OLG Celle – Az.: 11 U 13/19 – Beschluss vom 10.04.2019
I. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht erfolgen kann. Die Berufung dürfte allerdings nicht in dem vom Kläger erstrebten Umfang Erfolg haben.
Die Berufung ist unzulässig und daher insoweit gemäß § 522 Abs. 1 ZPO
zu verwerfen, als der Kläger einen Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung eines Koffers in Höhe von 40 € weiterverfolgt sowie den Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
II. Termin zur mündlichen Verhandlung wird bestimmt auf Donnerstag, den 13. Juni 2019, 10:30 Uhr, Saal 150.
Gründe
I.
Der Kläger, ein Notar mit Sitz in K., nimmt die Beklagte, einen großen Reisekonzern, nach der vollständigen Vereitelung einer Pauschalreise auf immateriellen Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs und auf Ersatz der Kosten der Notarvertretung in Anspruch.
Der Kläger buchte bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Kos für sich, seine Ehefrau und seine zwei Kinder im Alter von damals 17 und 21 Jahren zum Preis von 7.008 € für den Zeitraum vom 8. bis zum 15. Oktober 2016. Die Unterbringung und Verpflegung auf Kos sollten im dortigen Robinson-Club erfolgen. Am Vortag des Abflugs informierte das Reisebüro den Kläger mittags über möglicherweise auftretende Probleme des am nächsten Tag um 3.00 Uhr geplanten Hinflugs. Auf telefonische Nachfrage des Klägers erklärte die Beklagte sodann nachmittags, dass sie Ersatzflüge beschaffen könne und die Reise stattfinde. Der Kläger begab sich mit seiner Familie am Abreisetag gegen 1 Uhr nachts zum örtlichen Flughafen. Dort erfuhr er, dass sein Flug ersatzlos gestrichen war. Er begab sich mit seiner Familie zurück nach Hause und buchte anschließend noch am selben Tage in dem Reisebüro eine Ersatzreise bei der Beklagten mit demselben Ziel, nunmehr für den Zeitraum vom 10. bis zum 19. Oktober 2016 und den Preis von 8.916 €. Am neu bestimmten Abreisetag begab sich der Kläger mit seiner Familie erneut zum örtlichen Flughafen. Dort erfuhr er, dass der Flug überbucht sei, er und seine Familie aber noch Aussicht auf eine Teilnahme daran hätten, wenn sie warteten. Nach längerer Wartezeit ergab sich Gegenteiliges. Der Kläger und seine Familie verbrachten die Urlaubszeit zu Hause.
Der Kläger fordert von der Beklagten Schadensersatz wegen vertanen Urlaubs in voller Höhe des (zweiten vereinbarten) Reisepreises. Außerdem verlangt er vor allem Ersatz der Kosten, die er für die Anstellung eines pensionierten Richters als Notarvertreter für insgesamt zwei Wochen habe aufwenden müssen, nämlich 5.000 €; außerdem Schadensersatz in Höhe von jeweils 40 € für vergeblich aufgewendete Taxikosten und die Beschädigung eines Koffers. Auf die außergerichtliche Zahlungsaufforderung vom 9. November 2016 leistete die Beklagte vorgerichtlich eine Zahlung in Höhe von 4.458 €, das heißt in Höhe der Hälfte des Reisepreises.
Das Landgericht hat dem Kläger lediglich Schadensersatz in Höhe der Taxikosten zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt er die übrigen Zahlungsansprüche weiter.
II.
Die Berufung dürfte jedenfalls zu einem Teil begründet sein.
