LG Hannover – Az.: 22 O 52/12 – Urteil vom 19.12.2012
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 50.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Juni 2012 zu zahlen. Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung einer von der Beklagten verlangten Vorfälligkeitsentschädigung in Anspruch.
Die Parteien schlossen am 7./12. März 1997 zwei Darlehensverträge über insgesamt 23 Mio. DM zur Finanzierung des …zentrums der Klägerin. Die Beklagte vertrat hierbei ein Konsortium, bestehend aus der Beklagten und der … …bank AG. Für die Inanspruchnahme der Darlehen wurde eine erste Festzinsperiode von 10 Jahren vereinbart, die Gesamtlaufzeit wurde auf rund 25 Jahre festgesetzt. Als Sicherheit dienten eine Briefgrundschuld über 23 Mio. DM sowie die Sicherungsübereignung des Inventars. Für die Darlehenstilgung wurde eine Renten/Kapital-Lebensversicherung abgeschlossen und gegen Tilgungsaussetzung an die Beklagte abgetreten.
Nach Änderung der Konditionen und einer Nachfinanzierung 2004 belief sich das eine Darlehen zum 1. August 2004 auf 4.361.302,47 €, das andere Darlehen zum 28. Februar 2007 auf 6.377.713,27 €.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2009 verlangte die … Hypothekenbank Actiengesellschaft (…) als Vertreterin der Beklagten eine Nachsicherung in Höhe von 3.260.000 € in der Form einer Sondertilgung zur weiteren Reduzierung des Finanzierungsrisikos.
Neben der Fortführung der vereinbarten Tilgungs- und Zinsraten leistete die Klägerin zum 1. September 2009 eine Sondertilgung in Höhe von 600.000 €. Weitere Sonderzahlungen in Höhe von insgesamt 900.000 € folgten bis zum 31. Januar 2011. Danach leistete die Klägerin monatliche Zusatztilgungen von 15.000 €.
Die Beklagte verlangte weiterhin, die Darlehen vorzeitig und in voller Höhe zurückzuführen. Dazu teilte die … mit Schreiben vom 3. November 2010 mit, dass der Vorfälligkeitsschaden bei einer Rückzahlung zum 31. Dezember 2010 rund 330.000 € betragen würde. Mit Schreiben vom 25. Februar 2011 äußerte die Deutsche … die Erwartung, dass die Klägerin mit weiterem Nachdruck an einer Kreditablösung arbeite.
Nachdem sich die Klägerin Ende 2011 mit der D. …bank AG (…) über eine Ablösung der Finanzierung in Höhe von 5,8 Mio. Euro zum 31. Januar 2012 oder 29. Februar 2012 geeinigt hatte, fanden Verhandlungen mit der Beklagten über den Ausgleich einer Finanzierungslücke von 222.070,09 € bzw. ca. 155.000 € statt. Die D.. wies mit elektronischer Nachricht vom 8. Februar 2012 darauf hin, dass auch noch die Vorfälligkeitsentschädigungen für beide Darlehen zu zahlen seien. Die Klägerin wies dieses Ansinnen als unangemessen zurück. Sie teilte mit Nachricht vom 23. März 2012 mit, dass es keine Ablösung der Darlehen geben werde, wenn an der Vorfälligkeitsentschädigung festgehalten werde. Die D.. erklärte mit Schreiben vom 26. März 2012 die Bereitschaft, die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung auf 63.000 € festzusetzen. Am 29. März 2012 erklärte sie sich mit einer Zahlung von 50.000 € einverstanden. Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom selben Tage, dass sie zur formalen Erfüllung des Treuhandauftrages der D.. 50.000 € zahlen werde. Sie sei aber mit der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung nicht einverstanden und werde eine Rückvergütung des Betrages von 50.000 € beanspruchen. Die D.. bestätigte mit Schreiben vom 7. Mai 2012 den Erhalt eines Betrages von 5.800.000 € von der D.. sowie eines Betrages in Höhe von 142.426,14 € von der Klägerin, davon 92.426,14 € zur Rückführung der Darlehen und 50.000 € zur Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 31. Mai 2012 forderte die Klägerin die Deutsche D zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung bis zum 15. Juni 2012 auf. Eine Rückzahlung erfolgte jedoch nicht.
Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe einen Anspruch auf Rückzahlung von 50.000 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. bzw. 2.Alternative BGB. Für die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung für die Ablösung der Darlehen sei kein Rechtsgrund gegeben. In der Zahlung könne im Hinblick auf die ausdrückliche Erklärung im Vorfeld kein entsprechendes Anerkenntnis gesehen werden. Ein Anspruch ergebe sich weder aus § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB noch aus einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift. Die Regelung setze eine vorzeitige Kündigung des Darlehensnehmers voraus. Die einvernehmliche Aufhebung eines Darlehensvertrages zur vorzeitigen Rückzahlung der Darlehensvaluta rechtfertige eine analoge Anwendung nach herrschender Meinung mangels Vergleichbarkeit der Ausgangssituation nicht. Hier sei zudem zu berücksichtigen, dass die Einvernehmlichkeit nur auf den massiven Druck der Beklagten zu einer vorzeitigen Ablösung hergestellt worden sei, verbunden mit der erklärten Erwartung der Klägerin, dass eine weitere Vorfälligkeitsentschädigung für diese von der Beklagten gewünschte vorzeitige Ablösung nicht anfalle. Ein Rechtsgrund für die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ergebe sich weder aus den Darlehensverträgen selbst noch aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 50.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf Nr. 22 der mit dem Darlehensvertrag vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, wonach die Bank vom Kunden die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten für seine Kreditverbindlichkeiten verlangen könne, wenn sich aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände (…) eine Veränderung der Risikolage ergebe. Unter Ziffer 2 der Allgemeinen Bedingungen für langfristige Darlehen sei geregelt, dass über die vereinbarte Tilgung hinausgehende Tilgungsleistungen während einer Zinsperiode nicht zulässig seien. Auslöser für den von der Beklagten ermittelten Nachsicherungsbedarf sei die von der Klägerin selbst beschriebene erhebliche Reduzierung der Pflegeplätze sowie der Rückgang der Auslastung der noch vorhandenen Pflegeplätze. Der hieraus resultierende Nachsicherungsbedarf sei zwischen den Parteien streitig geblieben. Bereits im Jahr 2009 habe die Beklagte auf den Anfall einer Vorfälligkeitsentschädigung im Falle einer vorzeitigen Gesamtablösung des Darlehens hingewiesen. Die Klägerin habe die Beklagte jedoch aufgefordert, auf eine Vorfälligkeitsentschädigung zu verzichten. Dies sei nicht geschehen. Spätestens im Dezember 2009 habe auch aus der Sicht der Klägerin festgestanden, dass im Falle der vorzeitigen Gesamtablösung eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen sein würde. Die Beklagte habe lediglich signalisiert, dass im konkreten Fall zu gegebener Zeit Verhandlungen über die Höhe nicht von vornherein ausgeschlossen seien. Mit Schreiben vom 13. März 2012 habe sie mitgeteilt, der Vorfälligkeitsschaden belaufe sich bei einer Ablösung zum 31. März 2012 auf 253.321,88 €. Sie sei aber in Absprache mit ihrer Konsortialpartnerin bereit gewesen, lediglich eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 126.000 € geltend zu machen, um die Umfinanzierung nicht zu gefährden. Später habe sie – die Beklagte – erklärt, auf den im Innenverhältnis des Konsortiums auf sie entfallenden hälftigen Anteil der Vorfälligkeitsentschädigung vollständig verzichten zu wollen. Damit habe sich die beanspruchte Vorfälligkeitsentschädigung auf einen Betrag von noch 63.000 € reduziert. Gleichzeitig habe die Beklagte erklärt, dass sie einen Verzicht auf diesen Betrag nicht erklären könne. Denn insoweit handele es sich um den Anteil der Konsortialpartnerin. Letztlich habe die Beklagte gegenüber der …… …bank Aktiengesellschaft die Reduzierung des Betrages auf 50.000 € erreicht.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Zahlung von 50.00 € sei mit Rechtsgrund erfolgt.
Die Beklagte habe keinesfalls konkludent auf eine Vorfälligkeitsentschädigung verzichtet. Vielmehr sei, so behauptet die Beklagte, zur Vorfälligkeitsentschädigung eine einvernehmliche Regelung getroffen worden.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in der Hauptsache begründet. Lediglich die Zinsforderung ist erst ab 16. Juni 2012 gerechtfertigt, nicht bereits seit dem 15. Juni 2012.
Gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB kann die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung des geleisteten Betrages von 50.000 € verlangen. Denn die Zahlung erfolgte ohne rechtlichen Grund im Sinne der genannten Vorschrift, so dass die Beklagte in dieser Höhe ungerechtfertigt bereichert ist.
