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Vorführwagen und Neuwageneigenschaft

Kammergericht Berlin

Az: 5 U 116/08

Beschluss vom 15.09.2009


In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts am 15. September 2009 beschlossen:

1.
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 2. Juni 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 52 0 34/08 – wird einstimmig zurückgewiesen.

2.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.
Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 20 000 EUR.

Gründe

A.
Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO aus den weiterhin zutreffenden Gründen der Verfügung vom 23.06.2009 zurückzuweisen.

In dieser Verfügung hat der Senat ausgeführt:

„Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil ( § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO ).

I.

Zu Recht hat das Landgericht in der streitgegenständlichen Werbeanzeige (Anlage 2 zur Antragsschrift) einen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (alter und neuer Fassung) i.V.m.

§ 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV i.V.m. Abschnitt I Nr. 1 der Anlage 4 zu § 5 Pkw- EnVKV bejaht.

Es ist vorliegend davon auszugehen, dass das in der streitgegenständlichen Anzeige beworbene Fahrzeug „BMW 318i Limousine Vorführwagen , EZ 09/07, 2 000 km, Schwarz, …“ ein „neuer Personenkraftwagen“ im Sinne des § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV war.

Neuwagen in diesem Sinne sind Kraftfahrzeuge, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden.

1.

Es ist schon nicht hinreichend erkennbar, dass der Antragsgegnerin das in Streit stehende Fahrzeug vor der Werbung „verkauft“ worden ist. Es ist ohne weiteres denkbar, dass die Antragsgegnerin das Fahrzeug (insbesondere) vom Hersteller nur in Kommission zum Weiterverkauf erhalten hat.

Zu dem dahingehenden Vortrag des Antragstellers in zweiter Instanz hat sich die Antragsgegnerin nicht näher erklärt. Ihr schlichter Hinweis auf eine prozessuale Verspätung dieses Vortrags genügt nicht. Ein als unstreitig zu behandelnder Vortrag unterliegt nicht den Verspätungsvorschriften ( BGH, NJW 2008, 448; Zöller/Heßler, ZPO, 27. Auflage, § 531 Rn. 21 m.w.N.).

2.

a)

Selbst wenn von einem Verkauf auszugehen wäre, stünde der Annahme einer Neuwagen-Eigenschaft nicht entgegen, wenn das streitgegenständliche Fahrzeug eine Tageszulassung erhalten hätte ( OLG Köln, WRP 2007, 680, […] Rn. 6 ff.; Senat, Magazin Dienst 2007, 654, […] Rn. 7 ff.; OLG Koblenz, Magazin Dienst 2008, 506, […] Rn. 6; OLG Stuttgart, Magazin Dienst 2009, 175, […] Rn. 41). Im Autohandel ist es nämlich schon seit langem weit verbreitete Praxis, dass Händler die Zulassung faktisch neuer Fahrzeuge nur für einen Tag oder ähnlich kurze Zeit veranlassen, nicht um sie zu nutzen, sondern um gegenüber dem Hersteller in einer bestimmten Periode höhere Verkaufszahlen nachweisen und solche Fahrzeuge mit deutlichen Preisnachlässen anbieten zu können (OLG Köln, a.a.O., […] Rn. 9, unter Hinweis auf BGH, GRUR 1994, 827 – Tageszulassungen; GRUR 2000, 914 [BGH 13.01.2000 – I ZR 253/97] – Tageszulassung II). Solche Tageszulassungen werden von der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung als besondere Form des Neuwagengeschäfts beurteilt (OLG Köln, a.a.O., unter Hinweis auf u.a. BGH, a.a.O., Tageszulassung II).

b)

Auch eine zwischenzeitliche Nutzung als Vorführwagen bis zu einem Verkauf an den Verbraucher lässt die Neuwagen-Eigenschaft im Sinne der Pkw-EnVKV jedenfalls dann nicht entfallen, wenn das Fahrzeug nur eine geringe Laufleistung von wenigen 100 km aufweist (Senat, a.a.O.; OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.). Ein relevanter anderweitiger Nutzungszweck im Sinne der Pkw-EnVKV liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn eine Zwischennutzung nur der Überbrückung der – ihrem Umfang nach noch unbekannten – zeitlichen Spanne zwischen Anschaffung des Fahrzeugs und dem (von Anfang an und auch nachfolgend weiterhin) bezweckten Verkauf an den Verbraucher dient (Senat, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O., […] Rn. 43). Auch ein Vorführwagen wird vorrangig zum Zweck des Weiterverkaufs vorgehalten (OLG Koblenz, a.a.O.). Dies gilt selbst bei einer viele Monate andauernden Nutzung als Vorführwagen, jedenfalls wenn das Fahrzeug auch dann nur eine geringe Laufleistung aufweist (OLG Koblenz, a.a.O., […] Rn. 6, 7).