1. Die Vorstellung des Klägers, für seine Familie und sich eine Entschädigung wegen vertanen Urlaubs in voller Höhe des Reisepreises zu erhalten, ist mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung allerdings nicht vereinbar. Andererseits gilt im – hier vorliegenden – Fall einer vollständigen Vereitelung der Reise entgegen der Annahme der Beklagten auch keineswegs eine Begrenzung des Entschädigungsanspruchs auf die Hälfte des Reisepreises.
a) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 29. Mai 2018 (X ZR 94/17, juris Rn. 15) klargestellt, dass eine vollständige Vereitelung der Reise regelmäßig nicht dem Fall gleichzusetzen sei, in dem die Reise wegen Mängeln der Leistung des Veranstalters so erheblich beeinträchtigt worden ist, dass der Erfolg der Reise (nahezu) vollständig verfehlt worden und deshalb eine Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises angemessen ist. Auf den ersten Blick möge zwar die vollständige Vereitelung der Reise als die am weitesten reichende Form der Beeinträchtigung des geschuldeten Reiseerfolgs erscheinen. Bei dieser Sichtweise bliebe jedoch außer Betracht, dass die angemessene Entschädigung anders als die vollständige oder teilweise Rückzahlung des Reisepreises gerade nicht dem Ausgleich im vertraglichen Synallagma dient, sondern den Reisenden dafür entschädigen soll, dass er seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte wie mit dem Veranstalter vereinbart. Die sich daraus ergebende (immaterielle) Beeinträchtigung könne bei groben Mängeln der Reiseleistung, die sich typischerweise auch auf das physische und psychische Wohlbefinden des Reisenden auswirken, erheblich größer sein, als wenn die Reiseleistung überhaupt nicht erbracht wird. Die Berücksichtigung dieses Aspekts stehe auch nicht in Widerspruch dazu, dass es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unerheblich ist, wie der Reisende im Fall einer vereitelten Reise die vorgesehene Reisezeit verbracht hat. Vielmehr sei dies gerade die Konsequenz der Beschränkung der Betrachtung auf den dem Reisenden entgangenen konkreten Nutzen seiner Urlaubszeit in Gestalt der vom Reiseveranstalter versprochenen, aber nicht oder mangelhaft erbrachten Reiseleistungen. Sie lasse es als freie Entscheidung des Reisenden und damit als für die Entschädigung unerheblich erscheinen, wie er die für die Reise vorgesehene Zeit tatsächlich verbracht hat; entscheidend sei allein das Maß der Beeinträchtigung durch die nicht oder mangelhaft erbrachten Reiseleistungen (BGH, a.a.O. Rn. 18).
b) Der Bundesgerichtshof hat (a.a.O., Rn. 19) des Weiteren ausgeführt, dass es in Einzelfällen bei erschwerend hinzutretenden Umständen, wie etwa einer vereinbarten einzigartigen und aus sachlichen oder persönlichen Gründen nicht nachholbaren Reiseleistung, allerdings keineswegs ausgeschlossen sei, dass das Maß der Beeinträchtigung durch eine Vereitelung der Reise dem Maß der Beeinträchtigung durch grob mangelhafte, den Erholungs-, Erlebnis- oder Bildungswert der Reise nahezu vollständig entwertende Mängel gleich- oder nahekommen könne. Er hat deshalb in dem ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall die tatrichterliche Würdigung des dortigen Berufungsgerichts, wonach eine Entschädigung von rund 73 % des Reisepreises angemessen sei, unbeanstandet gelassen. Das dortige Berufungsgericht hatte neben dem Reisepreis nicht nur berücksichtigt, dass es sich bei der dort ausgefallenen Reise um eine hochwertige und attraktive Kreuzfahrt gehandelt hatte, sondern auch, dass die dortige Beklagte die Reise sehr kurzfristig, nämlich drei Tage vor dem geplanten Beginn, abgesagt und es dadurch der dortigen Klägerin und ihrem Ehemann zusätzlich erschwert hatte, eine sie ansprechende anderweitige Nutzung der vorgesehenen Reisezeit zu finden. Gleichzeitig hatte es in den Blick genommen, dass mit dem völligen Ausfall der Reise zwar die Erwartungen der Reisenden enttäuscht worden sind, diese damit aber über ihre Zeit frei verfügen konnten (BGH, a.a.O. Rn. 20).
