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Corona-Demo – Verstoß gegen Verpflichtung Mund-Nase-Bedeckung zu tragen

AG Garmisch-Partenkirchen – Az.: 2 Cs 12 Js 47757/20 – Urteil vom 05.08.2021

1. Der Angeklagte wird freigesprochen.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts folgender Sachverhalt fest:

Am 17.11.2020 fand zwischen 11.20 Uhr und 12.40 Uhr auf dem V.-Platz im Bereich der W.-Straße in … M. am S. unter freiem Himmel eine Versammlung zu dem Thema „Aufklärung zum Thema Corona-Fakten“ statt. Hierbei war der Angeklagte Veranstalter und Versammlungsleiter. Diese Versammlung wurde durch Bescheid des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen vom 16.11.2020, Gz. 51/1341, genehmigt, wobei in diesem Bescheid nachfolgende Regelungen getroffen wurden:

Corona-Demo – Verstoß gegen Verpflichtung Mund-Nase-Bedeckung zu tragen
(Symbolfoto: Iven O. Schloesser/Shutterstock.com)

Für die in Ziffer I. beschriebene öffentliche Versammlung werden nachfolgende Beschränkungen festgesetzt.

1.

Die Teilnehmerzahl ist auf 500 Personen beschränkt.

2.

Die Versammlung ist auf die in beiliegendem Plan eingezeichnete Fläche beschränkt. Der Plan ist Bestandteil des Bescheides.

3.

Von der Teilnahme an der öffentlichen Versammlung sind Personen ausgeschlossen, die

> in den letzten 14 Tagen wissentlich Kontakt zu einem bestätigten an COVID-19-Erkrankten hatten

> (coronaspezifische) Krankheitssymptome (z. B. Fieber, trockener Husten, Atemprobleme, Verlust des Geschmacks- / Geruchssinn, Hals-, Gliederschmerzen, Übelkeit / Erbrechen, Durchfall) aufweisen

Sollten Personen während der Veranstaltung (coronaspezifische) Krankheitssymptome entwickeln, haben diese umgehend die Versammlung zu verlassen.

4.

Ab Betreten der Versammlungsfläche, während der Versammlung und bis zum Verlassen der Versammlungsfläche besteht die Verpflichtung eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen (Maskenpflicht). Dabei gilt:

> Kinder sind bis zum sechsten Geburtstag von der Tragepflicht befreit.

> Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, sind von der Trageverpflichtung befreit. Für diese Versammlungsteilnehmer ist der westliche Bereich innerhalb der Versammlungsfläche ausgewiesen (siehe Plan). Diese Versammlungsteilnehmer haben sich nur in diesem ausgewiesenen Bereich aufzuhalten. Das Abnehmen der Mund-Nase-Bedeckung ist zulässig, solange es zu Identifikationszwecken oder zur Kommunikation mit Menschen mit Hörbehinderung oder aus sonstigen zwingenden Gründen erforderlich ist. Für Redner während des Redevortrages gilt die Maskenpflicht nicht. Das gilt auch für Ansagen des Versammlungsleiters.

5.

Je 25 Versammlungsteilnehmer ist ein volljähriger Ordner einzusetzen. Sie müssen als Ordner zu erkennen sein (Armbinden). Ordner die von der Maskenpflicht befreit sind, können nur in dem Bereich der Versammlungsfläche eingesetzt werden, in dem sich die Teilnehmer aufhalten (siehe bei 4.), die von der Maskenpflicht befreit sind.

6.

Soweit ein Mikrofon benutzt wird, ist es vor jedem neuen Redner zu desinfizieren. Sollte das beim Mikrofonkopf nicht ohne Schaden für das Mikrofon möglich sein, kann der Mikrofonkopf mit einer Zellophan-Folie abgedeckt und für jeden neuen Redner die Folie erneuert werden.

7.

Der Versammlungsleiter hat sich als Leiter der Versammlung allen dort anwesenden Personen zu erkennen zu geben. Der Leiter wird verpflichtet, diesen Bescheid, insbesondere die Beschränkungen sowie die in § 7 Abs. 1 Satz 1 8. BaylfSMV enthaltenen Abstands- und Kontaktbestimmungen, alten Versammlungsteilnehmern in geeigneter Weise bekannt zu geben, auf die Einhaltung der Beschränkungen hinzuwirken und Verstöße dagegen, soweit ihr dies rechtlich und tatsächlich möglich ist, unverzüglich zu unterbinden.

8.

Der Versammlungsleiter hat den Versammlungsteilnehmern den Beginn und das Ende der Versammlung bekannt zu geben.

