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Kündigung (fristlose) – angeblicher Diebstahlsvorwurf

Arbeitsgericht Frankfurt am Main

Az: 7 Ca 4868/10

Urteil vom 09.02.2011


In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Kammer 7, auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2011 für Recht erkannt:

1.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 aufgelöst ist.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.

3.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 5.160,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Die Beklagte nimmt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung am Rechtsverkehr teil und bietet Finanzdienstleistungen an, die auf weltweite Geldtransfergeschäfte spezialisiert sind. Die Beklagte hat ihren Sitz in ….. (AG Charlottenburg, HRB …..), verfügt aber neben einem Filialbetrieb in Frankfurt am Main über ein weltweites Filialsystem. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Bei ihr ist kein Betriebsrat gebildet. Die Filiale in Frankfurt am Main besteht im Wesentlichen aus einem Tresen und einem verglasten Schalterbereich, in dem die Kundengeschäfte abgewickelt werden. In den Filialen werden auch Telefonkarten an Kunden verkauft.

Der aus Kamerun stammende Kläger ist bei der Beklagten seit dem 07.07.2006 als sog. „Customer Service Representative“ aufgrund eines „Arbeitsvertrages“ zuletzt mit einem Bruttomonatsgehalt i.H.v. EUR 1.720,00 mit 40 Stunden pro Woche tätig. Zu den Aufgaben des Kläger zählen insbesondere die folgenden Tätigkeiten: Beratung der Kunden, Abwicklung der Geldtransfergeschäfte inkl. Kassiertätigkeit, Vertriebsunterstützung und Akquisition neuer Kunden (siehe § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages). Bzgl. des Arbeitsvertrages und diesbezügliche Änderungsverträge wird auf Bl. 18-28 d.A. Bezug genommen.

Vorgesetzte des Klägers in Frankfurt ist Frau …

Der Kläger und seine Vorgesetzte kommen offensichtlich nicht gut miteinander aus.

Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 06.05.2008 eine Abmahnung wegen eines nicht ganz ordnungsgemäßen Geldtransfers i.H.v. EUR 611,00 vom 03.04.2008. Auf das Abmahnschreiben auf Bl. 61 d.A. wird Bezug genommen.

In einer E-Mail des Klägers vom 22.02.2010 an die Geschäftsführerin der Beklagten schreibt der Kläger wörtlich: „[…] Ich habe die volle Verantwortung meiner Karten und ich muss sie bezahlen, das habe ich auch bereits getan. […] Mitte Dezember, habe ich 25 Karten zum Verkaufen von ……. bekommen. diese Karten habe ich am gleichen Tag im Schrank im Büro […] hingelegt. Am nächsten Tag hatte ich Dienst in einer anderen Filiale. […] Der darauf folgende Tag hatte ich wieder Dienst in … am ………… zusammen mit ….. und ……. Als ein Kunde eine Telefonkarte kaufen wollte, habe ich im Schrank geschaut und die Karten waren nicht mehr da und der Schrank aufgeräumt. So fragte ich meinen anwesenden Kollegen und ….. antwortete: „…… hat Deine Karten genommen.“ […]“. Bzgl. des genauen Wortlauts der E-Mail wird auf Bl. 59-60 d.A. Bezug genommen.

Soweit es einen angeblichen Vorfall vom 17.06.2008 mit einem Fernseher während der Fußball-WM in Südafrika 2010 betrifft, ist dieser zwischen den Parteien umstritten. Unstreitig ist, dass der Kläger an dem Tag in der Filiale zum Dienst eingeteilt war und gearbeitet hat. Die Beklagte hat allerdings weder Beginn noch Ende der Arbeitszeit des Klägers an diesem Tag näher dargelegt.

Mit Schreiben vom 28.06.2010, dem Kläger spätestens am 02.07.2010 – an diesem Tag hat er die Prozessvollmacht für seinen Prozessbevollmächtigten wegen „Kündigungsschutz“ unterschrieben (siehe Bl. 16 d.A.) – zugegangen, kündigte die Beklagte den „Anstellungsvertrag fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin“ (siehe Bl. 17 d.A.).