c) Die in der Klageerwiderung (Seite 2, Bl. 21 d. A.) geäußerte und im Kern auch in der Berufungserwiderung wiederholte Auffassung der Beklagten, der Bundesgerichtshof halte gleichsam regelmäßig im Falle der vollständigen Vereitelung einer Reise eine Entschädigung in Höhe von (nur) 50 % des Reisepreises für angemessen, ist falsch. Der Bundesgerichtshof beanstandete in dem von der Beklagten in Bezug genommenen Urteil vom 11. Januar 2005 (X ZR 118/03, juris Rn. 26 ff., 31; „Malediven-Urteil“) die vom dortigen Berufungsgericht, dem im vorliegenden Streitfall erstinstanzlich zuständig gewesenen Landgericht Hannover, in dieser Höhe zuerkannte Entschädigung durchaus nicht. Es bestand allerdings auch weder Anlass noch – mit Rücksicht auf § 308 ZPO – Gelegenheit, eine wesentlich höhere Entschädigung in Erwägung zu ziehen, weil die dortigen Kläger überhaupt nur weniger als die Hälfte des Reisepreises als Entschädigung geltend gemacht hatten (BGH, a.a.O., Rn. 2; vgl. auch Führich, Reiserecht, 7. Aufl., § 11 Rn. 65). Auch aus dem bereits mehrfach erwähnten jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2018 (a.a.O., Rn. 17 ff.) ergibt sich entgegen den Ausführungen in der Berufungserwiderung nicht, dass der Bundesgerichtshof gleichsam von einer Regelgrenze von 50 % bei Vereitelung der Reise ausgeht.
d) Von dem unter a) dargestellten rechtlichen Maßstab ist danach bei der Beurteilung des vorliegenden Falls auszugehen. Der Senat selbst hatte einem Reisenden wegen vollständiger Vereitelung der Reise in seinem Urteil vom 19. September 2002 (11 U 1/02, juris Rn. 21 ff.) eine Entschädigung in Höhe von knapp zwei Dritteln des Reisepreises zuerkannt. Bei der Bemessung der Entschädigungshöhe berücksichtigte der Senat neben der Höhe des Reisepreises und dem Lebens- und Vermögenszuschnitt des dortigen Klägers unter anderem auch, dass die dortige Beklagte ihrerseits nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie ihren Reisen zu Grunde legte, für den Fall der Stornierung durch den Reisenden ohne berechtigende Gründe in der Zeit von ein bis sieben Tagen vor Antritt der Reise, 65 % des Reisepreises vom Reisenden verlangte. Bei seinen Überlegungen berücksichtige der Senat schließlich, dass die Reisenden die nicht näher nachvollziehbare Verweigerung der vertraglich geschuldeten Leistung durch die dortige Beklagte hinnehmen mussten, nachdem die dortige Beklagte durch Übermittlung der Reiseunterlagen noch vier Tage vor dem Reiseantritt nochmals bekräftigt hatte, die geschuldete Reise durchführen zu wollen.
e) Der vorliegende Fall unterscheidet sich von demjenigen, welcher dem Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr zur Entscheidung (a.a.O.) vorlag, nicht allzu sehr. Auch im Streitfall hatte der Kläger eine hochwertige Reise („Robinson Club“, Vollpension, Reisepreis zunächst 7.008 € für vier Personen bei gerade einmal sieben Tagen Reisezeit) gebucht. Im Streitfall wurde der Kläger sogar erst am Vortag der Reise vom Reisebüro über mögliche Probleme mit dem Hinflug informiert, von der Telefonauskunft der Beklagten aber dennoch auf ausdrückliche Nachfrage aufgefordert – mitten in der Nacht – am Flughafen zu erscheinen. Erst dort erfuhr der Kläger über die Anzeigetafel vom Ausfall des Flugs und der kurzfristigen Kündigung des gesamten Reisevertrags seitens der Beklagten. Nachdem der Kläger sogleich über das Reisebüro eine gleichwertige Ersatzreise (nunmehr zwei Reisetage mehr, Reisepreis nunmehr sogar 8.916 €) gebucht hatte, begab er sich mit seiner Familie zwei Tage später erneut zum Flughafen und erfuhr – wiederum erst dort –, dass auch diese Reise wegen Überbuchung des Fluges nicht stattfinden konnte. All dies ist unstreitig.