Der Genehmigungsbescheid wurde dem Angeklagten ordnungsgemäß am Tag der Versammlung bekannt gegeben. Verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe hat der Angeklagte gegen den Bescheid nicht eingelegt.

In Kenntnis der Beschränkungen forderte der Angeklagte im Rahmen einer von ihm gehaltenen Rede auf der durchgeführten Versammlung sämtliche Teilnehmer dazu auf, ihre Maske abzulegen und äußerte hierbei wörtlich Folgendes:

„So bitten wir als Zeichen des Widerstandes die Maske abzusetzen und dann schauen wir mal, was hier passiert!“.

Wie der Angeklagte beabsichtigte, folgte ein Großteil der anwesenden Versammlungsteilnehmer seiner Aufforderung. Hierbei war dem Angeklagten bewusst, dass er als Versammlungsleiter die Teilnehmer der Versammlung zu einem Verstoß gegen eine Beschränkung im Sinne des Art. 15 Abs. 1 BayVersG aufforderte.

Darüber hinaus trug der Angeklagte selbst entgegen der Beschränkung nach Ziffer II. A. 4. vor bzw. nach der von ihm gehaltenen Rede während der Dauer der Versammlung keine Mund-Nasen-Bedeckung und verstieß hierdurch ebenfalls bewusst gegen die entsprechende Beschränkung nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG.

Zum Zeitpunkt der Versammlung am 17.11.2020 lag die bayernweite 7-Tage-Inzidenz bei 173 und die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis Garmisch-Partenkirchen bei 127.

Abgesehen von dem zuvor beschriebenen Aufruf des Angeklagten an die Versammlungsteilnehmer verlief die Versammlung als solche friedlich und weitgehend ohne größere Zwischenfälle. Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 1,50 m zwischen den Versammlungsteilnehmern wurde von diesen im Wesentlichen beachtet. Kollektive Verstöße der Versammlungsteilnehmer gegen die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstandes fanden nicht statt.

II.

Der unter Ziffer I. festgestellte Sachverhalt steht auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest.

Der Genehmigungsbescheid des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen vom 16.11.2020 wurde verlesen und ergänzend hierzu der für den Erlass des Bescheides zuständige Verwaltungsbeamte, der Zeuge … vernommen.

Dieser gab an, dass er sich bei Erlass des Bescheides an der zu erwartenden Teilnehmerzahl von 200 bis 500 Personen orientiert habe. Entsprechend habe er der Versammlung die Fläche auf dem Festplatzgelände in Mumau zugewiesen, da auf Grund der Größe der dort zur Verfügung stehenden Freifläche im Vorfeld gewährleistet erschien, dass die Teilnehmer den gesetzlich vor geschriebenen Mindestabstand von 1,5 Metern zueinander einhalten können und auf Grund der Abgrenzung der Fläche und Absperrung mittels Flatterbändern aus Sicht der Versammlungsbehörde auch sichergestellt erschien, dass es keinen Kontakt zwischen Versammlungsteilnehmern und unbeteiligten Passanten im Sinne einer Vermengung geben würde.

Der Zeuge … gab weiter an, dass ihm bei Erlass des Versammlungsbescheides aus diversen Medien bekannt gewesen sei, dass es bereits in der Vergangenheit bei Versammlungen der sogenannten Querdenker-Szene zu diversen Verstößen gegen Versammlungsauflagen gekommen sei, ohne dass er hierbei jedoch weitere Einzelheiten oder konkrete Beispiele benennen konnte.

Hinsichtlich Maskenpflicht führte der Zeuge aus, dass deren Anordnung im Hinblick auf die damals gültigen Rechtslage erfolgte, nachdem die Insoweit maßgebliche 8. Infektionsschutzmaßnahmenverordnung die Regelung beinhaltete, dass bei einer zu erwartenden Anzahl von über 200 Teilnehmern bei Versammlungen unter freiem Himmel grundsätzlich Maskenpflicht anzuordnen ist. Er habe auch keinerlei Anlass gesehen, von der durch die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vorgesehenen Regel im konkreten Fall abzuweichen.

Auf das Infektionsgeschehen zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses angesprochen gab der Zeuge … an, dass ihm auf Grund eines nach der Versammlung erschienenen Zeitungsberichts bekannt geworden sei, dass die 7-Tage-Inzidenz, also die Zahl der durch die Gesundheitsämter innerhalb der letzten 7 Tage gemeldeten Neuinfektionen, im Landkreis Garmisch-Partenkirchen am Versammlungstag bei 127 lag.