Der Kläger behauptet, er werde schon seit längerem von seiner Vorgesetzten in rassistischer Weise beleidigt. Soweit es den Vorfall vom 17.06.2010 betrifft, behauptet der Kläger, dass seine Vorgesetzte, als er in der Filiale eintraf, bereits anwesend gewesen sei, da sie Frühdienst gehabt hätte. Er und seine Vorgesetzte hätten zusammen den Fernseher aufgebaut. Allerdings seien die Installationsversuche erfolglos geblieben, obwohl Frau .. …….. zum Kläger gesagt haben soll, sie kenne das betreffende Modell des tragbaren Fernsehens. Der Kläger habe daher kein Fußballspiel gesehen bzw. nicht sehen können.

Unter Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags beantragt der Kläger zuletzt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 aufgelöst ist;

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass es im Arbeitsverhältnis bereits mehrfach durch den Kläger verursachte Störungen gegeben habe. Ihrer Ansicht nach würde schwer bereits die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Klägers aus dem Jahre 2008 bzgl. des Geldtransfers wiegen. Zu Beginn des Jahres 2010 hätte der mit der E-Mail vom 22.02.2010 seine Vorgesetzte gegenüber der Geschäftsleitung beschuldigt, Telefonkarten entwendet zu haben, die aber tatsächlich durch eine Unachtsamkeit des Klägers hinter einen Drucker im Geschäftsraum gefallen seien und dort später im Rahmen von Aufräumarbeiten wiedergefunden worden seien. Soweit es den Vorfall vom 17.06.2010 betrifft, behauptet die Beklagte, der Kläger hätte einen eigens mitgebrachten, tragbaren Fernseher mitten auf dem Tresen aufgebaut, um auf diesem die zu dieser Zeit stattfindenden Begegnungen der Fußball-WM in Südafrika 2010 zu sehen. Der Fernseher sei vom Kläger tatsächlich verwendet worden und Frau .. ……… hätte auch gesehen, dass der Kläger sich ein Fußballspiel anschaute. Schließlich behauptet die Beklagte, sie habe dem Kläger „unzählige Male mündlich und in Form der Abmahnung vom 06.05.2008 auf schriftlich bedeutet, dass fortgesetztes vertragsbrüchige Verhalten nicht toleriert werde“ (siehe Bl. 55 d.A.).

Die Klageschrift ging beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 14.07.2010 ein und wurde der Beklagten am 28.07.2010 zugestellt (Bl. 30 d.A.). Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen und damit auf die Gerichtsakte Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet, so dass ihr stattzugeben ist.

I.

Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für den Kündigungsschutzantrag gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b.) ArbGG gegeben, da es um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses geht. Der Ort der regelmäßigen Arbeitsleistung (§ 48 Abs. 1a ArbGG) in Frankfurt am Main gehört zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des erkennenden Arbeitsgerichts. Das gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 495 Abs. 1, 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für den Kündigungsschutzantrag liegt vor, da es dem Kläger unabhängig von den Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG gemäß §§ 4, 7, 13 KSchG obliegt, die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung binnen der Präklusionsfrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung gerichtlich geltend zu machen.

II.

Die Kündigungsschutzklage bzgl. der fristlosen Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 ist begründet, denn die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis nicht gemäß § 626 Abs. 1, Abs. 2 BGB rechtswirksam aufgrund wichtigen Grundes gekündigt.

1.

Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 wahrt zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB und ist dem Kläger spätestens am 02.07.2010 zugegangen, wobei die Beklagte insofern kein genaues Zugangsdatum benennt.

2.

Der Kläger hat auch die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG (i.V.m. § 13 KSchG) gewahrt, da er im Hinblick auf die streitgegenständliche Kündigung in jedem Fall fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben hat, die der Beklagten auch demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde.

3.

