNotKG).

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