Die genaue Auslastung der Intensivbetten mit Covid-19 Patienten in den Krankenhäusern und die allgemeine Belastung des Gesundheitssystems durch Covid-19 Patienten sei ihm zum Zeitpunkt der Genehmigung der Versammlung nicht bekannt gewesen und habe bei seiner Entscheidung keine Rolle gespielt.

Ergänzend konnte das Gericht aus dem auf der Internetseite des R.-Instituts allgemein zugänglichen Lagebericht zur Covid-19 Pandemie vom 17.11.2020 feststellen, dass an jenen Tag die 7-Tage-Inzidenz im Freistaat Bayern bei 173 lag und zum damaligen Zeitpunkt bundesweit insgesamt 3.517 Covid-19 Patienten intensivmedizinisch betreut wurden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die entsprechende Darstellung des R.-Instituts verwiesen, welche derzeit im Internet unter dem nachfolgenden Link abrufbar ist:

https://www…..de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov_2020/2020-11-17-de.html

Bezüglich des Versammlungsverlaufs hat das Gericht die hierzu asservierten Videoaufnahmen in Augenschein genommen. Die Videoaufnahmen zeigen das gesamte Versammlungsgeschehen, wobei die Aufnahmen von leicht erhöhter Stelle aus angefertigt wurden, sodass auf Grund der Kameraperspektive das Verhalten der Teilnehmer auch hinsichtlich der einzuhaltenden Mindestabstände gut erkennbar ist. Hierbei konnte das Gericht jedenfalls keine kollektiven und evidenten Verstöße der Teilnehmer gegen das Abstandgebot von 1,5 Metern feststellen.

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Soweit dies durch den Zeugen … der als Dienststellenleiter der PI M. die Versammlung mit zahlreichen Polizeikräften vor Ort begleitete, zunächst im Rahmen seiner Einvernahme anders geschildert wurde, relativierte er diesbezüglich seine eigene Aussage deutlich, nachdem er selbst Ausschnitte der Versammlung auf den Videoaufnahmen gemeinsam mit dem Gericht in Augenschein genommen hat.

Abgesehen von einigen kleineren Zwischenfällen erschien der Ablauf der Versammlung anhand der in Augenschein genommenen Videoaufnahmen insgesamt weitgehend geordnet.

Nach den nachvollziehbaren Angaben des Zeugen … hatten sich am Versammlungsort zum Zeitpunkt der Durchführung der Versammlung rund 360 Teilnehmer eingefunden.

Das Gericht konnte sich durch das Abspielen der mit Ton unterlegten Videoaufnahmen ebenfalls davon überzeugen, dass auch der Aufruf des Angeklagten an die Teilnehmer, ihre Masken abzunehmen, wie im Strafbefehl aufgeführt, erfolgte. Hierbei war ersichtlich, dass die meisten Teilnehmer dieser Aufforderung folgten. Gleichzeitig ist zu hören, wie der Angeklagte die Teilnehmer darauf hinwies, dass diese darauf zu achten hätten, dass bei diesem „Zeichen des Widerstandes“ die geforderten Mindestabstände einzuhalten sind. Ebenfalls ergibt sich aus den Videoaufnahmen, dass der Angeklagte die Teilnehmer nach ca. 2 Minuten über Mikrofon aufforderte, ihre Mund-Nasen-Bedeckungen wieder aufzusetzen, nachdem durch den Zeugen … die Auflösung der Versammlung angedroht wurde.

Der Angeklagte selbst trug hierbei während der gesamten Versammlung keine Mund-Nase-Bedeckung, was ebenfalls von dem Zeugen … bestätigt wurde. Über ein Attest zur Befreiung vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verfügte der Angeklagte zum Zeitpunkt der Versammlung nach den insgesamt glaubhaften Angaben des Zeugen nicht.

III.

Der Angeklagte war aus rechtlichen Gründen freizusprechen, da der unter Ziffer I. festgestellte Sachverhalt eine strafrechtliche Ahndung des Angeklagten nach Art. 20 Abs. 2 Nr. 4 BayVersG nicht trägt und zum Zeitpunkt der Tathandlung das Verhalten des Angeklagten auch nicht nach anderen Vorschriften straf- oder bußgeldbewehrt war.

1. Der Angeklagte hat als Versammlungsleiter gegen die in Ziffer II.A.4. des Bescheides vom 16.11.2020 angeordnete Beschränkung verstoßen, indem er als Versammlungsleiter während der Versammlung keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen hat und gleichzeitig die Versammlungsteilnehmer durch Aufruf per Mikrofon ebenfalls zu entsprechenden Verstößen animiert hat.