c)

Unschädlich für die Annahme eines Neuwagens im Sinne der Pkw-EnVKV ist es darüber hinaus auch, wenn das Fahrzeug bereits mehrere Monate oder Jahre vor der Werbung gebaut worden ist (OLG Koblenz, a.a.O., […] Rn. 8). Denn maßgeblich für die Einordnung des Fahrzeugs als Neuwagen im Sinne der Vorschrift ist nicht das Herstellungsdatum, sondern zu welchem Zweck das Fahrzeug bislang veräußert wurde (OLG Koblenz, a.a.O.).

d)

Die vorstehenden Grundsätze zieht auch die Antragsgegnerin nicht ernsthaft in Zweifel. Allein die mehrmonatige Nutzung als Vorführwagen und die zwischenzeitliche Änderung der Modellausstattung stehen daher der Annahme eines Neuwagens im Sinne der Pkw-EnVKV nicht entgegen.

e)

Der Antragsteller hat vorliegend auch glaubhaft gemacht, dass das beworbene Fahrzeug im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Werbung – entgegen der Angabe in der Anzeige – tatsächlich nur eine Laufleistung von 10 km hatte.

Dies belegt die eidesstattliche Versicherung des Zeugen S…. vom 14. Januar 2008 (Anlage A 6). Der Zeuge schildert darin zeitnah, anschaulich und mit vielen Einzelheiten seine Anfrage bei der Antragsgegnerin in seinem Telefongespräch vom 14. Januar 2008 mit dem Verkäufer V….. Dass die Antragsgegnerin Fahrzeuge mit einer deutlich höheren Laufleistung bewirbt, als diese Fahrzeuge tatsächlich aufweisen, ist durchaus nicht fern liegend. Denn dies soll möglicherweise nach außen hin und auch gegenüber dem Hersteller einen nach den Marktverhältnissen eingetretenen Verfall der Herstellerpreisempfehlung verschleiern.

Die Antragsgegnerin hat dies schon nicht hinreichend bestritten. Denn es fehlt jeder nähere konkrete Vortrag, wann und wie sie das streitgegenständliche Fahrzeug erworben und wann und an wen und mit welcher Laufleistung sie das Fahrzeug weiterveräußert haben will. Ihr schlichter Hinweis, das Fahrzeug sei im Zeitpunkt des Telefongesprächs schon verkauft gewesen, ist insofern unzureichend. Auch die von der Antragsgegnerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Zeugen V…. vom 30. Mai 2008 ist wenig aussagekräftig. Es ist schon nicht ersichtlich, warum dieser Zeuge überhaupt noch eine konkrete Erinnerung an dieses – für ihn eher belanglose – längere Zeit zurückliegende Telefongespräch haben soll. Wenn der Zeuge ausführt, er habe in dem Telefonat dem Interessenten eine BMW 3er Limousine mit einer Laufleistung von 10 km angeboten und nicht mit 2000 km und seine telefonisch erteilten Informationen hätten sich auf das Fahrzeug mit dem geringeren Kilometerstand bezogen, so steht dies im Übrigen auch dem vom Zeugen S…. geschilderten Inhalt des Telefongesprächs nicht entgegen. Nach der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen S…. bezog sich das Telefonat gleichfalls tatsächlich auf ein Fahrzeug mit einer Laufleistung von 10 km. Die eidesstattliche Versicherung des Zeugen V…. bleibt jedenfalls hinsichtlich des Gesprächsinhalts sehr vage. Gleiches gilt für die allgemein gehaltenen Hinweise des Zeugen V…. zu der tatsächlichen Laufleistung beworbener Fahrzeuge. Nähere Einzelheiten sind insoweit nicht erkennbar. Der abschließende Hinweis des Zeugen „Ein solches Vorgehen würde aus meiner Sicht der Dinge auch keinen Sinn ergeben“ ist im Hinblick auf die oben genannte (und jedem geschultem Autoverkäufer regelmäßig bekannte) Problematik der Herstellerpreisempfehlung jedenfalls erstaunlich.

