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Dachlawine – Haftung des Hauseigentümers für Schäden an einem geparkten Pkw

AG Donaueschingen, Az.: 2 C 8/17, Urteil vom 12.12.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.768,68 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.09.2016 sowie 3,50 € außergerichtliche Nebenkosten zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht als Versicherer aus übergegangenem Recht gemäß § 86 VVG Ansprüche gegen die Beklagte wegen einer Beschädigung eines bei der Klägerin versicherten Kraftfahrzeugs durch eine Dachlawine geltend.

Dachlawine - Haftung des Hauseigentümers für Schäden an einem geparkten Pkw
Symbolfoto: mikeosphoto/Bigstock

Die Klägerin ist Versicherer der Firma … . Der Versicherungsschutz umfasst Vollkaskoschäden des Fahrzeugs, Typ BMW Mini Cooper, mit dem amtlichen Kennzeichen … . Am 22.02.2015 gegen 18:55 Uhr parkte die – im Anwesen der Beklagten wohnhafte – Tochter der Versicherungsnehmerin, Frau …, das versicherte Fahrzeug auf einem öffentlichen Parkplatz, der sich zum Teil vor dem Anwesen der Beklagten, Hauptstraße Nr. … in Hüfingen, sowie zum Teil vor dem Nachbaranwesen, Hauptstraße Nr. …X befindet (vgl. die als Anlage K1 vorgelegten Lichtbilder, As. 29 ff., sowie die als Anlage B1 vorgelegte Skizze, As. 189). Das Fahrzeug war dabei in Fahrtrichtung geparkt, d.h. die Frontseite des Fahrzeugs befand sich auf dem vor dem Anwesen der Beklagten befindlichen Teil des Parkplatzes. Das Dach des Anwesens der Beklagten war – anders als das Nachbaranwesen – nicht mit Schneefanggittern oder ähnlichen Sicherungsvorrichtungen ausgestattet. Aufgrund einer Dachlawine kam es zu einer Beschädigung des Fahrzeugs im vorderen Front- und Dachbereich, woraus ein Reparaturschaden in Höhe von netto 3.862,35 € resultierte. Abzüglich eines vereinbarten Selbstbehalts in Höhe von 325,- € zahlte die Klägerin an ihre Versicherungsnehmerin einen Betrag in Höhe von 3.537,35 € aus, dessen Erstattung sie nunmehr von der Beklagten als Eigentümerin des Anwesens Hauptstraße Nr. … begehrt.

Die Klägerin behauptet, dass die schadensursächliche Dachlawine vom Dach des Anwesens der Beklagten abgegangen sei und Schneefanggitter oder ähnliche Sicherungsvorrichtungen auf dem Dach die Dachlawine verhindert hätten.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, wobei diese sich insbesondere aus der Lage der Stadt Hüfingen in einer schneereichen Region sowie der Lage des Anwesens der Beklagten an einer stark frequentierten Hauptstraße ergebe.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.537,35 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.09.2016 zuzüglich 7,00 € außergerichtliche Nebenkosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, in den Schaufenstern des im Anwesen der Beklagten befindlichen Ladengeschäfts sowie an einer vor dem Anwesen der Beklagten befindlichen Straßenlaterne seien Warnschilder mit der Aufschrift „Vorsicht !!! Dachlawinen !!“ (vgl. As. 181) angebracht gewesen.

Sie ist der Ansicht, dass sie durch diese Warnhinweise ihrer Verkehrssicherungspflicht hinreichend nachgekommen sei. Im Übrigen komme eine Haftung der Beklagten auch deshalb nicht in Betracht, da die Gefährdungslage für die Fahrerin des beschädigten Fahrzeugs, welche auch selbst im Anwesen der Beklagten wohnt, völlig offensichtlich gewesen sei.

Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 24.10.2017 (As. 265) – mit Ergänzung in der mündlichen Verhandlung am 21.11.2017 (As. 305) – Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen XXX. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21.11.2017 (As. 303 ff.) Bezug genommen.

Im Hinblick auf den weiteren Tatsachen- und Rechtsvortrag der Parteien wird ergänzend Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst der jeweiligen Anlagen sowie die Protokolle der Güteverhandlung vom 27.04.2017 (As. 159 ff.) und der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2017 (As. 261 ff.) sowie vom 21.11.2017 (As. 303 ff.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hat die Klägerin aus übergegangenem Recht gemäß § 86 VVG einen Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Die Beklagte haftet für den an dem bei der Klägerin versicherten Fahrzeug entstandenen Schaden aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, wobei jedoch ein Mitverschulden der berechtigten Fahrerin des Fahrzeugs, Frau …, mit zu berücksichtigen war.

