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Schadensersatzpflicht einer Bank bei falschen telefonischen Auskünften (hier Online-Banking)

LANDGERICHT ITZEHOE – Az.: 6 O 396/00 – Verkündet am: 22.03.2001


In dem Rechtsstreit gegen die C Bank AG hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe auf die mündliche Verhandlung vom15. Februar 2001 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.118,52 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.07.2000 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist ein in Quickborn ansässiges Bankinstitut, das sich mit der Abwicklung von Bank- und insbesondere Börsengeschäften per Telefon und über Internet (online) beschäftigt. Der Kläger ist Kunde der Beklagten und unterhält bei ihr ein Wertpapierdepot, auf das er über Internet Geschäfte abwickelt. Der Kläger hatte im April 2000 in seinem Depot einen Bestand von 3.539 Stück Fondsanteilen „DIT-Wachstum Europa Anteile“ im Wert von rund 300.000 DM. Am 13. April 2000 führte der Kläger mit dem hierfür zuständigen Mitarbeiter der Beklagten ein Telefongespräch. Er hatte zugleich die entsprechende Internetseite der Beklagten, über die er die Depotgeschäfte online führen konnte, aufgerufen. Auf dieser ergab sich, daß der „Kurs“ (= Rückkaufswert) dieser Anteile am Vortag, dem 12. April 2000, einen Wert von 83,79 per Stück betrug. Der Kläger erkundigte sich in dem Gespräch bei dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten, wie der Verkauf der Anteile vonstatten gehe. Es ging ihm darum, ob er die Anteile noch zu dem am Abend des Vortages gebildeten Kurs verkaufen könne, oder ob er den am 13. abends zu erwartenden Kurs erhalten würde. Der Mitarbeiter der Beklagten antwortete daraufhin, daß dies eine gute Frage sei, in der Regel jedoch zu dem aktuellsten Kurs abgerechnet würde. Dies hänge jedoch davon ab, wann die Order aufgegeben werde. Bei einer sofortigen Erteilung werde der Kläger noch den Kurs von gestern, mithin den Kurs vom 12. April 2000, erhalten. Auf die Frage des Klägers, ob sich der Mitarbeiter hundertprozentig sicher sei, wurde dies bejaht, verbunden mit dem Hinweis, daß dies bei Aufgabe der Order bis 10.15 Uhr so sei. Danach werde ein neuer Kurs genommen, dann würde der Kläger den Kurs von morgen bekommen. Auf Nachfrage des Klägers nach dem Verlauf in diesem Fall wies er darauf hin, daß es auch möglich sei, daß ein Fondrückkauf erst am nächsten Tag ausgeführt werde, mithin praktisch zwei Tage nach Orderaufgabe. Unstreitig waren beide Auskünfte falsch. Vielmehr wird bei dem fraglichen Fond der Rückkaufspreis täglich nachmittags für alle zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Aufträge gebildet nach dem Wert des Fonds, der sich aus dem Tageskurs der im Fondvermögen enthaltenen Anteile ergibt.

Der Kläger erläuterte daraufhin, daß sein Fonds falle, so daß es schlau wäre, diesen noch heute zum alten Kurs zu verkaufen. Nur hänge dies davon ab, denn wenn die Fondsgesellschaft zwei Tage für die Abwicklung brauche, wäre der Effekt ein bißchen weg. Dies bestätigte der Mitarbeiter der Beklagten, woraufhin der Kläger ihn fragte, ob er hier etwas Verbindliches sagen könnte. Dies verneinte der Mitarbeiter der Beklagten. Der Kläger fragte dann noch einmal, ob grundsätzlich die Geschichte mit 10.15 Uhr gelte. Der Mitarbeiter der Beklagten erwiderte, daß es so zwischen 10.00 Uhr und 10.30 Uhr der Fall sei, so daß man die Mitte, mithin etwa 10.15 Uhr nehmen würde. Der Kläger meinte daraufhin: „Dann versuchen wir es einmal“, er klickte sogleich auf der Internetseite auf die entsprechende Verkaufsorder und machte anschließend die erforderlichen Angaben zur verbindlichen Übermittlung des Verkaufsauftrages (Eingabe von PIN und TAN). Die Entgegennahme des Verkaufsauftrages zum vorläufig ausmachenden Betrag von insgesamt 579.967,77 DM entsprechend 83,79 pro Stück wurde dem Kläger zugleich online wie auch später schriftlich bestätigt.