3.

Im Übrigen würde auch eine Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges von 2000 km vorliegend nicht notwendig der Annahme eines Neuwagens im Sinne der Pkw-EnVKV entgegenstehen.

Die Höhe der Laufleistung ist ebenso wie die Dauer der Nutzung des Fahrzeugs als Vorführwagen kein eigenständiges Kriterium im Sinne des § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV. Sie kann als Indiz nur einen Hinweis dahin geben, inwieweit die Nutzung als Vorführwagen der Absicht eines Weiterverkaufs an den Endverbraucher entgegensteht. Maßgeblich bleibt insoweit allerdings immer die Motivlage im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs vom Hersteller. Erfolgt dieser Erwerb zum Zweck des Weiterverkaufs oder der Auslieferung, dann wäre es unerheblich, wenn diese Motivlage sich erst nachfolgend wesentlich geändert hätte.

Vorliegend stellt die Antragsgegnerin nicht in Abrede, dass sie auch mit einem früheren Verkauf des Pkws – wenn sich die Möglichkeit ergeben hätte – einverstanden gewesen wäre. Unter diesen Umständen muss davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin schon bei ihrem (etwaigen) Erwerb des Fahrzeugs vom Hersteller entschlossen war, das Fahrzeug bei jeder nächsten sich bietenden Gelegenheit zu veräußern. Dies entspricht auch dem gewöhnlichen Gang der Dinge, wenn ein Händler ein Fahrzeug als Vorführwagen vom Hersteller erwirbt und einsetzt. Die beabsichtigte zwischenzeitliche Nutzung als Vorführwagen bedeutete dann keine wesentliche eigenständige Verwendung, sondern nur eine unselbstständige – von Anfang an nur vorübergehende – Nutzung des Fahrzeugs bis zum Verkauf. Unter diesen Umständen kommt es vorliegend auf die Höhe der Laufleistung des Vorführwagens nicht an.

II.

Unter diesen Umständen ist das vom Landgericht ausgesprochene Verbot nicht in sich widersprüchlich. Denn auch das in der streitgegenständlichen Anzeige beworbene streitgegenständliche Fahrzeug ist ein „neuer Personenkraftwagen“ i.S. des § 2 Nr. 1 Pkw- EnVKV, und zwar unabhängig davon, ob die in der Anzeige angegebenen Laufleistung der Wahrheit entsprochen hat.

III.

Das ausgesprochene Verbot ist auch nicht zu weit gehend, wenn darin ein Fehlen der Angabe der „vollständigen Werte“ beanstandet wird. Denn gem. Abschnitt I Nr. 1 S. 2 der Anlage 4 zu

§ 5 Pkw-EnVKV ist es dem Händler freigestellt, bei der Werbung für mehrere Modelle jeweils die Einzelwerte oder eine Spannbreite anzugeben. In beiden Fällen hätte der Händler die „vollständigen Werte“ im Sinne des landgerichtlichen Verbotsausspruchs angegeben. Er wird daher in seiner Wahlmöglichkeit nicht eingeschränkt.

IV.

Wegen diesen Umständen ist das ausgesprochene Verbot auch nicht zu unbestimmt, zumal der „sofern-Satz“ die konkrete Verletzungshandlung in Bezug nimmt und damit die vorhergehende abstrakte Umschreibung verdeutlicht ( BGH, GRUR 2001, 529, [BGH 09.11.2000 – I ZR 167/98] […] Rn. 26 ff. – Herz-Kreislauf-Studie; GRUR 1998, 483, [BGH 10.07.1997 – I ZR 62/95] […] Rn. 17 – Der M.-Markt packt aus).“

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Diesen Ausführungen ist die Antragsgegnerin innerhalb der ihr gesetzten Erklärungsfrist nicht mehr entgegengetreten.

B.

Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung ergehen gemäß § 97 Abs. 1, § 3 ZPO.

 

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