1.

Der streitgegenständliche Schaden an dem bei der Klägerin versicherten Fahrzeug ist unstreitig aufgrund einer Dachlawine eingetreten. Das Gericht ist aufgrund der Gesamtumstände (ohne weitere Beweisaufnahme) davon überzeugt, dass die Dachlawine vom Dach des Anwesens der Beklagten abgegangen ist.

Da sich der Parkplatz ausweislich der vorgelegten Lichtbilder (etwa hälftig) vor den beiden Anwesen Nr. … und Nr. … befindet und das Fahrzeug unstreitig in Fahrtrichtung geparkt war, befand sich der vordere Teil des Fahrzeugs, wo ausweislich der vorgelegten Lichtbilder (As. 59 ff.) der Schaden eingetreten ist, vor dem Anwesen der Beklagten. Dass das Fahrzeug teilweise außerhalb des Parkplatzes und somit vollständig vor dem Nachbaranwesen geparkt gewesen wäre, hat die Beklagte nicht behauptet. Im Übrigen hat die Versicherungsnehmerin im Rahmen der Schadensmeldung unstreitig der Versicherung gegenüber mitgeteilt, dass die Dachlawine vom Dach des Anwesens der Beklagten abgegangen ist. Anhaltspunkte dafür, dass dabei falsche Angaben gemacht worden sind oder dies auf einer irrtümlichen Wahrnehmung beruhen könnte, gibt es nicht.

2.

Indem die Beklagte keine Schneefanggitter bzw. keine vergleichbar wirksamen Vorrichtungen auf dem Dach ihres Anwesens angebracht hat, verletzte sie eine ihr als Eigentümerin des Anwesens obliegende Verkehrssicherungspflicht.

a) Eine Verkehrssicherungspflicht ist im Hinblick auf durch Dachlawinen verursachte Schäden zwar nach der ganz überwiegenden Rechtsprechung nicht im Regelfall, sondern nur unter „besonderen Umständen“ gegeben. Solche können sich insbesondere aus der allgemeinen Schneelage des Ortes, der Beschaffenheit und Lage des Gebäudes, der Ortsüblichkeit, den konkreten Schneeverhältnissen, der Art und des Umfanges des gefährdeten Verkehrs sowie der Gefahrenwahrscheinlichkeit ergeben (vgl. AG Bruchsal vom 23.11.2010, Az. 3 C 81/10; LG Ulm, NJW-RR 2006, 1253; LG Karlsruhe vom 22.01.1999, Az. 9 S 440/98; OLG Karlsruhe vom 18.03.1983, Az. 15 U 280/82; OLG Zweibrücken vom 09.07.1999, Az. 1 U 181/98; AG Brandenburg vom 23.08.2012, Az. 34 C 127/11; OLG Düsseldorf vom 17.02.2012, Az. 24 U 217/11; LG Duisburg vom 22.10.2012, Az. 2 O 259/11; AG Münster vom 14.11.2012, Az. 48 C 4303/11; AG Leipzig vom 04.04.2013, Az. 105 C 3717/10; OLG Hamm vom 14.08.2012; Az. 9 U 119/12; OLG Düsseldorf vom 28.02.2014, Az. 22 U 152/13; AG Hannover vom 15.07.2014, Az. 438 C 12642/13; OLG München vom 11.04.1997, Az. 14 U 879/96; AG München vom 16. Juni 2011, Az. 275 C 7022/11, sowie umfassend Birk, NJW 1983, 2911 m.w.N.).

b) Solche „besonderen Umstände“ sind im vorliegenden Fall nach Auffassung des Gerichts zu bejahen.

aa) Insoweit ist zunächst die geographische Lage von Hüfingen relevant. Nach eigener Kenntnis des Gerichts vom Ausmaß der winterlichen Verhältnisse im gesamten Amtsgerichtsbezirk und insbesondere in Hüfingen handelt es sich um ein im Winter schneereiches Gebiet, was letztlich auch dadurch bestätigt wird, dass eine Vielzahl von Häusern in Hüfingen nach eigener Kenntnis des Gerichts über entsprechende Dachkonstruktionen verfügen, welche Dachlawinen verhindern sollen und mithin auch eine gewisse Ortsüblichkeit begründen.

