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Deliktische Haftung Motorhersteller im Abgasskandal

Ersatz des Minderwertes

OLG Frankfurt – Az.: 17 U 732/19 – Urteil vom 17.06.2020

Die Berufung des Klägers gegen das am 10.05.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Gießen wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.05.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Gießen teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger hat nach dem Kauf eines Gebrauchtwagens die Beklagte als Motorherstellerin auf Leistung von kleinem Schadensersatz und Feststellung im Zusammenhang mit dem Diesel-Abgasskandal in Anspruch genommen.

Der Kläger erwarb von dem Skoda Regionalhändler X GmbH in Stadt1 gemäß verbindlicher Bestellung vom 20.06.2015 einen gebrauchten Skoda Superb 2,0 TDI Elegance mit einem Kilometerstand von 49.950 km (EZ 7/2013) zum Preis von 22.690,00 € (Anlage K 1 = Bl. 42 d.A.). Herstellerin des Fahrzeugs war die Skoda Auto a.s.

Das Fahrzeug war mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Die Motorsteuerung des Motors war ursprünglich so programmiert, dass im Falle des Durchlaufens des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), welcher Teil des Typgenehmigungsverfahrens ist, die Abgasrückführung in einen NOx-optimierten Betriebsmodus (Modus 1) versetzt wird, während sie außerhalb des NEFZ im Straßenverkehr im nicht NOx-optimierten Betriebsmodus (Modus 0) operiert. Im Modus 0 ist die Abgasrückführungsrate geringer.

Das Kraftfahrbundesamt (KBA) hat mit Bescheid vom 15.10.2015 einen verpflichtenden Rückruf für sämtliche betroffene Fahrzeuge mit diesem Dieselmotor und zur Entfernung der Abschalteinrichtung angeordnet. Gleichzeitig hatte es in einer Presseerklärung öffentlich gemacht, dass es sich seiner Auffassung nach bei der verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele und der Beklagten auferlegt worden sei, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge zu ergreifen (Anlage K 5 = Bl. 48 d.A.).

Bereits im September 2015 hatte die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 WpHG veröffentlicht, in der sie auf Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software hingewiesen hatte. Ferner hatte sie im Rahmen einer Presseerklärung vom selben Tag die Öffentlichkeit darüber informiert, dass bei Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei.

Die Beklagte hatte in der Folge ein Softwareupdate für die betroffenen Motoren entwickelt, durch das das Abgasrückführungssystem überarbeitet wird, wobei sie über den Fortgang der Maßnahmen mit weiteren Presseerklärungen informierte.

Der Freigabeprozess des KBA begann am 27.01.2016. Auch für den hier betroffenen Fahrzeugtyp gab die für die Fahrzeuge der Marke Skoda zuständige britische Typgenehmigungsbehörde Vehicle Certification Agency (VCA) die zur Beseitigung entwickelte Maßnahme (Software-Update) für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp frei (vgl. Einblendung im Schriftsatz der Beklagten vom 26.03.2019 S. 24 f. = Bl. 132 f. d.A.).

Der Kläger ließ das Software-Update nach Aufforderung durch das KBA aufspielen. In der Folge stellte er einen Kraftstoffmehrverbrauch fest und stellte das Fahrzeug mehrfach in der Werkstatt vor. Nach dem dritten Mal konnte das Problem behoben werden.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 28.11.2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihre Schadensersatzpflicht bis 05.12.2018 anzuerkennen (Anlage K 13 = Bl. 68 ff. d.A.).

Der Kläger hat die Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz von mindestens 5.672,50 € (= 25 % des Kaufpreises als merkantiler Minderwert in Form eines Preisabschlags durch den Markt) zzgl. Rechtshängigkeitszinsen, Feststellung der Schadensersatzpflicht hinsichtlich weiterer Schäden sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 1.430,38 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangt.