Damit liegen zwei Umstände, die einen über 50 % des Reisepreises hinausgehenden Entschädigungsbetrag rechtfertigen, auch im Streitfall vor, nämlich die Hochwertigkeit der Reise und eine – hier sogar besonders ausgeprägte – Kurzfristigkeit der zweimaligen Absage, die eine anderweitige sinnvolle Planung für die Nutzung der Urlaubszeit in besonderer Weise erschwerte.
Hinzu treten weitere Umstände: Das Verhalten der Beklagten, den Kläger samt Familie gleich zweimal, davon einmal mitten in der Nacht, gleichsam „auf gut Glück“ zum Flughafen anreisen zu lassen, ist aus der Sicht des Senats inakzeptabel. Die Beklagte behandelte den Kläger und seine Familie auf diese Weise gleichsam wie eine für sie frei verfügbare Verschiebemasse, nicht wie rechtlich ihr gleichgeordnete Kunden. Das gilt zumal unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger sich am Vortag der Reise sogar noch ausdrücklich bei der Beklagten erkundigte, ob die Reise stattfinde. Danach bestand für die Beklagte alle Veranlassung, von sich aus alles zu tun, um rechtzeitig Kontakt zu dem Kläger aufzunehmen und ihn von der Kündigung in Kenntnis zu setzen. Auch diese Umstände sind im ersten Rechtszug im Übrigen unstreitig gewesen. Gleiches gilt für die Behauptung des Klägers, dass die vereitelte Reise die letzte habe sein sollen, bei der seine beiden erwachsenen Kinder noch einmal mit den Eltern verreisen wollten. Die Behauptung hat der Kläger bereits in der Klageschrift (auf Seite 5) vorgetragen und in seiner Replik vom 7. Februar 2018 (Bl. 25 d. A.) wiederholt. Die Beklagte hat zu dieser Behauptung keine Erklärung abgegeben, weder in ihrer Klageerwiderung noch in ihrer Duplik vom 14. März 2018 (Bl. 31 f. d. A.) noch in ihrer Berufungserwiderung. Ausgehend von dem Alter der Kinder und dem Üblichen ist die Behauptung auch keineswegs unplausibel. Dieser Umstand verlieh der vereitelten Reise sicherlich nicht die gleiche Einzigartigkeit wie etwa einer Hochzeitsreise oder einer einmaligen Weltreise. Er hob sie aber gegenüber einem normalen Badeurlaub andererseits durchaus hervor. Das gilt zumal, weil die Tochter des Klägers am ursprünglich geplanten Abreisetag ihren 21. Geburtstag feierte, der durch den an diesem Tag erfolgten ersten Fehlschlag und die sich daraus ergebende Veranlassung zur Buchung einer Ersatzreise – im Vergleich zur ursprünglichen Planung – in besonderer Weise beeinträchtigt worden sein muss.
Entgegen den Ausführungen in der Berufungserwiderung ist nicht zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass der Kläger und seine Familie ihre Urlaubszeit womöglich in einem überdurchschnittlich anspruchsvollen Heim verbringen konnten. Dem Umstand, dass der Reisende im Allgemeinen zu Hause ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes Umfeld zur Verfügung hat, trägt die höchstrichterliche Rechtsprechung schon Rechnung, indem sie im Grundsatz davon ausgeht, dass die Entschädigung geringer zu bemessen ist, wenn der Reisende die Reise erst gar nicht antreten kann. Eine noch weitergehende Berücksichtigung dieses Umstandes je nach Zuschnitt der heimischen Wohnung ist nicht angemessen. Die Entschädigung gemäß § 651f Abs. 2 BGB (a.F.) dient – wie bereits ausgeführt – in erster Linie dem Ausgleich des Nachteils, dass der Reisende seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte wie mit dem Veranstalter vereinbart. Deshalb muss vorrangig in den Blick genommen werden, welchen Komfort (oder sonstige die gebuchte Reise bestimmende Erlebnisse) der Reisende durch den Nichtantritt eingebüßt hat, nicht hingegen, welche Annehmlichkeiten sein Alltag ohnehin schon bietet. Im Übrigen müsste die Beklagte konsequenterweise einem Reisenden, der sich hinsichtlich seiner heimischen Wohnung besonders bescheidet bzw. bescheiden muss, eine den Reisepreis übersteigende Entschädigung zukommen lassen, wenn die von ihm gebuchte Reise abgesagt wird. Der Senat bezweifelt sehr, dass die Beklagte dazu bereit wäre.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände dürfte ein Entschädigungsbetrag im Bereich von 85 % des Reisepreises angemessen sein. Abzüglich der von der
Beklagten bereits gezahlten Entschädigung bestünde dann ein Anspruch in Höhe von noch 3.120,60 €.
