Oberlandesgericht Koblenz
Az: 9 UF 45/07
Urteil vom 30.05.2007
Der 9. Zivilsenat – 2. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz auf die mündliche Verhandlung vom 02. Mai 2007 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Bitburg vom 15. Dezember 2006 teilweise, den Versorgungsausgleich und den Ausspruch zum Zugewinnausgleich betreffend (Ziffer II und IV), abgeändert und insoweit insgesamt neu gefasst:
1. Zu Lasten der Versorgung der Antragstellerin bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands, Vers.-Nr.: 0….54.9, werden auf dem Konto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz, Vers.-Nr.: 16 …… S 000, Rentenanwartschaften von monatlich 9,50 EUR, bezogen auf den 30. Juni 2004, begründet.
Der Monatsbetrag der zu begründenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte (West) umzurechnen.
2. Der Antrag der Antragstellerin auf Zahlung von Zugewinnausgleich wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Verbundurteil hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt, den Antrag der Ehefrau auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt zurückgewiesen und den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin einen Zugewinnausgleich in Höhe von 15.318,58 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragsgegners, der die Berechnung zum Versorgungsausgleich angreift und die Abweisung der Klage auf Zahlung von Zugewinnausgleich erstrebt.
Die Berufung erweist sich insgesamt als begründet. Der Versorgungsausgleich ist nach den gesetzlichen Vorschriften in Höhe von 9,50 EUR durchzuführen. Einen Anspruch auf Zugewinnausgleich hat die Antragstellerin nicht.
I.
Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist begründet, soweit er den Versorgungsausgleich anderweitig festgesetzt wissen will. Das Familiengericht hat bei seiner Berechnung nicht die geltende Barwertverordnung benutzt. Außerdem hat es die Rente der Antragstellerin bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse als statisch und nicht entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als teildynamisch angesehen.
Während der Ehezeit (01.04.1982 – 30.06.2004) haben die Parteien die folgenden Anrechte erworben:
Antragsgegner
bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz 550,07 EUR
Antragstellerin
bei der Deutschen Rentenversicherung Bund 500,71 EUR
bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands (ZVK) eine unverfallbare monatliche Betriebsrente in Höhe von 198,55 EUR.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 2004, 3426) ist die Versorgung bei der ZVK während der Anwartschaftsphase statisch, während der Leistungsphase aber als dynamisch zu beurteilen. Daher hat bei der Umwertung der teildynamischen Rente bei der Versorgungskasse in eine dynamische mittels der Barwertverordnung nach § 2 Abs. 2 Satz 4 eine Erhöhung der Werte der Tabelle 1 um 65 Vonhundert zu erfolgen. Sodann errechnet sich eine dynamische Anwartschaft wie folgt:
198,55 EUR x 12 x 6,3 (Barwertfaktor aus der Tabelle 1 bei einem Alter von 42 Jahren am Ende der Ehezeit: 4,2 x 150 %) x 0,0001742628 x 26,13 = 68,35 EUR.
Nach § 1587 a Abs. 1 BGB ist der Ehegatte mit den höheren Anrechten ausgleichspflichtig. Das ist hier die Antragstellerin. Auszugleichen sind von ihr 9,50 EUR (1/2 x <500,71 EUR + 68,35 EUR – 550,07 EUR>).
Der Ausgleich erfolgt durch analoges Quasisplitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG.
II.
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Zugewinnausgleich nach § 1378 BGB. Da das Endvermögen des Antragsgegners nicht höher ist als sein Anfangsvermögen, ist ihm während der Ehezeit kein Zugewinn erwachsen.
Am 02. April 1982, dem Beginn der Ehezeit, hatte der Antragsgegner entsprechend den nicht angefochtenen Feststellungen des Familiengerichts ein indexiertes Anfangsvermögen in Höhe von 110.152,00 EUR.
Bei Zustellung des Scheidungsantrags am 05. Juli 2004 hatte er ebenfalls unangegriffen ohne Berücksichtigung seiner Schulden ein Vermögen von 142.948,08 EUR.
Unstreitig hat der Antragsgegner an diesem Stichtag Schulden in Höhe von 68.612,92 EUR.
Unter Abzug dieser Schulden von dem positiven Vermögen des Antragsgegners errechnet sich kein Zugewinn.
Das Familiengericht hat es abgelehnt, diese Schulden beim Endvermögen zu berücksichtigen, weil sie bereits bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts berücksichtigt worden seien. Auch eine Berücksichtigung der Schulden bei der Festsetzung des Kindesunterhalts für das Kind A… in dem Rechtsstreit 2 F 404/05 habe stattgefunden. Eine nochmalige Berücksichtigung der Schulden auch beim Zugewinnausgleich widerspreche dem Verbot der Doppelverwertung.
Der Berufungsangriff des Antragsgegners gegen diese Sichtweise ist begründet.
Die Frage, ob Schulden und Abfindungen gleichermaßen beim Zugewinn und Unterhalt Berücksichtigung finden müssen, ist in der Literatur im Anschluss an 2 Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, FamRZ 2003, 432 f; FamRZ 2004, 1352 ff) lebhaft diskutiert. Verbreitet wird die Auffassung vertreten, dass Schulden, die bereits im Zugewinnausgleich berücksichtigt worden sind, im Unterhaltsverfahren auf Seiten des Verpflichteten seine Leistungsfähigkeit nicht verringern (vgl. Gerhard/Schulz, FamRZ 2005, 145; FamRZ 2005, 317; FamRZ 2005, 1523; Niepmann FF 2005, 131; Kogel, FamRZ 2004, 1614, 1617 f; Schulz, FamRZ 2006, 1238, 1240, 1241; Hoppenz, FamRZ 2006, 1242 f; Münch, FamRZ 2006, 1164, 1169). Derselben Auffassung sind die Oberlandesgerichte München und Saarbrücken (OLG München, FamRZ 2005,459; FamRZ 2005, 713; OLG Saarbrücken, FamRZ 2006, 1038).