Der Kläger hat behauptet, sein Fahrzeug sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet gewesen. Die Organe der Beklagten und nicht nur die Motorentwickler, die wiederholt vor dem Einsatz der Motorsteuerungssoftware gewarnt hätten, hätten von diesen Umständen Kenntnis gehabt. Auch sei nach der Lebenserfahrung nicht vorstellbar, dass der Vorstand der Beklagten von der Entwicklung und dem Einsatz der Manipulationssoftware nicht gewusst habe.

Der Kläger habe beim Kauf keine Kenntnis von der Abschalteinrichtung gehabt. In Kenntnis hätte er das Fahrzeug ganz sicher nicht erworben. Er habe ein umweltfreundliches Fahrzeug kaufen wollen. Infolge des Verhaltens der Beklagten habe er einen wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen.

Die Preise für Euro-5-Dieselautos und auch der des streitgegenständlichen Fahrzeugs seien durch den von der Beklagten verursachten Dieselskandal drastisch, mindestens um 25 %, gesunken. Dies habe eine Umfrage im März 2018 bei Fahrzeughändlern ergeben.

Das von der Beklagten entwickelte Software-Update sei nicht geeignet, die Gesetzeswidrigkeit zu beheben. Auch sei völlig unklar, welche Folgen dieses bezogen auf die Leistung, den Kraftstoff- und AdBlue-Verbrauch, den Motor und die Dauerhaltbarkeit haben werde. Bei einer Umfrage mit 9.000 Personen hätten 3.600 nach dem Update einen erhöhten Treibstoffverbrauch, Motorruckeln, eine verlangsamte Beschleunigung und eine geringe Leistungsfähigkeit beschrieben. Das Fahrzeug habe auch keine erneute Typgenehmigung erhalten.

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte habe ihn vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Sie hafte ferner nach den §§ 826, 31, 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB. Wegen der nicht absehbaren Folgen verbleibe auch nach dem Aufspielen des Updates auf unabsehbare Zeit ein Minderwert. Das Feststellungsinteresse für den Klageantrag zu 2) bestehe, weil zu erwarten sei, dass durch das Aufspielen des Updates Folgeschäden unumgänglich seien und dieses womöglich nicht rechtskonform sei.

Die Beklagte hat die Ordnungsgemäßheit sowohl der ursprünglichen Motorsteuerung wie auch die Mangelfreiheit nach dem Software-Update geltend gemacht.

Das streitgegenständliche Fahrzeug sei nicht mangelhaft; es sei stets technisch sicher und fahrbereit gewesen und verfüge über alle erforderlichen Genehmigungen. Der Kläger nutze es bis heute ohne jede Einschränkung

Das Fahrzeug habe nicht über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt. Die bewirkte Abgasrückführung, die den Stickoxid-Ausstoß reduziere, stelle eine innermotorische Maßnahme dar, die von nachgelagerten Maßnahmen der Abgasreinigung im Emissionskontrollsystem zu unterscheiden sei. Sie diene der Kontrolle der Verbrennung.

Durch das Software-Update sei die vom KBA monierte Umschaltlogik beseitigt worden. Das Fahrzeug werde nur in einem einheitlichen Modus sowohl im Zulassungslauf als auch auf der Straße betrieben. Das Brennverfahren (Einspritzcharakteristik, Einspritzdruck, Einspritzzeitpunkt etc.) seien zudem auf der Grundlage der Weiterentwicklung des Diesel-Brennverfahrens der letzten zehn Jahre optimiert worden. Nach Überprüfung aller Fahrzeugmodelle durch das KBA hätten sich keine negativen Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2- und NOx-Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschemissionen ergeben. Das Update habe auch keinen negativen Einfluss auf die Dauerhaltbarkeit des Motors und seiner Komponenten.

