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Dialer: fehlender Hinweis auf Kosten wettbewerbswidrig

Landgericht Mannheim

Az.: 7 O 47/04

Urteil vom 19.03.2004


In dem Rechtsstreit wegen unlauteren Wettbewerbs hier: einstweilige Verfügung

hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim auf die mündliche Verhandlung vom 05. März 2004 für Recht erkannt:

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Mannheim vom 12. Februar 2004 – 7 O 47/04 – wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Verbotsauspruch wie folgt gefasst wird:

Dem Verfügungsbeklagten wird es untersagt,

I

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs unter der Internetseite ……………………… kostenpflichtige Inhalte anzubieten, wenn das Angebot mit der Installation eines Anwählprogramms verbunden ist, das in den nachfolgend in ihrer Reihenfolge dargestellten Schritten abläuft:

Nach dem Anklicken eines der Stichworte auf der Eingangsseite öffnet sich ein Fenster mit folgendem Text:

„Willkommen bei R.

Damit Sie den Inhalt dieser Webseite uneingeschränkt nutzen können, tippen Sie in dem folgenden Feld OK ein. Durch Ihre Bestätigung stimmen Sie dem Bezug und der Einrichtung des Anwählprogramms zu“.

Nach Eingabe von „OK“ öffnet sich ein weiteres Fenster mit folgendem Text:

„Willkommen bei Referate. Möchten Sie das Anwählprogramm öffnen? Geben Sie bitte „OK“ ein! Durch die Aktivierung entstehen Ihnen keine Kosten“.

Nach erneuter Eingabe von „OK“ öffnet sich ein weiteres Fenster. Der Nutzer wird erneut aufgefordert „OK“ einzugeben. Unter dem Eingabefeld findet sich die Angabe: „0900XXXXXXX »1.99 EUR/min.“.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

2. Der Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagter) unterhält unter der Domain …………………….eine Internetseite mit der Überschrift „Referate, Hausaufgaben, Spicktipps und die besten Ausreden!“, über die er sich insbesondere an Schüler wendet. Seine Angebote sind kostenpflichtig. Die benutzte Einwahlsoftware ist bei der RegTP registriert. Klickt der Nutzer auf eines der auf der Startseite genannten Stichworte, öffnet sich das Fenster des „Login Assistenten“ und es erscheint u.a. folgender Text:

„Willkommen bei R.

Damit Sie den Inhalt dieser Webseite uneingeschränkt nutzen können, tippen Sie in dem folgenden Feld OK ein. Durch Ihre Bestätigung stimmen Sie dem Bezug und der Einrichtung des Anwählprogramms zu“.

Gibt der Nutzer „OK“ ein, erscheint ein Fenster mit dem Text:

„Willkommen bei Referate. Möchten Sie das Anwählprogramm öffnen? Geben Sie bitte „OK“ ein! Durch die Aktivierung entstehen Ihnen keine Kosten“.

Nach erneuter Eingabe der Buchstaben „OK“ öffnet sich ein weiteres Fenster. Der Nutzer wird erneut aufgefordert „OK“ einzutippen. Darunter erscheinen die Fragen: „Sind die Einstellungen richtig?“ und „Verbinden mit Referate?“ sowie folgende Angaben: „0900XXXXXXXXXXX“ und „1,99 EUR/min“.

Die klagende Verbraucherzentrale (im Folgenden: Klägerin) wirft dem Beklagten vor, kostenpflichtige Inhalt ins Internet zu stellen, ohne dabei auf die entstehenden Kosten hinzuweisen. Darin liege ein Verstoß gegen §§ 1 und 3 UWG.

Auf Antrag der Klägerin hat die Kammer dem Beklagten durch einstweilige Verfügung vom 12.02.2004 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten,

im geschäftlichen Verkehr unter der Internetseite …………………………. kostenpflichtige Inhalte

anzubieten, ohne bereits auf der Eingangsseite darüber zu informieren, mit welchen Kosten deren Nutzung verbunden ist.

Zur Begründung seines Widerspruchs gegen die einstweilige Verfügung macht der Beklagte geltend:

Der Nutzer werde vor dem Herunterladen des Dialers in ausreichender Weise über die Kostenpflichtigkeit des Angebots aufgeklärt. Hierfür sei ausreichend, dass er die entsprechende Information erhalte, bevor er das dritte Mal „OK“ eingebe, weil er erst danach in den kostenpflichtigen Bereich gelange. Zudem entspreche die vom Beklagten benutzte Einwahlsoftware den Vorgaben der aufgrund von § 43 b Abs. 5 TKG ergangenen Verfügung Nr. 37/2003 der RegTP. Im Hinblick hierauf könnten die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften nicht herangezogen werden. Eine Irreführung des Verkehrs scheide im Übrigen schon deshalb aus, weil den Beklagten hinsichtlich der Kostenpflichtigkeit seines Angebots keine Aufklärungspflicht treffe. Dass Webseiten nur entgeltlich genutzt werden könnten, sei eine auch Jugendlichen geläufige Selbstverständlichkeit. Auf Selbstverständlichkeiten müsse aber nicht hingewiesen werden.

Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin zu. Das beanstandete Verhalten des Beklagten ist sittenwidrig. Allerdings ist der Verbotsausspruch der konkreten Verletzungsform anzupassen.

Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Die Klägerin ist in der vom Bundesverwaltungsamt geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen.

Die Art und Weise, in der der Beklagte sein Angebot im Internet präsentiert, verstößt gegen die guten Sitten im Wettbewerb, § 1 UWG. Sie ist geeignet, geschäftlich unerfahrene Teile des Verkehrs über die mit der Inanspruchnahme der „Leistungen“ des Beklagten verbundenen erheblichen Kosten zu täuschen. Hierdurch verschafft sich der Beklagte auf anstößige Weise Vorteile gegenüber seinen Wettbewerbern.

Wer als Unternehmer entgeltliche Leistungen über das Internet anbietet, darf den Verkehr nicht über den gewerblichen Charakter seines Angebots im Unklaren lassen. Er ist verpflichtet, die Interessenten über die Entgeltlichkeit und über die Höhe der entstehenden Kosten in geeigneter Weise zu informieren. Richtet sich das Angebot eines Unternehmens ausschließlich oder im Wesentlichen an besonders schutzbedürftige Teile des Verkehrs, so sind an die Erfüllung dieser Verpflichtung strenge Anforderungen zu stellen. Als Abnehmer der „Leistungen“ des Beklagten kommen (nahezu) ausschließlich Schüler und damit Kinder und Jugendliche in Betracht. Diese neigen erfahrungsgemäß zu spontanen und unüberlegten Entscheidungen und lassen sich deshalb und aufgrund ihrer Unerfahrenheit im Geschäftsverkehr viel leichter als viele Erwachsene durch eine sie ansprechende Werbung überrumpeln. Sie gehören deshalb zu den besonders schutzbedürftigen Teilen des Publikums. Das ist eine dem Allgemeinwissen entsprechende Tatsache, die im Übrigen auch den gesetzlichen Regelungen über den Schutz beschränkt Geschäftsfähiger in den §§ 106 ff BGB zugrunde liegt. Ohne Bedeutung ist dabei, ob sich die Kinder und Jugendlichen, die sich für die Angebote des Beklagten interessieren, mit der Bedienung von Computern gut auskennen, denn derartige „technische“ Fähigkeiten sind nicht gleichbedeutend mit Erfahrung im geschäftlichen Verkehr und lassen nicht auf solche Erfahrung schließen. Auch kommt es nicht auf die Frage an, wer im Ergebnis die Kosten, die bei der Inanspruchnahme der Leistungen des Beklagten anfallen, zu tragen hat. Vielmehr ist entscheidend, dass die Entscheidung für das Angebot von geschäftlich unerfahrenen Kindern und Jugendlichen getroffen wird. Und schließlich ist eine Aufklärung über den gewerblichen Charakter eines Angebots im Internet entgegen der Auffassung des Beklagten nicht etwa generell entbehrlich. Der Beklagte stützt seine Ansicht auf die Behauptung, das Internet könne (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nur entgeltpflichtig benutzt werden. Schon dieser Ausgangspunkt ist, wie die Kammer, deren Mitglieder zu den Benutzern des Internet gehören, aufgrund eigener Erfahrung weiß, unzutreffend. Erst recht kann keine Rede davon sein, dass dem Verkehr – einschließlich der angesprochenen Kinder und Jugendlichen – bekannt sei, dass er Informationen über das Internet nur gegen Entgelt erhalten könne.