Die Frage, ob dies auch für den umgekehrten Fall gilt, dass die Berücksichtigung von Schulden einen Unterhaltsanspruch verringert haben, diese Schulden aber auch Berücksichtigung beim Zugewinnausgleich finden sollen, ist, soweit ersichtlich, bisher von der Rechtsprechung nicht behandelt worden. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. August 2003 – XII ZR 300/01 (FamRZ 2003, 1544 ff) – in einem obiter dictum unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 23. April 1986 – IV B ZR 2/85 – (NJW-RR 1986, 1325) ausgeführt, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte sich gegen die Berücksichtigung am Stichtag noch bestehender Verbindlichkeiten des Ausgleichspflichtigen bei dessen Endvermögen nicht mit der Begründung wehren kann, er habe wegen dieser Verbindlichkeiten bereits eine Reduzierung seines Unterhaltsanspruchs hinnehmen müssen. Denn ein etwaiger Einfluss der Schuldenlast auf die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit habe mit dem Vermögensausgleich des § 1378 BGB nichts zu tun. Dementsprechend wird in der Literatur überwiegend das Problem beim Unterhalt diskutiert und -soweit dieses Problem in den Blick genommen wird- die Auffassung vertreten, die Schulden seien vorrangig beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen (vgl. Gerhard/Schulz, FamRZ 2005, 316, 318).
Allerdings gibt es auch Stimmen, die ein generelle Wahlrecht befürworten (vgl. Brudermüller, NJW 2005, 3187; Niepmann FF 2005, 131; Kogel, FamRZ 2006, 1039, 1040, vgl. auch Palandt/Brudermüller, BGB, 65. Aufl., § 1375 Rn. 3).
Den Antrag der Ehefrau auf Zahlung eines nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 87,00 EUR hat das Familiengericht hier ohne Prüfung des Bedarfs der Antragstellerin mit der Begründung abgewiesen, der Antragsgegner sei zur Zahlung von Unterhalt nicht leistungsfähig. Es hat hierzu die folgende Berechnung angestellt:
bereinigtes Nettoeinkommen des Antragsgegners| 1.010,00 EUR
zuzüglich Wohnvorteil| 252,00 EUR
zuzüglich Mieteinnahmen| 500,00 EUR
abzüglich Hausschulden| 802,00 EUR
abzüglich Kindesunterhalt| 291,00 EUR
|669,00 EUR.
Weder im Tatbestand des Urteils noch aus Tatsachen, die nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vom Berufungsgericht zu berücksichtigen sind, ergibt sich, wie der Bedarf der Antragstellerin zu berechnen ist. Offen ist deshalb, ob sich hier tatsächlich die Berücksichtigung von Schuldverpflichtungen, die mit den am Stichtag vorhandenen Schulden des Antragsgegners korrespondieren, auf einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau ausgewirkt haben.
Das muss indes nicht weiter aufgeklärt werden. Der Senat ist wie der Bundesgerichtshof (a.a.O.) der Auffassung, dass beim Vermögensausgleich nach § 1378 BGB Schulden am Tag der Beendigung des Güterstands auch dann zu berücksichtigen sind, wenn diese die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit vermindert haben. Das gilt jedenfalls für den laufenden Unterhalt.
Der Gesetzgeber hat das Zugewinnausgleichsverfahren als streng formalisiertes auf Stichtage bezogenes Ausgleichsverfahren ausgestaltet, welches zum Ziel hat, das während des Bestehens des Güterstandes erworbene Vermögen unter den Ehegatten hälftig aufzuteilen, wobei es nicht darauf ankommt, ob und in welcher Höhe ein Ehegatte einen Beitrag zum Zugewinnausgleich des anderen geleistet hat. Wertungen haben dabei außer bei § 1381 BGB keinen Platz. So fällt mangels Fälligkeit der laufende Unterhalt, nicht in das Endvermögen, anders aber das Kontoguthaben, selbst wenn es dazu dient, eine nur wenige Tage später fällig werdenden Unterhaltsanspruch zu befriedigen (BGH, FamRZ 2003, 1544). Mit diesem strengen Stichtagprinzip, welches der gesetzlichen Regelung zugrunde liegt, ist eine Auffassung, Schulden seien im Zugewinnausgleich nicht zu berücksichtigen, soweit sich diese bedarfs- oder leistungsmindernd bei der Unterhaltsberechnung auswirken, nicht zu vereinbaren. Die exakte Höhe der Auswirkung lässt sich nämlich nicht zuverlässig errechnen. Da sich der Unterhaltsanspruch mit jedem Monat des Entstehens ändern kann, ist völlig ungewiss, in wie weit Schulden tatsächlich zu einer Verringerung des Unterhaltsanspruchs führen werden. Beispielsweise kann der Unterhaltsberechtigte kurze Zeit nach Rechtskraft der Scheidung und der Entscheidung zum Zugewinnausgleich erneut heiraten, wodurch der Unterhaltsanspruch nach § 1586 Abs. 1 BGB erlischt. Das aber hätte keinen Einfluss mehr auf den rechtskräftigen Zugewinnausgleich. Daher kommt eine Nichtberücksichtigung von Schulden bei dem Endvermögen wegen einer möglichen Auswirkung auf den laufenden Unterhalt von vornherein nicht in Betracht.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Senat hat den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 16.318,58 EUR festgesetzt (Versorgungsausgleich: 1.000,00 EUR; Zugewinnausgleich: 15.318,58 EUR).