Deliktische Haftung Motorhersteller im Abgasskandal
(Symbolfoto: Von Bartolomiej Pietrzyk/Shutterstock.com)

Der Kläger habe keinen Schaden erlitten. Ein merkantiler Minderwert bestehe nicht. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 25 % des Kaufpreises sei schon kein nach der Differenzhypothese ersatzfähiger Schaden. Der Kläger könne nur vom Verkäufer Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen; ein Dritter sei haftungsrechtlich nicht wie ein Verkäufer zu behandeln. Ein Schaden könne zudem allenfalls dann angenommen werden, wenn die Gegenleistung für die subjektiven Zwecke des Käufers nicht oder nicht voll brauchbar sei, woran es hier fehle. Des Weiteren müssten angebliche Werteinbußen gerade kausal auf die streitgegenständliche Software zurückzuführen sein und sich nicht etwa eine durch Diskussionen um Dieselfahrverbote angetriebene allgemeine Marktentwicklung niedergeschlagen haben. Der Kläger trage auch keinen schlüssigen Anhaltspunkt dafür vor, dass er das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Software und deren Funktionsweise Kenntnis gehabt habe.

Der Feststellungsantrag sei mangels Feststellungsinteresse bereits unzulässig.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), der Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags und eines Teils der beanspruchten vorgerichtlichen Kosten (255,85 €) stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.

Hinsichtlich des Feststellungsantrags sei das notwendige Feststellungsinteresse gegeben. Der Kläger habe die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens substantiiert dargetan.

Ein Anspruch auf Erstattung des Minderwerts bestehe nicht.

Es liege eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB durch die Beklagte vor, wobei entweder deren Vorstand über die verwendete manipulierende Software Bescheid gewusst habe oder ein Verrichtungsgehilfe auf der Ebene unterhalb des Vorstands. Daher sei eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach gegeben.

Hinsichtlich des geltend gemachten Minderwerts fehle es jedoch bereits an einem substantiierten Vortrag. Es werde hinsichtlich des behaupteten Preisverlusts um mindestens 25 % nicht danach unterschieden, ob es sich um Fahrzeuge vor oder nach durchgeführtem Software-Update bzw. nicht betroffene Fahrzeuge handele. Auch könne nicht auf die allgemeine Situation von Dieselfahrzeugen abgestellt werde. Der Kläger, der das Update habe aufspielen lassen, trage auch nicht vor, dass sein Fahrzeug von einer Stilllegung oder sonstigen behördlichen Maßnahmen bedroht sei. Die Probleme mit dem Mehrverbrauch nach dem Update seien behoben. Ansonsten trage der Kläger keinerlei Beeinträchtigungen vor.

Die begehrte Feststellung sei auszusprechen, weil der Kläger sich darauf berufe, dass nach Durchführung des Updates Probleme auftreten könnten, weshalb ein zukünftiger Schadenseintritt möglich erscheine.

Der Kläger könnte die vorgerichtlichen Anwaltskosten nur in Höhe einer 1,3fachen und nicht 1,5fachen Gebühr verlangen und auch nur aus einem Gegenstandswert von 2.000,00 €.

Hiergegen richten sich die form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen beider Parteien, mit der diese ihre erstinstanzlichen Anträge, soweit ihnen nicht entsprochen wurde, weiterverfolgen. Sie rügen die Rechtsanwendung durch das Landgericht.

Der Kläger macht geltend, sein Vortrag zum beanspruchten Minderwert sei entgegen der Ansicht des Erstgerichts ausreichend substantiiert. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs sei durch gerichtliche Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln. Der Vortrag gebe ausreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung. Auch sei der Minderwert auf die Verwendung der streitgegenständlichen Software zurückzuführen. Dabei sei irrelevant, dass das Software-Update bereits aufgespielt worden sei, weil der Schaden hierdurch nicht vollständig beseitigt worden sei. Der Makel der Betroffenheit vom Abgasskandal hafte dem Fahrzeug weiterhin an.