Zu berücksichtigen ist außerdem die Dachneigung (vgl. LG Ulm, NJW-RR 2006, 1253, wonach in schneereichen Gebieten eine Pflicht zur Anbringung von Schneefanggittern zum Schutz gegen eine Gefährdung der Verkehrssicherheit bereits bei Dächern mit einer Neigung von mehr als 35 Grad in Betracht kommt, während in schneeärmeren Gebieten eine solche Pflicht erst bei einer Dachneigung von 45 Grad anzunehmen ist). Die Neigung des Daches des Anwesens der Beklagten beträgt ausweislich der als Anlage B5 vorgelegten Skizze (As. 197) im Hinblick auf das Hauptdach 42 Grad, so dass von einem recht steilen Dach auszugehen ist.

bb) Eine erhöhte Sorgfaltspflicht im Sinne besonderer Umstände folgt außerdem aus der Erheblichkeit der Gefährdungslage bzw. der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Dass im Hinblick auf das streitgegenständliche Anwesen eine erhebliche Gefährdung durch Dachlawinen – auch nach eigener Kenntnis der Beklagten – besteht, resultiert zur Überzeugung des Gerichts insbesondere aus der steilen Dachneigung und liegt bereits angesichts des eigenen Vortrags der Beklagten offensichtlich auf der Hand. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf die eindeutige Aussage des Verwalters der Beklagten im Rahmen der Güteverhandlung am 27.04.2017, man wisse um die gefährliche Situation (As. 161), sowie auf den schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten, wonach es „völlig unverständlich“ sei, warum die Zeugin … am besagten Tag dort geparkt habe; die Gefahr hätte sich „ihr aufdrängen müssen“.

Im Übrigen hat auch die im Hinblick auf die Behauptung der Beklagten, im Schaufenster ihres Anwesens seien Warnhinweisschilder aufgehängt gewesen, durchgeführte Beweisaufnahme eindrücklich bestätigt, dass im Winter vom Dach des Anwesens der Beklagten eine erhebliche Gefährdungslage in Bezug auf Dachlawinen ausgeht. Nach der völlig glaubhaften Aussage des neutralen Zeugen …, der bereits seit ca. 15 Jahren ein Ladengeschäft im Anwesen der Beklagten betreibt, besteht in den Wintermonaten bei entsprechender Schneelage eine erhebliche Gefahr des Abgangs von Dachlawinen vom Anwesen der Beklagten. Ohne überhaupt von der Beklagten – als eigentlich verantwortlicher Person – dazu aufgefordert worden zu sein, hat der Zeuge … in den vergangenen Jahren aufgrund der nach seiner Einschätzung erheblichen Gefährdungslage von sich aus Warnhinweise im Schaufenster ausgehängt. Die erhebliche Gefährdung in schneereichen Jahren hat den Zeugen sogar darüber hinausgehend dazu bewogen in Einzelfällen zusätzlich auch an der vor dem Anwesen der Beklagten befindlichen Straßenlaterne ein weiteres Warnhinweisschild anzubringen, welches gerade vor der aus Sicht des Zeugen erheblichen Gefahr warnen sollte, die hinsichtlich des vor dem Anwesen befindlichen – hier streitgegenständlichen – Parkplatzes besteht.

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cc) Zusätzlich zur offensichtlichen und erheblichen Gefährdungslage ist hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht vor allem auch die konkrete Lage des Anwesens der Beklagten zu berücksichtigen (vgl. insoweit OLG Köln, VersR 1958, 114). Dieses befindet sich direkt an einer belebten Hauptstraße, welche nicht nur durch Kraftfahrzeuge, sondern auf dem unmittelbar angrenzenden Gehweg nach eigener Kenntnis des Gerichts auch durch Fußgänger regelmäßig stark frequentiert ist. Diese gerade auch für Fußgänger bestehende Gefährdungslage hat auch der Zeuge … im Rahmen seiner Vernehmung deutlich herausgestellt (vgl. Protokoll vom 21.11.2017, As. 305 ff.). Passanten ist es angesichts der konkreten örtlichen Verhältnisse (Gehweg unmittelbar an der Hauswand und max. 2 Meter breit) nicht möglich, etwa durch Blicke nach oben, selbst ausreichend Achtsamkeit walten zu lassen, zumal auch keine sinnvolle und zumutbare Ausweichmöglichkeit für Fußgänger besteht. Soweit (zusätzlich) auch parkende Autos gefährdet sind und es den Fahrern (eher) möglich und zumutbar ist, die Gefährdung durch eigene Achtsamkeit und Nutzung von Ausweichmöglichkeiten abzuwehren, vermag dies die – grundsätzlich bestehende – Verkehrssicherungspflicht nicht entfallen zu lassen, da auch vor dem Anwesen der Beklagten parkende Autos vom Schutzzweck mitumfasst sind. Im Hinblick auf die Unterschiede zu den ebenfalls gefährdeten Fußgängern ist im Schadensfalle lediglich (eventuell) ein anderer Maßstab an ein (etwaiges) Mitverschulden anzulegen.

