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Ebay-Auktion – Konto gehackt –wirksamer Kaufvertrag?

AG Kempen, Az.: 13 C 366/15, Urteil vom 04.04.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht vor der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin erwarb über die Internetplattform www. .de am 02.06.2013 eine Kamera Canon EOS 5d Mark III mit zugehörigem Objektiv. In der Artikelbeschreibung war angegeben, dass es sich um ein Geschenk handle, für welches keine Verwendung bestünde. Darüber hinaus fand sich in der Artikelbeschreibung der Name der Beklagten als Verkäufer. Die Klägerin teilte ihr Interesse per Email mit. Etwa zwei Stunden später meldete sich jemand per Email über die Emailadresse und teilte mit, dass eine Zahlung lediglich per Vorkasse erfolgen könne, dass aber gern auf Wunsch der Personalausweis der Beklagten übersandt werden könne. In der gesamten Korrespondenz der Verkäuferseite wurde der Name der Beklagten am Ende als Versender angegeben. Darüber hinaus wurden der Klägerin auch die Anschrift und die Kontodaten der Beklagten übersandt. Es wurde ein Kaufpreis von 1.550,00 Euro zuzüglich Versandkosten von 6,90 Euro vereinbart. Am 11.06.2013 überwies die Klägerin daraufhin den vorgenannten Betrag auf das Konto der Beklagten, welcher auf diesem am Folgetag gutgeschrieben wurde. Am 19.06. und 20.06.2013 teilte die Klägerin per Email mit, dass die Kamera sie noch nicht erreicht habe. Man sicherte ihr die Versendung am Folgetag zu.

Unbekannte Täter hatten auf diversen Onlineverkaufsplattformen Gegenstände zum Verkauf gegen Vorkasse angeboten, ohne die Absicht gehabt zu haben, Waren an die Käufer zu versenden. Zur Verschleierung ihrer Identität bedienten sich die Täter gezielt unbeteiligter Dritte. Eine dieser unbeteiligten Dritten war die Beklagte. Diese hatte im Mai 2013 ein vermeintlich legales Jobangebot über Ebay-Kleinanzeigen angenommen und einen Arbeitsvertrag unterschrieben. Im Arbeitsvertrag gab sie ihre persönlichen Daten sowie ihre Bankverbindung an. Inhalt der Arbeit war die Bereitstellung ihres Bankkontos zum Empfang von Geldern sowie die Buchführung über die eingehenden Gelder etc. für die sich angeblich im Ausland befindliche Arbeitgeberin. Die Gelder sollten über einen Geldtransferdienst dann an die Arbeitgeberin übermittelt werden. Diese Tätigkeit übte die Beklagte aus und erhielt dafür 10% der eingenommenen Gelder als Lohn. Auch der von der Klägerin angewiesene Betrag für die Kamera ging auf dem Konto der Beklagte ein und wurde von dieser unter Abzug der 10 % an die Arbeitgeberin weitergeleitet. Die Beklagte erhielt erst Mitte des Jahres über eine Rückfrage ihrer kontoführenden Bank Kenntnis von etwaigen Unstimmigkeiten hinsichtlich ihrer Tätigkeit.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe wirksam mit der Beklagten einen Kaufvertrag geschlossen.

Ebay-Auktion – Konto gehackt –wirksamer Kaufvertrag?
Symbolfoto: nopparat.k/Bigstock

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.556,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.07.2015 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 255,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.07.2015 zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Forderung aus Ziffer 1 aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung resultiert.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass ihr das Handeln ihrer betrügerisch agierenden angeblichen Arbeitgeber nicht zugerechnet werden könne.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises gegen die Beklagte.

1. Ein Anspruch gemäß den §§ 323 Abs. 1 und 2, 433 BGB scheitert daran, dass zwischen den Parteien unter Verwendung des Namens der Beklagten und einer mit diesem Namen generierten Emailadresse sowie der Bankdaten der Beklagten zum Verkauf angebotene, streitgegenständliche Kamera kein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Der Beklagten oblag daher nicht die Verpflichtung aus § 433 Abs. 1 BGB, der Klägerin das Eigentum an dieser Kamera zu verschaffen, so dass der Klägerin nicht wegen Nichtleistung zurücktreten und den Kaufpreis zurück verlangen kann.

Auch bei Verkaufsangeboten über Internetportale gelten die §§ 145 ff. BGB (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2001, VIII ZR 13/01, juris). Daher setzt das Zustandekommen eines Kaufvertrags zwischen den Parteien voraus, dass die Klägerin ein von der Beklagten selbst abgegebenes oder ihr jedenfalls zurechenbares Verkaufsangebot wirksam angenommen hat. Davon ist vorliegend nicht auszugehen.

Die Beklagte selbst hat unstreitig kein Angebot über die Veräußerung einer Kamera auf der Internetplattform „… “ eingestellt. Die unbekannten Täter haben zwar ein Fremdgeschäft für die Beklagte als Namensträgerin getätigt, trotzdem ist zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustande gekommen. Denn für die Zurechnung des Verhaltens der unbekannten Täter ist der Umstand, dass die Beklagte den Tätern ihre persönlichen Daten und ihre Kontoverbindung mitteilte und dadurch den Betrug gegenüber der Klägerin faktisch erst ermöglichte, nicht ausreichend.