Im Übrigen sei eine 1,5fache Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit gerechtfertigt, weil sich besondere Rechtsfragen gestellt hätten und zum kaum geklärten Sachverhalt keine gesicherte Rechtsprechung bestanden habe. Als Gegenstandswert sei der Kaufpreis des Fahrzeugs anzusetzen. Die von der Beklagten vorgerichtlich geforderten Erklärungen beträfen das streitgegenständliche Fahrzeug insgesamt.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Gießen vom 10.05.2019 (Az.: 2 O 509/18) insoweit abzuändern, als es die gegen die Beklagte gerichtete Klage abgewiesen habe,

2. die Beklagte zu verurteilen, einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe von mindestens 25 % des Kaufpreises des Fahrzeugs [von] 22.690,00 €, mindestens somit 5.672,50 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.02.2019 zu erstatten,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von weiteren 1.174,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.02.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags die angefochtene Entscheidung, soweit die Klage abgewiesen wurde. Im Übrigen greift sie die rechtliche Bewertung des Landgerichts, soweit dieses einen Anspruch aus § 826 BGB bejaht hat, durchgängig an. Sie trägt insbesondere vor, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft einen Schaden im Sinne eines nachteiligen Vertrages bejaht. Der Ersatz des positiven Interesses komme nicht in Betracht. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei jederzeit voll brauchbar gewesen. Ein Feststellungsinteresse sei nicht gegeben.

Die Beklagten beantragt im Wege der eigenständigen Berufung, das am 10.05.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Gießen, Az.: 2 O 509/18, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das Landgericht hat zu Recht den Klageantrag zu 1) abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB wegen des Entwickelns und Inverkehrbringens eines mit einer nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs.

Zwar kann eine Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens (Art. 4 Abs. 1 VO 715/2007/EG) über das Vorliegen einer Abschalteinrichtung in Form einer Software, die die Prüfstandsituation des NEFZ erkennt und das Emissionsverhalten nur dann optimiert, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Dritten – namentlich von künftigen Haltern der betroffenen Fahrzeuge – i.S.d. §§ 826, 831 BGB begründen, wenn dadurch sehenden Auges die Gefährdung von Vermögensinteressen dieser unbeteiligten Personen herbeigeführt wird und somit eine besondere Bedenkenlosigkeit gegenüber diesen fremden Vermögensbelangen zum Ausdruck kommt (vgl. Senatsbeschluss vom 25. September 2019 – 17 U 45/19 –, juris, Rn. 2 ff., m.w.N.; s. auch BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 -, juris, Rn. 12 ff.).

Den hier konkret geltend gemachten Schaden kann der Kläger jedoch nicht verlangen. Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe von mindestens 25 % des Kaufpreises des Fahrzeugs, mindestens somit 5.672,50 €, nebst Zinsen, zu bezahlen, und beansprucht damit den kleinen Schadensersatz, der vorliegend nicht geschuldet ist.

Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dabei kommt es darauf an, den Geschädigten wirtschaftlich möglichst so zu stellen, wie er ohne das schadensstiftende Ereignis stünde (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 -, juris, Rn. 25, m.w.N.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 -, juris, Rn. 17 f.,).

Dabei hat der Bundesgerichtshof auch in Drei-Personen-Verhältnissen ein Wahlrecht desjenigen bejaht, der im Vertrauen auf die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Angaben eines mit ihm vertraglich verbundenen Schädigers enttäuscht wurde und in diesem Zusammenhang eine vertragliche Bindung mit einem Dritten eingegangen ist. Danach kann der Anspruchsinhaber einerseits, im Wege des Schadensersatzes vom Schädiger „Rückgängigmachung“ der Folgen des mit einem Dritten geschlossenen Vertrags verlangen, hierzu das Erlangte dem Schädiger zur Verfügung stellen und seine Aufwendungen ersetzt bekommen. Andererseits kann er auch an dem Vertrag mit dem Dritten insgesamt festhalten und vom Schädiger lediglich Entschädigung seines enttäuschten Vertrauens fordern; er kann also verlangen, so gestellt zu werden, wie es der von ihm aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens des Schädigers angenommenen Situation entsprochen hätte (sog. kleiner Schadensersatz) (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 -, juris, Rn. 28, m.w.N.; Urteil vom 06. Februar 2018 – II ZR 17/17 -, juris, Rn. 12).