c) Vor dem Hintergrund, dass das in einer schneereichen Region befindliche Anwesen der Beklagten an einer belebten, auch von Fußgängern frequentierten Hauptstraße liegt und die Gefährdungslage nicht nur offensichtlich, sondern im Hinblick auf drohende (Personen-)Schäden auch von ganz erheblicher Qualität ist, besteht für die Beklagte als für die Gefahrenquelle verantwortliche Eigentümerin eine erhöhte Sorgfaltspflicht, welcher die Beklagte – trotz positiver Kenntnis von der erheblichen Gefährdungslage – nicht nachgekommen ist. Die (nicht einmal durch die Beklagte selbst veranlassten, sondern durch den Zeugen … in eigenem Gefahrbewusstsein) im Schaufenster des Anwesens der Beklagten ausgehängten Warnhinweise (dazu näher unten unter 3.) stellen keine ausreichende Maßnahme zur Abwendung bzw. Reduzierung der (erheblichen) Gefahr dar.

Die Verkehrssicherungspflicht im Hinblick auf das streitgegenständliche Anwesen der Beklagten erfordert nach Auffassung des Gerichts vielmehr wirksame(re) Maßnahmen, insbesondere die Anbringung von Schneefanggittern oder von vergleichbaren Vorrichtungen, die einen Dachlawinenabgang verhindern bzw. jedenfalls aber abschwächen. Dass die gegenteilige Auffassung der Beklagten, welche meint, bloße Warnhinweise im Schaufenster seien ausreichend, nicht zu überzeugen vermag, dürfte jedenfalls dann unmittelbar einleuchten, wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch Kinder sowie (ausländische) Mitbürger, welche nicht in der Lage sind, die Warnhinweise zu lesen bzw. zu verstehen, von der Verkehrssicherungspflicht umfasst und wirksam vor den erheblichen – sogar lebensbedrohlichen – Gefahren geschützt werden müssen.

3.

Eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht wäre im Übrigen – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch dann gegeben, wenn man der Ansicht der Beklagten folgen und von ihr nicht verlangen würde, Schneefanggitter oder vergleichbare Schutzvorrichtungen auf dem Dach ihres Anwesens anzubringen.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts nämlich lediglich fest, dass in den Schaufenstern des im Anwesen der Beklagten befindlichen Ladengeschäfts – vom Zeugen … angebrachte – DIN-A4 große, weiße Warnhinweisblätter mit der schwarzen Aufschrift „Vorsicht!!! Dachlawine!!“ (entsprechend dem als Anlage vorgelegten Ausdruck, As. 181) ausgehängt waren.

a) Die Existenz dieser Warnhinweise steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Zwar hatte der Zeuge … – völlig nachvollziehbar – keine konkrete Erinnerung an den streitgegenständlichen Zeitpunkt, insbesondere konnte er nicht sagen, wann genau er die – von ihm in jedem Winter angebrachten – Warnhinweise auf- bzw. im Frühjahr 2015 wieder abgehängt hat. Jedoch ergibt sich aus den Gesamtumständen nach Ansicht des Gerichts hinreichend sicher, dass zum streitgegenständlichen Zeitpunkt die entsprechenden Warnhinweise bereits bzw. noch immer in den Schaufenstern hingen. Dies folgt daraus, dass der Zeitpunkt des Schadensfalles mitten im – nach eigener Kenntnis des Gerichts – „schneerelevanten“ Zeitraum lag und somit sicher davon auszugehen ist, dass der erste Schnee bereits vorher gefallen war, es sich aber andererseits auch nicht um den letzten Schneefall des Winters gehandelt hat.

