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Einbruchdiebstahlversicherung: Beweiserleichterung für Nachschlüsseldiebstahl

BGH 4. Zivilsenat, Az.: IV ZR 15/90, Urteil vom 09.01.1991

Tatbestand

Der Kläger fordert von der Beklagten Versicherungsleistungen in Höhe von 140.675,56 DM nebst Zinsen aus einer Betriebsvielschutzversicherung, die auch eine Einbruchdiebstahlsversicherung enthält. Dabei gehen beide Parteien von der Geltung der Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung gegen Schäden durch Einbruchdiebstahl und Raub (AERB) aus.

Nachschlüsseldiebstahl
Symbolfoto: luckybusiness/Bigstock

Der Kläger hat vorgetragen, vom 5. auf den 6. August 1985 seien Unbekannte in die Geschäftsräume seiner Firma M. eingedrungen und hätten optische Geräte im Werte der Klagesumme entwendet. Die Kriminalpolizei hat festgestellt, daß ein am Abend zuvor ordnungsgemäß verschlossenes Fenster nur mit dem unteren Scharnier geschlossen war. An diesem Fenster fand sich ein Handflächenabdruck. Von dem Ablageplatz vor dem Fenster waren eine Rechenmaschine und Prospektmaterial weggeräumt worden. Insgesamt fand die Kriminalpolizei 17 Spuren, die keiner tatortberechtigten Person zugeordnet werden konnten.

Am 14. August 1985 kehrte der Mitarbeiter S. aus seinem Urlaub zurück. Er hatte Schwierigkeiten, mit seinem Schlüssel die Außentür zur Firma K. zu öffnen. Die Räume der Firma K., deren Inhaber ebenfalls der Kläger ist, liegen neben denen der M.. Sie sind durch eine Verbindungstür getrennt, zu der die Mitarbeiter des Klägers einen Schlüssel besitzen. Nachdem das Schloß der Eingangstür zur Firma K. ausgebaut worden war, fanden sich Schürfspuren am Außenteil des Schließzylinders. Am Schlüssel des Mitarbeiters S. stellte der Sachverständige Ablagerungen einer Kunststoffmasse, in den Profilnuten Schmutzreste und an der Spitze eine Deformation fest.

Der Kläger behauptet, es sei ein Schlüssel von dem des Mitarbeiters S. nachgemacht und zur Tatausführung benutzt worden. Es sei auszuschließen, daß der Schlüssel S. die Schürfspuren am Schloß der Eingangstür zur Firma K. verursacht habe. Denn er habe diesen Schlüssel zunächst gewaltsam von der Innenseite und dann erst von außen in das Schloß eingeführt, so daß Schürfspuren auch an der Innenseite hätten vorhanden sein müssen, wenn dieser Schlüssel die Spuren verursacht hätte.

Die Beklagte verweigert die Zahlung mit der Begründung, es handele sich um einen fingierten Diebstahl, zumal Spuren eines gewaltsamen Eindringens in das Gebäude nicht erkennbar seien; ein Nachschlüsseldiebstahl liege ebenfalls nicht vor.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht würdigt die von der Kriminalpolizei festgestellten Spuren und kommt zu dem Ergebnis, daß sie als Beweisanzeichen nicht ausreichen, um den Schluß zu ziehen, etwaige Täter seien gewaltsam in die Räume eingedrungen. Diese Spuren ergäben nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls. Die Revision läßt diese Ausführungen des Berufungsgerichts unangegriffen. Sie enthalten auch keine Rechtsfehler.

II. Die Revision wendet sich aber gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, es lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Nachschlüsseldiebstahl vor.

1. Das Berufungsgericht hat allerdings im Ergebnis zutreffend die Schürfspuren auf dem Außenzylinder des Schlosses zur Tür der Firma K. für sich allein nicht als ausreichenden Anhaltspunkt für einen Nachschlüsseldiebstahl gewertet. Seiner Begründung hierzu kann indessen nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, wenn der Kläger den Schlüssel des Mitarbeiters S. unter Kraftanwendung von der Außenseite her in das Schloß eingeführt habe, so lasse dies die Schlußfolgerung zu, daß die Schürfspuren durch die Deformation an dem Schlüssel und das kraftvolle Einführen entstanden seien. Diese Schlußfolgerung des Berufungsgerichts findet in dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen E. keine Stütze. Zwar hat der für die Beklagte tätige Privatgutachter W. ausgeführt, die Verengung einer Nut an dem Schlüssel des Mitarbeiters S. habe das Einführen in den Schlüsselkanal erschwert und „es spreche dafür“, daß die im Schließzylinder gefundene Schürfspur mit diesem Schlüssel erzeugt worden sei. Hierzu hat der gerichtliche Sachverständige aber kritisiert, der Privatgutachter habe andere Möglichkeiten – die der gerichtliche Sachverständige näher aufgeführt hat – nicht in Erwägung gezogen und auch nicht mitgeteilt, aufgrund welcher Messungen mit welchem Ergebnis die Schürfspur als von dem Schlüssel des Mitarbeiters S. stammend zu identifizieren sei. Der gerichtliche Sachverständige kommt deshalb zu dem Ergebnis, die Art der Verursachung der Schürfspuren müsse demzufolge offenbleiben.