Soweit die Beklagte den nicht ganz ordnungsgemäßen Geldtransfer des Klägers aus dem Jahre 2008 und den angebliche Diebstahlsvorwurf bzgl. seiner Vorgesetzen in der E-Mai des Klägers vom 22.02.2010 heranzieht, scheiden beide Vorfälle – unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein arbeitsvertraglicher Pflichtenverstoß vorliegt – bereits deswegen für eine fristlose Kündigung als Kündigungsgrund aus, da die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB von 2 Wochen nicht eingehalten ist.

4.

Soweit es den umstrittenen Vorfall vom 17.06.2010 betrifft, scheidet eine fristlose Kündigung aus mehreren Gründen aus:

a)

Zunächst einmal hat die Beklagte insofern auch nicht die Kündigungserklärung des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, denn der Sachverhalt vom 17.06.2010 war ihr unmittelbar bekannt und die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB lief somit am 1. Juli 2010 ab. Da die Beklagte kein Zugangsdatum ausdrücklich geschweige denn eines vor dem 02.07.2010 benannt hat, ist allein schon deswegen § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt.

b)

Vorliegend ist allerdings für die Beklagte auch kein Kündigungsgrund gegeben, denn das Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grunds i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB ist nicht erfüllt.

Für einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes in zwei Stufen geprüft. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt, der zu einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung geführt hat, ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Dieser Sachverhalt muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung objektiv vorliegen. Ist hiernach ein Sachverhalt an sich geeignet, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die außerordentliche Kündigung nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände als gerechtfertigt angesehen werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn die fristlose Kündigung die ultima ratio für den Kündigungsberechtigten war, d.h. mildere Mittel unzumutbar waren (siehe Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, 10. Aufl., München, 2010, § 626 BGB, Rz. 34, 44, 62).

Hieran gemessen liegen nicht einmal die Voraussetzungen der 1. Stufe für eine fristlose Kündigung des Klägers vor, selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger hätte am 17.06.2010 eigens einen tragfähigen Fernseher mitgebracht, diesen aufgebaut und Fußballspiele gesehen. Abgesehen davon, dass der Vorwurf zeitlich (morgens, mittags, abends?) und von seiner Dauer nicht eingegrenzt ist und nicht in Bezug zur Arbeitszeit des Klägers gesetzt wurde, rechtfertigt das erstmalige Ansehen eines Fußballspiels während einer Fußball-WM, zumal ohne vorherige einschlägige Abmahnung, keinesfalls eine fristlose Kündigung. Weder ist dargelegt, dass sich Kunden etc. beschwert hätten oder ob überhaupt währenddessen zugegen waren. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass während der Fußball-WM angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung von Fußball, gerade auch auf dem afrikanischen Kontinent, das Ansehen von Fußballspielen als sozial-adäquat eingestuft wird, so dass das Gewicht der – unterstellten – arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung als im untersten Bereich anzusehen ist.

III.

Die Kündigungsschutzklage bzgl. der hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 ist ebenfalls begründet, denn die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis nicht gemäß § 1 Abs.2 KSchG verhaltensbedingt gekündigt. Die Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt, da ein Fehlverhalten des Klägers in Form einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt wurde.

1.

Die Kündigungsschutzregelungen finden aufgrund der Beschäftigungszeit des Klägers und der von der Beklagten nicht bestrittenen und damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehenden Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer auf das vorliegende Arbeitsverhältnis Anwendung (§§ 1, 23 KSchG).

2.

Soweit die Beklagte den nicht ganz ordnungsgemäßen Geldtransfer des Klägers aus dem Jahre 2008 als Kündigungsgrund heranzieht, scheitert dies bereits daran, dass der Vorfall von der Beklagten abgemahnt wurde, wodurch insofern das Kündigungsrecht „verbraucht“ ist.

3.

Die Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 ist allerdings wegen der weiteren von der Beklagten herangezogenen Kündigungsgründe gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht sozial gerechtfertigt.