2. Es handelt sich bei der Anordnung der Maskenpflicht durch das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen auch um eine Beschränkung i.S.d. Art. 15 Abs. 1 BayVersG.

Eine solche Beschränkung liegt immer dann vor, wenn das Tun, Dulden oder Unterlassen, das dem Veranstalter, dem Leiter oder den Teilnehmern auferlegt wird, den sachlichen Schutzbereich der Versammlungsfreiheit berührt und sich auf die Durchführung der Versammlung als solche bezieht.

Art. 8 GG schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung (vgl. BVerfGE 69, 315 = NJW 1985, 2395). Bei der seitens des Angeklagten angemeldeten Veranstaltung handelte es sich ausgehend von dem Versammlungszweck um eine vom Schutzbereich des Art. 8 GG umfasste Versammlung. Der Zweck der Veranstaltung bestand darin, im Rahmen einer Zusammenkunft eine öffentliche und kritische Auseinandersetzung rund um Themen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen, zu ermöglichen. In dieser Form stellte die so organisierten Veranstaltung eine Zusammenkunft zur Teilhabe an der Meinungsbildung und Meinungsäußerung dar, zumal es sich ausgehend von der Versammlungsanzeige (vgl. E-Mail vom 12.11.2020, Bl. 21 d.A.) nicht lediglich um eine Veranstaltung zu rein faktenbasierter Informationsweitergabe handeln sollte.

Die Anordnung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während der Versammlung stellt auch eine Beschränkung dar, da hierdurch Veranstaltern und Teilnehmern auferlegt wird, ihr äußeres Erscheinungsbild an bestimmten Vorgaben auszurichten. Hinzu kommt, dass gerade auch die Maskenpflicht im Allgemeinen vielfach Gegenstand öffentlicher Diskussionen ist und damit Teil der Maßnahmen betrifft, mit denen sich die Versammlung als solche kritisch auseinandersetzen wollte.

3. Die Anordnung der Maskenpflicht durch das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen stellte zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 16.11.2020 auch nicht lediglich einen Hinweis auf eine ohnehin bestehende gesetzliche Verpflichtung dar, was ihr den Charakter als Versammlungsbeschränkung i.S.d. Art. 15 Abs. 1 BayVersG genommen hätte (vgl. BeckOK PoIR Bayern/M, Müller BayVersG, Art. 15, Rn. 140).

Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 der damals gültigen 8. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 30.10.2020 hatte die nach Art. 24 Abs. 2 BayVersG zuständige Behörde, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist, durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben, wobei in § 7 Abs. 1 S. 3 der 8. BaylfSMO geregelt war, dass jedenfalls ab einer Teilnehmerzahl von 200 Personen in der Regel Maskenpflicht anzuordnen ist.

Der Verordnungsgeber hat damit zwar in Form der Rechtsfigur des intendierten Ermessens eine bestimmte Ermessensrichtung gesetzlich vorgezeichnet, jedoch die abschließende Entscheidungskompetenz hierüber im Einzelfall bei den zuständigen Versammlungsbehörden belassen.

4. Trotz des feststehenden Verstoßes des Angeklagten gegen die Beschränkung hinsichtlich der angeordneten Maskenpflicht kam eine Verurteilung des Angeklagten nach Art. 20 Abs. 2 Nr. 4 BayVersG nicht in Betracht.

Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer als Veranstalter oder als Leiter einer vollziehbaren Anordnung nach Art. 12 Abs. 1 oder 2 S. 1, Art. 15 Abs. 1, 2 oder 4 BayVersG oder einer gerichtlichen Beschränkung zuwiderhandelt.

Zwar muss die Beschränkung nach dem Wortlaut der Strafvorschrift nur vollziehbar i.S.d. § 80 VwGO sein, was sich für Beschränkungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG bereits kraft Gesetzes aus Art. 25 BayVersG ergibt.

Eine verfassungskonforme Auslegung gebietet jedoch, die Rechtmäßigkeit der Anordnung wegen der Bedeutung der Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 Abs. 1 GG als ungeschriebene objektive Bedingung der Strafbarkeit zu verstehen. Eine Bestrafung wegen versammlungsbezogener Straftaten und Ordnungswidrigkeiten kommt demnach nur in Betracht, wenn als objektive Bedingung der Strafbarkeit die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme gegen die Versammlung oder einen einzelnen Teilnehmer festgestellt wurde (vgl. VGH München Urt. v. 10.7.2018 – 10 BV 17.2405, BeckRS 2018, 21843, dort Rz. 30 m.w.N.).