Im Übrigen hat die Vernehmung des Zeugen … deutlich gemacht, dass er über ein ausgeprägtes Gefahrbewusstsein verfügt und Dritte durch seine Warnhinweise vor den vom Dach des Anwesens der Beklagten ausgehenden Gefahren schützen wollte. Nachdem zum streitgegenständlichen Zeitpunkt – auch nach eigenem Vortrag der Beklagten – eine erhebliche Gefahrenlage in Bezug auf Dachlawinen bestand, schlussfolgert das Gericht somit, dass der Zeuge zum streitgegenständlichen Zeitpunkt, auch wenn er sich daran nicht konkret erinnern konnte, sicher die entsprechenden Warnhinweise bereits bzw. noch immer ausgehängt hatte.

b) Diese Warnhinweise waren – nach eigenem Vortrag der Beklagten (vgl. As. 181) – lediglich in Schwarz-Weiß und DIN-A4, mithin nicht in besonders auffälliger Farbe und Art gestaltet. Sie befanden sich außerdem in Schaufenstern eines Ladengeschäfts, welche selbst nicht besonders groß und markant sind (vgl. Lichtbilder, As. 33) und wo aus Sicht von Passanten naturgemäß auch mit anderen, meist bunten Auslagen, Aushängen und/oder Werbung zu rechnen ist, so dass in Schwarz-Weiß gestaltete Aushänge nicht besonders auffallen bzw. sogar optisch untergehen. Angesichts dieser Umstände waren die vorhandenen Warnhinweise nicht (einmal ansatzweise) geeignet, Dritte hinreichend sicher auf die – auch aus Sicht der Beklagten – bestehende erhebliche Gefährdungslage aufmerksam zu machen. Die Beklagte hätte – unabhängig von den Sicherungsmaßnahmen auf dem Dach – jedenfalls zusätzliche bzw. auffällige(re) Hinweise anbringen müssen, um wirksam vor den erheblichen Gefahren zu warnen. Dies hätten etwa gut sichtbare Schilder auf dem Gehweg und/oder – bezogen auf parkende Autos – deutliche Hinweise an der Straßenlaterne sein können.

c) Die Existenz eines an der vor dem Anwesen der Beklagten befindlichen Straßenlaterne (vom Zeugen …) angebrachten zusätzlichen, gerade an parkende Autofahrer gerichteten Warnhinweises konnte die Beklagte im vorliegenden Prozess nicht beweisen. Der Zeuge … hat glaubhaft und nachvollziehbar ausgesagt, dass er den zusätzlichen Hinweis an der Straßenlaterne, gerade für die Autofahrer, welche den vor dem Anwesen befindlichen Parkplatz nutzen, nicht jedes Jahr, sondern nur in ein oder zwei besonders schneereichen Jahren, als die Gefahr aus seiner Sicht besonders hoch einzuschätzen war, angebracht hat. Ob dieser zusätzliche Hinweis im Jahr 2015, insbesondere zum streitgegenständlichen Zeitpunkt an der Straßenlaterne angebracht war, wusste der Zeuge nicht.

4.

Das Unterlassen der Beklagten ist für den eingetretenen Schaden am bei der Klägerin versicherten Fahrzeug auch kausal geworden. Der Einwand der Beklagten, dass Schneefanggitter oder vergleichbare Maßnahmen den Lawinenabgang gar nicht zuverlässig verhindert hätten, lässt die Haftung der Beklagten nicht entfallen. Insoweit greift der Beweis des ersten Anscheins (vgl. BGH NJW 1994, 945; Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, vor § 249 Rn. 132, § 823 Rn. 54), so dass die Beklagte einen atypischen Geschehensablauf hätte darlegen und beweisen müssen, was sie jedoch nicht (einmal ansatzweise) getan hat.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine Wirksamkeit entsprechender Schutzvorrichtungen sich auch aus dem Umstand ergibt, dass nach eigener Aussage des Verwalters der Beklagten vom eigenen Dach immer, vom Dach des Nachbaranwesens hingegen nie Schnee runter rutsche (vgl. Protokoll vom 27.04.2017, As. 161). Das Dach des Nachbaranwesens ist mit Lawinensicherungen in Form von Schneefanghaken ausgestattet (vgl. den als Anlage 2 vorgelegten Vermerk nebst entsprechender Lichtbilder, As. 27 ff.).

5.