Entgegen der Auffassung der Revision können die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen aber auch nicht so verstanden werden, daß der Schlüssel des Mitarbeiters S. in jedem Falle als Spurverursacher ausscheidet. Vielmehr ist die Frage, worauf die Spur mit hinreichender Sicherheit zurückzuführen ist, bislang unbeantwortet geblieben.

2. Das Berufungsgericht sieht in der Ablagerung einer Kunststoffmasse in einer Profilnut am Schlüssel des Mitarbeiters S. kein Beweisanzeichen, aus dem sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines Nachschlüsseldiebstahls ergebe. Der Kläger habe nicht bewiesen, daß es sich dabei um Spuren eines Abformvorganges handele. Selbst wenn S. in der letzten Zeit vor dem Diebstahl in keiner Weise mit solchem Material in Berührung gekommen sei, ergebe sich aus der festgestellten Ablagerung kein Hinweis auf einen Abformvorgang und damit auch nicht auf einen Nachschlüsseldiebstahl. Selbst wenn feststünde, daß die Kunststoffmasse von einem Abformvorgang herrühren könne, ergebe sich aus dieser Tatsache weder für sich allein noch im Zusammenhang mit den gesicherten Spuren in den Räumen des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines Nachschlüsseldiebstahls.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts greift die Revision mit Erfolg an.

Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen zugute kommen. Die Versicherungsleistung ist auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Bild eines versicherten Diebstahls darbietet, auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann. Es reicht aus, daß aus den festgestellten Umständen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen versicherten Entwendungsfall geschlossen werden kann (Senatsurteil vom 10. Juni 1987 – IVa ZR 49/86 – VersR 1987, 801, 802; Senatsbeschluß vom 5. November 1986 – IVa ZR 57/86 – VersR 1987, 146 m.w.N.).

Auch der Beweis des Nachschlüsseldiebstahls kann von dem Versicherungsnehmer in erleichterter Form geführt werden (Senatsbeschluß vom 7. Februar 1990 – IV ZR 151/89 – NJW-RR 1990, 607; Senatsurteil vom 16. Oktober 1974 – IV ZR 154/73 – VersR 1974, 1166). Der Versicherungsnehmer muß zwar mehr beweisen, als das ungeklärte Abhandenkommen von Sachen aus dem versicherten Raum (so z.B. § 1 Nr. 2a letzter Halbsatz AERB). Andererseits braucht er nicht sämtliche Möglichkeiten einer nicht versicherten Entwendung auszuschließen; dann hätte er den Vollbeweis erbracht. Er genügt seiner Beweislast vielmehr schon dann, wenn er konkrete Umstände beweist, die nach der Lebenserfahrung mit lediglich hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, daß ein Nachschlüssel benutzt wurde (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Februar 1990 aaO).

Solche Umstände könnten im vorliegenden Fall gegeben sein. Die Kunststoffmasse, die an dem Schlüssel des Mitarbeiters S. festgestellt wurde, könnte es wahrscheinlich machen, daß von dem Schlüssel ein Abdruck zur Anfertigung eines Nachschlüssels genommen wurde. Es ist nicht geklärt, ob der Kunststoff von einer Abformmasse stammt. Diese Frage kann erst nach einer chemischen Untersuchung, für die der Kläger Beweis angeboten hat (Bl. 134, 180 GA), beantwortet werden. Sollte es sich um Reste einer Abformmasse handeln, dann liegt die Annahme nahe, daß ein Nachschlüssel angefertigt wurde. Dieser Umstand wird im Zusammenhang mit den festgestellten Schürfspuren an dem Schließzylinder der Eingangstür wie aber auch mit den übrigen von der Kriminalpolizei festgestellten Spuren zu würdigen sein, zumal nach diesen Spuren sicher ist, daß in das Gebäude nicht eingebrochen wurde.

3. Der Schluß, daß ein Nachschlüssel benutzt wurde, läßt sich auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ziehen, wenn Beweisanzeichen die Verwendung der vorhandenen Original- oder richtigen Schlüssel unwahrscheinlich machen (Senatsbeschluß vom 7. Februar 1990 aaO). Dazu hat der Kläger mit Beweisantritt vorgetragen, der Annahme seiner Mitwirkung oder der eines Mitarbeiters stünden die von der Ermittlungsbehörde geprüften Alibis entgegen (Bl. 6 GA). Die Schlüssel besitzenden Mitarbeiter und die Aushilfen hätten keine Geräte entwendet (Bl. 8 GA). Weder er selbst noch einer der Mitarbeiter der Firma M. habe für den Diebstahl einen Schlüssel zur Verfügung gestellt oder unter berechtigter Verwendung eines Schlüssels die Geräte weggeschafft (Bl. 128 GA).

4. Das Berufungsgericht wird also unter anderem Feststellungen darüber zu treffen haben, ob es sich bei dem Kunststoff an dem Schlüssel des Mitarbeiters S. um Reste einer Abformmasse handelt und ob gegebenenfalls der berechtigte Gebrauch der Schlüssel zur Durchführung des behaupteten Diebstahls unwahrscheinlich ist. Es wird alsdann alle Umstände neu zu würdigen und gegebenenfalls über die Höhe des Anspruchs, die bestritten ist, zu entscheiden haben. Der Kläger wird Gelegenheit haben, seinen Vortrag zu ergänzen, insbesondere auch dazu, ob seine Darstellung hinsichtlich der Schlüssel, die sich in den Händen seiner Mitarbeiter befinden, auch für die Eingangstür zu den Räumen der Firma K. gelten soll.

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