5. Die Anordnung der Maskenpflicht nach Ziffer II.A.4. des Bescheides des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen vom 16.11.2020 ist jedenfalls in materieller Hinsicht rechtswidrig, da die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 BayVersG zum Zeitpunkt der Anordnung nicht vorlagen.

a) Art. 15 Abs. 1 BayVersG enthält eine versammlungsrechtliche Generalklausel, die es der zuständigen Behörde erlaubt, bei einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eine Versammlung zu beschränken oder zu verbieten.

Dies setzt eine Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen führt. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde bei dem Erlass von vorbeugenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Daher müssen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare Umstände dafür vorliegen, aus denen sich die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ergibt. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich. Bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2007 – 1 BvR 2793/04 m.w.N.).

Die von Art. 15 Abs. 1 BayVersG geforderte unmittelbare Gefahr unterscheidet sich von der konkreten Gefahr der polizeirechtlichen Generalklausel in ihrem Wahrscheinlichkeitsgrad. Eine konkrete Gefahr liegt bereits vor, wenn eine Sachlage besteht, die nach allgemeiner Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der Schutzgüter führt (BVerfGE 120, 274 = NJW 2008, 822). Unmittelbar ist hingegen eine Gefahr, wenn ein Schaden mit hoher Wahrscheinlichkeit, das heißt „fast mit Gewissheit“ zu erwarten ist (BVerwG NJW 2009, 98 dort Rn. 14)

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfG, B. v. 12.05.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 19 m.w.N.; SächsOVG, U. v. 31.05.2018 – 3 A 199/18 – juris Rn. 23). Die zuständige Behörde muss daher die für eine Beurteilung der Gefahrenlage relevanten für sie erkennbaren Tatsachen ermitteln. Sie darf sich nicht auf diejenigen Tatsachen beschränken, die für einen Eingriff sprechen, sondern muss auch zugunsten der Versammlung aufklären (BVerfG NJW 2010, 141 dort Rn. 9).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Anordnung der Maskenpflicht nach Ziffer II.A.4. des hier maßgeblichen Bescheides vom 16.11.2020 einer Rechtmäßigkeitsprüfung nicht stand Hieran ändert auch die zum damaligen Zeitpunkt gültige Bestimmung des § 7 Abs. 1 S. 3 der 8. BaylfSMV nichts, wonach bei Versammlungen unter freiem Himmel mit über 200 Teilnehmern in der Regel Maskenpflicht anzuordnen ist.

Diese Bestimmung konkretisiert zwar die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 BayVersG auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite, soweit die von einer Versammlung unter freiem Himmel ausgehenden Infektionsgefahren in Rede stehen und führt im Hinblick auf die hier maßgebliche Anordnung der Maskenpflicht dazu, dass die Begründungsanforderungen im Hinblick auf die Anordnung der Maskenpflicht durch die zuständige Versammlungsbehörde auf Grund des vom Verordnungsgeber vorgesehenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses auf den ersten Blick vermeintlich herabgesetzt zu sein scheinen,

Bei näherer Betrachtung kann dies jedoch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht der Fall sein. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit steht bei Versammlungen unter freiem Himmel unter dem Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG. Gesetzesvorbehalt bedeutet, dass durch ein formelles Gesetz oder auf Grund eines solchen Gesetzes Versammlungen beschränkt werden dürfen. Der Gesetzgeber muss dabei aber die in Art. 8 Abs. 1 GG verkörperte verfassungsrechtliche Grundentscheidung beachten und darf die Ausübung der Versammlungsfreiheit nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begrenzen (Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 1. Auflage 2016, Art. 8, Rz 59).

Das Bundesverfassungsgericht hat hierbei in seinem sogenannten Brokdorf-Beschluss vom 14.05.1985 (abgedruckt in NJW 1985, 2395 ff.) ausgeführt, dass die Regelung in § 15 des Versammlungsgesetzes des Bundes, wonach die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen oder verbieten oder auflösen darf, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nur dann genügt, wenn bei ihrer Auslegung und Anwendung berücksichtigt wird, das solche Maßnahmen nur zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und nur bei einer unmittelbaren, aus erkennbaren Umständen herleitbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter erfolgen dürfen. In diesem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich die herausragende Bedeutung der Versammlungsfreiheit als wesentliches und unentbehrliches Funktionselement eines demokratischen Gemeinwesens hervorgehoben. Auch die inhaltsgleiche Vorschrift in Art. 15 BayVersG ist damit im Lichte dieser Entscheidung zu sehen.

