LG Nürnberg-Fürth – Az.: 6 O 3410/12 – Urteil vom 27.01.2014
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits gesamtschuldnerisch.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger begehren von der Beklagten die Unterlassung einer Eigentumsbeeinträchtigung in Form der Nutzung ihres Abwasseranschlusses sowie die Eintragung einer Grunddienstbarkeit zur Absicherung des behaupteten Anspruchs.
Die Parteien sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in E.. Die Grundstücke sind mit zwei Doppelhaushälften bebaut. Beim klägerischen Grundstück handelt es sich um die …straße 15 in E. (Flurnummer …1/5 der Gemarkung E.), beim Grundstück der Beklagten um die …straße 13 in E. (Flurnummer …1/4 der Gemarkung E.).
Das Abwasser vom Grundstück der Beklagten wird nördlich über das klägerische Grundstück in den im Winkelweg gelegenen Kanal abgeführt. Hintergrund war, dass die beiden Doppelhaushälften in den 1970er Jahren vom selben Eigentümer gemeinsam errichtet worden waren. Dies wurde von den Klägern, die ihr Grundstück mit Kaufvertrag vom 28.05.1986 lastenfrei erworben hatten, erst Ende 2010 durch Einsicht in die städtischen Entwässerungspläne festgestellt.
Die Kläger wollen die Entwässerungssituation nicht akzeptieren.
In der Folge kam es zwischen den Parteien zu Schriftverkehr und Vergleichsverhandlungen im Hinblick auf die Regelung der Entwässerungssituation. Auf die Anlagen B 5, K 2, K 3 und B 6 wird insofern umfassend Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 13.02.2012 (Anlage K 5) übersandt der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter einen (neuen) Vergleichsentwurf.
Mit Schreiben vom 12.03.2012 (Anlage B 7) reagierte der Beklagtenvertreter hierauf wie folgt:
„Namens und im Auftrag unserer Mandantin erklären wir nunmehr verbindlich, dass unsere Mandantin bis zum 31.12.2013 einen Anschluss der Grundstücksentwässerung für das Flurstück …1/4 der Gemarkung so herstellen wird, dass nach Fertigstellung des Entwässerungsanschlusses kein Abwasser mehr über das Grundstück Ihrer Mandantin geleitet wird.“
Der Klägervertreter reagierte noch am selben Tag mit Schreiben vom 12.03.2012 (Anlage K 8) hierauf mit den Worten:
„Wenn Ihre Partei ‚nunmehr verbindlich‘ erklärt, dass sie den Beseitigungsanspruch nachkommen wolle, hat sie dies offenbar nicht ernst gemeint. Meine Mandantschaft besteht aus Gründen auf den Abschluss des ihnen seit nunmehr einem Monat vorliegenden Vertragsentwurfs. Die dafür gesetzte Nachfrist ist noch nicht abgelaufen. Wenn sie fruchtlos verstreichen sollte, wird Klage erhoben. Das wollte ich ihnen postwendend mitteilen, damit ihre Partei die Möglichkeit hat, meine Mandantschaft doch noch klaglos zu stellen.“
Am 23.04.2012 (Anlage B 8) übersandt der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter einen Klageentwurf. Unter dem 26.04.2012 wurde sodann Klage erhoben. Die Klage wurde der Beklagten am 08.06.2012 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 18.06.2012 erfolgte ein sofortiges Teilanerkenntnis durch die Beklagten mit folgendem Wortlaut:
„Die Beklagte wird verurteilt, ab dem 01.01.2014 das auf dem Grundstück der Gemarkung Erlagen anfallende Abwasser nicht mehr über über das im Miteigentum der Kläger stehende Grundstück Flurstück …1/5 der Gemarkung E. zu leiten.“
Nach Hinweis des Gerichts wurde das Teilanerkenntnis mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 20.08.2012 redaktionell wie folgt geändert:
„Die Beklagte wird verurteilt, ab dem 01.01.2014 das auf dem Grundstück Flurstück …1/4 der Gemarkung E. anfallende Abwasser nicht mehr über das im Eigentum der Kläger stehende Grundstück Flurstück …1/5 der Gemarkung E. zu leiten.“
Am 15.12.2012 erging gemäß § 307 Satz 2 ZPO ein Teilanerkenntnisurteil mit dem zuletzt beantragten Inhalt.