Die Rechtmäßigkeit einer verhaltensbedingten Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in drei Stufen zu prüfen (siehe Griebeling, in: KR, 8. Aufl., Neuwied u.a., 2007, § 1 KSchG, Rz. 404 ff.). In der ersten Stufe, für die der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet ist, müsste ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen (siehe Griebeling, in: KR, 8. Aufl., Neuwied u.a., 2007, § 1 KSchG, Rz. 404, 395 ff.). Hierfür ist ein steuer- und zurechenbares sowie vorwerfbares (= schuldhaftes) Verhalten des Arbeitnehmers erforderlich, mit dem dieser seine ihm obliegenden Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt. Ein derartiges vertragswidriges Verhalten kann sowohl den Leistungs- als auch den Vertrauensbereich betreffen.

a)

Soweit es die E-Mail des Klägers vom 22.02.2010 betrifft, vermag die Kammer bereits dem Wortlaut nach kein ehrenrühriges Verhalten gegenüber der Vorgesetzten Frau .. ……… erkennen. Der Kläger zitiert vielmehr seinen Kollegen ….. und stellt nicht selbst eine (etwaige) ehrenrührige oder unwahre Tatsachenbehauptung auf. Selbst wenn dies aber annähme, wäre der Kläger wegen § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) gerechtfertigt, denn immerhin muss er unstreitig für den Verlust von Telefonkarten, die ihm zugeordnet sind, einstehen, so dass er im Falle des Abhandenkommens von Telefonkarten ein auch finanzielles Interesse daran hat zu klären, wer dafür verantwortlich ist.

b)

Soweit es den Vorfall vom 17.06.2010 betrifft und soweit man zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger hätte am 17.06.2010 eigens einen tragfähigen Fernseher mitgebracht, diesen aufgebaut und Fußballspiele gesehen, reicht dies als Kündigungsgrund ebenfalls nicht aus. Abgesehen davon, dass der Vorwurf zeitlich (morgens, mittags, abends?) und von seiner Dauer nicht eingegrenzt und nicht in Bezug zur Arbeitszeit des Klägers gesetzt wurde, rechtfertigt das erstmalige Ansehen eines Fußballspiels während einer Fußball- WM, zumal ohne vorherige einschlägige Abmahnung, keinesfalls eine fristlose Kündigung. Weder ist dargelegt, dass sich Kunden etc. beschwert hätten oder ob überhaupt währenddessen zugegen waren. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass während er Fußball-WM angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung von Fußball, gerade auch auf dem afrikanischen Kontinent, das Ansehen von Fußballspielen als sozial-adäquat eingestuft wird, so dass das Gewicht der – unterstellten – arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung als im untersten Bereich anzusehen ist. Insofern ist grdsl. zuvor eine einschlägige Abmahnung zu verlangen. Derartige gibt es jedoch nicht. Die Abmahnung vom 06.05.2008 berührt einen völlig anderen Pflichtenkreis. Im Übrigen hat die Beklagte lediglich unsubstantiiert behauptet, die habe dem Kläger weitere Abmahnungen erteilt, ohne dies näher nach Ort, Zeit und Inhalt zu konkretisieren. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das Kündigungsrecht einen prognostischen Charakter hat, d.h. es soll ein – unterstellter – Pflichtenverstoß nicht „bestraft“ werden. Angesichts der doch erheblich eingeschränkten Wiederholungsgefahr dieses – unterstellten – Verhaltens des Klägers scheidet eine Kündigung ebenfalls aus.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG, da sich die Kostentragungslast nach den jeweiligen Obsiegens- und Unterliegensanteilen richtet. Der Kläger unterliegt bezogen auf den GKG-Streitwert lediglich mit der Teilklagrücknahme des sog. allg. Feststellungsantrages.

V.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Wert des Streitgegenstandes ist vorliegend auf EUR 5.160,00 festzusetzen. Dies entspricht für den Kündigungsschutzantrag drei Bruttomonatsgehältern des Klägers á EUR 1.720,00.

VI.

Eine Entscheidung über die Zulassung ist entbehrlich, da die Berufung bereits von Gesetzes wegen zugelassen ist, § 64 Abs. 2 lit. c.) ArbGG.