Den strengen Anforderungen an die Klarheit und Deutlichkeit der Information über die Entgeltlichkeit des Angebots und die Höhe der entstehenden Kosten wird der von der Klägerin beanstandete Internetauftritt nicht gerecht. Vielmehr ist er durch die Art seiner Ausgestaltung geeignet, die Nutzer darüber hinwegzutäuschen, dass eine Inanspruchnahme der „Leistungen“ des Beklagten zu hohen Kosten führt, die – wenn sie diese Kosten selber tragen müssten – häufig in keinem angemessenen Verhältnis zu ihren finanziellen Mitteln stehen würden. Weder auf der Eingangsseite des Internetauftritts noch in dem Fenster, das sich nach dem Anklicken eines der Stichworte auf der Eingangsseite öffnet, erhält der Nutzer in hinreichend deutlicher Form Informationen über den entgeltlichen Charakter des Angebots und über die Höhe der Kosten, die anfallen können. Nach der ersten Eingabe der Buchstabenkombination „OK“ wird er in einem weiteren Fenster ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihm „durch die Aktivierung“ keine Kosten entstehen. Das wird ein erheblicher Teil der Leser dahin verstehen, dass er die vom Beklagten angebotenen Informationen unentgeltlich erhält. Einen anderen Sinn werden allenfalls Experten dem Hinweis auf die Unentgeltlichkeit der „Aktivierung“ entnehmen können. Auf das Verständnis von Fachleuten kommt es aber bei einem Angebot, das sich hauptsächlich an Kinder und Jugendliche wendet, gerade nicht an. Einen ersten Hinweis auf Kosten enthält erst das dritte Fenster, das sich nach der zweiten Eingabe von „OK“ öffnet. Auch hier erschöpft sich die Aufklärung indes in der Nennung einer Telefonnummer und der nicht näher erläuterten Angabe „1.99 EUR/min“. Diese Informationen sind zudem räumlich unter dem Feld mit der Aufforderung „Tippen Sie „OK“ ein“ angeordnet und werden von einem großen Teil der Nutzer frühestens nach der Eingabe bemerkt. In diesem Zusammenhang kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass der Nutzer, bevor er zu dem Fenster mit der Preisangabe gelangt, schon zweimal aufgefordert worden ist, die Buchstaben „OK“ einzugeben, ohne dass ihm in diesem Zusammenhang relevante Informationen vermittelt worden sind. Hierdurch wird zumindest ein Teil der Verbraucher davon abgehalten, sich vor der wiederholten Eingabe dieser Buchstabenkombination näher mit dem weiteren Inhalt des betreffenden Fensters zu befassen. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass die Interessenten in der Eingabe eine bloße, ohne erkennbaren Sinn mehrfach zu wiederholende Formalie sehen, die es möglichst schnell hinter sich zu bringen gilt. Das gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche. Im Ergebnis wird deshalb die Warnfunktion, die grundsätzlich mit der Notwendigkeit einer mehrfachen Eingabe eines bestimmten Befehls verbunden sein mag, durch die vom Beklagten gewählte Ausgestaltung entwertet und sogar ins Gegenteil verkehrt, weil das Publikum von der erst ganz am Ende erscheinenden Preisinformation abgelenkt wird. Wirksam könnte der Schutz gegen Übereilung, dem der Zwang zu mehrfacher Eingabe von „OK“ an sich dient, nur sein, wenn der Nutzer von Anfang an über die maßgeblichen Umstände aufgeklärt würde. Da dies im Rahmen des beanstandeten Internetauftritts nicht in ausreichendem Umfang geschieht, ist ein Verstoß gegen § 1 UWG zu bejahen.

Eine anderen rechtliche Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass der Dialer des Beklagten den Mindestanforderungen an Anwählprogramme entsprechen mag, die sich aus der auf der Grundlage von § 43 b Abs. 5 TKG erlassenen Vfg. Nr. 37/2003 ergeben. Daraus folgt nicht, dass die Verwendung des Dialers – unabhängig von den weiteren Einzelheiten der Gestaltung und der Art seines Einsatzes – einer Beurteilung nach den Vorschriften des UWG entzogen ist.

Im Hinblick auf die erhebliche Irreführungsgefahr, die durch den beanstandeten Internetauftritt des Beklagten begründet wird, betrifft der festgestellte Verstoß eine Handlung, durch die wesentliche Belange der Verbraucher berührt werden, § 13 Abs. 2 Nr. 4 UWG.

Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des vom Beklagten begangenen Verstoßes vermutet. Diese Vermutung ist nicht ausgeräumt. Hierzu hätte es einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bedurft, die der Beklagten nicht abgeben hat. Die Änderung der Eingansseite, auf der nunmehr die Angabe „1,99 EUR/Min.“ erscheint, reicht nicht aus.

Im Ergebnis ist die einstweilige Verfügung zu bestätigen. Die Kammer hat aber den Verbotsausspruch der konkreten Verletzungsform angepasst, weil die im Beschluss vom 12.02.2004 gewählte Formulierung zu weit geht. Es erscheint durchaus denkbar, dass die erforderliche Aufklärung des Verbrauchers auch an anderer Stelle als auf der Eingangsseite geleistet werden kann. In der Konkretisierung des Verbots liegt keine teilweise Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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