Die Kläger sind der Ansicht, neben der mittlerweile anerkannten Verpflichtung der Beklagten, anfallendes Abwasser nicht mehr über das im Miteigentum der Kläger stehende Grundstück zu leiten, auch einen Anspruch auf dingliche Absicherung in Form der Eintragung einer Grunddienstbarkeit zu haben. Beim Teilanerkenntnis handle es sich um kein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO. Ferner meint die Klagepartei Anspruch auf Erstattung der hälftigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren aus einem Streitwert von 15.000,00 Euro aus dem Gesichtspunkt des Verzugs verlangen zu können.
Im Haupttermin am 13.01.2014 erklärte der Klägervertreter, dass der Klageantrag Ziffer I., soweit er das Teilanerkenntnisurteil übertrifft, nicht weiter verfolgt werde.
Ferner beantragte er:
Zur dinglichen Absicherung des klägerischen Anspruchs auf Unterlassung der bisherigen Abwasserentsorgung über das Grundstück Flurnr. …1/5 der Gemarkung E. beantragt und bewilligt die Beklagte die Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit auf ihrem Grundstück Flurnr. …1/4 der Gemarkung E. zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Flurnr. …1/5 der Gemarkung E..
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 681,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2012 zu bezahlen.
Der Beklagtenvertreter beantragte: Soweit die Klagepartei keinen Antrag gestellt habe, beantragt der Beklagtenvertreter den Erlass eines Versäumnisurteils.
Im Übrigen beantragt er, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch der Klagepartei keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Ihr Anerkenntnis sei § 93 ZPO privilegiert. Eine über das abgegebene Teilanerkenntnisurteil hinausgehende Absicherung der Klagepartei sei nicht geschuldet. Der klägerisch begehrte Unterlassungsanspruch sei kein zulässiger Inhalt des § 1018 BGB.
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen umfassend Bezug genommen.
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage war zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung nicht (mehr) begründet.
1.
Dahinstehen kann, ob und in welchem Umfang die Kläger ursprünglich einen Beseitigungsanspruch gegen die Beklagte gemäß Ziffer I. der Klage hatten. Zu entscheiden bleibt aufgrund des mit Schriftsatz vom 18.06.2012 erfolgten Teilanerkenntnisses lediglich, ob es sich um ein solches nach § 93 ZPO handelt.
Soweit der Klageantrag von Ziffer I. urspr. über das Teilanerkenntnis hinaus ging, war zu dessen Begründetheit ebenfalls keine Stellungnahme seitens des Gerichts veranlasst. Der darüber hinausgehende Antrag wurde im Termin am 13.01.2014 klägerseits zurückgenommen. Der Klägervertreter erklärte im Termin am 13.01.2014, dass der Klageantrag Ziffer I., soweit er das Teilanerkenntnisurteil übertreffe, „icht mehr weiter verfolgt“ werde. Auch Prozesshandlungen sind auslegungsfähig und -bedürftig. Dabei finden die Auslegungsregeln des materiellen Rechts grundsätzlich entsprechend Anwendung (vgl. nur Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, vor § 128 RdNr. 25 m.w.N.). Für einen objektivierten Empfänger musste die Erklärung des Klägervertreters so verstanden werden, dass dieser sich nicht nur temporär – was eher für eine Nichtantragstellung und somit ein Teilversäumnisurteil sprechen würde – sondern abschließend mit dem Teilanerkenntnisurteil zufriedengeben würde. Andernfalls hätte der Klägervertreter erklärt, dass er „derzeit“ den Antrag nicht mehr weiterverfolgen würde.
2.
Der Klageantrag Ziff. II. ist unbegründet.
Dahinstehen kann, ob der begehrte Anspruch überhaupt gesetzlichen Inhalts eine Grunddienstbarkeit gemäß § 1018 BGB sein kann. Es fehlt nämlich bereits an einer Anspruchsgrundlage für die Verpflichtung der Beklagten, zugunsten der Kläger eine Grunddienstbarkeit eintragen zu lassen.
Zutreffend ist die Ausgangspunkt der Klagepartei, wonach ihr ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte gem. § 1004 BGB zusteht aufgrund der von dieser vorgenommenen Abwasserentsorgung über das klägerische Grundstück.
Der genaue Inhalt des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruches aus § 1004 BGB, insbesondere dessen Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch ist umstritten (Fritzsche in: Beck’scher Online Kommentar BGB, Stand: 01.11.2013, § 1004 RdNr. 55; Palandt-Bassenge, 73. Aufl. 2014, § 1004 RdNr. 28 m.w.N.). Allgemein anerkannt dürfte noch sein, dass die Beseitigung der Beeinträchtigung in ihrer Abstellung für die Zukunft zu sehen ist, während Schadensersatz auch die in der Vergangenheit abgeschlossene Beeinträchtigung umfasst (vgl. nur Baldus in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 1004 RdNr. 218).