Arbeitsgericht Frankfurt am Main

Az: 7 Ca 4868/10

Urteil vom 09.02.2011

 

In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Kammer 7, auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2011 für Recht erkannt:

1.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 aufgelöst ist.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.

3.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 5.160,00 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Die Beklagte nimmt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung am Rechtsverkehr teil und bietet Finanzdienstleistungen an, die auf weltweite Geldtransfergeschäfte spezialisiert sind. Die Beklagte hat ihren Sitz in ….. (AG Charlottenburg, HRB …..), verfügt aber neben einem Filialbetrieb in Frankfurt am Main über ein weltweites Filialsystem. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Bei ihr ist kein Betriebsrat gebildet. Die Filiale in Frankfurt am Main besteht im Wesentlichen aus einem Tresen und einem verglasten Schalterbereich, in dem die Kundengeschäfte abgewickelt werden. In den Filialen werden auch Telefonkarten an Kunden verkauft.

Der aus Kamerun stammende Kläger ist bei der Beklagten seit dem 07.07.2006 als sog. „Customer Service Representative“ aufgrund eines „Arbeitsvertrages“ zuletzt mit einem Bruttomonatsgehalt i.H.v. EUR 1.720,00 mit 40 Stunden pro Woche tätig. Zu den Aufgaben des Kläger zählen insbesondere die folgenden Tätigkeiten: Beratung der Kunden, Abwicklung der Geldtransfergeschäfte inkl. Kassiertätigkeit, Vertriebsunterstützung und Akquisition neuer Kunden (siehe § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages). Bzgl. des Arbeitsvertrages und diesbezügliche Änderungsverträge wird auf Bl. 18-28 d.A. Bezug genommen.

Vorgesetzte des Klägers in Frankfurt ist Frau …

Der Kläger und seine Vorgesetzte kommen offensichtlich nicht gut miteinander aus.

Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 06.05.2008 eine Abmahnung wegen eines nicht ganz ordnungsgemäßen Geldtransfers i.H.v. EUR 611,00 vom 03.04.2008. Auf das Abmahnschreiben auf Bl. 61 d.A. wird Bezug genommen.

In einer E-Mail des Klägers vom 22.02.2010 an die Geschäftsführerin der Beklagten schreibt der Kläger wörtlich: „[…] Ich habe die volle Verantwortung meiner Karten und ich muss sie bezahlen, das habe ich auch bereits getan. […] Mitte Dezember, habe ich 25 Karten zum Verkaufen von ……. bekommen. diese Karten habe ich am gleichen Tag im Schrank im Büro […] hingelegt. Am nächsten Tag hatte ich Dienst in einer anderen Filiale. […] Der darauf folgende Tag hatte ich wieder Dienst in … am ………… zusammen mit ….. und ……. Als ein Kunde eine Telefonkarte kaufen wollte, habe ich im Schrank geschaut und die Karten waren nicht mehr da und der Schrank aufgeräumt. So fragte ich meinen anwesenden Kollegen und ….. antwortete: „…… hat Deine Karten genommen.“ […]“. Bzgl. des genauen Wortlauts der E-Mail wird auf Bl. 59-60 d.A. Bezug genommen.

Soweit es einen angeblichen Vorfall vom 17.06.2008 mit einem Fernseher während der Fußball-WM in Südafrika 2010 betrifft, ist dieser zwischen den Parteien umstritten. Unstreitig ist, dass der Kläger an dem Tag in der Filiale zum Dienst eingeteilt war und gearbeitet hat. Die Beklagte hat allerdings weder Beginn noch Ende der Arbeitszeit des Klägers an diesem Tag näher dargelegt.

Mit Schreiben vom 28.06.2010, dem Kläger spätestens am 02.07.2010 – an diesem Tag hat er die Prozessvollmacht für seinen Prozessbevollmächtigten wegen „Kündigungsschutz“ unterschrieben (siehe Bl. 16 d.A.) – zugegangen, kündigte die Beklagte den „Anstellungsvertrag fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin“ (siehe Bl. 17 d.A.).