In letzterem Fall wird der Vertrag nicht angepasst, sondern der zu ersetzende Vertrauensschaden (negatives Interesse) auf die berechtigten Erwartungen des Geschädigten reduziert, die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befriedigt werden. Bei einem Kaufvertrag geschieht dies durch die Herabsetzung der Leistung des Geschädigten auf das tatsächlich angemessene Maß. Der Geschädigte wird damit so behandelt, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Sein Schaden ist danach der Betrag, um den er den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat. Da es sich hierbei nur um die Bemessung des verbliebenen Vertrauensschadens handelt, braucht der Geschädigte in diesem Fall auch nicht nachzuweisen, dass sich der Vertragspartner auf einen Vertragsschluss zu einem niedrigeren Preis eingelassen hätte. Entscheidend ist vielmehr allein, wie sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Aufklärung verhalten hätte. Verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten des aufklärungspflichtigen Verkäufers (vgl. BGH, Urteil vom 06. Februar 2018 – II ZR 17/17 -, Rn. 12 f., juris)

Schadensersatzansprüche aus einer unerlaubten Handlung richten sich dabei selbst dann in der Regel nur auf Ersatz des negativen oder Erhaltungsinteresses, wenn zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger vertragliche Beziehungen bestanden haben. Davon zu unterscheiden ist der Anspruch auf Ersatz des positiven oder Erfüllungsinteresses. Dieses ist zu ersetzen, wenn der Anspruchsinhaber verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob eine Verbindlichkeit ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Da die deliktische Haftung nicht an das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren Nicht- oder Schlechterfüllung anknüpft, richtet sich der deliktische Schadensersatzanspruch allein auf das Erhaltungsinteresse (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2012 – II ZR 130/10 -, Rn. 14, juris; Urteil vom 18. Januar 2011 – VI ZR 325/09 -, BGHZ 188, 78-85, Rn. 8).

Zwar kann im Rahmen der Haftung wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung ein Anspruch auf das Erfüllungsinteresse ausnahmsweise unter der Voraussetzung in Betracht kommen, dass ohne die haftungsbegründende Pflichtverletzung ein Vertrag zu anderen, für den Geschädigten günstigeren Bedingungen mit einem Dritten oder auch demselben Vertragspartner zustande gekommen wäre. Dies hat der Geschädigte darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 06. Februar 2018 – II ZR 17/17 -, Rn. 9, juris; Urteil vom 19. Mai 2006 – V ZR 264/05 -, BGHZ 168, 35-43, Rn. 23). Insoweit vertritt das Oberlandesgericht Stuttgart (vgl. Urteil vom 11.12.2019 – 9 U 3/19, BeckRS 2019, 32200 Rn. 57) die Ansicht, dass kein sachlicher Grund dafür bestehe, die Rechtsprechung auf eine (quasi-) vertragliche Haftung zu beschränken, weil es in beiden Fällen darum ginge, wie die Naturalrestitution zu bestimmen sei. Zwar könne der Geschädigte, der wegen einer deliktischen Handlung eines Dritten eine mangelbehaftete Sache erwerbe, nicht von dem Dritten Schadensersatz in Höhe der Mangelbeseitigungskosten verlangen, wie der BGH entschieden habe. Dieses Begehren verfolge der Kläger jedoch nicht. Denn auch wenn er an dem Vertrag festhalte, erlange er durch den kleinen Schadensersatz nicht die vertragsgemäße Leistung. Denn nicht die (fiktiven) Mangelbeseitigungskosten seien für die Schadensberechnung maßgeblich, sondern der Teil des Kaufpreises, um der Geschädigte die Sache in Unkenntnis des Mangels zu teuer erworben habe.

Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Grundsatz, dass sich für die deliktische Haftung die Frage nach dem Erfüllungsinteresse als solche nicht stellt, grundsätzlich auch dann gilt, wenn sie neben einer vertraglichen Schadensersatzpflicht besteht. Der durch eine unerlaubte Handlung Geschädigte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, besser zu stehen, als er stünde, wenn der Schädiger die unerlaubte Handlung nicht begangen hätte. Dieser Grundsatz findet danach bei einem Kaufvertrag jedenfalls dann Anwendung, wenn dieser aufgrund falscher Angaben eines Dritten zustande gekommen ist. Die im Gewährleistungsrecht verankerte Besserstellung des Käufers (vgl. § 463 BGB a.F.) ist danach nur gerechtfertigt, weil sie auf einem Rechtsgeschäft beruht, denn nur dieses, nicht aber die unerlaubte Handlung, kann den Käufer besser stellen, als er vorher stand. Der Käufer kann nur von dem Verkäufer Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Die unerlaubte Handlung eines Dritten kann nicht dazu führen, dass dieser haftungsrechtlich wie ein Verkäufer behandelt wird (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 – VI ZR 325/09 -, BGHZ 188, 78-85, Rn. 9; s. auch OLG München, Beschluss vom 02. Oktober 2019 – 18 U 4793/19 -, BeckRS 2019, 35659, Rn. 11-13; OLG München, Beschluss vom 02. Januar 2020 – 8 U 5307/19 -, juris, Rn. 25 f.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Dezember 2019 – 13 U 670/19 -, juris, Rn. 21-24).

Deshalb steht dem Geschädigten einer deliktischen Handlung grundsätzlich nur ein Anspruch zu, der darauf gerichtet, ihn so zu stellen, wie er stünde, wenn das schädigende Verhalten entfiele.

Allerdings muss der Differenzschaden nicht notwendigerweise geringer sein als das positive Interesse des Geschädigten an der Vertragserfüllung. So ist anerkannt, dass die Anwendung der Differenzhypothese in dem Fall, in dem der Geschädigte nachweist, dass er ohne die für den Abschluss des Vertrages ursächliche Täuschungshandlung einen anderen, günstigeren Vertrag – mit dem Verkäufer oder einem Dritten – abgeschlossen hätte, im Ergebnis das Erfüllungsinteresse verlangen kann, weil der Schaden in diesem Ausnahmefall dem Erfüllungsinteresse entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 – VI ZR 325/09 -, BGHZ 188, 78-85, Rn. 10).

Verlangt der Kläger den Minderwert muss er – auch nach dem rechtlichen Ansatz des Oberlandesgerichts Stuttgart – jedoch darlegen und ggf. beweisen, dass er sich in Kenntnis der schädigenden Handlung gleichwohl auf den Abschluss des Kaufvertrages eingelassen und diesen dann zu einem niedrigeren Kaufpreis abgeschlossen hätte. Der Kläger hat vorliegend Derartiges schon nicht – auch nicht hilfsweise – behauptet, sondern nur geltend gemacht, er hätte das streitgegenständlichen Fahrzeug nicht gekauft, wenn er gewusst hätte, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut gewesen sei, weil kein durchschnittlich informierter und wirtschaftlich vernünftig denkender Verbraucher ein solches Fahrzeug erwerben würde. Danach wäre ihm der behauptete Minderwert bereits nicht entstanden. Daher fehlt es hier im Sinne der Differenzhypothese schon an der Darlegung einer entsprechenden hypothetischen Vermögenslage, weshalb im Ergebnis dahinstehen kann, ob der Kläger ansonsten auch im Bereich der unerlaubten Handlung verlangen könnte, so behandelt zu werden, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen (ebenso: OLG München, Beschluss vom 02. Januar 2020 – 8 U 5307/19 -, juris, Rn. 26; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Dezember 2019 – 13 U 670/19 -, juris, Rn. 27; OLG Hamm, Urteil vom 27. Februar 2020 – I-34 U 129/19 -, juris, Rn. 27).

Der auf das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs gestützte Schadensersatzanspruch ist auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB begründet. Tatbestandliche Voraussetzung dieser Anspruchsgrundlagen ist ebenfalls ein Vermögensschaden, der hier nicht dargelegt ist.

Der Kläger kann den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht mit Erfolg auf die Entwicklung und das Inverkehrbringen des der Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung dienenden Softwareupdates stützen.