2. Die Klage dürfte demgegenüber unschlüssig sein, soweit der Kläger den Ersatz derjenigen Kosten beansprucht, die er aufzuwenden hatte, um einen Vertreter für das von ihm betriebene Notariat anzustellen. Der Kläger behauptet insoweit Kosten in Höhe von 5.000 €.
a) Gemäß § 651f Abs. 1 BGB (a. F.) kann der Reisende im Falle eines Reisemangels „unbeschadet der Minderung oder der Kündigung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen“. Der Reisende hat also nach dem Wortlaut der Anspruchsnorm einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als wenn der Reiseveranstalter die Reise ordnungsgemäß erbracht hätte (sog. positives Interesse, vgl. Ansgar Staudinger in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2016, § 651f Rn. 39). Die behaupteten Kosten des Notariatsvertreters wären dem Kläger auch dann entstanden, wenn die Beklagte den Reisevertrag nicht gekündigt, sondern die ihr obliegenden Leistungen vertragsgemäß erbracht hätte.
b) Allerdings sollte der Schadensersatzanspruch gemäß § 651f Abs. 1 BGB (a. F.) nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers auch sog. Begleitschäden umfassen, also nutzlose Aufwendungen, die der Reisende gerade im Hinblick auf die Reise macht (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 1984 – VII ZR 325/83, juris Rn. 11 m.w.N.; BT-Drucks. 8/2343 Seite 10). Die Instanzrechtsprechung hat Reisenden daher auch durchaus Schadensersatz gemäß § 651f Abs. 1 BGB (a.F.) für nutzlose Aufwendungen zugesprochen. Das betraf, soweit ersichtlich, bislang allerdings lediglich Begleitschäden von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung, etwa unnötige Anreise- oder Impfkosten (vgl. etwa LG Bremen, Urteil vom 11. September 2001 – 1 O 1335/01, RRa 2001, 245; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. Mai 1997 – 18 U 142/96, NJW-RR 1998, 53 f.).
c) Der Senat hat indes durchgreifende Zweifel, ob es sich bei den geltend gemachten Kosten des Notarvertreters überhaupt um eine Aufwendung handelt, die der Kläger gerade im Hinblick auf die geplante Reise machte und die wegen deren Ausfalls nutzlos wurde. Impf- oder Anreisekosten, welche die Rechtsprechung, wie ausgeführt, bislang zuerkannt hat, nimmt der Reisende ersichtlich ausschließlich in Kauf, um die geplante Reise durchführen zu können. Einen anderen Zweck haben sie nicht; hätte der Reisende etwa seine Urlaubsreise nicht mit dem Flugzeug antreten wollen, hätte er nicht zum Flughafen anreisen müssen. Fällt die Reise kurzfristig aus, ist der Zweck dieser Aufwendungen tatsächlich entfallen.