Der Kläger behauptet, er werde schon seit längerem von seiner Vorgesetzten in rassistischer Weise beleidigt. Soweit es den Vorfall vom 17.06.2010 betrifft, behauptet der Kläger, dass seine Vorgesetzte, als er in der Filiale eintraf, bereits anwesend gewesen sei, da sie Frühdienst gehabt hätte. Er und seine Vorgesetzte hätten zusammen den Fernseher aufgebaut. Allerdings seien die Installationsversuche erfolglos geblieben, obwohl Frau .. …….. zum Kläger gesagt haben soll, sie kenne das betreffende Modell des tragbaren Fernsehens. Der Kläger habe daher kein Fußballspiel gesehen bzw. nicht sehen können.

Unter Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags beantragt der Kläger zuletzt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 aufgelöst ist;

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass es im Arbeitsverhältnis bereits mehrfach durch den Kläger verursachte Störungen gegeben habe. Ihrer Ansicht nach würde schwer bereits die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Klägers aus dem Jahre 2008 bzgl. des Geldtransfers wiegen. Zu Beginn des Jahres 2010 hätte der mit der E-Mail vom 22.02.2010 seine Vorgesetzte gegenüber der Geschäftsleitung beschuldigt, Telefonkarten entwendet zu haben, die aber tatsächlich durch eine Unachtsamkeit des Klägers hinter einen Drucker im Geschäftsraum gefallen seien und dort später im Rahmen von Aufräumarbeiten wiedergefunden worden seien. Soweit es den Vorfall vom 17.06.2010 betrifft, behauptet die Beklagte, der Kläger hätte einen eigens mitgebrachten, tragbaren Fernseher mitten auf dem Tresen aufgebaut, um auf diesem die zu dieser Zeit stattfindenden Begegnungen der Fußball-WM in Südafrika 2010 zu sehen. Der Fernseher sei vom Kläger tatsächlich verwendet worden und Frau .. ……… hätte auch gesehen, dass der Kläger sich ein Fußballspiel anschaute. Schließlich behauptet die Beklagte, sie habe dem Kläger „unzählige Male mündlich und in Form der Abmahnung vom 06.05.2008 auf schriftlich bedeutet, dass fortgesetztes vertragsbrüchige Verhalten nicht toleriert werde“ (siehe Bl. 55 d.A.).

Die Klageschrift ging beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 14.07.2010 ein und wurde der Beklagten am 28.07.2010 zugestellt (Bl. 30 d.A.). Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen und damit auf die Gerichtsakte Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet, so dass ihr stattzugeben ist.

I.

Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für den Kündigungsschutzantrag gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b.) ArbGG gegeben, da es um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses geht. Der Ort der regelmäßigen Arbeitsleistung (§ 48 Abs. 1a ArbGG) in Frankfurt am Main gehört zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des erkennenden Arbeitsgerichts. Das gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 495 Abs. 1, 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für den Kündigungsschutzantrag liegt vor, da es dem Kläger unabhängig von den Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG gemäß §§ 4, 7, 13 KSchG obliegt, die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung binnen der Präklusionsfrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung gerichtlich geltend zu machen.

II.

Die Kündigungsschutzklage bzgl. der fristlosen Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 ist begründet, denn die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis nicht gemäß § 626 Abs. 1, Abs. 2 BGB rechtswirksam aufgrund wichtigen Grundes gekündigt.

1.

Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 wahrt zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB und ist dem Kläger spätestens am 02.07.2010 zugegangen, wobei die Beklagte insofern kein genaues Zugangsdatum benennt.

2.

Der Kläger hat auch die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG (i.V.m. § 13 KSchG) gewahrt, da er im Hinblick auf die streitgegenständliche Kündigung in jedem Fall fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben hat, die der Beklagten auch demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde.

3.

Soweit die Beklagte den nicht ganz ordnungsgemäßen Geldtransfer des Klägers aus dem Jahre 2008 und den angebliche Diebstahlsvorwurf bzgl. seiner Vorgesetzen in der E-Mai des Klägers vom 22.02.2010 heranzieht, scheiden beide Vorfälle – unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein arbeitsvertraglicher Pflichtenverstoß vorliegt – bereits deswegen für eine fristlose Kündigung als Kündigungsgrund aus, da die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB von 2 Wochen nicht eingehalten ist.