Wird bei der Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt, es solle mit dem Namensträger ein Geschäft abgeschlossen werden, und wird dabei eine falsche Vorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen, finden die Regeln über die Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) und die hierzu entwickelten Grundsätze entsprechend Anwendung, obwohl dem Handelnden ein Vertretungswille fehlte (BGH, Urteil vom 11.05.2011, VIII ZR 289/09, juris mit zahlreichend weiteren Nachweisen). Eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die unter solchen Voraussetzungen unter dem Namen eines anderen abgegeben worden ist, verpflichtet den Namensträger regelmäßig nur dann, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgt (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB analog) oder vom Namensinhaber nachträglich genehmigt worden ist (§ 177 Abs. 1 BGB analog) oder wenn die Grundsätze über die Anscheins- und Duldungsvollmacht eingreifen. Gemessen an diesen Voraussetzungen hat die Beklagte keinen Zurechnungstatbestand verwirklicht. Es ist unstreitig, dass die Beklagte die unbekannten Täter nicht zur Abgabe entsprechender Willenserklärungen bevollmächtigt noch deren Verhalten nachträglich genehmigt hat. Auch eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht ist nicht anzunehmen.

Eine Duldungsvollmacht setzt voraus, dass der Vertretene es willentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftspartner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen dar, dass der als Vertreter Handelnde zu den vorgenommenen Erklärungen bevollmächtigt ist (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.03.2012, XI ZR 155/01, juris). Die Beklagte hat den unbekannten Tätern, welche ihr als vermeintliche Arbeitgeber begegneten, zwar ihre persönlichen Daten inklusive ihrer Bankverbindung mitgeteilt. Dies ist jedoch die übliche Vorgehensweise beim Abschluss eines Arbeitsvertrages. Dass die Beklagte darüber hinaus ihre Bankverbindung als Abrechnungskonto zur Verfügung stellte, ist ebenfalls nicht ausreichend für eine Duldungsvollmacht. Denn vom betrügerischem Vorgehen der Täter und insbesondere deren Verkäufern unter ihrem Namen über extra eingerichtete Mitgliedskonten auf Internetverkaufsportalen mit ihrem Namen hatte sie keine Kenntnis.

Eine Anscheinsvollmacht ist dann zu bejahen, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Geschäftspartner annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters. Hierfür ist zudem eine gewisse Dauer und Häufigkeit erforderlich. Die unbekannten Täter verwendeten zwar in vielen Fällen das Konto der Beklagten für betrügerische Tätigkeiten. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der Klägerin über die Täter musste die Beklagte nach Auffassung des Gerichts jedoch noch keine Kenntnis von diesem betrügerischen Verhalten haben. Allein die Tatsache, dass die Täter mit der Beklagten einen richtigen Arbeitsvertrag über eine zwar ungewöhnliche, aber nicht unmittelbar betrügerisch erscheinende Tätigkeit schlossen, führte dazu, dass die Beklagte zunächst auf die Legalität ihrer Tätigkeit vertrauen durfte. Das Geschäft der Klägerin wurde noch relativ zu Beginn der Tätigkeit der Beklagten abgewickelt. Erst zu einem späteren Zeitpunkt erhielt die Beklagte nach den unwidersprochenen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung Kenntnis von Unregelmäßigkeiten auf ihrem Konto, welche zu Zweifeln führten und nach Auffassung des Gerichts bei ordnungsgemäßer Sorgfalt auch führen mussten. Es kommt aber hinsichtlich der Frage der Anscheinsvollmacht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Das Gesetz weist das Risiko einer fehlenden Vertretungsmacht des Handelnden dem Geschäftsgegner und nicht demjenigen zu, in oder unter dessen Namen jemand als Vertreter oder scheinbarer Namensträger auftritt. Von diesem Grundsatz abweichende Risikozuweisungen sind nur unter engen Voraussetzungen denkbar. Diese sind vorliegend nicht erfüllt.

2. Ebenso wenig hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beklagte hat das Kontoguthaben in Höhe des Kaufpreises für die Kamera nicht durch Leistung der Klägerin erlangt. Leistungsempfänger war bei der gebotenen normativen Betrachtung vom Empfängerhorizont aus der unter dem Namen der Beklagten handelnde Täter. Ein Rückgriff auf die Nichtleistungskondiktion scheitert am Vorrang der Leistungsbeziehung.

3. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheitert daran, dass die Klägerin in keinem absolut geschützten Rechtsgut verletzt ist. Das Vermögen als solches ist kein absolutes geschütztes Rechtsgut im Sinne des § 823 BGB.

4. Schließlich hat die Klägerin auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz. Die Vorschriften des Geldwäschegesetzes sind keine Schutzgesetze im Sinne der vorgenannten Rechtsgrundlage und im Übrigen fehlt der Beklagten für etwaige Straftaten nach dem Strafgesetzbuch (§§ 246, 263, 261 StGB) der erforderliche Vorsatz. Die Verletzung etwaiger weiterer Schutzgesetze ist nicht ersichtlich.

5. Auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB ist nicht gegeben. Eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch die Beklagte ist mangels Vorsatz nicht erkennbar.

II.

Mangels Hauptforderung scheitert auch ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

III.

Der Feststellungsantrag ist zwar zulässig, da insbesondere das Feststellungsinteresse gegeben ist (§ 253 ZPO). Allerdings fehlt es (s.o.) an der unerlaubten Handlung.

IV.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

V.

Der Streitwert wird gemäß den §§ 3 ZPO, 48 GKG auf 1.556,90 Euro festgesetzt.

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