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Falschauspreisung im Internet – Kaufvertragsschluss

AG Fürth (Bayern)

Az: 310 C 2349/08

Urteil vom 11.08.2009


I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 2 Flachbildschirme der Fa. mit der Bestellnummer 435097N Zug um Zug gegen Zahlung von 419,93 Euro zu der im Rubrum bezeichneten Adresse zu liefern und ihr daran Eigentum zu verschaffen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 402,82 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5500.– € vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 3600.– € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Erfüllungsansprüche aufgrund einer Reaktion der Klägerin auf ein Internetangebot der Beklagten. In einer Internet-Anzeige vom 25.9.2007 in der „…-Angebote wie noch nie“, „sensationelle Angebote und Festtags-Attraktionen“ angekündigt waren, hatte die Beklagte das im Rubrum bezeichnete Fernsehgerät zu einem Preis von 199,99 Euro annonciert und dazu vermerkt, dass der Preis in 12 Monatsraten á 17,91 Euro bezahlt werden könne. Diese Preiseingabe erfolgte versehentlich, es sollte ein Verkaufspreis von 1.999,99 Euro eingegeben werden, der noch am gleichen Tag bemerkte Fehler konnte jedoch erst am 26.9.2007 korrigiert werden. Der Ratenzahlungsaufschlag betrug 14,93 Euro. Die Klägerin bestellte bei der Beklagten am 25.9.2007 2 der angepreisten Bildschirme zu einem Preis von insgesamt 419,93 Euro, wobei Versandspesen und Zusatzgebühr für sperrige und schwere Artikel mit berücksichtigt waren. Bei Aufgabe der Bestellung erhielt die Klägerin von der Beklagten per E-Mail Nachricht, wonach sich die Beklagte für die Bestellung bedankte und den Gesamtwert der Artikel, Versandspesen etc. wiederholte. Unter dem 27.9.2007 schrieb die Beklagte die Klägerin an und teilte ihr mit, dass die Auslieferung des Kaufgegenstandes wegen eines kreditorischen Risikos nur möglich sei, wenn die Klägerin eine Anzahlung in Höhe von 120 Euro leistet. Die Klägerin hat den gesamten Warenwert an die Beklagte bezahlt, diesen jedoch inzwischen zurückerhalten. Die Aufforderung des Bevollmächtigten der Klägerin, die Fernsehgeräte auszuliefern, hat die Beklagte mit Schreiben vom 17.9.2008 abgelehnt. Der Klägerin sind Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 402,82 Euro vorgerichtlich angefallen.

Die Klägerin meint, es sei von einem wirksamen Kaufvertrag zwischen ihr und der Beklagten auszugehen. Die Beklagte habe die Veräußerung von Restposten zu einem möglichst niedrigen Preis durchführen wollen. Die E-Mail der Beklagten vom 25.9.2007 sei keine typische Mitteilung im Auto-Replay, sondern eine Annahmeerklärung mit der Aufforderung zur Zahlung einer Anzahlung. Mit der Leistung der Anzahlung habe die Klägerin das Angebot der Beklagten angenommen. Der Irrtum der Beklagten sei die Absendung der mail vom 25.9.2007 und bei dem Schreiben vom 27.9.2007 bereits bekannt gewesen, so dass kein Erklärungsirrtum vorgelegen habe. Die Beklagte hätte ihr EDV-System sofort ganz herunterfahren können. Ein Schreiben der Beklagten vom 8.10.2007 habe sie nicht erhalten. Dieses Schreiben könne auch nicht als Anfechtungserklärung angesehen werden und es sei nicht unverzüglich abgefasst worden. In diesem Schreiben sei die Anfechtung nicht erwähnt. Bereits am 26. oder 27.9.2007 sei die Zeugin … von der Geschäftsleitung damit beauftragt worden, den „Anfechtungsbrief“ zu entwerfen und in die EDV einzustellen. Die Beklagte habe nur dann ohne schuldhaftes Zögern gehandelt, wenn der Brief innerhalb von 4 bis 5 Tagen verschickt worden wäre.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 2 Flachbildschirme der Fa. mit der Bestellnummer 435097N Zug um Zug gegen Zahlung von 419,93 Euro zu der im Rubrum bezeichneten Adresse zu liefern und ihr daran Eigentum zu verschaffen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 402,82 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Sie behauptet, Hintergrund des Schreibens vom 27.9.2007 sei der Umstand, dass die Beklagte ein automatisiertes Kreditprüfungsverfahren betreibe, das in der Sachbearbeitung keinerlei Einfluss von Menschen unterliege. Das Programm arbeite autonom. Die automatisierten Schritte dieses Programms sei noch vollständig vom Irrtum bei der Einstellung des Warenpreises getragen gewesen. Mit Schreiben vom 8.10.2007 habe sie vorsorglich ihr Angebot angefochten. Ein Kaufvertrag sei nicht zustande gekommen, jedenfalls durch Anfechtung erloschen. Sobald ein Schreiben wie das vom 27.9.2007 versandt werde, sortierte das EDV-System der Beklagten diese Bestellung auf der Extraschiene „Kreditprüfung“. Solange es sich in dieser Warteposition „Kreditprüfung“ befinde, könne auf die Bestellung auch nicht EDV-mäßig Zugriff genommen werden. Die Bestellung befinde sich solange in Warteschleife, bis der angeforderte Anzahlbetrag auf dem Kundenkonto der Beklagten gutgeschrieben werden. Erst dann könne die Bestellung von der Buchhaltung freigegeben und zur weiteren Bearbeitung in der nicht automatisierten Kreditprüfung verwendet werden. Vorliegend hätten daher die Mitarbeiter der Kreditprüfung warten müssen, bis die einzelnen LCD-Bestellungen, die sich in der Warteschleife befunden hätten, aus dieser herausgetröpfelt seien. Danach seien diese Bestellungen händisch aussortiert und bildlich auf einen Schreibtisch eines Sachbearbeiters gelegt worden. Dieser habe dann eine nochmalige Prüfung übernehmen müssen, um danach die jeweiligen Anfechtungsschreiben anzustoßen. Aufgrund des riesigen Bestelleinganges von mehreren tausend Fernsehgeräten sei es daher insgesamt nicht möglich gewesen, eine zeitnahe Bearbeitung zu ermöglichen. Die Bearbeitung durch den zuständigen Mitarbeiter in der nicht automatisierten Kreditprüfung habe frühestens in der 40. Kalenderwoche beginnen können. In der 40. Kalenderwoche sei der 3.10.2007, ein Feiertag, gelegten, an dem nicht gearbeitet werde. Das Schreiben vom 8.10.2007 sei am 5.10.2007 angestoßen worden.