4.

Soweit es den umstrittenen Vorfall vom 17.06.2010 betrifft, scheidet eine fristlose Kündigung aus mehreren Gründen aus:

a)

Zunächst einmal hat die Beklagte insofern auch nicht die Kündigungserklärung des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, denn der Sachverhalt vom 17.06.2010 war ihr unmittelbar bekannt und die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. .2 BGB lief somit am 1. Juli 2010 ab. Da die Beklagte kein Zugangsdatum ausdrücklich geschweige denn eines vor dem 02.07.2010 benannt hat, ist allein schon deswegen § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt.

b)

Vorliegend ist allerdings für die Beklagte auch kein Kündigungsgrund gegeben, denn das Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grunds i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB ist nicht erfüllt.

Für einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes in zwei Stufen geprüft. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt, der zu einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung geführt hat, ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Dieser Sachverhalt muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung objektiv vorliegen. Ist hiernach ein Sachverhalt an sich geeignet, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die außerordentliche Kündigung nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände als gerechtfertigt angesehen werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn die fristlose Kündigung die ultima ratio für den Kündigungsberechtigten war, d.h. mildere Mittel unzumutbar waren (siehe Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar, 10. Aufl., München, 2010, § 626 BGB, Rz. 34, 44, 62 ).

Hieran gemessen liegen nicht einmal die Voraussetzungen der 1. Stufe für eine fristlose Kündigung des Klägers vor, selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger hätte am 17.06.2010 eigens einen tragfähigen Fernseher mitgebracht, diesen aufgebaut und Fußballspiele gesehen. Abgesehen davon, dass der Vorwurf zeitlich (morgens, mittags, abends?) und von seiner Dauer nicht eingegrenzt ist und nicht in Bezug zur Arbeitszeit des Klägers gesetzt wurde, rechtfertigt das erstmalige Ansehen eines Fußballspiels während einer Fußball-WM, zumal ohne vorherige einschlägige Abmahnung, keinesfalls eine fristlose Kündigung. Weder ist dargelegt, dass sich Kunden etc. beschwert hätten oder ob überhaupt währenddessen zugegen waren. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass während der Fußball-WM angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung von Fußball, gerade auch auf dem afrikanischen Kontinent, das Ansehen von Fußballspielen als sozial-adäquat eingestuft wird, so dass das Gewicht der – unterstellten – arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung als im untersten Bereich anzusehen ist.

III.

Die Kündigungsschutzklage bzgl. der hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 ist ebenfalls begründet, denn die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis nicht gemäß § 1 Abs.2 KSchG verhaltensbedingt gekündigt. Die Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt, da ein Fehlverhalten des Klägers in Form einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt wurde.

1.

Die Kündigungsschutzregelungen finden aufgrund der Beschäftigungszeit des Klägers und der von der Beklagten nicht bestrittenen und damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehenden Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer auf das vorliegende Arbeitsverhältnis Anwendung (§§ 1, 23 KSchG).

2.

Soweit die Beklagte den nicht ganz ordnungsgemäßen Geldtransfer des Klägers aus dem Jahre 2008 als Kündigungsgrund heranzieht, scheitert dies bereits daran, dass der Vorfall von der Beklagten abgemahnt wurde, wodurch insofern das Kündigungsrecht „verbraucht“ ist.

3.

Die Kündigung der Beklagten vom 28.06.2010 ist allerdings wegen der weiteren von der Beklagten herangezogenen Kündigungsgründe gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht sozial gerechtfertigt.