Rechtswidrig und nichtig, weil mit höherrangigem Verfassungsrecht nicht vereinbar, sind demnach Rechtsvorschriften, die an eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit im Vergleich zu den in der Brokdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dargelegten Grundsätzen geringere Anforderungen stellen.

Die Regelung in § 7 Abs. 1 S. 3 der 8.BaylfSMV kann somit jedenfalls nicht dazu führen, dass der von der Verwaltungsbehörde anzuwendende Prüfungsmaßstab im Vergleich zu den strengen Voraussetzungen des Art. 15 BayVersG herabgesetzt ist. Gerade im Bereich des Grundrechts der Versammlungsfreiheit ist aufgrund deren Bedeutung für das demokratische und freiheitliche Gemeinwesen der strikt zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Rahmen des Infektionsschutzes nicht außer Kraft gesetzt (vgl. BeckOK PoIR Bayern/M. Müller, 15.3.2021, BayVersG Art. 15 Rn. 260 m.w.N.).

c) Die Anordnung der Maskenpflicht in Ziffer II.A.4. des Bescheides vom 16.11.2020 ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht rechtmäßig.

(1) Zwar verfolgt die Anordnung der Maskenpflicht durch die Versammlungsbehörde zusammen mit anderen Maßnahmen und Vorgaben in dem zu Grunde liegenden Bescheid den legitimen Zweck, Neuinfektionen soweit als möglich vorzubeugen und damit gleichzeitig auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit des SARS-CoV-2-Virus innerhalb der Bevölkerung zu verringern.

Dies dient unter anderem dazu, eine Überlastung des öffentlichen Gesundheitssystems zu vermeiden. Zweck der Regelung ist somit der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit jedes Einzelnen wie auch der Bevölkerung insgesamt, wofür den Staat gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine umfassende Schutzpflicht trifft (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 16.10.1977 – 1 BvQ 5/77 -, juris Rn. 13 f.). Insoweit kann in diesem Zusammenhang auch auf den Lagebericht des R.-Instituts vom 17.11.2020 verwiesen werden, wonach neben Darstellung des damals aktuellen Infektionsgeschehens auch darauf hingewiesen wurde, dass es weiterhin notwendig ist, dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert, z.B. indem sie Abstands- und Hygieneregeln konsequent – auch im Freien – einhält, Innenräume lüftet und, wo geboten, eine Mund-Nasen-Bedeckung korrekt trägt. Zudem sollten größere Menschenansammlungen generell gemieden werden.

(2) Ebenfalls ist grundsätzlich nicht von der völligen Ungeeignetheit der Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes der Teilnehmer der Versammlung auszugehen. Hierfür genügt es, dass die Maßnahme zur Zweckerreichung beiträgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.08.2012 – 7 CN 1.11 -, juris Rn. 29). Die angeordnete Verpflichtung dürfte einen – wenn auch zu vernachlässigenden – Beitrag zu dem Ziel leisten, eine weitere Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus abzuwenden. Sie verringert zumindest die Häufigkeit der Situationen, in denen zwei oder mehrere Personen einen Abstand von 1,5 Metern ohne Mund-Nasen-Bedeckungen unterschreiten und daher ein erhöhtes abstraktes Risiko einer Übertragung des SARS-CoV-2-Virus besteht.

Diesbezüglich führte der in der Hauptverhandlung vernommene Sachverständige Dr. G. S. als einer der führenden Forscher im Bereich der Aerosolforschung für das Gericht nachvollziehbar aus, dass sich auf Grund von Untersuchungen zu Infektionsketten in der Wissenschaft zwar die Erkenntnis durchgesetzt habe, dass die Infektion mit dem Covid-19-Virus im Wesentlichen ein Phänomen von Innenräumen sei und unter freiem Himmel nahezu keine Ansteckungen auftreten würden.

Andererseits vermochte der Sachverständige jedoch auch gerade bei größeren Menschenansammlungen mit geringen Abständen im Freien eine Ansteckung mit dem Covid-19-Virus jedenfalls dann nicht mit letzter Gewissheit ausschließen, wenn sich Personen für längere Zeit unmittelbar dicht gegenüberstehen und hierbei beim Sprechen, Niesen oder Husten winzige Aerosole Viruspartikel durch die Atemluft ausstoßen.

Gleichzeitig betonte der Sachverständige aber auch, dass das Risiko einer Ansteckung im Innenbereich ungleich höher sei, wobei er angab, dass entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse bereits im November 2020 vorlagen. Hierbei äußerte der Sachverständige auf Befragung hin insgesamt sein Unverständnis darüber, dass die insoweit maßgeblichen Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung nicht bereits viel früher bei dem Erlass von Gesetzen und Rechtsverordnungen durch die politischen Entscheidungsträger berücksichtigt worden seien.