Wegen der Einzelheiten des jeweiligen Sachvortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Das Gericht, das mit Beschluss vom 14.4.2009 die Einvernahme von Zeugen beschlossen hatte, hat keine Beweisaufnahme durchgeführt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Ansprüche der Klägerin ergeben sich aus § 433 BGB. Das Angebot seitens der Beklagten liegt in deren Schreiben vom 27.9.2007, die Klägerin hat dieses Angebot durch Zahlung der geforderten Anzahlung bzw. des Kaufpreises insgesamt angenommen.

Die Beklagte hat ihre Willenserklärung nicht rechtzeitig angefochten. Dies gilt auch dann, wenn sie tatsächlich am 8.10.2007 ein entsprechendes Schreiben, das auch eine Anfechtungserklärung beinhaltet, auch an die Klägerin geschickt haben sollte. § 121 BGB verlangt für die Anfechtung von Willenserklärungen, dass diese Anfechtungserklärung unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen müsse. Die Beklagte hat von ihrem Irrtum am 25.9.2007 Kenntnis erlangt. Sie hat zu belegen (vgl. Singer in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2004, Rn. 10 zu § 121 BGB), dass ihre Anfechtungserklärung, die Verzögerungen, nicht schuldhaft erfolgt sind. Ein eventuelles Zuwarten ist dann nicht schuldhaft, wenn es durch die Umstände des Falles geboten ist (vgl. Kramer, Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., Rn. 6 zu § 121 BGB). Mängel in der kaufmännischen Organisation sind einem Kaufmann zuzurechnen, bei einem Großunternehmen kann eine Betriebsstruktur erwartet werden, die das schnellstmögliche Beschaffen von Daten von Kunden, gegenüber denen die Anfechtung erklärt werden soll, ermöglicht (Kramer a. a. O.). Aus dem Vortrag der Beklagten vom 23.7.2009 ergibt sich, dass sie es nicht in der Hand hatte, zu erfahren, welche Kunden das von ihr irrtümlich zu einem falschen Preis angebotene Fernsehgerät erwerben wollten. Man musste abwarten, bis eine entsprechende Anzahlung geleistet war und erst dann gab das Kreditprüfungsprogramm die einzelnen Besteller frei für die „händische“ Nachbearbeitung. Auch ergibt sich aus diesem Schriftsatz, dass die Beklagte offensichtlich nur einen Mitarbeiter abgestellt hatte, um die einzelnen Kunden anzuschreiben. Die Beklagte hat deshalb bei einem unzureichenden EDV-Sys im personellen Bereich unzureichend reagiert. Die allgemein übliche 2-Wochen-Frist (vgl. Palandt/Heinrichs, 66. Aufl., Rn. 3 zu § 121 BGB) kann ihr nicht zugebilligt werden. Diese Frist stellt eine Obergrenze dar, die eine angemessene Überlegungsfrist mit beinhaltet. Einer Überlegungsfrist bedurfte jedoch die Beklagte nicht. Diese hatte den Fehler bereits am Ausgabedatum der Anzeige bemerkt und hat auch an diesem Tag bereits versucht, den Fehler zu beheben. Ein etwaiges Nachdenken oder ähnliches, ob man den Vertrag weiterlaufen lassen sollte oder ob man ihn anfechten könne, war also nicht veranlasst. Entsprechend wurde auch bereits am Folgetag bzw. einen Tag später das Anfechtungsschreiben im Hause der Beklagten entworfen. Es wäre Aufgabe der Beklagten in diesem Verfahren gewesen, darzustellen, welche organisatorischen Bemühungen man unternommen hat, um dieses Anfechtungsschreiben unverzüglich an die Kunden verschicken zu können. Es war nicht durch die Umstände des Falles, sondern durch Mängel der kaufmännischen Organisation bedingt, dass ein Schreiben erst mehr als 10 Tage, nachdem es verfasst wurde, auf den Weg zum jeweiligen Ansprechpartner gebracht werden konnte.

Damit muss sich die Beklagte an ihrer Willenserklärung vom 27.9.2007 festhalten lassen. Die Klage ist begründet. Dies gilt auch für die vorgerichtlichen Anwaltskosten, deren Höhe nicht bestritten wurde.

Kosten: § 91 ZPO.

Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.

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