Im Hinblick auf den eingetretenen (unstreitigen) Schaden trifft die Fahrerin des bei der Klägerin versicherten Fahrzeugs, Frau …, ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB, welches das Gericht im Rahmen einer Abwägung aller Umstände in Höhe von 50% des Schadensbetrages bemisst.

a) Dabei war zunächst zu berücksichtigen, dass die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts – vgl. dazu bereits ausführlich oben unter 3. a) – ergeben hat, dass im Schaufenster des Anwesens der Beklagten entsprechend ihrer Behauptung – DIN-A4 große, weiße – Warnhinweisblätter mit der schwarzen Aufschrift „Vorsicht!!! Dachlawine!!“ (entsprechend dem als Anlage vorgelegten Ausdruck, As. 181) – ausgehängt waren.

Von der Existenz eines (markanteren) roten Warndreiecks zum streitgegenständlichen Zeitpunkt kann hingegen nicht ausgegangen werden. Nachdem der Zeuge … glaubhaft erklärt hat, dass er in vergangenen Jahren unterschiedliche Aushänge gemacht hat, sich aber hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitpunkts nicht mehr konkret erinnern konnte, ob es sich um einen bloßen Schwarz-Weiß-Ausdruck oder um ein Schild mit einem roten Warndreieck handelte, war für die Abwägung im Rahmen des Mitverschuldens die insoweit auf Seiten der Beklagten bestehende Beweislast zu berücksichtigen, so dass lediglich von einem – wenig markanten – Schwarz-Weiß-Ausdruck auszugehen war (welcher im Übrigen auch nur Gegenstand der Behauptung der Beklagten war).

Dieser reduziert das Mitverschulden zu einem geringeren Anteil als dies bei einem deutlicheren und stärker ins Auge springenden Aushang mit einem roten Warndreieck oder vor allem bei (unstreitig nicht vorhandenen) Schildern auf dem Gehweg der Fall gewesen wäre. Die in nicht besonders auffälliger Art gestalteten Warnhinweise befanden sich in Schaufenstern eines Ladengeschäfts, wo sie aus Sicht der Fahrerin des bei der Klägerin versicherten Fahrzeugs naturgemäß nicht besonders auffallen, weil dort auch mit anderen Aushängen und/oder Werbung zu rechnen ist und auch der Blick – anders als etwa bei der vor dem Parkplatz befindlichen Straßenlaterne – nicht zwingend auf die Warnhinweise fällt.

b) Die Behauptung der Beklagten, an der vor dem Parkplatz befindlichen Straßenlaterne sei ein zusätzlicher Warnhinweis angebracht gewesen, hat sich im Rahmen der Beweisaufnahme nicht bestätigt (vgl. dazu bereits oben unter 3. c), so dass dieser Umstand bei der Abwägung des Mitverschuldens nicht (zu Lasten der Klägerin) mitberücksichtigt werden konnte.

c) Schließlich war insbesondere auch die Offensichtlichkeit der Gefährdungslage in die Abwägung mit einzustellen. Dies einerseits zu Lasten der Beklagten, die angesichts der eindeutigen Aussagen ihres Verwalters im Rahmen der Güteverhandlung, insbesondere in Person ihres Verwalters, positive Kenntnis von der bestehenden (erheblichen) Problematik hatte. Andererseits aber freilich auch zu Lasten der Klägerin, da die Fahrerin des bei der Klägerin versicherten Fahrzeugs, Frau …, selbst im Anwesen der Beklagten wohnhaft war und mithin ebenfalls generelle Kenntnis von der (abstrakten) Gefährdungslage hatte; eine positive Kenntnis der … von der konkreten, zum streitgegenständlichen Zeitpunkt bestehenden, erheblichen Gefahr wurde von der Beklagten nicht behauptet und kann mangels sonstiger Anhaltspunkte auch nicht unterstellt werden kann.

Ein konkretes und gesteigertes Gefahrbewusstsein bei der Fahrerin des beschädigten Fahrzeugs, welches gegebenenfalls zu einem grob fahrlässigen Verhalten führen könnte und mithin den Verschuldensanteil der Beklagten (erheblich) reduziert hätte, wäre durch auf dem Gehweg aufgestellte Warnschilder und/oder deutliche Warnhinweise an der Straßenlaterne zu erreichen gewesen. Dies hat die Beklagte jedoch nicht getan bzw. im vorliegenden Prozess nicht beweisen können.

6.

Die Nebenforderungen sind aus Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 286, 288 BGB geschuldet, wobei der Antrag dahingehend auszulegen war, dass nicht „5% Zinsen“, sondern Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz begehrt werden. Im Übrigen war im Hinblick auf die außergerichtlichen Nebenkosten ebenfalls die oben dargelegte Haftungsquote zu berücksichtigen.

7.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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