Das Gericht hat auch keinerlei Anlass an der fachlichen Expertise des Sachverständigen Dr. S. zu zweifeln. So gab der Sachverständige beiläufig an, dass er zwischenzeitlich sogar im Auftrag des Bundesverfassungsgerichts in einem dort anhängigen Verfahren eine Stellungnahme zum Risiko der Übertragung des Covid-19-Virus unter verschiedenen äußeren Rahmenbedingungen abzugeben hatte.

(3) Geht man mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus davon aus, dass für eine Ansteckung unter freiem Himmel allenfalls eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit besteht, war die hier im Raum stehende Beschränkung in Form einer Maskenpflicht entsprechend den Vorgaben von Ziffer II.A.4. des Genehmigungsbescheides jedenfalls unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht mehr angemessen.

Ausgangspunkt ist dabei zunächst die Erkenntnis, dass eine Ansteckungsgefahr überhaupt nur von solchen Versammlungsteilnehmern ausgehen kann, die ihrerseits selbst Träger des SARS-CoV-2-Virus sind.

Nach dem Lagebericht des R.-Instituts vom 17.11.2020 lag die 7-Tage-Inzidenz an diesem Tag bayernweit bei 173. Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen lag die 7-Tage-Inzidenz am 17.11.2020 bei 127. Bundesweit ging das R.-Institut mit Lagebericht vom 17.11.2020 davon aus, dass zum damaligen Zeitpunkt 272.700 aktive Covid-19 Fälle zu verzeichnen waren. Bei einer Gesamteinwohnerzahl der Bundesrepublik Deutschland von rund 83 Millionen bedeutet dies, dass zum damaligen Zeitpunkt auf 1.000 Einwohner gerade einmal 3 Personen fielen, die nachweislich mit dem Covid-19-Virus infiziert waren. Diese Personen mussten sich aber nach den gesetzlichen Bestimmungen ohnehin in häuslicher Quarantäne befinden, sodass das Antreffen einer solchen Person auf einer Versammlung äußerst unwahrscheinlich war.

Die Gefahr der Verbreitung des Covid-19-Virus kann auf einer öffentlichen Versammlung realistischerweise allenfalls von unerkannt infizierten Personen ausgehen, wobei gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zu der Anzahl dieser Dunkelziffer nach dem derzeitigen Kenntnisstand des Gerichts nicht vorliegen.

Eine solch unsichere Tatsachengrundlage kann jedoch keinesfalls die Annahme rechtfertigen, dass ohne die Anordnung der Maskenpflicht eine unmittelbare Gefahr für Rechtsgüter droht, welche auf gleicher Stufe mit der Versammlungsfreiheit stehen, zumal es ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht, dass ein zum Eingriff in die Versammlungsfreiheit berechtigender Sachverhalt erst vorliegt, wenn der Eintritt eines Schadens „fast mit Gewissheit“ zu erwarten ist (vgl. BVerwG Urteil vom 25. 6. 2008 – 6 C 21/07, NJW 2009, 98 Rn. 14 mwN).

Auch an dieser Stelle sei nochmals auf die in jeglicher Hinsicht schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. verwiesen, der die Anordnung einer Maskenpflicht unter freiem Himmel aus wissenschaftlicher Sicht als Maßnahme mit Symbolcharakter ohne erkennbare Relevanz für die Entwicklung des Infektionsgeschehens bezeichnete.

(4) Hinzu kommt vorliegend auch noch, dass sich die Ausführungen der Versammlungsbehörde hinsichtlich der Anordnung der Maskenpflicht in dem zu Grunde liegenden Bescheid in einem Verweis auf § 7 Abs. 1 S.1 der 8.BaylfSMV erschöpfen, was nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen der Bedeutung der Versammlungsfreiheit gerade nicht ausreichend ist (s.o).

Insbesondere lässt der Bescheid auch jegliche Ausführungen dahingehend vermissen, ob und wenn ja weshalb die Behörde im Rahmen der von ihr zu treffenden Prognoseentscheidung bereits im Vorfeld davon ausging, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände von 1,5 Meter zwischen den Versammlungsteilnehmern nicht nur vereinzelt, sondern systematisch nicht eingehalten würden.

Dies ist vor allem deswegen von Bedeutung, weil es im Falle der Einhaltung eines solchen Mindestabstandes nach den von dem Sachverständigen Dr. S. überzeugend dargestellten wissenschaftlichen Erkenntnissen unter freiem Himmel nach menschlichem Ermessen unter keinen Umständen zu einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus kommen kann.