Demgegenüber dient die – im Übrigen fakultative, vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 BNotO – Bestellung eines Vertreters gemäß § 39 Abs. 1 BNotO zunächst einmal nur dazu, dem Notar überhaupt eine Abwesenheit von seinem Amtssitz oder die Nichtausübung seines Amtes („Verhinderung“) zu ermöglichen. Abgesehen von dem Fall der Erkrankung des Notars geht es insoweit um die Ermöglichung längeren Erholungsurlaubs (vgl. Schippel/Bracker/Schäfer, BNotO, 9. Aufl., § 38 Rn. 3). Erholungsurlaub ist allerdings nicht allein deshalb wertlos, weil er womöglich nicht zu einer Fernreise genutzt wird. Es gibt durchaus etliche Zeitgenossen, die ihren Urlaub – vollständig oder anteilig – freiwillig zu Hause oder mit Kurzreisen verbringen. Diesen Aspekt hat ersichtlich auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 29. Mai 2018 (a.a.O., Rn. 20) im Blick gehabt. Diese Möglichkeit verblieb dem Kläger trotz des Ausfalls der Reise. Folglich waren die behaupteten Aufwendungen für den Notariatsvertreter nicht fehlgeschlagen. Der Umstand, dass der Kläger den ihm zur Verfügung stehenden Erholungsurlaub nicht nach seinen ursprünglichen Vorstellungen nutzen konnte, sondern seine Erholung in anderer Weise finden musste, wird bereits durch die von der Beklagten gemäß § 651f Abs. 2 BGB (a. F.) zu leistende Entschädigung abgegolten.
d) Die rechtliche Beurteilung veränderte sich allerdings im Ergebnis auch dann nicht, wenn die behaupteten Aufwendungen für den Notariatsvertreter entgegen der im Vorstehenden unter c) mitgeteilten Auffassung des Senats wegen des Ausfalls der bei der Beklagten gebuchten Reise als nutzlos anzusehen wären.
Es muss wohl davon ausgegangen werden, dass der Reformgesetzgeber der Schuldrechtsreform im Jahr 2001 – stillschweigend – an dem früheren Plan festgehalten hat, mit § 651f Abs. 1 BGB eine umfassende Norm für den Ersatz gleichermaßen von echten Schäden wie von Aufwendungen zu schaffen (vgl. dazu ausführlich Ansgar Staudinger a.a.O.). Selbst unter dieser Voraussetzung erscheint es allerdings geboten, die im Zuge der Schuldrechtsreform neu geschaffene – unmittelbar nicht anwendbare – Vorschrift des § 284 BGB jedenfalls entsprechend zu berücksichtigen. Sie enthält eine grundlegende Wertung für die Geltendmachung vergeblicher Aufwendungen zu ideellen Zwecken. Gemäß § 284 BGB kann der Gläubiger Ersatz solcher ideellen Aufwendungen nur „anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung“, also nur anstelle des positiven Interesses verlangen.
Im Streitfall erscheint dem Senat die Notwendigkeit einer entsprechenden Anwendung der Norm, jedenfalls mit Rücksicht auf den Grundsatz von Treu- und Glauben (§ 242 BGB), auf der Hand zu liegen. Andernfalls würde der Kläger im wirtschaftlichen Ergebnis bessergestellt als im Falle der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung. Dann hätte er die behaupteten Aufwendungen für seinen beruflichen Vertreter zu tragen gehabt, im Gegenzug aber seinen Urlaub entsprechend seinen ursprünglichen Vorstellungen genießen können. Obsiegte der Kläger im vorliegenden Prozess vollständig, würde ihm zum einen die von der Beklagten aufgezwungene Änderung seiner Urlaubspläne in Gestalt der Entschädigung gemäß § 651f Abs. 2 BGB (a.F.) vergolten; er würde also mehr oder minder – der Senat berücksichtigt durchaus, dass sich entgangener Urlaubsgenuss mit Geld nur begrenzt aufwiegen lässt – so gestellt, als wenn er den Urlaub wie geplant hätte verbringen können. Dennoch müsste ihm die Beklagte – zum zweiten – die Aufwendungen für seinen beruflichen Vertreter ersetzen. Für eine derartige Überkompensation besteht keine Veranlassung.