Die Rechtmäßigkeit einer verhaltensbedingten Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in drei Stufen zu prüfen (siehe Griebeling, in: KR, 8. Aufl., Neuwied u.a., 2007, § 1 KSchG, Rz. 404 ff. ). In der ersten Stufe, für die der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet ist, müsste ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen (siehe Griebeling, in: KR, 8. Aufl., Neuwied u.a., 2007, § 1 KSchG, Rz. 404, 395 ff. ). Hierfür ist ein steuer- und zurechenbares sowie vorwerfbares (= schuldhaftes) Verhalten des Arbeitnehmers erforderlich, mit dem dieser seine ihm obliegenden Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt. Ein derartiges vertragswidriges Verhalten kann sowohl den Leistungs- als auch den Vertrauensbereich betreffen.

a)

Soweit es die E-Mail des Klägers vom 22.02.2010 betrifft, vermag die Kammer bereits dem Wortlaut nach kein ehrenrühriges Verhalten gegenüber der Vorgesetzten Frau .. ……… erkennen. Der Kläger zitiert vielmehr seinen Kollegen ….. und stellt nicht selbst eine (etwaige) ehrenrührige oder unwahre Tatsachenbehauptung auf. Selbst wenn dies aber annähme, wäre der Kläger wegen § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) gerechtfertigt, denn immerhin muss er unstreitig für den Verlust von Telefonkarten, die ihm zugeordnet sind, einstehen, so dass er im Falle des Abhandenkommens von Telefonkarten ein auch finanzielles Interesse daran hat zu klären, wer dafür verantwortlich ist.

b)

Soweit es den Vorfall vom 17.06.2010 betrifft und soweit man zugunsten der Beklagten unterstellt, der Kläger hätte am 17.06.2010 eigens einen tragfähigen Fernseher mitgebracht, diesen aufgebaut und Fußballspiele gesehen, reicht dies als Kündigungsgrund ebenfalls nicht aus. Abgesehen davon, dass der Vorwurf zeitlich (morgens, mittags, abends?) und von seiner Dauer nicht eingegrenzt und nicht in Bezug zur Arbeitszeit des Klägers gesetzt wurde, rechtfertigt das erstmalige Ansehen eines Fußballspiels während einer Fußball- WM, zumal ohne vorherige einschlägige Abmahnung, keinesfalls eine fristlose Kündigung. Weder ist dargelegt, dass sich Kunden etc. beschwert hätten oder ob überhaupt währenddessen zugegen waren. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass während er Fußball-WM angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung von Fußball, gerade auch auf dem afrikanischen Kontinent, das Ansehen von Fußballspielen als sozial-adäquat eingestuft wird, so dass das Gewicht der – unterstellten – arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung als im untersten Bereich anzusehen ist. Insofern ist grdsl. zuvor eine einschlägige Abmahnung zu verlangen. Derartige gibt es jedoch nicht. Die Abmahnung vom 06.05.2008 berührt einen völlig anderen Pflichtenkreis. Im Übrigen hat die Beklagte lediglich unsubstantiiert behauptet, die habe dem Kläger weitere Abmahnungen erteilt, ohne dies näher nach Ort, Zeit und Inhalt zu konkretisieren. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das Kündigungsrecht einen prognostischen Charakter hat, d.h. es soll ein – unterstellter – Pflichtenverstoß nicht „bestraft“ werden. Angesichts der doch erheblich eingeschränkten Wiederholungsgefahr dieses – unterstellten – Verhaltens des Klägers scheidet eine Kündigung ebenfalls aus.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG, da sich die Kostentragungslast nach den jeweiligen Obsiegens- und Unterliegensanteilen richtet. Der Kläger unterliegt bezogen auf den GKG-Streitwert lediglich mit der Teilklagrücknahme des sog. allg. Feststellungsantrages.

V.

Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes im Urteil beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Wert des Streitgegenstandes ist vorliegend auf EUR 5.160,00 festzusetzen. Dies entspricht für den Kündigungsschutzantrag drei Bruttomonatsgehältern des Klägers á EUR 1.720,00.

VI.

Eine Entscheidung über die Zulassung ist entbehrlich, da die Berufung bereits von Gesetzes wegen zugelassen ist, § 64 Abs. 2 lit. c.) ArbGG.

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