Doch unabhängig, ob man sich der sog. Wiederbenutzbarkeitstheorie des BGH oder der wohl von der herrschenden Meinung vertretenen sog. contrarius actus-Theorie anschließt, kann ein Anspruch auf Eintragung einer Grunddienstbarkeit als Rechtsfolge des § 1004 BGB nicht angenommen werden: Nach der gelegentlich als Wiederbenutzbarkeitstheorie bezeichneten Auffassung des BGH umfasst der Beseitigungsanspruch über die isolierte Beseitigung der Störungsquelle hinaus auch die Wiederherstellung des in seiner Benutzbarkeit beeinträchtigten Grundstückszustands. Zur Begründung heißt es, dass ein Störer alles zur Störungsbeseitigung Erforderliche auf eigene Kosten vorzunehmen habe (vgl. nur MüKo-Baldus, a.a.O., RdNr. 223). Die contrarius actus-Theorie sieht hingegen vor, dass der Störer nicht die Wiederherstellung des status quo ante wie im Schadensrecht schulde, sondern lediglich den contrarius actus seiner störenden Tätigkeit. Deren Erfolg muss also rückgängig oder für die Zukunft wirkungslos gemacht werden. Dagegen braucht er nicht die Behinderungen oder Beschädigungen zu beseitigen, die sich aus dem störenden Eingriff als weitere Folge ergeben (a.a.O., RdNr. 225).
Das Gericht erkennt zwar durchaus das Interesse der Klagepartei, den von der Beklagten anerkannten Beseitigungsanspruch auch grundbuchrechtlich zu sichern. Allerdings ist die begehrte Sicherung nicht Teil des Beseitigungsanspruches, sondern geht darüber hinaus.
Eine andere Anspruchsgrundlage, die die Eintragung rechtfertigen würde, wurde weder vorgetragen noch drängt sie sich dem Gericht auf.
3.
Die Klage war auch hinsichtlich Ziffer III. der Klageschrift abzuweisen.
Die Klagepartei kann die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen.
Wie bereits oben ausgeführt, beschränkt sich die Rechtsfolge des § 1004 BGB auf die Beseitigung der Ursachen der Störung und nicht deren Folgen. Es handelt sich mithin nicht um einen Schadensersatzanspruch ohne Verschulden.
Auch aus dem Gesichtspunkt des Verzugs kann die Klagepartei den Ersatz ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nicht ersetzt verlangen: Aufgrund des klägerischen Vorbringens ist vielmehr davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei bereits mandatiert gewesen war, bevor die Beklagte erstmals mit dem Beseitigungsanspruch in Verzug gekommen ist.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klagepartei gesamtschuldnerisch zu tragen, §§ 91 Abs. 1, 93 ZPO.
Das mit Schriftsatz vom 18.06.2012 abgegebene und mit Schriftsatz vom 20.08.2012 lediglich redaktionell korrigierte Teilanerkenntnis der Beklagten ist gemäß § 93 ZPO privilegiert:
Die Beklagte gab keine Veranlassung zur Klageerhebung. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 12.03.2012 (Anlage B 7) ließ sie verbindlich erklären, dass sie bis zum 31.12.2013 einen Anschluss der Grundstücksentwässerung für das Flurstück …1/4 der Gemarkung E. so erstellen werde, dass nach Fertigstellung des Entwässerungsanschlusses kein Abwasser mehr über das Grundstück der Klagepartei geleitet werden. Diese Formulierung umfasst genau die sich aus § 1004 BGB ergebende Verpflichtung der Beklagten, wenn man die übrigen Voraussetzungen des § 1004 als gegeben ansieht. Entgegen der Auffassung der Klagepartei war es für die Wirksamkeit des sofortigen Teilanerkenntnisses unerheblich, dass sich die Beklagte nicht auch vorgerichtlich verpflichtet hat, außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren der Klagepartei zu erstatten.
Die formellen Voraussetzungen für die Abgabe des sofortigen Anerkenntnisses nach § 93 ZPO sind gegeben. Insbesondere erfolgte es bereits mit der Verteidigungsanzeige.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 30.000,00 Euro. Die Kosten der Beseitigungsmaßnahmen schätzt die Klagepartei selbst auf 15.000,00 Euro. Der Wert des Klageantrags Ziff. II ergibt sich aus § 7 ZPO und entspricht somit wertmäßig dem Klageantrag Ziff. I.