Mit der Überweisung des genannten Betrages hat die Klägerin einen entsprechenden Anspruch der Beklagten weder anerkannt noch hat sie der Beklagten in Kenntnis einer mangelnden Verbindlichkeit eine Leistung zum Behalten zukommen lassen wollen. Vielmehr diente die Zahlung ausschließlich dem von vornherein erklärten und der Beklagten bekannt gewesenen Ziel, die von der Beklagten gewünschte Ablösung der Kreditverbindlichkeit zu ermöglichen.
Zwar ist der Beklagten durch die vorzeitige Beendigung der Darlehensverträge ein finanzieller Nachteil erwachsen, weil ihr keine Gegenleistung mehr für die Darlehensgewährung zugeflossen ist. Dieser Umstand führt jedoch nicht unbesehen zu einem Schadensersatzanspruch in der Form einer Vorfälligkeitsentschädigung, auch wenn dies im Regelfall anzunehmen sein wird. Der vorliegende Sachverhalt weist aber die Besonderheit auf, dass sich nicht die Klägerin von den Verpflichtungen des Darlehensvertrages lösen wollte, sondern die Beklagte.
Das Gesetz bestimmt in § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB, dass der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen hat, der diesem aus einer vorzeitigen Kündigung entsteht. Zu einer Kündigung des Vertragsverhältnisses ist es jedoch nicht gekommen. Insbesondere ist von Seiten der Klägerin weder eine Kündigung erklärt noch eine vorzeitige Beendigung der Kreditverbindlichkeit verlangt worden. Sie hat auch die vertraglich geschuldeten Zahlungen regelmäßig erbracht. Auch die Beklagte hat keine Kündigung ausgesprochen, obwohl sie gemäß Nr. 26 Abs. 2 b) ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter bestimmten Voraussetzungen hierzu berechtigt gewesen wäre.
Für eine analoge Anwendung der Regelung des § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB sieht die Kammer keinen Raum. Der vorliegende Sachverhalt ist mit der vom Gesetz angesprochenen Situation der typischerweise von dem Darlehensnehmer veranlassten vorzeitigen Kündigung nicht vergleichbar. Denn die Beklagte hat ursprünglich nur die Verstärkung von Sicherheiten verlangt, ohne die Klägerin von der Notwendigkeit einer solchen Leistung überzeugen zu können. Eine Kündigung aus wichtigem Grund hat sie gerade vermieden und stattdessen den Weg einer einvernehmlichen Aufhebung der Vertragsbeziehung gesucht. Die Initiative hierfür ist maßgeblich von der Beklagten ausgegangen.
Auf die Frage, ob die Beklagte auf die Geltendmachung einer Vorfälligkeitsentschädigung verzichtet hat, kommt es nicht an. Vielmehr wäre angesichts der hier gegebenen Besonderheiten ein Zahlungsanspruch nur dann zu bejahen, wenn die Parteien eine entsprechende Vereinbarung getroffen hätten. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Darlehensvertrag der Parteien enthält keine Regelung über Entschädigungspflichten des Darlehensnehmers nach einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung. Im Übrigen geht aus dem von den Parteien vorgelegten Schriftverkehr deutlich hervor, dass die Klägerin von Anfang an die Gewährung einer Vorfälligkeitsentschädigung verweigert hat. Auf diesem Standpunkt ist sie bis zum Schluss verblieben. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass und gegebenenfalls wann sich die Parteien mündlich, etwa anlässlich eines Telefonates, auf die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung durch die Klägerin geeinigt hätten. Diese hat jedenfalls noch mit Schreiben vom 19. März 2012 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie keine Entschädigung leisten werde. Damit scheidet auch eine ergänzende Vertragsauslegung zu Gunsten der Beklagten aus. Zwar hat die Beklagte dennoch weiterhin Forderungen in unterschiedlicher Höhe erhoben. Zu einer Einigung der Parteien insoweit ist es aber nicht mehr gekommen.
Anderweitige Anspruchsgrundlagen stehen der Beklagten als Rechtsgrund für den geleisteten Betrag von 50.000 € nicht zur Verfügung. In Betracht käme allein ein Schadensersatzanspruch nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln. Dies würde eine Vertragspflichtverletzung der Klägerin voraussetzen, die jedoch nicht dargelegt ist.
Gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB kann die Klägerin Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juni 2012 verlangen, nachdem sie der Beklagten mit Schriftsatz vom 31. Mai 2012 ein Zahlungsziel zum 15. Juni 2012 gesetzt hat. Die weitergehende Zinsforderung ist unbegründet, weil sich die Beklagte erst seit dem 16, Juni 2012 im Zahlungsverzug befindet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung ist gem. § 709 ZPO getroffen worden.