Der pauschale Verweis der Behörde auf Erfahrungen aus der Vergangenheit, wonach es bei öffentlichen Versammlungen zu „Problemen“ kam (vgl. Begründung des Bescheides zu den Anordnungen zu Ziffer II.A.1. und II.A.2.) ist dafür keinesfalls ausreichend, zumal nach den Ausführungen der Behörde diese von ihr erwähnten Probleme durch die Ausweisung einer genau definierten Versammlungsfläche in dem Sinne beseitigt werden konnten, dass die Einhaltung der Mindestabstände bereits auf diese Weise gewährleistet erschien.

Auch wäre es unzulässig, ein bewusstes Ignorieren der Befolgungsbereitschaft der Mindestabstände allein aus der kritischen Haltung der Teilnehmer gegenüber den Corona-Maßnahmen abzuleiten. Mit einer solchen Pauschalargumentation könnten nämlich aus Behördensicht nahezu beliebig Beschränkungen der Versammlungsfreiheit gerechtfertigt werden, wenn Gegenstand der öffentlichen Meinungsbildung nur die kritische Auseinandersetzung mit solchen Maßnahmen wäre. Der Ausdruck verschiedener Meinungen zum Umgang mit dem Corona-Virus ist durch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit aber gerade gewährleistet und elementarer Bestandteil eine pluralistischen und demokratischen Gesellschaft.

(5) Der durch die Anordnung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung erfolgte Eingriff in die Versammlungsfreiheit lässt sich darüber hinaus keinesfalls mit der Begründung rechtfertigen, der Eingriff in die Versammlungsfreiheit sei lediglich von untergeordneter Bedeutung und hinsichtlich des Schweregrades zu vernachlässigen.

Aus Sicht des erkennenden Gerichts ist ein solcher Eingriff in die Versammlungsfreiheit durchaus von einigem Gewicht. Die Anordnung führt nämlich dazu, dass ohne zuvor eine Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen und damit sein Gesicht zu verdecken eine Teilnahme an der Versammlung nicht möglich ist. Dadurch wird das Recht der Teilnehmer, das eigene äußere Erscheinungsbild nach eigenem Belieben selbstverantwortlich zu bestimmen, beeinträchtigt. Mit dieser Beeinträchtigung gehen Einschränkungen unter anderem in der Kommunikation und sozialen Interaktion aufgrund der Verdeckung des Gesichts und der Mimik sowie Erschwernisse bei der ungehinderten Atmung einher. Gerade auch mit Blick auf die hierdurch eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten erscheint der Eingriff von Relevanz, da die Möglichkeit einer offenen Kommunikation als Mittel der kollektiven Kundgabe von Meinungen den Wesensgehalt des Versammlungsgrundrechts betrifft.

Ergebnis:

Auf Grund der festgestellten Rechtswidrigkeit der Beschränkung in Ziffer II.A..4 des Versammlungsbescheides kommt eine Bestrafung des Angeklagten nach Art. 20 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG von vornherein nicht in Betracht.

Auf die weiteren in der gerichtlichen Verfügung vom 30.07.2021 aufgeworfenen Rechtsfragen zur Anwendung des in § 2 Abs. 3 StGB geregelten Grundsatz der Meistbegünstigung mit Blick auf die zwischenzeitlich geänderte Rechtslage kommt es somit nicht mehr in entscheidungserheblicher Weise an.

Soweit der Angeklagte nicht nur selbst keine Maske getragen hat, sondern darüber hinaus auch die Teilnehmer der Versammlung zum Abnehmen ihrer Mund-Nase-Bedeckungen aufgefordert hat, stellt dieses Verhalten zwar gleichzeitig einen Verstoß gegen die Beschränkung unter Ziffer II.A.7. des Bescheides vom 16.11.2020 dar, wonach der Versammlungsleiter auf die Einhaltung der Beschränkungen hinzuwirken und Verstöße dagegen zu unterbinden hat.

Abgesehen davon, dass diese Regelung ohnehin nur einen Hinweis auf die bereits kraft Gesetzes bestehende Pflichten des Versammlungsleiters nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayVersG enthält und damit mangels eigenständigen Regelungscharakters nicht Beschränkung i.S.d. Art. 15 BayVersG sein kann, ist ein Verstoß hiergegen aber auch deshalb ohne Bedeutung, weil die Pflicht des Versammlungsleiters nicht darin bestehen kann, objektiv rechtswidrige Beschränkungen der Versammlung gegenüber den Teilnehmern durchzusetzen.

IV.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO.

 

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