Die Beklagte führte das Geschäft sodann am selben Tag zu dem für diesen Tag ermittelten Rücknahmepreis von 80,44 pro Stück durch und rechnete gegenüber dem dementsprechend mit einem um 23.118,52 DM niedrigeren Betrag ab. Auf Reklamation des Klägers räumte die Beklagte zwar die Fehlerhaftigkeit ihrer Auskünfte ein, lehnte jedoch jegliche Schadensersatzansprüche ab.

Mit der Klage macht der Kläger Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem angegebenen und dem tatsächlich abgerechneten Wert geltend.

Er behauptet, er hätte bei zutreffender Auskunft im Hinblick darauf, daß der Kurs der im Fond enthaltenen Wertpapiere am Sinken war, die Order nicht erteilt, sondern vielmehr das Kurstief ausgesessen und den Verkaufsauftrag zu einem späteren Zeitpunkt, frühestens am 30. April 2000 erteilt. In der Folgezeit hätten sich mehrere Gelegenheiten ergeben, mindestens den Verkaufserlös von 83,79, zeitweilig auch einen höheren Verkaufserlös zu erzielen. Er weist hierzu auf die von ihm eingereichte Kursdarstellung der Fondsanteile mit dem Kursverlauf für die Zeit von Februar 2000 bis Juli 2000 (Anlage K 4).

Der Kläger ist der Ansicht, zwischen den Parteien bestehe ein Beratungsvertrag. Die Beklagte schulde ihm positiver Vertragsverletzung des Beratungsvertrages Schadensersatz.

Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 23.118,52 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.07.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie stellt in Abrede, daß der Kläger die Anteile nur bei einem Kurs von mindestens 83,00 verkaufen wollte. Dem Kläger sei auch nicht zugesichert worden, daß dieser Kurs bei der Abrechnung zugrunde gelegt werde. Vielmehr sei er darauf hingewiesen worden, daß eine Abrechnung auch bis zu zwei Tage später nach Orderaufgabe erfolgen könne, wie sich dies aus der „Basisinformation für Wertpapiervermögensanlagen“ entnehmen lasse. Daß der Kläger auf die Zusage nicht vertraut habe, ergebe sich auch daraus, daß er am Schluß des Gespräches erklärt habe, er werde es dann einmal versuchen. Die Beklagte bestreitet, daß dem Kläger ein Schaden entstanden sei, vielmehr seien die zukünftigen Kurse nicht vorhersehbar. Der Kläger hätte daher nicht wissen können, ob sich der Kurs wieder nach oben entwickelt oder, wie es sich aus dem von ihr eingereichten Kursverlauf ergebe, weiter kontinuierlich nach unten. Dementsprechend hätte er zu keinem Zeitpunkt definitive Gewißheit gehabt, den von ihm behaupteten Kurs von 83,00 jemals erzielen zu können. Er habe keinen Anspruch, so gestellt zu werden, als wenn er den Kurs von 83,79 erzielt hätte.

Das Gericht hat Beweis erhoben über den Inhalt und Hergang des fraglichen Telefongespräches durch Abhörung der von der Beklagten gefertigten Tonbandaufzeichnung.

Zum weiteren Vorbringen wird Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die Beklagte haftet auf Ersatz des Schadens, den der Kläger daraus erlitten hat, daß der Verkauf seiner Fondsanteile statt 296.532,81 nur einen Gesamterlös von 284.677,16 erbrachte. Dabei kann offen bleiben, ob zwischen den Parteien neben dem Vertrag über die Durchführung von Bankgeschäften, insbesondere Wertpapiergeschäften, ein selbständiger Beratungsvertrag besteht. Denn die Beklagte haftet jedenfalls aus positiver Forderungsverletzung einer vertraglichen Nebenpflicht des zwischen den Parteien bestehenden Vertrages über die Verwahrung von Wertpapieren und die Abwicklung von Depotgeschäften. Denn eine Bank, die für den Kunden Depots führt und Wertpapiergeschäfte abwickelt, trifft jedenfalls die Nebenpflicht, den Kunden über die Abwicklung und den Verlauf der Geschäfte zutreffend zu informieren, insbesondere insoweit, als dies für den Kauf- oder Verkaufsentschluss des Kunden von Belang ist. Soweit die Beklagte offenbar meint, dem Bankkunden keine Beratung bei den Depotgeschäften zu schulden, so geht dies fehl. Vorliegend geht es nämlich allein darum, den Kunden über die technische Abwicklung seiner Aufträge zutreffend zu informieren, nicht aber um die inhaltliche Beratung bezüglich der beabsichtigten Wertpapierkäufe. Die Pflicht, über technische Abläufe zutreffend zu informieren, stellt die Beklagte auch selbst nicht in Abrede.