Ungeachtet der aufgezeigten unzureichenden Darlegung der erforderlichen Ausgangssituation für die Geltendmachung des Minderwerts ist zu sehen, dass das Software-Update erst nach Vertragsschluss freigegeben und aufgespielt worden ist. Von daher ist auszuschließen (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 2020 – 17 U 52/19 -), dass der Kläger durch ein haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit dem späteren Aufspielen des Software-Updates zum Abschluss des Kaufvertrages gebracht worden ist, den er so nicht geschlossen hätte.

Soweit der Kläger geltend macht, das Softwareupdate beseitige den Mangel nicht und verursache Folgeprobleme, ist dies unerheblich. Gleiches gilt, soweit der Kläger mit der Berufung vorbringt, mit dem Softwareupdate sei möglicherweise eine neue unzulässige Abschalteinrichtung in seinem Fahrzeug installiert worden. Die zuständige Typgenehmigungsbehörde VCA hat vielmehr festgestellt, dass die in der neuen Version der Motorsteuerungssoftware vorhandenen Abschalteinrichtungen der Abgasreinigungsanlage zulässig sind und die Grenzwerte für Schadstoffemissionen nunmehr eingehalten werden. Selbst wenn diese Feststellungen unzutreffend wären, durfte die Beklagte auf deren Richtigkeit vertrauen und das Update in den betroffenen Fahrzeugen installieren. Dass die Feststellungen der VCA auf falschen Angaben oder Täuschungshandlungen der Beklagten beruhten, was die Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten (erneut) begründen könnte (vgl. Senat, Beschluss vom 25. September 2019 – 17 U 45/19 -, Rn. 10 ff., juris), behauptet der Kläger nicht. Eine Haftung der Beklagten lässt sich deshalb auch insoweit nicht herleiten.

Demgegenüber hat die zulässige Berufung der Beklagten auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat zu Unrecht dem Klageantrag zu 2), gerichtet auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht hinsichtlich des über den Minderwert hinausgehenden Schadens, stattgegeben, weshalb die Klage insoweit abändernd abzuweisen ist.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO nicht gegeben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass hier künftige Schadensfolgen, die in der Entstehung begriffen sind, möglich sind.

Der Kläger will vorliegend das streitgegenständliche Fahrzeug behalten und mit dem Leistungsantrag seinen Schaden auf der Grundlage des Betrages berechnen, um den er das Fahrzeug wegen der vorhanden Prüfstandserkennungs-Software überteuert erworben hat. Sein Feststellungsbegehren stützt er auf mögliche Nachteile des Software-Updates in Form von nicht auszuschließenden Folgeschäden und eines verbleibenden Minderwerts. Da er wirtschaftlich so gestellt werden will, wie er stünde, wenn er das Fahrzeug in Kenntnis der Abschalteinrichtung unter Inkaufnahme des Sachmangels und der Notwendigkeit des Aufspielens eines Software-Updates mit möglichen nachteiligen Auswirkungen günstiger erworben hätte, werden jedoch mit der Kaufpreisreduzierung gerade die Unsicherheiten bezüglich etwaiger Folgewirkungen des Mangels und ein eventueller preisrelevanter Makel notwendigerweise abgegolten. Damit sind die mit dem Feststellungsbegehren geltend gemachten Schäden bereits durch die erzielte Herabsetzung des Kaufpreises ausgeglichen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Dezember 2019 – 13 U 670/19 -, juris, Rn 32).

Aus den genannten Gründen ist auch der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten für die Anmeldung nicht näher bezeichneter Schadensersatzansprüche nicht gegeben, so dass auch insoweit das erstinstanzliche Urteil abzuändern war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Maßgebend für die getroffene Entscheidung waren die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls, die der Senat auf der Grundlage der höchstrichterlichen Vorgaben in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs bewertet hat. Auch ist die Zulassung der Revision nicht zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich. Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart anders als die Oberlandesgerichte München und Karlsruhe auch bei deliktischen Handlungen eines Dritten das Erfüllungsinteresse für ersatzfähig erachtet, kam es auf diese Frage nicht an, da im Streitfall die weiteren Voraussetzungen für die Ersatzpflicht nicht vorlagen.

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