Gegen eine solche Beurteilung spricht nachhaltig auch, dass der Gesetzgeber eine der Auffassung des Senats entsprechende Klarstellung jüngst in dem Dritten Gesetz zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften mit Wirkung zum 1. Januar 2018 ausdrücklich vorgenommen und damit die dargestellten Bedenken ausdrücklich berücksichtigt hat (vgl. BT-Drucks. 18/10822, Seite 84). Gemäß § 651i Abs. 3 Nr. 7 BGB (n.F.) kann der Reisende nach § 651 n BGB (n.F.) Schadensersatz oder nach § 284 BGB Ersatz vergeblicher (ideeller) Aufwendungen verlangen (Unterstreichung durch den Senat). Er kann mithin gerade nicht, wie es sich der Kläger vorstellt, beides beanspruchen.
e) Im Übrigen dürfte die Schadensposition der Höhe nach nicht schlüssig dargelegt worden sein. Ein Notarvertreter übt das Amt auf Rechnung des Vertretenen aus. Diesem allein stehen daher die aus der Tätigkeit des Vertreters erwachsenden Gebühren zu (Schippel/Bracker/Schäfer a.a.O., § 41 Rn. 2). Deshalb müsste sich der Kläger, stellten die behauptete Aufwendungen für den Vertreter einen von der Beklagten zu ersetzenden Schaden dar, die ihm aufgrund der Vertretertätigkeit zugeflossenen Einkünfte als Vorteil anrechnen lassen. Sie beruhten gerade darauf, dass der Vertreter die Notaraufgaben als Gegenleistung für die behauptete Vergütung fortführte. Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 20. November 2018 (Bl. 47 d. A.) vorgetragen, sein Vertreter habe 112 Beurkundungsvorgänge durchgeführt. Die dadurch erzielten Gebühren hat er aber nicht vorgetragen. Aus der als Anlage K 12 auszugsweise vorgelegten Urkundenrolle ergibt sich allerdings immerhin, dass die Mehrzahl der Beurkundungen Grundstücksgeschäfte betraf. Das legt – selbst bei äußerst zurückhaltender Schätzung – die Vermutung nahe, dass bei diesen Beurkundungen Gebühren von jeweils mehr als 100 € entstanden. Wenn diese Vermutung bei auch nur der Hälfte der vom Vertreter beurkundeten Geschäften zuträfe, würden die erzielten Vorteile die behaupteten Aufwendungen bereits übersteigen.
Das Landgericht hat auf diesen Aspekt bereits auf Seite 6 f. des angefochtenen Urteils – hilfsweise – abgestellt. Der Kläger setzt sich damit in seiner Berufungsbegründung entgegen § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht auseinander.
3. Das Landgericht hat die Klage (auch) im Hinblick auf die Schadensposition „Koffer des Sohnes“ in Höhe von 40 € abgewiesen. Da sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung zur Abweisung dieser Schadensposition nicht verhält, ist die Berufung mangels Begründung insoweit gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3, § 522 Abs. 1 ZPO unzulässig. Gleiches gilt, soweit das Landgericht den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abgewiesen hat. Das Landgericht hat hierzu eine eigene Begründung gegeben. Auch diese hat der Kläger in seiner Berufungsbegründung nicht angegriffen.
III.
Der Senat schlägt den Parteien auf der Grundlage der vorstehenden Überlegungen vor, den Rechtsstreit durch den Abschluss eines Vergleichs mit dem nachfolgenden Inhalt beizulegen:
1. Die Beklagte zahlt – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – an den Kläger 3.160,60 € (3.120,60 € weitere Entschädigung, 40 € Taxikosten gemäß erstinstanzlicher Verurteilung) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. November 2016.
2. Mit dieser Zahlung sind alle etwaigen Ansprüche des Klägers und seiner Ehefrau sowie der beiden gemeinsamen Kinder wegen der Vereitelung der bei der Beklagten gebuchten Reise nach Kos im Oktober 2016 abgegolten.
3. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs tragen der Kläger zu drei Vierteln und die Beklagte zu einem Viertel.
Die Parteien werden gebeten, eine etwaige Zustimmung zu diesem Vorschlag binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweisbeschlusses mitzuteilen. Der Vergleich würde dann gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt.
Für den Fall, dass ein Vergleich nicht geschlossen werden können sollte, mögen die Parteien binnen derselben Frist mitteilen, ob im schriftlichen Verfahren (§ 128 Abs. 2 ZPO) entschieden werden kann. Da sich ausschließlich Rechtsfragen stellen dürften, erscheint dem Senat eine mündliche Verhandlung entbehrlich.