Diese Pflicht hat die Beklagte durch ihren zuständigen Telefonmitarbeiter unstreitig verletzt. Denn die erteilten Auskünfte waren in wesentlichen Punkten falsch. Aufgrund der Beweisaufnahme steht fest, daß der zuständige Mitarbeiter der Beklagten den Kläger unzutreffend dahin informiert hat, daß dieser bei einer Auftragserteilung vor 10:15 Uhr, wie es hier der Fall war, sicher sein könne, den Vortageskurs von 83,79 zu erlösen. Denn die Abhörung des fraglichen Telefongespräches im Zusammenhang und insbesondere auch in Betonung und Wortwahl ergab, daß der Mitarbeiter unbestimmte Angaben lediglich machen wollte, soweit es eine Auftragserteilung nach 10:15 Uhr desselben Tages betraf, während der Kläger auf die Antwort des Mitarbeiters der Beklagten am Schluß des Gespräches nur den Schluß ziehen konnte und mußte, daß andererseits die Erzielung des Vortagserlöses bei Auftragserteilung vor 10:15 Uhr sicher sei. Soweit die Beklagte meint, der Kläger habe dies nicht so verstanden, wie sich schon aus seiner Äußerung, er wolle es mal versuchen, ergebe, so geht das fehl. Der Kläger hat dies im Termin dahin erläutert, daß er mit dem Begriff „versuchen“ lediglich die technische Abwicklung gemeint habe. Er hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß die technische Durchführung einer Order über Internet keineswegs immer unproblematisch verläuft und gesichert ist, sondern vielmehr noch Risiken hinsichtlich der richtigen Eingabe von PIN und TAN hier wohl nur noch TAN) und der Absendung des Auftrages ohne Unterbrechung bedarf. Das Gericht hält diesen Vortrag aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers und der Abhörung des fraglichen Bandes für erwiesen. Insbesondere die Abhörung des Bandes ergab, daß nach dem Tonfall der Äußerung der Versuch keineswegs als solcher sondern vielmehr als Redensart gemeint war.

Das Gericht hält auch mit dem für die Beweisführung erforderlichen Ausmaß der Gewißheit (§ 287 ZPO) für erwiesen, daß dem Kläger ein entsprechender Schaden entstanden ist. Dabei hält das Gericht für erwiesen, daß der Kläger am fraglichen Tag die Verkaufsorder bei zutreffender Auskunft über die Abwicklung nicht erteilt hätte. Das Gericht hält aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers den diesbezüglichen Vortrag für zutreffend. Er wird auch durch den Verlauf des fraglichen Telefongesprächs bestätigt. Denn aus dem Telefongespräch ergibt sich, daß der Kläger einesteils über den Kursverlauf der Anteile (d h. den Verlauf des Rückkaufpreises) wie auch die erwartende Entwicklung des Kursverlaufes nach unten informiert war und gerade im Hinblick auf den negativen Kursverlauf Gewißheit über den maßgeblichen Kurs haben wollte. Zudem hat der Kläger unstreitig mit den fraglichen Papieren nicht kurzfristig spekuliert, sondern diese länger im Bestand gehabt. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, daß der Kläger nicht, wie er vorträgt, weitere Kurstiefs „ausgesessen hätte“. Das Gericht hält auch für erwiesen, daß der Kläger jedenfalls den Kurs von 83,79 hätte später erzielen können. Denn nach dem von ihm vorgelegten Verlauf hat es in der Folgezeit zwar zunächst Mitte April ein Kurstief von bis zu 75 gegeben, sodann aber ein weiteres Kurshoch, während dessen der Kläger für etwa 14 Tage zwischen Ende April und Mitte Mai einen Preis deutlich über dem von 83,79 hätte erzielen können. Auch den von der Beklagten unvollständig vorgelegten Listen über den Kursverlauf ist zu entnehmen, daß der Kläger jedenfalls ab 26. April 2000 einen deutlich über dem fraglichen Kurs liegenden Erlös hätte erzielen können. Angesichts dessen, daß der Kläger den Kursverlauf ersichtlich beobachtet hatte, hält das Gericht es demzufolge auch für erwiesen, daß der Kläger diese Zeitpunkte tatsächlich genutzt hätte.

Nach allem war die Beklagte mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO antragsgemäß zu verurteilen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

 

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